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BGH zur Gefälligkeit im Verein, oder: Burhoff hat auch Vereinsrecht im Angebot

VereinsrechtSamstags schaue ich ja immer ein wenig über den Tellerrand und versuche mich meist an zivilrechtlichen Fragestellungen. Das mache ich natürlich auch heute. Heute greife ich dazu die Steilvorlage auf, die mir das BGH, Urt. v. 23.07.2015 – III ZR 346/14 – bietet. Zwar keine verkehrsrechtliche Problematik, sondern eine zivilrechtliche mit vereinsrechtlichem Einschlag. Und das passt mir gut, weil ich ja – Werbemodus an 🙂 – auch ein vereinsrechtliches Werk habe, auf das ich bei der Gelegenheit hinweisen kann. Nämlich mein Vereinsrecht, 9. Aufl. 2014, über das man sich hier informieren und das man hier bestellen kann Werbemodus aus 🙂 .

Im BGH, Urt. v. 23.07.2015 – III ZR 346/14 – geht es um Aufwendungsersatzansprüche gegen den Verein, wenn minderjährige Mitglieder eines (Amateur)Sportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden. Dann handelt es sich – so der BGH – grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – um eine reine Gefälligkeit handelt, die sich im außerrechtlichen Bereich abspielt, sodass ausscheiden Aufwendungsersatzansprüche ausscheiden, wenn es bei der Fahrt zu einem Unfall kommt. Das hatte das OLG Celle noch anders gesehen. Der BGH hat das OLG-Urteil aufgehoben und die landgerichtliche Klageabweisung bestätigt. Hier geht es zur PM 124/15 des BGH und hier zum BGH, Urt. v. 23.07.2015 – III ZR 346/14 – mit dem Leitsatz:

„Wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, handelt es sich grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – um eine reine Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich abspielt, sodass Aufwendungsersatzansprüche gegen den Verein (hier: Ersatz eines Verkehrsunfallschadens) ausscheiden.“

Blind am Steuer/beim Verkehr

© Jochen Mittenzwey - Fotolia.com

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Die Klagen über Autofahrer, die „blind am Steuer“ sitzen, nehmen zu. Nun, nicht „blind“ im eigentlichen Sinn, sondern Autofahrer, die sich selbst „blind machen“, indem sie sich mit anderen Dingen beschäftigen. Und da sind die Smartphones mit ihren vielen Möglichkeiten natürlich nicht unschuldig. Es piept, es klingelt und man schaut, weil man ja nichts versäumen möchte und schwupps ist man mit dem Pkw, in dem man gerade auf der Autobahn bei 150 km/h sitzt, ein ganzes Stück blind geflogen, ohne zu sehen, was vor einem passiert. Die „Westfälischen Nachrichten“ hatten dazu heute einen Aufmacher auf der ersten Seite und berichten über die Gegenmaßnahmen der Polizei in NRW, die jetzt in unterschiedlichem Rhythmus auf den Autobahnen verschärft „Handy-Verstöße“ kontrolliert. Dazu passt dann ganz gut ein Bericht aus den „WN“ der vergangenen Woche: Polizei kassiert Handys: Münster setzt Innenminister Vorgabe bei schweren Unfällen bereits um. Danach „beschlagnahmt“ (na ja, vielleicht stellt man erst mal sicher 🙂 ) bei schweren Verkehrsunfällen mit Personenschaden, bei den die Unfallursachen nicht klar sind, das Mobiltelefon als Beweismittel.  Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wird dann später ausgewertet, ob zum Unfallzeitpunkt telefoniert worden ist. Ob man damit dem Telefonieren bzw. der Benutzung des Mobiltelefons beim Führen eines Kraftfahrzeuges ernsthaft einen Riegel vorschieben kann, wage ich zu bezweifeln. Es ist aber sicherlich eine Maßnahmen, die hinterher helfen kann, die Unfallursache zu klären.

Ach so. Was mich nervt? Das sind die Fußgänger, die ebenfalls im Blindflug durch die Stadt irren, weil man ja unbedingt beim Gehen, was ja nun auch Teilnahme am Straßenverkehr ist, kommunizieren muss, Emails abfragen muss,, twittern muss und vielleicht sogar spielen muss. Das muss doch alles nicht sein. Oder? In meinen Augen ist das ein Fluch der neuen Technik.

Die unheilvolle Begegnung II: Pkw/Fußgänger- Haftungsverteilung?

entnommen wikimedia.org Author: MarianSigler

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Author: MarianSigler

Nach der Die unheilvolle Begegnung I: Schienenbahn/Pkw – Haftungsverteilung? nun Teil II. Auch hier die Begegnung zweier nicht gleichwertiger Komponenten, nämlich eines Pkws mit einem Fußgänger, der nach dem Aussteigen aus einem Bus hinter diesem die Fahrbahn überquert. Das OLG München, Urt. v. 11.04.2014 – 10 U 4757/13 – kommt zur Schadensteilung Halbe/halbe und sagt: Kommt es nach dem Aussteigen aus einem Bus hinter diesem zu einer Kollision eines die Fahrbahn – in diesem Fall – überquerenden 14 Jahre alten Jugendlichen mit einem in Fahrtrichtung des Busses fahrenden Pkw, sei eine hälftige Schadensteilung angemessen. Dabei stehe der Sorgfaltspflichtverletzung des Fahrers, der an einer Bushaltestelle stets mit die Straße überquerenden Fußgängern rechnen müsse, ein gleich zu bewertendes Mitverschulden des Jugendlichen gegenüber, der sich beim Überqueren der Fahrbahn zu vergewissern habe, dass diese frei sei.

Und zum Schmerzensgeld: Bei einer Beckenringfraktur, einer Gehirnerschütterung, einer HWS-Distorsion und einer Fraktur des oberen Schambeinastes mit nicht dislozierter Fraktion des unteren Schambeinastes mit 10 Tage langer stationärer Behandlung und Beeinträchtigungen der Psyche ist unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € angemessen.

Unfall am/im Kreisverkehr – wie wird gehaftet?

entnommen openclipart.org

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Aus der Serie: Wie wird die Haftung bei Verkehrsunfällen verteilt? heute ein „Kreisverkehrunfall“. Der hatte sich im Einfahrtsbereich eines Kreisverkehrs ereignet. Das AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 11.04.2014 – 815 C 248/12 – kommt zu einer 100-igen Haftung des Einfahrenden.

„Eine Abwägung der Mitverursachungs- und verschuldensbeiträge gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG führte im vorliegenden Fall zu einer 100%-igen Haftung der Beklagten als Gesamtschuldner.

Denn dem Unfall liegt ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten zu 1 zugrunde. Hierfür streitet zugunsten der Klägerin ein Beweis des ersten Anscheins. Nach den Unfallskizzen beider Parteien (Anlage 1 und Anlage 2 zu dem Protokoll vom 01.11.2012) ereignete sich der Unfall noch innerhalb des Einfahrtbereichs des Beklagten zu 1 in den Kreisverkehr. Dieses typische Geschehen rechtfertigt aufgrund der Lebenserfahrung die Annahme, dass der Beklagte zu 1 die Vorfahrt der Klägerin verletzt hat. Kommt es im Bereich einer vorfahrtsgeregelten Einmündung zu einer Kollision zwischen dem wartepflichtigen und dem vorfahrtsberechtigten Verkehr, so spricht der Beweis des ersten Anscheins regelmäßig dafür, dass der Wartepflichtige den Unfall durch eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung verursacht hat, jedenfalls wenn sich die Kollision im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich ereignet hat (BGH. Urteil vom 15. Juni 1982 – VI ZR 119/81). Dies gilt im Grundsatz auch für die Vorfahrtsverletzung im Kreisverkehr (LG Saarbrücken, Urteil vorn 28.03.2014 – 13 S 196/13). Die Anordnung der Vorfahrt innerhalb des Kreisverkehrs in § 8 Abs. la StVO führt insoweit gegenüber der Regelung in § 8 Abs. 1 StVO nicht zu einer anderen Bewertung.

Aufgrund des geschilderten Anscheinsbeweis ablag es den Beklagten, Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Kausalverlaufs ergibt. Dies ist nicht gelungen.

Der besoffene Berufskraftfahrer – er haftet, zumindest teilweise

© ExQuisine - Fotolia.com

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Antwort auf die Frage: Haftet ggf. ein besoffener Kraftfahrer seinem Arbeitgeber für Schäden aus einem Unfall, der auf seine Trunkenheit zurückgeht, gibt das LAG Mainz, Urt. v. 08.01.2014, 7 Sa 84/13. Nach dem Sachverhalt war der Beklagte war bei der Klägerin als Kraftfahrer im Güterverkehr beschäftigt. Am Vorfallstag befuhr der Beklagte mit einem insgesamt 18 Meter langen, vollbeladenen 40 Tonnen schweren Gliederzug Mercedes, bestehend aus Lkw und Anhänger, die BAB. Der Beklagte kam mit dem Gliederzug ohne Beteiligung eines anderen Verkehrsteilnehmers nach rechts von der Fahrbahn in den angrenzenden Grünstreifen ab. Diesen fuhr er über eine Länge von ca. 85 Meter entlang, bis der Lkw sich im losen Erdreich festgefahren hatte. Hierdurch stürzte der Anhänger des Gliederzuges komplett auf die linke Seite, wodurch der Anhänger so stark beschädigt wurde, dass der größte Teil der Ladung (10.900 kg Weinflaschen auf Paletten) durch die zerstörte Stirnwand und das aufgerissene Dach des Anhängers auf die Fahrbahn fielen. Eine dem Beklagten entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,49 %.

Frage: Haftung des Beklagten? Das LAG sagt: Ja. Die Klägerin habe gegen den Beklagten gemäß §§ 280, 241 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, die Klägerin als seine Arbeitgeberin nicht zu schädigen, einen Anspruch auf Ersatz des ihr bei bzw. infolge des Verkehrsunfalls entstandenen Schadens.

Bei der Entstehung des Schadens hat der Beklagte nach Auffassung der Kammer grob fahrlässig gehandelt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist, d. h. wenn das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen und wenn selbst einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden. Maßgeblich sind insoweit die persönlichen Umstände des Schädigers. Gemäß § 619 a BGB trägt der Arbeitgeber die Beweislast für das Verschulden des Arbeitnehmers und insbesondere für die den Grad des Verschuldens ausmachenden Tatsachen.

Dass sich ein unter einer starker Alkoholeinwirkung stehender Kraftfahrer nicht mehr an das Steuer seines Kraftfahrzeugs setzen darf und dass er in diesem Zustand andere Verkehrsteilnehmer, sich selbst und das von ihm benutzte Fahrzeug einer unverantwortlichen Gefährdung aussetzt, ist heute so sehr Allgemeingut, dass unbedenklich davon ausgegangen werden kann, dass bei jedem Kraftfahrer die Hemmschwelle für ein Fahren trotz erheblichen Alkoholgenusses stark heraufgesetzt ist. Der Fahrer, bei dem dies aus mangelnder Einsicht nicht der Fall ist, muss sich diese mangelnde Einsicht in der Regel als grobes Verschulden zurechnen lassen. Das gilt in besonderem Maße für den Beklagten als Berufskraftfahrer (vgl. BAG, Urteil vom 15. November 2012, 8 AZR 705/11 – zitiert nach […], Rn. 23).

Dadurch, dass der Kläger den 18 Meter langen, voll beladenen 40 Tonnen schweren Gliederzug, bestehend aus Lkw und Anhänger, der mit Eisenteilen und Paletten mit Weinflaschen beladen war, mit 1,49 Promille auf der Autobahn geführt hat, hat er die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße verletzt. Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille wird die absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich vermutet. Dem Beklagten hätte im gegebenen Fall einleuchten müssen, dass er im betrunkenen Zustand den Gliederzug nicht mehr sicher führen kann. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Beklagte auch im Hinblick auf den entstandenen Schaden vorsätzlich gehandelt hat. Vorsatz setzt Wissen und Wollen des Schadens voraus. Nicht ausreichend ist der vorsätzliche Verstoß gegen Weisungen, solange nicht zusätzlich Vorsatz hinsichtlich des Schadens gegeben ist (BAG, Urteil vom 18. April 202 – 8 AZR 348/01NZA 2003, 37, 39). Der Arbeitnehmer muss den Schaden in seiner konkreten Höhe zumindest als möglich vorausgesehen und ihn für den Fall des Eintritts billigend in Kauf genommen haben. Allein das Wissen des Beklagten, Alkohol konsumiert zu haben und nicht mehr fahren zu dürfen, reicht nicht aus, den Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit zu bejahen (vgl. BAG, Versäumnisurteil vom 23. Juni 1981 – 3 AZR 648/79AP Nr. 81 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers: grobe Fahrlässigkeit bei einer Trunkenheitsfahrt mit 1,39 Promille; Urteil vom 23. Januar 1997 – 8 AZR 893/95NZA 1998, 140 zur Trunkenheitsfahrt mit 1,41 Promille; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02. November 1995 – 7 Sa 843/95NZA-RR 1996, 443 zum mit 2,15 Promille verursachten Verkehrsunfalls). Die insoweit darlegungspflichtige Klägerin hat keine weiteren Umstände außer der von der Polizei um 11.32 Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration und der Tatsache, dass der Kläger von der Fahrbahn abgekommen ist, vorgetragen, die auf seinen Vorsatz in Abgrenzung zur groben Fahrlässigkeit schließen lassen würden. So ist beispielsweise nicht vorgetragen worden, wann der Kläger wieviel Alkohol getrunken hat, inwiefern er hieraus auf seine absolute Fahruntüchtigkeit schließen konnte, oder ob er erkennbare Ausfallerscheinungen hatte. Dies gilt insbesondere, da bei fortschreitender Trunkenheit die Kritik und Erkenntnisfähigkeit abnimmt.“

Allerdings: Der Beklagte hat den bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit verursachten entstandenen Schaden nicht in vollem Umfang zu tragen. Der betriebliche Charakter der Tätigkeit gehe nicht dadurch verloren – so das LAG . , dass der Arbeitnehmer bei Durchführung der Tätigkeit grob fahrlässig handelt oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt. Mangels Vorsatzes hat das LAG bei der Abwägung im Rahmen der Haftungsverteilung eine Kaappung der Haftung des Beklagten bei sechs Bruttomonatsgehältern angenommen.