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StPO II: Wenn die Beschuldigtenvernehmung „platzt“, oder: Endgerätedurchsicht vor Ort vor Beschlagnahme

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Und dann als zweite Entscheidung – ebenfalls aus Bayern – der LG München I, Beschl. v. 18.1.2024 – 19 Qs 24/24.

Ergangen ist der Beschluss in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, bezugnehmend auf ein Schreiben in einer Zwangsvollstreckungssache, mit welchem er wegen eines nicht beglichenen Rundfunkbeitrags in Höhe von 376,06 EUR zur Abgabe einer Vermögensauskunft geladen wurde, in einem Schreiben vom 17.04.2023 gegenüber pp. ARD ZDF Deutschlandradio, erklärt zu haben, dass er die Ladung als Angebot sehe, welche er u.a. unter die Bedingung stelle, dass sie ihm binnen einer Frist von 21 Tagen „eine amtliche Legitimation“ in notarieller Form und die „Gründungsurkunde des Staates“ vorlegen. Sofern dies nicht geschehe, habe dies die „unwiderrufliche“ und „absolute Zustimmung“ zu einem „privaten kommerziellen Pfandrecht in Höhe von 700.000 EUR“ zu seinen Gunsten zur Folge. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 17.04.2023.

Die Staatsanwaltschaft hat auf der Grundlage dieses Schreibens die Polizei beauftragt, den Beschuldigten im Strafverfahren zu vernehmen. Die Polizei teilt dann mit, dass der Beschuldigte bereits am 01.07.2023 von seiner ursprünglichen Wohnadresse in Unterhaching nach 04519 Rackwitz verzogen sei, wo er auch einwohnermelderechtlich gemeldet sei. Daraufhin teilte die Staatsanwaltschaft gegenüber der Polizei mit, dass unter diesen Umständen keine weiteren Maßnahmen – wie beispielsweise die Einvernahme im Rahmen eines Ermittlungsersuchens an die für seinen Wohnsitz zuständige Kriminalpolizei – veranlasst seien.

Stattdessen beantragte die Staatsanwaltschaft München I einen Durchsuchungsbeschluss gegen den Beschwerdeführer an dessen Wohnsitz in Rackwitz. Der wird erlassen und vollzogen. Beschlagnahmt werden1 Dell PC Tower mit Kabel, 1 USB-Stick EMTEC, 1 Mobiltelefon Microsoft, 1 Mobiltelefon Nokia und 1 Klapp-Handy Nokia. Dagegen die Beschwerde des Beschuldigten,die Erfolg hatte:

„Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung und die Beschwerde gegen die Beschlagnahmebestätigung der konkret beschlagnahmten Gegenstände erweisen sich in der Sache als erfolgreich, da zwar ein Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer bestand, jedoch aufgrund des Zeitablaufs von mehreren Monaten nur noch eine geringe Auffindevermutung bestand und sowohl die Durchsuchung als auch die Beschlagnahme mangels Verhältnismäßigkeit rechtswidrig waren.

a) Bei jeder Anordnung einer Durchsuchung gem. §§ 102, 105 Abs. 1 S. 1 StPO ist aufgrund der Erheblichkeit des Eingriffs der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Teilurteil vom 5. August 1966 – 1 BvR 586/62, 610/63, 512/64). Die Durchsuchung muss den Erfolg versprechen, geeignete Beweismittel zu erbringen. Auch muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen.

Ferner muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und
der Stärke des bestehenden Tatverdachts stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02).

Mit diesen Voraussetzungen setzt sich der amtsgerichtliche Beschluss nicht weiter auseinander. Er enthält neben der Vermutung, die Durchsuchung werde zum Auffinden von Beweismitteln, insbesondere Speichermedien und EDV führen, keine weiteren Ausführungen. Unter Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe hätte sich dem Amtsgericht bei seiner Entscheidung jedoch aufdrängen müssen, dass bereits Zweifel an der Auffindevermutung und Erforderlichkeit der Maßnahme bestehen – welchen durch Aufnehmen einer Abwendungsbefugnis hätte begegnet werden können – sie aber jedenfalls unangemessen ist und somit im vorliegenden Fall das Schutzinteresse aus Art. 13 GG gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates überwiegt (vgl. LG Hamburg Beschl. v. 26.7.2022 – 631 Qs 17/22, BeckRS 2022, 35057).

Denn dafür, dass der Beschuldigte tatsächlich noch im Besitz einer digitalen Form des Schreibens vom 17.04.2023 stehen könnte, bestanden bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses am 07.02.2024 angesichts des Zeitablaufs von 10 Monaten zumindest Zweifel. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Durchsuchung tatsächlich erst am 29.05.2024 – mithin erst über ein Jahr nach der Verfassung des gegenständlichen Schreibens vollzogen wurde – erachtet die Kammer die Durchführung der Durchsuchung zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr als erfolgsversprechend.

Zudem bestehen Zweifel an der Erforderlichkeit der Maßnahme. Denn auch die Staatsanwaltschaft München I hielt ursprünglich keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen für erforderlich, um den Tatnachweis zu führen. Ausweislich des Akteninhalts sollte vor Abschluss des Verfahrens ursprünglich lediglich eine Beschuldigtenvernehmung durchgeführt werden, sodass die Akte zu diesem Zweck der Polizei zugeleitet wurde.

Erst als die Polizei nach weiteren 5 Monaten mitteilte, dass der Beschwerdeführer nicht mehr im Zuständigkeitsbereich wohnhaft sei und bislang nicht vernommen worden sei, beantragte die Staatsanwaltschaft München I einen Durchsuchungsbeschluss, obwohl seither keine weiteren Ermittlungsergebnisse dazugekommen waren, welche nunmehr weitere Maßnahmen zur Verfolgung der im Raum stehenden Straftat nachvollziehbar erscheinen lassen. Dass ein Termin zur Beschuldigtenvernehmung nicht zustande kam, für den der Beschwerdeführer offiziell auch nicht geladen wurde, kann jedenfalls nicht zulasten des Beschwerdeführers gehen und nicht den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses begründen.

b) Hinsichtlich der Beschlagnahmebestätigung ist anzuführen, dass die Beschlagnahme sämtlicher beim Beschwerdeführer vorgefundener EDV in Form von einem Dell PC Tower mit Kabel, einem USB-Stick EMTEC, seinem Mobiltelefon Microsoft, einem Mobiltelefon Nokia und einem Klapp-Handy Nokia (Bl. 86) außer Verhältnis zu dem Eingriff auf das Recht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung steht.

Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist von dem Grundrecht aus Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG verbürgt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1 [43] = NJW 1984, 419). Das Grundrecht dient dabei auch dem Schutz vor einem Einschüchterungseffekt, der entstehen und zu Beeinträchtigungen bei der Aus-übung anderer Grundrechte führen kann, wenn für den Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Die Freiheit des Einzelnen, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden, kann dadurch wesentlich gehemmt werden. Auch das Gemeinwohl wird hierdurch beeinträchtigt, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [43] = NJW 1984, 419).

Demnach sind bei dem Vollzug der Beschlagnahme – insbesondere beim Zugriff auf umfangreiche elektronisch gespeicherte Datenbestände – die verfassungsrechtlichen Grundsätze zu gewährleisten, die der Senat in seinem Beschluss vom 12.4.2005 (NJW 2005, 1917 [1921f.]) entwickelt hat. Hierbei ist vor allem darauf zu achten, dass die Gewinnung überschießender, für das Verfahren bedeutungsloser Daten nach Möglichkeit vermieden wird.

Die Beschlagnahme sämtlicher gespeicherter Daten zum Zweck der Erfassung von Kommunikationsdaten, etwa des E-Mail-Verkehrs, ist dabei regelmäßig nicht erforderlich. Vielmehr muss im Regelfall wegen des von vornherein beschränkten Durchsuchungsziels die Durchsicht der Endgeräte vor Ort genügen.

Das Amtsgericht München hat in dem angegriffenen Bestätigungsbeschluss nicht berücksichtigt, dass insoweit erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu stellen waren und hat hierzu keine Ausführungen gemacht.

Auch ist vorliegend nicht ersichtlich, warum die Beschlagnahme eines nicht internetfähigen Klapp-Handys ohne Datei-Verarbeitungsprogramm bestätigt wurde, welches offensichtlich gera-de nicht zum Verfassen, Verarbeiten oder Speichern des Schreibens genutzt werden konnte.

Auch lagen aus Sicht der Beschwerdekammer die Voraussetzungen der Einziehung nicht vor, sodass die Gegenstände nicht zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden konnten, § 111b Abs. 1 S. 1 StPO. Denn vorliegend sind weder der Computer des Beschwerdeführers noch sonstige Speichermedien als eigentliches Mittel der im Raum stehenden Straftat eingesetzt worden. Die dem Beschwerdeführer angelastete versuchte Erpressung war insbesondere nicht von der Verwendung der zur Einziehung angeordneten EDV und Speichermedien abhängig. Ent-sprechend unterliegt ein Computer, den der Täter zum Schreiben eines – später abgesandten – Briefes mit strafrechtlich relevanten Inhalt benutzt hat, nicht der Einziehung nach § 74 StGB (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23-12-1992 – 5 Ss 378/92, 5 Ss 120/92 I).

c) Wegen des hohen Eingriffs in das Rechtsgut der Unverletzlichkeit der Wohnung erachtet
die Kammer angesichts des im Raum stehenden Delikts des Versuchs einer Erpressung, der Tatsache, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist und des dargestellten Zeitablaufs die Anordnung der Durchsuchung und die Bestätigung der Beschlagnahme als nicht mehr angemessen und insgesamt unverhältnismäßig.“

OWi II: Mobiltelefon nur halten reicht nicht, oder: sag ich doch.

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Die zweite Entscheidung, auf die ich hinweise, ist der OLG Hamm, Beschl. v.28.02.2019 – 4 RBs 30/19. Er stammt aus der „Abteilung“ „elektronisches Gerät“ im Straßenverkehr, also der (neue) § 23 Abs. 1a StVO. Der Beschluss befasst sich dann noch einmal mit der Frage, ob das bloße Halten eines elektronischen Geräts, also z.B. eines Smartphones, zur Verwirklichung des Tatbestandes ausreicht. Das OLG Hamm sagt – ebenso wie bereits das OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 07.02.2019 – 3 Ss (OWi) 8/19 – (vgl. dazu: OWi I: Mobiltelefon nur halten reicht (auch jetzt) nicht, oder: Habe ich doch schon immer gesagt). Nein:

Zu der festgestellten verbotswidrigen Nutzung eines elektronischen Geräts gemäß § 23 Abs. 1a StVO hat das Amtsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung zunächst ausgeführt, dass der Betroffene anhand der Lichtbilder auf Bl. 22 und 23 der GA ? auf die sodann gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen worden ist – eindeutig und zweifelsfrei als Fahrer habe identifiziert werden können. Aufgrund der Inaugenscheinnahme der Lichtbilder stehe zur Überzeugung des Gerichts weiter fest, dass der Betroffene zum Tatzeitpunkt verbotswidrig ein elektronisches Gerät benutzt habe. Auf den Lichtbildern sei zu erkennen, dass der Betroffene ein Mobiltelefon in der Hand und an sein linkes Ohr gehalten habe. Sodann hat das Amtsgericht ausgeführt, dass es keine Feststellungen dazu habe treffen können, ob der Betroffene das Telefon zum Telefonieren an sein Ohr gehalten habe. Das Amtsgericht ist – unter Hinweis auf OLG Oldenburg, Beschluss vom 25. Juli 2018 (Az. 2 Ss OWi 201/18) – der Auffassung, dass nach der am 19. Oktober 2017 in Kraft getretenen und vorliegend anwendbaren Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO eine tatsächliche zweckentsprechende Nutzung des elektronischen Geräts (wie hier beispielsweise das Telefonieren) nicht mehr erforderlich sei. „Das Halten an und für sich“ genüge bereits zur Verwirklichung des Tatbestandes.

….

II.

Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) zuzulassen (vgl. Tenor zu Ziff. 1) und die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden zu übertragen (vgl. Tenor zu Ziff. 2, § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG). Die Rechtsfrage, ob allein das bloße Halten eines elektronischen Geräts während des Führens eines Fahrzeugs einen tatbestandsmäßigen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO darstellt, ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus für die Rechtsprechung im Ganzen von Bedeutung. Bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung, die auch künftig vielfach vorkommen kann, ist zu befürchten, dass die angefochtene Entscheidung Fehlentscheidungen dieser Art nach sich zieht, sei es durch das erkennende Tatgericht oder aber durch andere Gerichte aufgrund eines Nachahmungseffekts.

III.

Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das angefochtene Urteil hält im Ergebnis sachlich-rechtlicher Prüfung stand.

1.Das Amtsgericht hat – wenn auch mit unzutreffender Begründung, aber im Ergebnis letztlich zutreffend – eine vorsätzlich begangene verbotswidrige Nutzung eines elektronischen Gerätes im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO angenommen.

Nach der zu § 23 Abs. 1a StVO a.F. ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung war ein bloßes Halten im Sinne eines Aufhebens oder Umlagerns eines Mobiltelefons nicht tatbestandsmäßig (vgl. OLG Hamm, NJW 2006, 2870; OLG Düsseldorf, NZV 2007, 95, jeweils m.w.N.). Im Unterschied zur alten Fassung der genannten Vorschrift, die ein Verbot formulierte, regelt § 23 Abs. 1a StVO in der Neufassung (nach Änderung durch Art. 1 Nr. 1 der 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 06. Oktober 2017 mit Wirkung zum 19. Oktober 2017) nunmehr ein Gebot, unter welchen Voraussetzungen eine Gerätenutzung zulässig ist und normiert in Abs. 1b Ausnahmen von diesen Anforderungen in bestimmten Fällen (vgl. BR-Drs. 556/17, S. 25). § 23 StVO lautet auszugsweise:

(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn

  1. hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und
  1. entweder

a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder

b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.

(…)

(1b) Absatz 1a Satz 1 bis 3 gilt nicht für (…).

Aber auch nach der Neufassung der Norm ist – im Gegensatz zu der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung – allein das bloße Halten eines elektronischen Geräts während des Führens eines Fahrzeugs kein tatbestandsmäßiger Verstoß. Eine andere Auslegung des § 23 Abs. 1a StVO n.F. wäre schon mit dem Wortlaut der Vorschrift, die jedenfalls ein „benutzen“ voraussetzt, nicht vereinbar. Fehlt es am Element der „Benutzung“, so unterfällt auch allein das „Halten“ nicht dem Verbot (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 07. Februar 2019 – 3 Ss (OWi) 8/19 – mit eingehender Begründung, juris Rn. 9 ff.). Einer solchen Auslegung steht auch nicht die vom Amtsgericht in Bezug genommene Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg entgegen. Aus der dort herangezogenen Begründung des Entwurfes der Verordnung (BR-Drs. 556/17) ergibt sich vielmehr, dass mit der Neufassung u.a. eine Regelungslücke geschlossen werden sollte, und zwar für Konstellationen, in denen das Gerät in der Hand gehalten wird, obwohl dies nicht erforderlich wäre (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss v. 25. April 2016 – 4 Ss 212/16 –). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass das Element der „Benutzung“ keine Tatbestandsvoraussetzung (mehr) sein soll (vgl. BR-Drs. 556/17, S. 26; so auch OLG Celle, a.a.O., Rn. 13).

Einer Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG bedurfte es vorliegend nicht. Die vom Oberlandesgericht Oldenburg geäußerte Rechtsauffassung, dass bereits das Halten eines Mobiltelefons während des Führens eines Fahrzeugs einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO n.F. darstelle und es auf den Grund des Haltens nicht ankomme (vgl. OLG Oldenburg, a.a.O.) ? von der vorliegend abgewichen werden soll – war nicht tragende Grundlage jener Entscheidung. In dem dort zu entscheidenden Fall war aufgrund des mehrere Sekunden andauernden Anschauens des Displays eine über das bloße Halten des Mobiltelefons hinausgehende Benutzung des Geräts ohne Zweifel gegeben (so auch OLG Celle, a.a.O., Rn. 15).

Zwar ist zur Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes in der Neufassung über das bloße Halten eines elektronischen Gerätes (das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist) hinaus eine „Benutzung“ des Geräts während des Führens eines Fahrzeugs erforderlich. Jedoch bedarf die Frage, ob hierfür irgendein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Gerätes, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation hinzukommen muss (so eingehend begründet OLG Celle, a.a.O., Rn. 9 ff.; so wohl auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. Oktober 2018 – 2 Rb 9 Ss 627/18 –, juris), oder aber auch irgendeine, wenn auch zweckentfremdete Benutzung genügt, im vorliegenden Fall indes keiner abschließenden Entscheidung:

Der Betroffene hat sich ausweislich der Urteilsgründe zu diesem ihm vorgeworfenen Verstoß nicht eingelassen. Die Identifizierung des Betroffenen als Fahrer hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Aufgrund der prozessordnungsgemäßen Verweisung auf die Lichtbilder (Bl. 22 und 23 d.A.) sind diese selbst Urteilsbestandteil geworden und können vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht aus eigener Anschauung gewürdigt werden. Auf den Lichtbildern ist für den Senat deutlich zu erkennen, dass der Fahrer des LKW ein Mobiltelefon in der linken Hand und an sein linkes Ohr hält. Dies lässt bereits den sicheren Schluss zu, dass der Betroffene das Mobiltelefon nicht nur gehalten, sondern auch eine Funktion des Gerätes, die der Kommunikation, der Information oder der Organisation diente bzw. zu dienen bestimmt war, genutzt hat. Bereits aus der eindeutigen und beispielsweise für ein Telefonieren bzw. Abhören einer Sprachnachricht typischen Art und Weise, wie das Mobiltelefon hier gehalten wird, kann der sichere Rückschluss auf die Nutzung einer Bedienfunktion gezogen werden. Insbesondere ist die Wahrnehmung von Sprechbewegungen für die Annahme einer solchen Nutzung nicht zwingend erforderlich. Für die Annahme eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO bedarf es auch keiner weiteren Feststellungen, welche Bedienfunktion konkret verwendet wurde (vgl. OLG Celle, a.a.O., Rn. 16). Ein bloßes Halten – insbesondere im Sinne eines Aufhebens oder Umlagerns – oder eine zweckentfremdete Nutzung des Mobiltelefons schließt der Senat vorliegend sicher aus.“

Sag ich doch 🙂 . Und auch das hatte ich (vorher) gesagt: Der „Streit“ wird bei der Frage der Benutzung entschieden werden.

Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Das Bild passt zur Entscheidung, nicht zur Überschrift 🙂 .

Das Handy als Navi – ggf. erlaubt

© Steve Young - Fotolia.com

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„Auto­fahrer dürfen kein Handy halten, aber darauf tippen – sofern es in einer Halterung steckt.“ So beginnt das „Interview“, das ich vor einiger Zeit  der Zeitschrift „Finanztest“ gegeben habe und das man nicht nur in Heft 6/2015, Seite 11, sondern auch im Internet unter: „Hand­ynut­zung im Auto: Tippen auf dem Display erlaubt? “ nachlesen kann.

Die im Beitrag erwähnte Entscheidung des OLG Stuttgart ist der OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.06.2008 – 1 Ss 187/08, der (natürlich 🙂 ) auch auf meiner Homepage steht.

Blind am Steuer/beim Verkehr

© Jochen Mittenzwey - Fotolia.com

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Die Klagen über Autofahrer, die „blind am Steuer“ sitzen, nehmen zu. Nun, nicht „blind“ im eigentlichen Sinn, sondern Autofahrer, die sich selbst „blind machen“, indem sie sich mit anderen Dingen beschäftigen. Und da sind die Smartphones mit ihren vielen Möglichkeiten natürlich nicht unschuldig. Es piept, es klingelt und man schaut, weil man ja nichts versäumen möchte und schwupps ist man mit dem Pkw, in dem man gerade auf der Autobahn bei 150 km/h sitzt, ein ganzes Stück blind geflogen, ohne zu sehen, was vor einem passiert. Die „Westfälischen Nachrichten“ hatten dazu heute einen Aufmacher auf der ersten Seite und berichten über die Gegenmaßnahmen der Polizei in NRW, die jetzt in unterschiedlichem Rhythmus auf den Autobahnen verschärft „Handy-Verstöße“ kontrolliert. Dazu passt dann ganz gut ein Bericht aus den „WN“ der vergangenen Woche: Polizei kassiert Handys: Münster setzt Innenminister Vorgabe bei schweren Unfällen bereits um. Danach „beschlagnahmt“ (na ja, vielleicht stellt man erst mal sicher 🙂 ) bei schweren Verkehrsunfällen mit Personenschaden, bei den die Unfallursachen nicht klar sind, das Mobiltelefon als Beweismittel.  Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wird dann später ausgewertet, ob zum Unfallzeitpunkt telefoniert worden ist. Ob man damit dem Telefonieren bzw. der Benutzung des Mobiltelefons beim Führen eines Kraftfahrzeuges ernsthaft einen Riegel vorschieben kann, wage ich zu bezweifeln. Es ist aber sicherlich eine Maßnahmen, die hinterher helfen kann, die Unfallursache zu klären.

Ach so. Was mich nervt? Das sind die Fußgänger, die ebenfalls im Blindflug durch die Stadt irren, weil man ja unbedingt beim Gehen, was ja nun auch Teilnahme am Straßenverkehr ist, kommunizieren muss, Emails abfragen muss,, twittern muss und vielleicht sogar spielen muss. Das muss doch alles nicht sein. Oder? In meinen Augen ist das ein Fluch der neuen Technik.

Hände weg vom Handy beim Autofahren – Fahrverbot kann drohen

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Im Moment ist es an der „Fahrverbotsfront“ verhältnismäßig ruhig. Bahnbrechendes Neues gibt es nicht. Die OLG feilen an ihrer (ständigen) Rechtsprechung. Das zeigt m.E. deutlich der OLG Bamberg, Beschl. v. 23.11.2012 – 3 Ss OWi 1567/12, der sich in erster Linie mit der Bedeutung des Zeitmoments für die Annahme von ‚Beharrlichkeit‘ i.S. des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG befasst. Das OLG verweist (noch einmal) darauf, dass bei der Bewertung eines mit einem Fahrverbot außerhalb eines Regelfalls zu ahndenden Pflichtenverstoßes als „beharrlich“ i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG dem Zeitmoment entscheidende Bedeutung zukommt  und hält damit an (eigener) früherer Rechtsprechung fest.

Interessant(er) allerdings eine andere Passage im Beschluss, in der es um das Handy und das Fahrverbot geht:

Hieran vermögen schließlich auch die 1 Jahr und 8 Monate, gut 3 Jahre und fast 3 ½ Jahre zurückliegenden und vom AG für die Anordnung des Fahrverbots als ausschlaggebend gewerteten [„insbesondere“] verbots­widrigen vorsätzlichen Benutzungen eines Mobil- oder Autotelefons und ihre jeweilige Regelahndung mit einem Bußgeld über 40 Euro nichts zu ändern, zumal insoweit regelmäßig von vorsätzlicher Tatbestandsverwirklichung auszugehen ist (treffend: OLG Hamm, Beschluss vom 20.04.2007 – 2 Ss OWi 227/07 [bei juris] = VRS 113, 75 ff. = VerkMitt 2007, Nr. 98; vgl. auch Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 1988 m.w.N.). Zwar kann ein wiederholter Verstoß gegen § 23 Ia StVO im Einzelfall die Anordnung eines Fahrverbots wegen einer beharrlichen Pflichtenverletzung im Sinne von § 25 I StVG rechtfertigen (OLG Thüringen DAR 2007, 157 f. = VRS 111, 205 ff. sowie eingehend OLG Bamberg NJW 2007, 3655 f. = NZV 2008, 48 f. = zfs 2007, 707 f. = VRR 2008, 36 f. [Gieg]; Burhoff Rn. 1991), jedoch darf hierbei – wie auch sonst – das schon oben angesprochene Zeitmoment nicht aus den Augen verloren werden.

Also: Häufiges Telefonieren beim Fahren kann gefährlich werden. Deshalb: Hände weg vom Handy.