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Pauschgebühr und Gebührenbestimmung – auf die Reihenfolge achten

§ 42 RVG sieht auch für den Wahlanwalt die Möglichkeit einer Pauschgebühr vor, die er sich vom OLG feststellen lassen kann. Ist insofern interessant, weil diese Pauschgebühr dann bindend für alle gebührenrechtlichen Verfahren ist, also z.B. auch für die Kostenerstattung nach einem Freispruch. Wenn man als Verteidiger den Weg über § 42 RVG gehen will, dann muss man nur die richtige Schrittfolge beachten. Zunächst sollte der Antrag nach § 42 RVG gestellt werden und nicht etwa die Kostenfestsetzung beantragt werden. Fängt man damit an, dann ist nämlich ggf. der Antrag nach § 42 RVG unzulässig, weil die Gebühren dann vom Verteidiger bestimmt sind.

Das hat jetzt auch das OLG Bamberg, Beschl. v. 17.01.2011 – 2 AR 24/10 beschlossen und sich damit der h.M. angeschlossen. Im Leitsatz heißt es:

„Der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG ist unzulässig, wenn das Kosten­festsetzungsverfahren nach § 464 b StPO abgeschlossen ist. Dies gilt auch, wenn das Bestimmungsrecht des Rechtsanwalts nach § 14 I RVG bereits wirksam ausgeübt wurde (u.a. Anschluss an OLG Celle StraFo 2008, 398 = DAR 2008, 730 f. = NStZ-RR 2009, 31 f. und OLG Jena Rpfleger 2008, 98 = JurBüro 2008, 82 = StRR 2008, 158 f.).“

Fahrtkosten auch für den nicht ortsansässigen Wahlanwalt – Nikolausbeschluss des OLG Nürnberg

bzw. der Wahlanwalt darf nicht hinter dem Pflichtverteidiger zurückstehen, wenn es um den Ersatz von Reisekosten geht. Mit der Frage hat sich jetzt als erstes OLG – nach dem AG Witten – das OLG Nürnberg (Beschl. v. v. 06. 12. 2010, 2 Ws 567/10) auseinandergesetzt. Der Rechtsanwalt war Wahlanwalt des freigesprochenen Angeklagten und machte als „nicht ortsansässiger“ Rechtsanwalt auch seine Reisekosten geltend. Das OLG hat sie festgesetzt und das u.a. mit der Neuregelung des § 142 Abs. 1 StPO begründet:

„Zum anderen weist der Beschwerdeführer zu Recht auf die Änderung des § 142 Abs. 1 StPO zum 1.10.2009 hin. Danach setzt die Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Verteidigers nicht mehr voraus, dass er bei seinem Vorschlag einen ortsansässigen Rechtsanwalt bezeichnet hat. So kommt insbesondere bei einem schweren Schuldvorwurf dem besonderen Vertrauensverhältnis eine größere Bedeutung als die Ortsnähe zu. Ein solches Vertrauensverhältnis hat der Beschwerdeführer bereits in seinem Schriftsatz vom 31.5.2010 sowie auch in seiner Beschwerde dargelegt. Demnach hätte sich der frühere Angeschuldigte hier – mangels ausnahmsweise entgegenstehender Gründe – des Beschwerdeführers bedienen dürfen. Wenn aber gemäß §§ 141, 142 StPO StPO der Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger hätte bestellt werden können, dürfen seine als Wahlverteidiger geltend gemachten Auslagen dahinter nicht zurückbleiben. Dies gilt insbesondere deshalb, als der ebenfalls beauftragte (ortsansässige) Rechtsanwalt B… keine Rechtsanwaltskosten geltend macht.“

Wertgebühren im Strafverfahren – immer interessant

Das RVG sieht u.a. in der Nr. 4142 VV RVG eine Wertgebühr vor. Diese ist nicht nur für den Wahlanwalt „interessant“, sondern auch für den Pflichtverteidiger, da sie ihm grds. in gleicher Höhe zusteht wie dem Wahlanwalt. Die Nr. 4142 VV RVG wird häufig übersehen. Wer denkt im Strafverfahren schon an eine Wertgebühr. In Zukunft muss man noch eher an diese Gebühr denken.

Denn das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschl. v. 20. 7. 2010, III-1 Ws 183/10 den Anwendungsbereich der Gebühr ausgedehnt. Grds. fällt sie nämlich nicht an, wenn es um Tätigkeiten im Hinblick auf die Sicherstellung zur Beschlagnahme nach den §§ 94, 98 als Beweismittel geht. Das OLG geht nun offenbar davon aus, dass  die Beschlagnahme zur Sicherstellung von Beweismitteln  (§§ 94, 98 StPO) allein zu diesem Zweck erfolgt sein muss. Kommt hingegen daneben auch die Sicherstellung im Hinblick auf eine spätere Einziehung in Betracht – wie es offenbar der Fall war – soll die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entstehen.

Also: Augen auf, sonst geht Geld verloren.

Nur Berufung (Nr. 4125 VV RVG) oder auch Strafvollstreckung (Nr. 4205 VV RVG)

Ein ganz interessantes Abgrenzungsproblem ist in den vergangenen Tagen an mich in dem gebührenrechtlichen Forum auf meiner Homepage herangetragen worden. Der Kollege stellt folgende Frage:

Mdt. hat mich aus der JVA heraus beauftragt. Gegen ihn ist eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden.

Im Rahmen der gewährten Akteneinsicht stellte sich heraus, dass ein Einspruch gegen einen Strafbefehl verworfen wurde, weil der Angeklagte nicht zu HV erschienen war. Des Weiteren ließ die Akte erkennen, dass sowohl die Zustellung der Ladung zur HV als auch des den Einspruch verwerfenden Urteils an schweren, nicht heilbaren Mängeln litt.

Ich habe sodann Berufung eingelegt und beantragt, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auszusetzen.

Das Berufungsgericht hat zunächst durch Beschluss die Strafvollstreckung als derzeit unzulässig erklärt.

In der Berufungshauptverhandlung ist das erstinstanzliche Urteil des AG aufgehoben und die Strafsache zur Verhandlung über den Einspruch gegen den Strafbefehl an das AG zurückverwiesen worden.

Frage: Rechtfertigt die Tätigkeit im Rahmen der Vollstreckung (Antrag auf Aussetzung) den Anfall der Gebühr nach Nr. 4205 VV RVG oder ist diese Tätigkeit durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4125 VV RVG mit abgegolten?

Habe leider in diversen Kommentaren nichts gefunden; wahrscheinlich auch deshalb, weil es eine nicht alltägliche Konstellation ist.

Zunächst: Der Kollege hat Recht. In den Kommentaren findet man zu der Frage nichts; wird sich dann demnächst bei der Neuauflage unseres RVG-Kommentars ändern :-).

Zur Sache: Ich habe dem Kollegen geantwortet, dass er m.E. nur die Nr. 4125 VV RVG geltend machen kann und nicht auch noch die Nr. 4205 VV RVG. Er hat Berufung eingelegt. Damit geht es um den Bestand des Strafbefehls. Das ist aber Berufungsverfahren und nicht Strafvollstreckung. Der Aussetzungsantrag ist durch die Verfahrensgebühr mit abgegolten. Als Wahlanwalt muss der Kollege die Tätigkeiten im Rahmen des § 14 RVG gebührenerhöhend geltend machen.