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Auf jeden Fall Mittelgebühr bei drohendem Fahrverbot, oder: Erstattung von Sachverständigenkosten

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Und dann: Von der Staatsschutzsache und dem OLG zum Bußgeldverfahren und dem AG Ratingen, Beschl. v. 25.11.2022 – 20 OWi 413/21.

Es geht um die Gebühren nach Verteidigung eines Betroffenen im Bußgeldverfahren. Das Verfahren ist von der Verwaltungsbehörde eingestellt worden. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen sind der Staatskasse auferlegt worden. Über die Höhe der Erstattung ist dann gestritten worden. Die Behörde hat notwendige Auslagen in Höhe von 850,26 EUR festgesetzt. In Streit stehen noch zum einen die Differenzbeträge zwischen einer von der Behörde in Ansatz gebrachten Mittelgebühr und der vom Betroffenen begehrten Erhöhung wegen einer vorgetragenen überdurchschnittlichen Bedeutung der Sache und einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit sowie zum Anderen die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines, privaten Sachverständigengutachtens in Höhe von 1,350,03 EUR. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen hatte Erfolg:

„Der Betroffene hat einen Gebührenanspruch bezüglich der Nrn, 5100, 5103 und 5109 VV RVG, wie im Antrag vom 08,06,2022 geltend gemacht.

Die Angelegenheit hatte bereits wegen des drohendes einmonatigen Fahrverbotes bei einer beruflichen Abhängigkeit vom Führerschein und daraus resultierenden persönlichen, wirtschaftlichen Härte mit einer möglichen Existenzgefährdung für den Betroffenen eine überdurchschnittliche Bedeutung. Insbesondere wenn ein Eintrag von mehr als zwei Punkten in Betracht kommt, liegt eine hohe Bedeutung für den Betroffenen vor, so dass eine erhöhte Gebühr veranschlagt werden kann (vgl. LG Gera Juristisches Büro 2000, 581; LG Potsdam MDR 2000, 581).

Im Übrigen liegt auch eine überdurchschnittliche Schwierigkeit angesichts des Verfahrensablaufs eindeutig vor. Der Verteidiger musste angesichts der Aktenunvollständigkeit einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach. § 62 OWG stellen; u. a. weil die Behörde sich weigerte, die Messreihe zur Verfügung zu stellen, Ferner wurde im Hinblick darauf, dass die Behörde nach erstmaliger Zurückverweisung der Sache eine Vorladung zur Vernehmung an den Betroffenen hat, obwohl dieser bereits mitgeteilt, keine Angaben zur Sache zu machen, ein erneutes Tätigwerden des Verteidigers erforderlich, das in einem Verfahren mit durchschnittlicher Schwierigkeit nichterforderlich gewesen wäre,

Der Betroffene konnte vorliegend auch angemessen erscheinende Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens in Höhe von 1.350,03 EUR in, Ansatz bringen. Kosten für die Einholung eines— privaten Sachverständigengutachtens sind ausnahmsweise dann als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre (vgl. nur LG Wuppertal, Beschl. v, 08,02.2018 – 26 Qs 214/17, BeckRS 2018, 2186), Bei einem standardisierten Messverfahren wie hier dem verwendeten Messgerät PoliscanSpeed bestehen realistischerweise nur dann Möglichkeiten des Betroffenen, konkrete Einwendungen vorzubringen, wenn er bereits frühzeitig vor einem etwaigen Hauptverhandlungstermin ein Privatgutachten einholt. Die Argumentation der Behörde im Kostenfestsetzungsbescheid vom 02.08.2022, es sei wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes zumutbar, auch ex-ante notwendig erscheinende Ermittlungen erst dann selbst zu veranlassen, wenn das in der Hauptsache zuständige Gericht diese abgelehnt habe, erscheint in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren jedenfalls bei Anwendung der Grundsätze des standardisierten Messverfahrens unrealistisch, weil nach Ablehnung entsprechender Beweisanträge im Hauptverhandlungstermin regelmäßig unmittelbar eine Entscheidung des Gerichts erfolgt. Somit musste der Betroffene jedenfalls zum Zeitpunkt seines Einspruchs davon ausgehen, dass keine Beweiserhebung zur Ordnungsgemäßheit der Messung erfolgen würde, wenn er keine konkreten Anhaltspunkte für einen Messfehler vorbringt. Da nicht ersichtlich ist, dass solche vor Beauftragung des Gutachtens vorgelegen hätten, waren aus der maßgeblichen ex ante Sicht des Beschwerdeführers ohne die Einholung seines privaten Gutachtens seine Verteidigungsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt.“

OWi II: Rechtzeitiger Hinweis auf Vorsatz fehlt, oder: Verfahrensaussetzung wegen BVerfG 2 BvR 1167/20?

Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.10.2022 – 2 RBs 155/22 – ist in mehrfacher Hinsicht interessant.

Das AG hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 71 km/h zu einer Geldbuße von 1.920 EUR (!) verurteilt und ein dreimonatiges Fahrverbot verhängt. Die Hauptverhandlung war nach § 74 Abs. 1 OWiG in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt worden. Auch der Verteidiger hatte nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hatte mit der Verfahrensrüge Erfolg:

„1. Die Rüge des Betroffenen, er sei nicht rechtzeitig darauf hingewiesen worden, dass abweichend von dem Bußgeldbescheid auch eine vorsätzliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Betracht komme, greift durch.

Wenn – wie hier – im Bußgeldbescheid keine Schuldform bezeichnet worden ist, so ist davon auszugehen, dass dem Betroffenen Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird (vgl. OLG Jena NStZ-RR 1997, 116). Soll der Betroffene wegen Vorsatzes verurteilt werden, ist daher nach § 71 Abs. 1 OWiG, § 265 Abs. 1 StPO ein Hinweis auf die Änderung der Schuldform erforderlich. Dies gilt auch im Abwesenheitsverfahren, wobei dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen angemessenen Frist einzuräumen ist (vgl. OLG Bamberg DAR 2017, 383; KK-OWiG/Senge, 5. Aufl. 2018, § 74 Rdn. 16).

Vor dem Hauptverhandlungstermin vom 14. März 2022 (Montag) ist der Hinweis an den Verteidiger (§ 74 Abs. 1 Satz 3 OWiG) erst mit Telefax vom 10. März 2022, 14.42 Uhr, erfolgt. Es drängt sich auf, dass die bis zum Hauptverhandlungstermin verbleibende Zeit, in die ein Wochenende fiel, für eine etwaige Stellungnahme des Verteidigers schon für sich betrachtet unangemessen kurz war, zumal auch der Zeitbedarf für eine etwaige Rücksprache mit dem Betroffenen zu berücksichtigen war.

Jedenfalls ist der Hinweis nicht rechtzeitig angebracht worden, da das Telefax vom 10. März 2022 irrtümlich nicht an die Kanzlei des Verteidigers in P., sondern an die Zweigstelle in B. übermittelt wurde. Geht ein Schriftsatz bei einem unzuständigen Gericht ein, darf der Absender nicht erwarten, dass bei der Weiterleitung an das zuständige Gericht Eilmaßnahmen getroffen werden. Es ist lediglich die Weiterleitung im normalen Geschäftsgang erforderlich (vgl. Senat NStZ-RR 2002, 216; OLG Hamm NStZ-RR 2008, 283). Umgekehrt kann das Gericht keine Eilmaßnahmen erwarten, wenn es bei einem Telefax irrtümlich nicht die dem Kanzleisitz des Verteidigers zugeordnete Faxnummer verwendet. Vorliegend kann nicht zu Lasten des Betroffenen gehen, dass dem in P. ansässigen Verteidiger das an die Zweigstelle in B. übermittelte Telefax vom 10. März 2022 mit dem gerichtlichen Hinweis erst nach dem Hauptverhandlungstermin vom 14. März 2022 zur Kenntnis gelangt ist.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Betroffene, hätte der Verteidiger den nach § 71 Abs. 1 OWiG, § 265 Abs. 1 StPO zur Schuldform (Vorsatz statt Fahrlässigkeit) erforderlichen Hinweis rechtzeitig erhalten, seine Verteidigung in anderer Weise ausgeführt oder den Einspruch zurückgenommen hätte.

Das angefochtene Urteil unterliegt mithin der Aufhebung. Ob das (auch) auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs abstellende Beschwerdevorbringen, das nur unbestimmte Angaben zu der Reaktion, die im Falle rechtzeitiger Hinweiserteilung erfolgt wäre, enthält, den Anforderungen an eine Gehörsrüge genügt, kann dahinstehen, da die Rechtsbeschwerde vorliegend keiner Zulassung bedarf.“

So weit, so gut. Interessant dann aber auch die anderen Ausführungen des OLG. Wegen der Ausführungen zur Verwertbarkeit der mit dem Laserscanner PoliScan M1 HP ermittelten Messergebnisses verweise ich auf den verlinkten Volltext; die Ausführungen entsprechen der OLG-Rechtsprechung.

Aber: Das OLG nimmt auch Stellung zur einem Aussetzungsantrag des Betroffenen, den der im Hinblick auf das beim BVerfG anhängige Verfahren 2 BvR 1167/20 gestellt hatte. Den hat das AG abgelehnt, was das OLG nicht beanstandet.

3. Ferner hat das Amtsgericht den Antrag des Betroffenen, das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfahren 2 BvR 1167/20 auszusetzen, rechtsfehlerfrei abgelehnt.

In diesem Verfahren geht es um eine Verfassungsbeschwerde betreffend die Frage, ob und ggf. welche verfassungsrechtlichen Konsequenzen aus einer fehlenden Speicherung von Messdaten bei Geschwindigkeitsmessungen im Bußgeldverfahren folgen (vgl. Übersicht für das Jahr 2022, Zweiter Senat, lfd. Nr. 48, abrufbar bei www.bundesverfassungsgericht.de). In diesem Fall wurde die Geschwindigkeitsmessung mit dem Infrarot-Lasermessgerät Leivtec XV3 durchgeführt (vgl. Beitrag „Bundesverfassungsgericht: Müssen Blitzer Rohmessdaten speichern?“ bei www.zimmer-gratz.de). Anzumerken ist, dass Geschwindigkeitsmessungen mit diesem Gerätetyp wegen unzulässiger Messwertabweichungen inzwischen nicht mehr als standardisiertes Messverfahren anerkannt werden (vgl. OLG Oldenburg BeckRS 2021, 7922; BeckRS 2021, 19614 = NdsRpfl 2021, 321; OLG Celle BeckRs 2021, 15516 = DAR 2021, 524; BeckRS 2021, 35584 = ZfSch 2021, 650: OLG Hamm BeckRS 2021, 28656; BeckRS 2021, 37766; OLG Dresden BeckRS 2021, 36733; OLG Koblenz BeckRS 2021, 42233).

Vorliegend wurde der Laserscanner PoliScan M1 HP eingesetzt. Wegen der gleichgelagerten Fragestellung hinsichtlich der Nichtspeicherung der Messdaten kommt jedenfalls in Betracht, dass die Entscheidung in dem Verfahren 2 BvR 1167/20 auch von grundsätzlicher Bedeutung für die Verwertbarkeit der mit dem Laserscanner PoliScan M1 HP erzielten Messergebnisse sein wird.

Die nach §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG anwendbaren Vorschriften der StPO sehen in einer solchen Konstellation unmittelbar keine Aussetzung des Verfahrens vor. Allerdings ist die entsprechende Anwendung des § 262 Abs. 2 StPO in Betracht zu ziehen (vgl. Miebach in: Münchener Kommentar, StPO, 1. Auf. 2016, § 262 Rdn. 19; Ott in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. 2019, § 262 Rdn. 7). Die entsprechende Anwendbarkeit des § 262 Abs. 2 StPO ist etwa bei anderweitiger Anhängigkeit eines Normenkontrollverfahrens zur Gültigkeit einer entscheidungsrelevanten Rechtsnorm (vgl. BayObLG NJW 1994, 2104) und im Falle einer anderweitigen Divergenzvorlage nach § 121 Abs. 2 GVG zu einer für die Entscheidung bedeutsamen Rechtsfrage (vgl. OLG Karlsruhe BeckRS 2017, 102231) bejaht worden. Auf derselben Ebene liegt die Verfassungsbeschwerde eines Dritten, bei der die grundsätzliche Klärung einer im vorliegenden Verfahren entscheidungsrelevanten Rechtsfrage zu erwarten ist.

Es besteht indes keine Rechtspflicht, ein Bußgeldverfahren deshalb auszusetzen, weil anderweitig eine solche Verfassungsbeschwerde anhängig ist. Vielmehr steht die Entscheidung über die Aussetzung des Bußgeldverfahrens im Ermessen des Gerichts, dessen Sachentscheidungskompetenz durch die Anhängigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht berührt wird.

Das Amtsgericht hat sich bei seiner rechtsfehlerfreien Ermessensentscheidung die Rechtsprechung nahezu sämtlicher Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte zu eigen gemacht, wonach die Verwertbarkeit des Messergebnisses nicht von der nachträglichen Überprüfbarkeit anhand gespeicherter Messdaten abhängt (vgl. zu einem Aussetzungsantrag: OLG Brandenburg BeckRS 2022, 28361). Im Bereich der Fachgerichte ist die Fragestellung als geklärt anzusehen Das Amtsgericht hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass eine funktionsfähige Verkehrsüberwachung empfindlich gestört würde, wenn Bußgeldverfahren, denen Geschwindigkeitsmessungen mit nicht speichernden Messgeräten zugrunde liegen, massenhaft ausgesetzt werden würden.

Die Verfassungsbeschwerde ist seit mehr als zwei Jähren anhängig. Eine Aussetzung entsprechend § 262 Abs. 2 StPO führt nicht zum Ruhen der Verfolgungsverjährung (vgl. Gertler in: BeckOK, OWiG, 36. Edition 2022, § 32 Rdn. 23; Ellbogen in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 32 Rdn. 15 Rdn. 7). Gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 StVG tritt im gerichtlichen Bußgeldverfahren vor Erlass des Urteils (§ 32 Abs. 2 OWiG) bereits nach sechs Monaten Verfolgungsverjährung ein. Im Falle erstinstanzlicher Aussetzung zwecks Abwarten der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfahren 2 BvR 1167/20 wären inzwischen zahlreiche Bußgeldverfahren in die Verfolgungsverjährung gelaufen. Eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 262 Abs. 2 StPO liegt in Massenverfahren mit kurzer Verfolgungsverjährung fern und erscheint hier ohne gesetzliche Ruhensregelung ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter seine Entscheidungskompetenz wahrnimmt und in Ausübung seines Ermessens von der Aussetzung des Verfahrens absieht. Dies gilt umso mehr, als das Beschleunigungsgebot auch im Bußgeldverfahren zu beachten ist (vgl. OLG Hamm BeckRS 2009 = SVR 2009, 465, 12428; OLG Stuttgart BeckRS 2018, 13726).“

Dazu kurz Folgendes: Die Ausführungen des OLG zur Aussetzungsfrage sind m.E. erkennbar vom Ergebnis – drohender Verjährungseintritt – getragen. Sie sind im Übrigen aber auch nicht überzeugend. Denn, dass das AG sich eine – nach der ausstehenden Entscheidung des BVerfG ggf. falsche – Auffassung aller OLG zu eigen gemacht hat, rechtfertigt die Ablehnung der Aussetzung, für die auch mal wieder die „funktionsfähige Verkehrsüberwachung“ herhalten muss, nicht. Wenn die Verkehrsüberwachung eben nicht „funktionsfähig“ erfolgt, dann müssen die Verwaltungsbehörden die daraus entstehenden Folgen eben hinnehmen. Es erschließt sich mir auch nicht, warum man einerseits eine entsprechende Anwendung von § 262 Abs. 2 StPO grundsätzlich bejaht, dann aber andererseits, weil es dann doch nicht passt, die Regelung als „ungeeignet“ ansieht.

Für das weitere Verfahren hat das OLG übrigens darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme oder Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid nicht mehr wirksam erfolgen kann. Das ist zutreffend, denn die Rücknahme des Einspruchs ist grundsätzlich nur bis zur Verkündung des Urteils im ersten Rechtszug zulässig (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 411 Abs. 3 Satz 1 StPO).

Und eine allgemeine Anmerkung – meinetwegen auch „Mecker“ 🙂 : Das OLG hat in seiner Entscheidung fast alle zitierten Entscheidungen anderer OLG nur mit „BeckRS“-Fundstellen angeführt. Das macht die Entscheidung zwar (noch) nicht unlesbar, aber: Das alleinige Anführen dieser Fundstellen ohne Entscheidungsdatum und Aktenzeichen macht das Auffinden der angeführten Entscheidung an anderen Stellen zwar nicht unmöglich, aber erschwert es ggf. ungemein. Denn die betreffende Entscheidung, die als Beleg angeführt worden ist, kann nur über Umwege, wenn überhaupt, gefunden werden kann. Diese „Unsitte“ muss nicht sein, zumal ja auch bei Beck-Online bei den „BeckRS“ Fundstellen Entscheidungsdatum und Aktenzeichen angeführt werden. Es sollte m.E. einem OLG keine Mühe machen, diese dann auch in einer Entscheidung, die man veröffentlicht, anzuführen, um so ein einfacheres Umgehen mit den Zitaten, vor allem eine Überprüfung der angeführten Entscheidungen darauf, ob sie tatsächlich dieselben Auffassung wie das OLG vertreten, zu ermöglichen. Zudem kann man m.E. auch nicht davon ausgehen, dass – anders als die Justiz – alle anderen Interessierten auch über einen „Beck-Zugang“ verfügen-

OWi III: Drei AG-Entscheidungen zu Messungen, oder: Provida2000, Rohmessdaten und „Saarland-Hammer“

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Und zum Tagesschluss habe ich dann noch drei AG-Entscheidungen zu Messverfahren, von denen ich allerdings nur die Leitsätze vorstelle. Das sind:

    1. Die mit dem Pro Vida 2000 Modular im Messmodus „MAN“ nachträglich durchgeführte Messung ist kein standardisiertes Messverfahren, so dass nähere Ausführungen zur Geschwindigkeitsfeststellung erforderlich sind (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 22.06.2017, 1 RBs 30/17).
    2. Wenn der Betroffene und der Verteidiger vor der Hauptverhandlung mit der Terminsladung einen rechtlichen Hinweis dahingehend erhalten, dass im Rahmen einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch eine Verurteilung wegen Vorsatzes in Betracht kommt, kann in der Hauptverhandlung in Abwesenheit ohne weiteres eine Verurteilung wegen Vorsatzes erfolgen, wenn der Betroffene entschuldigt und der Verteidiger unentschuldigt fehlen.
    3. Die Annahme von Vorsatz ist bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch auf einer dreispurigen Autobahn möglich. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beschilderung (120 km/h, Gefahrzeichen Bodenwellen und 80 km/h) mehrfach beidseitig wiederholt wird und eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 40 % vorliegt (vorliegend 68%).

Mit den Leitsätzen zu 1 und 3 habe ich kein Problem. Zu Leitsatz 2 würde ich gerne mal etwas vom OLG Hamm hören, ich würde es wahrscheinlich lösen anders lösen als das AG. Aber der der derzeitige Tendenz in der Rechtsprechung: „Abbügeln“. bin ich mir über das Ergebnis beim OLG nicht so sicher.

    1. Werden dem Verteidiger vorliegende Rohmessdaten und die Bedienungsanleitung von der Verwaltungsbehörde auch noch im gerichtlichen Verfahren vorenthalten, so liegt eine Verletzung fairen Verfahrens vor.
    2. Durchsuchungen bei der Verwaltungsbehörde sind in einem solchen Fall unverhältnismäßig.
    3. Ein Verfahren, in dem es zu einer Verletzung fairen Verfahrens kommt, kann nach § 47 OWiG eingestellt werden.

Wer den Beschluss liest, wird sich sicherlich auch denken: Ein paar Worte mehr wären nicht schlecht gewesen. Und: Leitsatz 2 und 3 hätte ich getauscht, sonst gibt es m.E. keinen Sinn.

    1. Die in Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten stark zunehmende Tendenz, Behörden und Gerichte zu „überfluten“ mit ausufernden Schriftsätzen und Anträgen (auf Beiziehung/Überlassung zahlreicher Daten und Unterlagen, weitere Beweiserhebungen, Aussetzung der Hauptverhandlung etc.), Widersprüchen zur Verwertung von Beweismitteln sowie Vorlage von sog. Sachverständigengutachten, um die Grund- und Menschenrechte von Fahrzeugführern/innen nach Grundgesetz, EU-Menschenrechtskonvention und UN-Charta vor staatlicher Willkür in Form von hinterhältigen und wegelagerischen Radarfallen zu “schützen“, dies selbst bei geringfügigen Geldbußen, steht in diametralem Kontrast zu Sinn und Zweck des standardisierten Messverfahrens nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – gerade für den Bereich der massenhaft vorkommenden Verkehrsordnungswidrigkeiten mit vergleichsweise geringfügigen Sanktionen zum Zweck nachdrücklicher Pflichtenmahnung. Dieses seit Jahrzehnten bewährte Rechtsinstitut wird dadurch unterlaufen und ad absurdum geführt (sehr anschaulich: OLG Frankfurt, Beschl. v.14. Juni 2022 – 3 Ss-OWi 476/22).
    2. Solange der Gesetzgeber hier nicht ein – überfälliges – einheitliches Reglement zur Verfügung stellt, obliegt es den Gerichten, dieser Tendenz entgegenzuwirken und dem „dahinsiechenden“ standardisierten Messverfahren materiell-rechtlich wieder Leben einzuhauchen, um der Verantwortung für höchstmögliche Sicherheit im Straßenverkehr und damit Schutz von Leib und Leben aller Verkehrsteilnehmer gerecht zu werden.
    3. Wird von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen, bedarf es der Hinzuziehung eines Beschilderungsplanes bzw. der verkehrsrechtlichen Anordnung nicht (OLG Zweibrücken, Beschl. v.5. Mai 2020 – 1 OWi 2 SsBs 94/19). Die Messörtlichkeit einschließlich der Beschilderung ist durch das Messprotokoll in der Akte ausreichend dokumentiert, so dass die Überlassung der verkehrsrechtlichen Anordnung nicht nötig ist. Verkehrszeichen stellen Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen dar und sind nach §§ 43 III, 44 VwVfG nur unwirksam, wenn sie nichtig sind, ansonsten ist ein Verwaltungsakt zu befolgen, auch wenn er fehlerhaft ist (OLG Koblenz, Beschl. v.17. November 2020 – 1 OWi 6 SsRs 271/20).
    4. Für die Verwertbarkeit einer Messung trotz nicht gespeicherter/vorhandener Rohmessdaten spricht, dass nach Stellungnahmen und Beiträgen der PTB (zusammengefasst in der Fassung vom 4. November 2021, https://doi.org/10.7795/520/20211104) eine Messung an Hand von Rohmessdaten nicht aussagekräftig überprüft bzw. plausibilisiert werden kann. Nach den einleuchtenden Erläuterungen der PTB ist also nicht davon auszugehen, dass mit der Löschung/Nichtspeicherung von Rohmessdaten eine nachträgliche Überprüfung der Messung verhindert werden soll, wie es einige sog. Sachverständigenbüros suggerieren wollen. Es soll damit lediglich verhindert werden, dass der geeichte Messwert, gesetzliche Grundlage des Messwesens, mit ungeeigneten Mitteln in Frage gestellt wird.
    5. Für den Messwert einer konkreten Einzelmessung gibt es keinen Zusammenhang mit den Messergebnissen für Fahrzeuge, die in den Stunden davor oder danach erfasst wurden, so dass die Daten einer gesamten Messreihe – unabhängig davon, dass dieser Begriff nicht definiert und damit unbestimmt ist – ungeeignet sind zur Überprüfung der Einzelmessung (PTB, 30.03.2020, https://doi.org/10.7795/520.20200330).
    6. Bei Messungen mit dem Messgerät PoliScan besteht kein Anspruch auf Überlassung des sog. Token. Wird die Tuff-Datei mit der nötigen Software und dem dazugehörigen Token (auch public key, key oder Schlüssel genannt) geöffnet, ist ein grüner Haken sichtbar, mittels Token wird demnach die Integrität der Datei visualisiert. Diese Visualisierung kann als pdf-Datei abgespeichert und an die Verteidigung herausgegeben werden. Der Token ist mithin kein Medium zum Öffnen/Entschlüsseln einer Datei; er dient ausschließlich dazu, die Integrität der Messdaten zu visualisieren in Form des o.a. Häkchens.

Dazu nur Folgendes – mehr verbietet mir die BRAO 🙂 : Ich gehe davon aus, dass die Leitsätze vom AG stammen, denn m.E. würde sich Juris, wo ich die Entscheidung gefunden habe, nicht zu solchen Leitsätzen „versteigen“. Dann zeigen die Leitsätze aber deutlich, dass da offenbar jemand doch Probleme mit Verteidigern und Verteidigung in Bußgeldsachen hat. Und das, wenn ich mich recht erinnere, nicht zum ersten Mal. Denn der VerfGH Saarland hat sich ja vom AG St. Ingbert auch schon einen Rüffel abholen müssen. Im Übrigen: Was haben die Leitsätze mit der Entscheidung zu tun? Wo ist das „ausufernd“ verteidigt. Man, man. Wenn das die amtlichen Leitsätze sind, könnte man es ja mal mit einem Antrag nach § 24 ff. StPO versuchen. Ich bin ja kein Freund von Ablehnungen, aber wenn sich ein Amtsrichter – m.E. ohne Not – so weit „aus dem Fenster lehnt“…….

OWI I: Informationsrechte/Informationsparität, oder: Zweimal KG zum standardisierten Messverfahren

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Heute dann ein OWi-Tag. Und ich stelle an dem u.a. auch wieder einige KG-Entscheidungen vor. Da habe ich vor einigen Tagen einiges bekommen, das sonst zu alt wird.

Zunächst hier im ersten Posting Entscheidungen zum standardisierten Messverfahren und was dazu gehört. Und zwar hier dann folgende Entscheidungen, jeweils nur mit dem Leitsatz:

1. Zur Ausübung der Informationsrechte bei standardisiertem Messverfahren

2. In Verkehrssachen wird es sich nie um einen Beweisantrag (im technischen Sinne) handeln, wenn ein Beweismittel dafür benannt wird, dass der Betroffene nicht Fahrer gewesen ist.

3. Die (formlose) Beweisanregung evoziert ebenso wie der (förmliche) Beweisantrag lediglich die Amtsaufklärung, so dass es einer genauen Qualifizierung des Beweisersuchens in aller Regel nicht bedarf.

4. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG setzt nicht voraus, dass die Aussichtslosigkeit der beantragten Beweiserhebung außer Zweifel steht, sondern rechtfertigt die Ablehnung eines Beweisantrages schon dann, wenn die Beweiserhebung nicht naheliegt bzw. sich dem Gericht nicht aufdrängt.

5. Macht der Betroffene von seinem Schweigerecht Gebrauch und besteht auch anderweitig kein Hinweis darauf, ein Dritter könnte sich seines Führerscheins bemächtigt und bedient haben, wird auch das Tatgericht einen solchen Missbrauch von Ausweispapieren (§ 281 StGB) in aller Regel nicht in Rechnung stellen müssen.

 

1. Die Informationsrechte sind vom Betroffenen gegenüber der Verwaltungsbehörde proaktiv, idealerweise im Ermittlungsverfahren, jedenfalls aber substantiell vor der Hauptverhandlung, auf eigene Kosten auszuüben.

2. Konsequenz des Rechts auf Informationsparität ist, dass der Betroffene beim standardisierten Messverfahren Einfluss auf die gerichtliche Beweiserhebung nur nehmen kann, wenn er substantiierte, also auf Tatsachen gründende Einwände gegen die konkrete Messung vorbringt.

OWi I: Messung mit standardisiertem Messverfahren, oder: Wurde die Bedienungsanleitung beachtet?

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Nachdem ich gestrigen Tag mit einem Sonder-OWi-Posting beendet habe, und zwar der „Kneif-Entscheidung“ des BGH im BGH, Beschl. v. 30.03.2022 – 4 StR 181/21 (dazu Sondermeldung: Einsichtnahme in die Messreihe, oder: Keine Divergenz – “Kneift” der BGH in der Sache?) heute dann ein „normaler“ OWi-Tag.

Den eröffne ich mit einem OLG Karlsruhe-Beschluss, den mit der Kollege Hufnagel geschickt hat. In dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.04.2022 – 1 Rb 35 Ss 193/22 – geht es noch einmal/mal wieder um die Anforderungen an die Urteilsgründe bei einem standardisierten Messverfahren. Der Betroffene ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Zugrunde gelegt worden ist eine Messung mit Riegl FG 21P. Dem OLG reichen dann die Feststellung des AG und desse Beweiswürdigung nicht:

„Zwar unterliegt die Beweiswürdigung des Bußgeldrichters nur eingeschränkter Überprüfung im Rechtsbeschwerderechtszug. Gemäß § 261 StPO i.V.m. § 71 OWiG obliegt es dem Tatgericht, über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Das Ergebnis der Beweisaufnahme zu würdigen, ist allein Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er – an sich mögliche – Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Weder ist der Tatrichter gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen, noch kann ihm vorgeschrieben werden, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Folgerung und einer bestimmten Überzeugung kommen darf oder gar muss. Diese freie Würdigung des Bußgeldrichters darf das Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Rechtsfehler überprüfen, nicht aber durch seine eigene ersetzen (vgl. auch BGHSt 10, 20). Das Rechtsbeschwerdegericht hat die tatrichterliche Beweiswürdigung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Einen sachlich-rechtlichen und daher auf die Sachrüge im Rechtsbeschwerderechtszug beachtlichen Fehler beinhaltet die Beweiswürdigung allerdings, wenn sie in sich widersprüchlich; lückenhaft oder unklar ist, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt oder falsche Maßstäbe für die zur Verurteilung erforderliche bzw. ausreichende Gewissheit angelegt werden.

Gemessen an diesen Maßstäben hält das angefochtene Urteil rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Urteilsausführungen sind bzgl. der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung lückenhaft und deshalb rechtsfehlerhaft (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO iVm § 71 OWiG). Sie genügen nicht den Anforderungen, die an die Darlegung und Begründung eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Messergebnisses zu stellen sind.

Bei der im vorliegenden Verfahren vorgenommenen Geschwindigkeitsmessung mit dem Laser-Handmessgerät Riegl FG21P handelt es sich grundsätzlich um ein sog. standardisiertes Messverfahren, bei dem der Tatrichter im Urteil nur die Messmethode und den berücksichtigten Toleranzwert anzugeben hat. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das verwendete Messgerät von seinem Bedienungspersonal auch wirklich standardgemäß, d. h. im geeichten Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung verwendet wurde. Nur so kann mit der für eine spätere Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ob das Gerät in seiner konkreten Aufstellsituation tatsächlich mit der bei standardisierten Messverfahren vorausgesetzten Präzision arbeitet und so eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stellt (OLG Koblenz DAR 2006, 101/102; OLG Bamberg Beschl. v. 2.12.2016 — 2 Ss OWi 1185/16, BeckRS 2016, 116866 Rn. 7, beck-online). Beim Vorliegen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass Verfahrensbestimmungen nicht eingehalten wurden oder – substantiiert – Messfehler geltend gemacht werden, müssen im Urteil hierzu Ausführungen gemacht werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Begründung ihres Antrags auf (teilweise) Aufhebung des Urteils in ihrer Stellungnahme vom 28.03.2021 folgendes ausgeführt:

„Eine Überprüfung, ob das verwendete Messgerät von seinem Bedienungspersonal auch wirklich standardgemäß – entsprechend der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs- und Gebrauchsanweisung – verwendet wurde, wie seitens der Verteidigung substantiiert bestritten, ist dem Rechtsbeschwerdegericht vorliegend nicht möglich. Ausweislich der Urteilsgründe (UA, S. 3) hat das Amtsgericht ohne nähere Ausführungen festgestellt, dass das Gerät nach den Anweisungen des Herstellers getestet und bedient wurde. Weiter hat das Gericht ausgeführt, dass das Polizeifahrzeug nach Abschluss der Eingangstests auf dem Parkplatz Lächle nochmals einige Meter bis zur Ausfahrt des Parkplatzes bewegt wurde, um dort die Messung der Fahrzeuge durchzuführen. Feststellungen dazu, welche konkreten Anforderungen der Hersteller an die Durchführung der Funktionstests stellt, wie sie vom Bedienungspersonal ordnungsgemäß durchzuführen sind und ob sich der Messbeamte an die entsprechenden Herstellervorgaben tatsächlich gehalten hat (vgl. OLG Gelle, Beschluss vom 26.06.2009 – 311 SsBs 58/09, NZV 2010, 414), fehlen, obwohl seitens der Verteidigung eingewandt wurde, dass das Polizeifahrzeug mit dem Gerät nach den Eingangstests noch bewegt worden sei und auch die Abschlusstests auf einem anderen Parkplatz stattgefunden hätten. Diese Feststellungen wären jedoch erforderlich gewesen. So sind nach der Gebrauchsanweisung des eingesetzten Messgerätes ,nach jedem Transport des Messgeräts an einen neuen Einsatzort im Einsatzfahrzeug zu Beginn vier Tests durchzuführen. Dass diese Herstellerangaben beachtet wurden, ist nicht ersichtlich. Dem Urteil kann insbesondere nicht entnommen werden, dass das Messgerät händisch zur Ausfahrt des Parkplatzes Löchle gebracht wurde. Nur wenn das Gerät entsprechend der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs- und Gebrauchsanweisung verwendet wurde, kann davon ausgegangen werden, dass das Messgerät mit der bei standardisierten Messverfahren vorausgesetzten Präzision arbeitete. Nur in diesem Fall ist eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage gegeben. Anderenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Messergebnis verändert wurde, beispielsweise aufgrund von Erschütterungen im Einsatzfahrzeug.

Die erfolgte Messung als solche ist nicht generell unverwertbar. Vielmehr muss das Gericht – sollte die Messung nicht entsprechend der Bedienungs- und Gebrauchsanweisung erfolgt. sein – von einem individuellen Messverfahren ausgehen, das nicht mehr die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit für sich in Anspruch nehmen kann (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 02.12.2016 – 2 Ss OWi 1185/16, BeckRS 2016, 116866). Die Urteilsgründe enthalten, da das Gericht von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen ist, nicht die erforderlichen. Feststellungen hinsichtlich einer individuellen Überprüfung der Messung und genügen damit nicht den Anforderungen an die Darstellung eines außerhalb eines standardisierten Messverfahrens zustande gekommenen Messergebnisses.“

Dieser zutreffenden Rechtsauffassung schließt sich der Senat an. Aufgrund des aufgezeigten Rechtsfehlers ist das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen — ausgenommen sind die Feststellungen zur Fahrereigenschaft, welche von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind — aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG iVm § 353 StPO).“

Also: Zurück auf Null.