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Unfall bei Straßenmarkierungsarbeiten – wie wird gehaftet?

entnommen wikimedia.org Urheber Patrick G. Stößer

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Urheber Patrick G. Stößer

Ich bin immer froh, wenn ich von Kollegen Entscheidungen übersandt bekomme, die zur Frage der Haftungsqoute bei Verkehrsunfällen Stellung nehmen. So habe ich mich dann auch über das AG Papenburg, Urt. v. 22.01.2014 – 3 C 537/13 – gefreut, dass etwas zur Haftungsquote und zur Verletzung der Verkehrssicherungspflichten bei Straßenmarkierungsarbeiten sagt. Und zwar geht es 70 : 30 zu Gunsten des Klägers, dessen Pkw beschädigt worden war, aus.

„Der Kläger hat gegen die Beklagten gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 831 BGB Anspruch auf Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall nach einer Haftungsquote von 70 %.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Unfallgeschehen maßgeblich auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagten zurückzuführen. Die im Zusammenhang mit dem Einsatz der Arbeitsmaschine für die Fahrbahnmarkierungsarbeiten erforderliche Sicherungsmaßnahmen sind nicht hinreichend beachtet worden. Unstreitig war die vordere Rundumleuchte auf der Arbeitsmaschine funktionsuntüchtig. Das Umlenken des Verkehrs durch den Zeugen T. war  ebenfalls nicht hinreichend deutlich und sicher, um eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Der Zeuge trug keine besondere Warnkleidung. Allein eine kurze orange Hose mit dunklem T-Shirt ist kaum als Warnkleidung zu erkennen. Unstreitig hat er ohne sonstige Warngegenstände (Fahne o.ä.) lediglich mit einer bloßen Handbewegung den Verkehr nach rechts gewiesen und stand dabei nach eigenen Angaben etwa mittig auf der rechten Fahrbahnhälfte, nach Angaben des Klägers sogar noch weiter rechts davon. Diese Fahrbahnhälfte ist dort im Beginn des Einmündungstrichters bereits so breit ausgestaltet, dass der Kläger mit seinem Pkw links an dem Zeugen T. vorbeifahren konnte, ohne hierfür die Gegenfahrbahn in Anspruch zu nehmen. Bereits hieraus ergibt sich zwanglos, dass aus der Position und den bloßen Handbewegungen des Zeugen vom nicht eindeutig und zwingend der Verkehr auf die Gegenfahrbahn gewiesen wurde. Dies musste den Verkehrsteilnehmern auch nicht zwanglos deutlich werden, da es sich doch um ein sehr ungewöhnliches, grundsätzlich verkehrswidriges und überaus gefahrenträchtiges Umfahrungsmanöver handelt, wenn tatsächlich der Verkehr auf die Gegenfahrbahn und dort weiter links an der Verkehrsinsel vorbei in den Einmündungstrichter zum xxxx. gelenkt werden sollte.

Nach den Zeugenbekundungen, insbesondere den insoweit eindeutigen Bekundungen des Zeugen E. waren auch unmittelbar vor dem Pkw des Klägers keine anderen Fahrzeuge so gefahren, woraus der Kläger solches hätte wahrnehmen können.

Der Kläger selbst ist sodann in üblicherweise verkehrsgerechtem Verhalten auch rechts an der Verkehrsinsel mit Schritttempo in den Einmündungstrichter weitergefahren. Zu diesem Zeitpunkt stand die Fahrbahnmarkierungsmaschine noch und die gelbe Rundumleuchte vorne auf der Maschine war nicht in Tätigkeit sondern sogar funktionsuntüchtig. Zwischen der Verkehrsinsel und der Fahrbahnmarkierungsmaschine war, auch nach den sicheren Bekundungen des Zeugen E. ausreichend Platz für ein Durchfahren des klägerischen Pkw. Der Beklagte zu 1.) ist jedoch, unmittelbar als der Kläger mit seinem Pkw diese Lücke passierte, ohne dies zu beachten mit der Arbeitsmaschine angefahren und hat somit den Unfall in erster Linie zu verantworten.

Demgegenüber ist dem Kläger lediglich anzulasten, dass er sich vor dem Passieren der Arbeitsmaschine nicht hinreichend etwa durch Hupzeichen und Sichtkontakt mit dem Beklagten zu 1.) verständigt hat, um ein gefahrloses Passieren auch zu ermöglichen. Die Gesamtsituation hätte auch für ihn Bedenken auslösen müssen, welche er nur durch Verständigung mit dem Fahrer der Arbeitsmaschine hätte sicher ausräumen können.

 In der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile erscheint jedoch die grobe Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagtenseite deutlich gravierender, so dass eine Haftungsquotelung von 70 % zu Lasten der Beklagten und 30 % zu Lasten des Klägers als angemessen erscheint.“

Beim Autowaschen ausgerutscht – nicht versichert…

1200px-Waschanlage_CVAGU.a. bei LTO habe ich einen Hinweis auf das Bayerische LSG, Urt .v. 31.10.2012 – L 17 U 180/12 – gefunden, dass am 10.12.2013 veröffentlicht worden ist (Volltexte habe ich leider noch nicht).
Da hatte ein Unternehmer Unternehmer mit einer Drogerie und angegliederter Lotto-Annahmestelle auf einer Geschäftsfahrt mit seinem überwiegend privat genutzten Pkw einen Stopp an einer Autowaschanlage eingelegt für eine Autowäsche. Dort rutschte er aus und erlitt erhebliche Beinverletzungen und sich dabei verletzt, dann ist dies kein Arbeitsunfall.

Das LSG hat ausgeführt/entschieden, dass eine solche Autowäsche nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist. Es erklärte, das Autowaschen sei nicht der versicherten Unternehmertätigkeit zuzurechnen gewesen. Die Autowäsche sei nicht für die sichere Weiterfahrt akut erforderlich gewesen. Der Pkw des Unternehmers sei auch kein Arbeitsgerät, weil er überwiegend privat genutzt werde.

 

Die Kollision mit dem alkoholisierten Fußgänger

© ExQuisine - Fotolia.com

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Wie wird die Haftung verteilt, wenn es zwischen einem alkoholisierten Fußgänger und einem Pkw zu eine Kollision kommt? Darauf hat jetzt der BGH im BGH, Urt. v. 24.09.2013 – VI ZR 255/12 – eine Antwort gegeben, und zwar:

Bei einem Unfall zwischen einem Fußgänger und einem Kraftfahrzeug darf bei der Abwägung der Verursachungsanteile nur schuldhaftes Verhalten des Fußgängers verwertet werden, von dem feststeht, dass es zu dem Schaden oder zu dem Schadensumfang beigetragen hat. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben außer Betracht zu bleiben. Ein überwiegendes Mitverschulden eines Fußgängers am Zustandekommen des Unfalls ergibt sich nach Auffassung des BGH nicht bereits daraus, dass er in erheblich alkoholisiertem Zustand die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten. Die Beweislast für den unfallursächlichen Mitverschuldensanteil des Fußgängers trägt regelmäßig der Halter des Kraftfahrzeugs (§§ 7, 17 StVG, 254 BGB).

Im Urteil dazu:

Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht annehmen, das Verschulden der Klägerin überwiege gegenüber der nicht ausgeräumten Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten dermaßen, dass die Betriebsgefahr hinter dem Verschulden der Klägerin zurücktrete. Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese in erheblich alkoholisiertem Zustand unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten. Insoweit erweist sich das Berufungsurteil als widersprüchlich zu der Begründung, mit der das Berufungsgericht die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens abgelehnt hat. Dazu heißt es in dem angefochtenen Urteil, dass sich weder aus der Ermittlungsakte noch aus der Aussage des Zeugen M. oder der Anhörung der Parteien konkrete Anknüpfungstatsachen, insbesondere Entfernungen, Abstände, Endlagen und Geschwindigkeiten entnehmen ließen, die ausreichten, um einen Sachverständigen mit der Erstellung eines unfallanalytischen Gutachtens über den Hergang des Unfalls zu beauftragen. Mithin stand für das Berufungsgericht weder fest, welche Wegstrecke die Klägerin auf der Fahrbahn bis zum Erreichen des Kollisionsorts zurückgelegt hat, noch dass sie für die Beklagte zu 1 nicht erkennbar gewesen ist und der Unfall durch eine sofortige Reaktion der Beklagten zu 1 nicht hätte vermieden werden können.“

Der Geisterkletterer in der Turborutsche

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Der nachfolgende Hinweis auf das OLG Koblenz, Urt. v. 21.06.2012 – 2 U 271/11 – passt zum Wetter. Es geht darin u.a. um die Haftung nach einem Unfall in einer Turborutsche in einem Freizeitbad und das Verschulden eines Badegastes bei der Kollision mit einem anderen Badegast auf einer Turborutsche. Ein Besucher war in einem Freizeitbad im Auslaufbereich von unten in eine Wasserrutsche geklettert und blockierte damit deren Auslauf. Dazu das OLG:

Wer in einem Freizeitbad in einem Auslaufbecken von unten in die Röhre einer Turborutsche klettert und für den ordnungsgemäß die Röhre benutzenden Badegast eine Blockade darstellt, ist für die infolge einer Kollision entstandenen Körperverletzung des anderen Badegastes verantwortlich, weil grundlegende Regeln und Sicherheitsvorkehrungen infolge des Blockierens des Rutschenlaufs missachtet werden.

Das OLG hat außerdem zur Höhe des Schmerzensgeldes für den Bruch des äußeren Schienbeinkopfes mit drittgradigem Knorpelschaden mit Einschränkungen der Beweglichkeit eines Knies Stellung genommen und ein Schmerzensgeld von 5.000 € als angemessen angesehen.

 

Der (weg)rollende Einkaufswagen II – Unfall i.S. des § 142 StGB

In den beiden letzten Jahren sind die mit dem „Unfall“ i.S. des § 142 StGB zusammenhängenden Fragen in Rspr. und Literatur diskutiert worden. Ausgangspunkt waren schon etwas zurückliegende Entscheidungen des AG Tiergarten und des LG Berlin und ein Beschluss des OLG Köln. In der Diskussion hatte sich dann auch das LG Düsseldorf gemeldet und den (weg)rollenden Einkaufswagen, der Schäden anrichtet, nicht als „Unfall“ i.S. des § 142 StGB angesehen, das sich in einem solchen Ereignis keine typische Gefahr des Straßenverkehrs verwirkliche. Die Entscheidung ist dann im OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2011 – III-1 RVs 62/11, auf das ich erst jetzt bei Jurion gestoßen bin (ich habe es bisher auch sonst noch nicht veröffentlicht gesehen), kassiert worden.

Das OLG geht, was m.E. zutreffend ist, von einem Unfall i.S. des § 142 StGB aus. Die Begründung:

„Die Kollision eines Einkaufswagens mit einem parkenden Pkw auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz ist ein „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinne des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dies entspricht der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 26. Oktober 2010, 2 St OLG Ss 147/10 [Juris]; KG Berlin, Beschluss vom 3. August 1998, (3) 1 Ss 114/98 (73/98) [Juris]; OLG Koblenz, MDR 1993, 366; OLG Stuttgart, VRS 47, 15; LG Bonn, NJW 1975, 178) und Literatur (LK-Geppert, StGB, 12. Aufl. 2009, § 142 Rn. 25; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, StGB, 28. Aufl. 2010, § 142 Rn. 17; Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Burmann, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010, § 142 StGB Rn. 4; Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 142 Rn. 9; Lackner/ Kühl, StGB, 27. Aufl. 2011, § 142 Rn. 6; a. A. SK-Rudolphi/ Stein, StGB, Stand: Okt. 2008, § 142 Rn. 12; MK-Zopfs, StGB, 2005, § 142 Rn. 34; Weigend, JR 1993, 115, 117 mit Fn. 23), der sich der Senat anschließt.

§ 142 StGB schützt als abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche und schützt überdies vor unberechtigter Inanspruchnahme (vgl. Fischer, a. a. O., § 142 Rn. 2). Dabei knüpft die Strafbarkeit an einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang an, was in dem Tatbestandsmerkmal „Unfall im Straßenverkehr“ zum Ausdruck kommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich ein verkehrstypisches Unfallrisiko verwirklicht haben (NJW 2002, 626 ). Dies ist – unter Zugrundelegung der natürlichen Verkehrsauffassung – in den „Einkaufswagenfällen“ nach gefestigter Rechtsprechung der Fall (vgl. grundlegend OLG Stuttgart, a. a. O.). Auch der Senat teilt diese Ansicht. Fahrzeuge auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz, auf dem auch Einkaufswagen bewegt werden, sind dort einer erhöhten Gefährdung durch wegrollende Einkaufswagen ausgesetzt. Es handelt sich um eine typische Situation des Straßenverkehrs, dem auch parkende Fahrzeuge zuzurechnen sind. Das spezifische Gefahrenpotential eines Einkaufswagens besteht nur in dieser typischen Verkehrssituation, so dass sich letztlich im Schadensfall ein typisches Verkehrsrisiko realisiert.

Die zivilrechtliche Fragestellung, ob in den Einkaufswagenfällen der Schaden durch den „Gebrauch eines Kraftfahrzeugs“ verursacht wurde (dann: Kfz-Haftpflicht) oder nicht (dann: Privathaftpflicht), ist nicht weiterführend, da ein „Unfall im Straßenverkehr“ nicht den „Gebrauch eines Kraftfahrzeugs“ voraussetzt. Auch ein Fußgänger kann sich gemäß § 142 StGB strafbar machen, wenn sein Einkaufswagen auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz ein Fahrzeug beschädigt (vgl. OLG Koblenz, a. a. O.). Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Kammer im Falle eines Tatnachweises sorgfältig zu prüfen haben wird, ob ein Fahrverbot verhängt werden kann. Ein Fahrverbot kommt gemäß § 44 Abs. 1 StGB nur in Betracht wegen einer Straftat, die bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde (vgl. hierzu OLG Nürnberg, a. a. O.). Sollte die Kammer diese Voraussetzungen bejahen, wird sie zu bedenken haben, dass das Unfallereignis bereits erhebliche Zeit zurückliegt. Seine Warn- und Besinnungsfunktion kann ein Fahrverbot grundsätzlich nur in engem zeitlichen Abstand zur Tat erfüllen (vgl. Senat, VRS 68, 262, 263; OLG Nürnberg, a. a. O.). Die inzwischen erreichte Verfahrensdauer kann unter Umständen auch Anlass geben, eine Einstellung gemäß § 153a StPO in Erwägung zu ziehen.“

Damit dürfte die Diskussion in der Rechtsprechung beendet sein.