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Elektronische Fußfessel – eine Zusammenstellung

Seit Montag, 29.08.2011 ist es amtlich. Die elektronische Fußfessel, über deren Sinn und Nutzen schon seit einiger Zeit diskutiert wird, soll ab nächstem Jahr bei der Überwachung rückfallgefährdeter Straftäter helfen. Die Bundesländer wollen dabei gemeinsam die Technik anschaffen und nutzen. Am Montag haben einige Bundesländer, darunter Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, einen Staatsvertrag unterschrieben.

Die Frage, die sich nun stellt: Was bringt die Maßnahme? Es würde m.E. zu weit führen, das hier im einzelnen zu diskutieren und/oder darzulegen. Daher will ich mich auf einen Überblick mit weiterführenden Hinweisen zu der Problematik beschränken. Dazu – heute auch Rechtslupe (tja, man kann nicht immer der erste sein; oder: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben) – u.a.:

  1. Aus der Badischen Zeitung: Nur zusätzliche Kosten und Scherereien?
  2. Aus der SZ: Sparfuchs als Überwachungsmeister.
  3. Polizei zweifelt an Fußfessel.
  4. Und: Die Fußfessel hat auch schon die Rechtsprechung beschäftigt. So nimmt das OLG Rostock, Beschl. v. 28.03.2011 – I Ws 62/11 zur Frage der Zulässigkeit eine elektronischen Fußfessel im Rahmen der Führungsaufsicht bei der Sicherungsverwahrung Stellung (vgl. § 66b Abs . 1 Satz 1 Nr. 12 StGB; und dazu der Kollege Ferner hier). Anhängig ist zu der Frage inzwischen auch eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG, vgl. dazu hier die PM.

Polizei-NRW-21… Polizei arbeitet in NRW wieder mit Bleistift

Unter dem treffenden Titel „Polizei zückt wieder Bleistifte“ wird heute u.a. in den Westfälischen Nachrichten über massive Computerprobleme bei der Polizei NRW berichtet, mit denen diese nach Aufspielen eines Updates Anfang Oktober 2010 zu kämpfen hat.

Probleme gibt es wohl (nur?) bei der elektronischen Datenübermittlung an die Staatsanwaltschaft. Da sei es zu einem Rückstau gekommen von bis zu 100.000 Verfahren gekommen, der jetzt von der Polizei in (Sonder-?)Schichten aufgearbeitet wird. Bei täglich 5.000 – 6.000 Verfahren, die man abarbeitet, hat man da mehr als 14 Tage mit zu tun.

Na ja, wie geschrieben: Polizei-NRW-21, oder: Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen. Man fragt sich, ob so etwas nicht zu verhindern ist/wäre.

Haben wir das nicht alles schon mal gehört, aber: Neu ist: Der Richtervorbehalt muss bleiben

Der Kollege Vetter berichtet gerade über ein Gespräch mit dem neuen JM des Landes NRW unter dem schönen Titel „Pleiten, Pech und Pannen„. Nicht, dass es jetzt schon zu neuen „Pleiten/Pech und Pannen“ gekommen wäre. Nein, damit meint der neue JM Kutschaty (natürlich) die Amtsführung seiner Vorgängerin, die sicherlich nicht so ganz glücklich war. Interessant, was „der Neue“ so alles vor hat. Allerdings habe ich das – gefühlt – alles schon mal gelesen und gehört.

Vor allem die Passage:

Eine Beschleunigung ist immer gut, dabei dürfen aber Verfahrensrechte Betroffener nicht auf der Strecke bleiben. Ich will in erster Linie eine andere Führungskultur erreichen und damit alle Mitarbeiter motivieren. Wir sind bei der Justiz für die Bürger da, wir müssen an einem Strang ziehen. Ich will aber auch den stärkeren Einsatz von Informationstechnologie fördern. Warum ist ein Sitzungsprotokoll erst nach drei Wochen fertig? Das kann schneller gehen!“

Im Grunde ein Satz heißer Luft oder: Viel Lärm um Nichts. Der Satz „Wir sind bei der Justiz für die Bürger da, wir müssen an einem Strang ziehen“ ist in meinen Augen mehr als ausgelutscht. Zudem fragt man sich, in welche Richtung gezogen werden soll.

Und: Förderung der Informationstechnologie? Das erinnert mich an „Justiz 2000“. Das Programm hat immerhin dann 2003 neue Computer gebracht, allerdings aus einer Generation, die „leicht“ veraltet war. Und man konnte noch nicht einmal eigene CDs einlegen, mit der Folge, dass ich meine StV-CD im Dienst nicht gebrauchen konnte.

Das einzig neue Interessante in dem Interview ist der Satz: Der Richtervorbehalt muss bleiben. Da wird sich der 3. Strafsenat des OLG Hamm als Wegbereiter freuen.

Kraft-Akt in NRW: So könnte das neue rot/grüne Kabinett aussehen

Der Bär ist in NRW  noch nicht erlegt, da wird das Fell schon verteilt und es kursieren die ersten Listen, wer in einem Kraft-Kabinett Minster(in) werden könnte.

Uns Juristen interessiert natürlich besonders, wer JM wird (ups, da schreibe ich doch lieber JuMin, damit der Kollege Melchior nicht wieder kommentieren muss :-). Im Gespräch bzw. auf der Liste ist die Grünen-Politikerin Anne Lütkes, eine Kölner Rechtsanwältin.

Allerdings: Man sollte sich als Rechtsanwalt nicht zu früh darüber freuen, dass der JM 🙂 aus dem eigenen Stall kommt. Die derzeitige Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter war Richterin und hat nach Meinung der (ehemaligen) Richterkollegen für die Richter auch nicht viel Neues/Gutes gebracht.

Die Karawane zieht weiter… auch Verschärfung des strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahrens

Auch hier eine Verschärfung. Das Land NRW hat im Bundesrat ein Gesetzesvorhaben, das in der letzten Legislaturperiode nicht zu Ende beraten worden war, wieder aufleben lassen, vgl. die BR-Drucksache 222/10. Danach sollen die Wiederaufnahmemöglichkeiten zu Ungunsten des Angeklagten erweitert werden, der vom

  • Vorwurf des Mordes,
  • eines ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Tötungsverbrechens nach dem Völkerstrafgesetzbuch oder
  • einer mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndenden Anstiftung zu diesen Straftaten

freigesprochenen worden ist.

Eine Wiederaufnahme soll dann zulässig sein, wenn neue, zum Zeitpunkt des Freispruchs nicht vorhandene technische Ermittlungsmethoden nachträglich zu der Erkenntnis führen, dass das freisprechende Urteil falsch ist. Zu diesem Zweck sieht der Entwurf die Einführung einer Nummer 5 in § 362 StPO vor. Zur Gewährleistung einer mit Blick auf Artikel 103 Absatz 3 GG für erforderlich gehaltenen restriktiven Handhabung des neuen Wiederaufnahmegrundes zuungunsten des Angeklagten soll in § 370 StPO vorgesehen werden, dass ein auf ihn gestützter Wiederaufnahmeantrag nur begründet ist, wenn dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Freigesprochene verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt werden wird, weil von seiner Schuldunfähigkeit auszugehen ist.

Auch hier also – wie schon durch das Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens – eine Verschärfung des geltenden Rechts.