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Haft II: Schwere der Taten für Wiederholungsgefahr, oder: Reichen Fahrraddiebstähle aus?

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Urheber Rüdiger Wölk

Die zweite Haftentscheidung kommt mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.03.2022 – 1 Ws 33/22 – zum Schweregrad der Anlasstaten bei Wiederholungsgefahr. Das ist ja auch ein Thema, das die Rechtsprechung immer wieder beschäftigt.

Es geht in dem Verfahren um einen auf Wiederholungsgefahr gestützten Haftbefehl. Gegen den Beschuldigten sind – verkürzt dargestellt – mehrere Ermittlungsverfahren anhängig. In allen geht es u.a. auch um Fahrraddiebstähle. Außerdem gibt es bereits Verurteilungen wegen Diebstahlstaten. Wegen der weiteren Einzelheiten verweise ich auf den Volltext.

AG und LG sind von Wiederholungsgefahr i.S. des § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO aus. Das OLG hat auf die (weitere) Haftbeschwerde des Beschuldigten den Haftbefehl aufgehoben:

„Entgegen der Auffassung der Vorgerichte ist auch keine Wiederholungsgefahr im Sinne des § 112a Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 StPO gegeben.

Zwar ist der Beschuldigte der wiederholten Begehung des Diebstahls im besonders schweren Fall, §§ 242, 243 Abs. 1 Ziff. 2 StGB, und damit einer Katalogtat des § 112a Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 StPO dringend verdächtig. Insoweit braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob bereits die den Gegenstand des Haftbefehls vom 05. Januar 2022 bildenden Taten hierfür genügen, obwohl hinsichtlich der Tat zu 5) im Wege der Wahlfeststellung auch eine Hehlerei im Sinne des § 259 StGB in Betracht kommt. Zur Begründung der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a StPO können auch Taten herangezogen werden, die den Gegenstand eines anderen Ermittlungsverfahrens bilden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, zu § 112a Rz. 8). Eine Wiederholung der Tat zu 1) des Haftbefehls bedeuten jedenfalls die zum Nachteil der Zeugen N… und D… am 02. Oktober 2021 und 19. Dezember 2021 begangenen Diebstahlshandlungen, derer der Beschuldigte aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses ebenfalls dringend verdächtig ist. Das Fahrrad der Zeugin D… ist anlässlich der Durchsuchungsmaßnahme in der Wohnung des Beschuldigten vorgefunden worden. Der Zeuge N… hat den Beschuldigten anlässlich einer Wahllichtbildvorlage wiedererkannt.

Auch zeigen die Ermittlungsergebnisse bestimmte Tatsachen auf, aus denen sich eine starke innere Neigung des Beschuldigten ergibt, Fahrraddiebstähle zu begehen. Hieraus begründet sich die Besorgnis, er werde die Serie gleichartiger Taten noch vor der Verurteilung wegen der dem Haftbefehl zugrunde liegenden Diebstahlsvorwürfe fortsetzen (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., Rz. 14). Der bereits wegen Diebstahls vorbestrafte Beschuldigte ist auf der Grundlage bisheriger Ermittlungen Mitglied einer Organisation, die sich zur fortgesetzten Begehung von Fahrraddiebstählen zusammengeschlossen hat. Die Taten liegen nach Art einer Serie zeitnah beieinander.

Es fehlt indessen an der von § 112a StPO vorausgesetzten schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung durch die Anlasstat.

Da die in den Katalog des § 112a Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 StPO aufgenommenen Straftaten schon generell schwerwiegender Natur sind, der Kreis der Delikte indessen durch das Merkmal der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung noch weiter eingeschränkt werden soll, können nur Taten überdurchschnittlichen Schweregrads als Anlasstaten eingestuft werden (OLG Hamm NStZ-RR 2015, 115, 116; OLG Frankfurt StV 2016, 816 f.; Graf in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Auflage, zu § 112a, Rz. 14a), also solche, die mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Kriminalität liegen (OLG Braunschweig StV 2012, 352 f.; OLG Frankfurt a. a. O.). Ob dies der Fall ist, richtet sich insbesondere nach dem Unrechtsgehalt der Tat sowie nach Art und Umfang des angerichteten Schadens (Saarländisches OLG, Beschluss vom 16. Oktober 2018, 1 Ws 206/18, Rz. 17, Juris; OLG Hamm a. a. O.; OLG Karlsruhe StV 2017, 456 f.; OLG Frankfurt a. a. O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., zu § 112a, Rz. 9). Dabei muss jede einzelne Tat nach ihrem konkreten Erscheinungsbild den erforderlichen Schweregrad aufweisen, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung erst aus dem Gesamtunrecht aller Taten herzuleiten, ist nicht zulässig (Saarländisches OLG a. a. O.; OLG Frankfurt a. a. O.; Graf in Karlsruher Kommentar a. a. O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O.).

Hieran gemessen, handelt es sich bei der Anlasstat vom 04. Januar 2022 nicht um eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat. Der Diebstahl mit Waffen, dessen der Beschuldigte dringend verdächtig ist, weist keinen überdurchschnittlichen Schweregrad auf, er ist lediglich der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Die Art der Tatausführung, die Auswirkungen der Tat, die aus ihr sprechende Gesinnung, der bei ihr aufgewendete Wille und die Beweggründe und Ziele des Beschuldigten weisen keine über das durchschnittliche Erscheinungsbild hinausgehenden Besonderheiten auf. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass der Beschuldigte zwar ein Messer bei sich führte, es sich hierbei indessen nur um ein gewöhnliches Taschenmesser handelte, dessen Eignung zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen nach Art seiner Verwendung im konkreten Fall noch aufzuklären sein wird (vgl. hierzu BGH StV 2002, 191; NStZ-RR 2003, 12; 2005, 340; OLG Braunschweig NJW 2002, 1735).

Auch aus den Tatfolgen lässt sich eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung nicht herleiten. In Übereinstimmung mit der Auffassung der Beschwerdekammer des Landgerichts nimmt der Senat für Taten nach § 243 StGB eine Wertgrenze von 2.000,00 € an (vgl. Seite 7 der Entscheidung des Landgerichts m. w. N.). Diese Wertgrenze ist hinsichtlich der Taten, die Gegenstand des Haftbefehls vom 05. Januar 2022 sind – Fahrräder der Geschädigten P… und W… –, nicht erreicht. Bezogen auf das E-Bike des Zeugen N… geht die Kammer in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht vom Neupreis des Diebesguts aus, den sie mit 2.500,00 € beziffert. Das E-Bike war indessen zur Tatzeit nach Angaben des Geschädigten bereits zwei Jahre alt, sodass sein Wert sich erheblich reduziert haben und die genannte Grenze nicht mehr erreichen dürfte.

Bei zusammenfassender Würdigung der Umstände handelt es sich bei den Taten jeweils nicht um solche, die mindestens der oberen Hälfte der mittelschweren Kriminalität zuzuordnen sind, und damit nicht um solche, durch welche die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigt wird.“

Pflichti II: Bestellung im JGG-Verfahren wegen BtM, oder: Schwierge Sachlage, wenn viele Polizeizeugen

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Im zweiten Posting dann etwas zur Schwere der Tat i.S. des § 140 Abs. 2 StPO.

Zunächst der Hinweis auf den LG Mannheim, Beschl. v. 16.02.2022 – 7 Qs 9/22. Das LG hat in einem JGG-Verfahren mit dem Vorwurf des Handeltreibens mit BtM, und zwar u.a. gewerbsmäßig, einen Pflichtverteidiger bestellt. Hier die Begründung:

„Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 JGG i.V.m. § 140 Abs. 2 StPO vor, da zumindest die Schwere der Tat eine Beiordnung rechtfertigt.

Aufgrund der bisherigen Ermittlungen, insbesondere aber aufgrund der Angaben des Beschuldigten im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung vom 15.04.2021, in der er umfassende Angaben zu seinen bisherigen Drogengeschäften gemacht hat, werden dem Beschuldigten derzeit mehr als 80 Fälle des Erwerbs von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum (jeweils 1 -g Marihuana) sowie mehr als 15 Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (mit einer Gesamtmenge von rund 600 g Marihuana) zur Last gelegt, wobei. bzgl. des Handeltreibens von einer gewerbsmäßigen Begehungsweise im Sinne des § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG auszugehen ist (vgl. die Übersicht der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 22.12.2021, BI. 74 u. 75). Die Taten soll er im Zeitraum von Januar 2020 bis März 2021 jeweils über einen Zeitraum von mehreren Monaten begangen haben.

Abgesehen davon, dass Dauer und Umfang der Taten durchaus Raum für die Annähme des Vorliegens schädlicher Neigungen lassen und damit ggf. auch an die Voraussetzung des § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO zu denken wäre, sind die Taten des gewerbsmäßigen Handeltreibens als solche aufgrund des – jedenfalls im Erwachsenenstrafrecht geltenden – Regelstrafrahmens von mindestens einem Jahr als schwer anzusehen.

Der Gesetzgeber hat sich durch die Neugestaltung des § 140 Abs. 2 StPO bewusst von der reinen Ausrichtung der Schwere der Tat nach der zu. erwartenden Rechtsfolge gelöst und die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge als eigenständige Voraussetzung normiert- damit kommt der Schwere der Tat ein eigenständiger Anwendungsbereich zu, der nur in der Schwere des Tatvorwurfs liegen kann (vgl. BeckOK/Noah JGG § 68 RN 13; Eisenberg/Kölbel JGG, 22. Aufl. § 68 RN.24). Dass eine Tat; die – wenn gleich als Regelbeispiel – grds. mit einer Mindeststrafe von einem Jahr, bedroht ist, als schwer anzusehen ist, liegt auf der Hand, zumal wenn wie im vorliegenden Fall die Tat wiederholt begangen worden ist.

Zudem ist bei Jugendlichen und Heranwachsenden zu beachten, dass diese aufgrund ihrer geringeren Lebenserfahrung und des geistigen und körperlichen Entwicklungsprozesses, in dem sie sich befinden, weit Weniger als-Erwachsene in der Lage sind, die Abläufe und Tragweite eines Strafverfahrens, insbesondere auch für ihre weitere schulische und berufliche Entwicklung ab-zu schätzen und sich dementsprechend zu verteidigen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet deshalb eine diesem Umstand gerecht werdende – in Rspr. und Lit. auch als „großzügig und extensiv“ bezeichnete (vgl. OLG Schleswig-Holstein StraFo 2009, 28; OLG Hamm StV 2008, 120; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2007, 282; OLG Brandenburg NStZ 2002, 184; OLG Hamm StraFo 2002, 293; Beck9K/Noah JGG § 68 RN 12; Eisenberg/Kölbel JGG, 22. Aufl. § 68. RN 23; Ostendorf, JGG, 11. Aufl. § 68 .RN 7f), jeweils m.w.N.) – Anwendung des § 68 Abs. 1 .Nr. 1 JGG. Im vorliegenden Fall ist nicht nur zu‘ berücksichtigen, dass der Beschuldigte erst vor wenigen Tagen 18 Jahre alt geworden ist, sondern auch, dass es sich bei ihm – was der regelmäßige und relativ intensive Drogenkonsum nahelegt – durchaus um eine instabile Persönlichkeit handeln könnte.

Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Versagung der Beiordnung, auch eine dem Wortlaut des § 68 Abs. 1 Nr. 1 JGG nicht entsprechende Privilegierung erwachsener Straftäter darstellen würde. Maßgeblich ist nach §.68 Abs. 1 Nr. 1 JGG, ob im Verfahren gegen einen Erwachsenen ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegen würde; davon wäre, bei einem Erwachsenen bei vergleichbaren Tatvorwürfen ohne Weiteres auszugehen. Dass im Jugendstrafrecht im Hinblick auf die Entwicklung jugendlicher Straftäter ein breites Spektrum von. Rechtsfolgen vorgesehen ist und diese Rechtsfolgen nicht mit der Eingriffsintensität von Geld-. oder Freiheitsstrafen verlieren sind, rechtfertigt nicht, den jugendlichen Täter allein aufgrund der geringeren Rechtsfolgenerwartung schlechter als den Erwachsenen zu stellen.“

Und zur Abrundung dann noch der LG Düsseldorf, Beschl. v. 14.02.2022 – 18 Qs 9/22. Es handelt sich um einen „Polizeizeugenfall“. Das LG hat bestellt. Hier der Leitsatz:

Ein Fall der notwendigen Verteidigung unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage kann aufgrund der zu erwartenden umfangreicheren Beweisaufnahme durch Vernehmung einer Vielzahl von Polizeizeugen anzunehmen sein.

Pflichti II: 3 x etwas zu den Beiordnungsgründen, oder: Gesamtstrafe, Unfähigkeit, Strafvollstreckung

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Und im zweiten Posting dann drei Entscheidungen zur den Beiordnungsgründen, allerdings jeweils nur die Leitsätze, da die „selbsterklärend“ sind:

Von der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge i.S.d. § 140 Absatz 2 StPO ist auszugehen, soweit eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr in Betracht. Drohen einem Beschuldigten dabei in mehreren Parallelverfahren Strafen, die gesamtstrafenfähig sind und von denen anzunehmen ist, dass deren Summe voraussichtlich eine Höhe erreichen werde, die das Merkmal der „Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge“ i.S.d. § 140 Absatz 2 StPO, mithin mindestens eine (Gesamt-)Freiheitsstrafe von einem Jahr erfüllt, ist die Verteidigung in jedem Verfahren notwendig. Darauf, ob die in Frage stehenden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden oder nicht, kommt es bei der Beurteilung nicht an.

Es können erhebliche Zweifel an der Fähigkeit eines Beschuldigten, sich selbst zu verteidigen, bestehen, wenn aufgrund desolater psychischer und persönlicher Verhältnisse ersichtlich ist, dass er mit behördlichem Schriftverkehr (hier: Strafbefehl) und einer adäquaten Reaktion hierauf schlicht überfordert ist.

Dem Verurteilten ist im Strafvollstreckungsverfahren ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn sich die Strafvollstreckungskammer eingehend mit dem aktuellen Gesundheitszustand des Verurteilten und bereits vorhandenen ärztlichen Stellungnahmen auseinandersetzen und diese in Beziehung zu den begangenen Straftaten setzen muss und zudem der Vollstreckungsfall in rechtlicher Hinsicht Fragen aufwirft, die sowohl die Strafvollstreckungskammer als auch die Generalstaatsanwaltschaft zunächst verkannt haben.

Pflichti III: Noch einmal zu Beiordnungsgründen, oder: Gesamtstrafe, Vollstreckung, stotternder Beschuldigter

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Und im letzten „Pflichti-Posting“ des Tages – und wohl auch des Jahres, aber man soll ja nie nie sagen 🙂 – dann noch zwei Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen, und zwar einmal zur „Schwere der Tat“ in einem Gesamtstrafenfall und einmal zur Bestellung im Strafvollstreckungsverfahren. In beiden Fällen ist die Bestellung abgelehnt worden.

Hier die Leitsätze der beiden Entscheidungen – zum Teil mit meinen – Leitsätzen:

Die Schwelle für die Bestellung eines Pflichtverteidigers von einer Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe ist auch bei der Gesamtstrafenbildung maßgeblich, was selbst dann gilt, wenn die Gesamtstrafe aus der verfahrensgegenständlichen Verurteilung und -künftigen Verurteilungen aus noch nicht abgeschlossenen Verfahren gebildet werden wird oder insoweit zumindest in Betracht kommt. Etwas Anderes gilt jedoch dann, wenn die Straferwartung im anhängigen Verfahren die Gesamtstrafenbildung nur unwesentlich beeinflusst.

Für die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist im Strafvollstreckungsverfahren maßgeblich, ob die vollstreckungsrechtliche Lage schwierig ist. Das ist dann der Fall, wenn n tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Fragen aufgeworfen werden, die Aktenkenntnis erfordern und über die regelmäßig auftretenden Probleme hinausgehen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit erneut erheblich und einschlägig straffällig geworden und deswegen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Ob diese Entscheidung des OLG Brandenburg zutreffend ist, kann man m.E. ohne genaue Kenntnis der Umstände nicht beurteilen.

    1. § 140 Abs. 1 Nr. 11 StPO ist im Hinblick auf hör- und sprachbehinderte Beschuldigte wie § 140 Abs. 2 Satz 2 StPO a. F. auszulegen.
    2. Das Stottern eines Beschuldigten begründet den Fall einer notwenigen Verteidigung lediglich dann, wenn die Behinderung einen solchen Grad annimmt, dass die Befürchtung besteht, der Beschuldigte werde wegen seines Gebrechens nicht alles Notwendige sagen.

 

Pflichti II: Bestellung wegen „Schwere der Tat“, oder: Drohende Einziehung von rund 22.000 EUR

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Die zweite Entscheidung, die der Kollege Hölldobler aus Regensburg mir geschickt hat, verhält sich zum Beiordnungsgrund „Schwere der Tat“.

Gegen den Angeklagaten ist Anklage wegen leichtfertiger Geldwäsche erhoben worden, Der Kollege beantragte seine Bestellung als Pflichtverteidiger, was er damit begründet hat, dass die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung vorlägen vor, da wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen, insbesondere der drohenden Einziehung von Wertersatz in Höhe von 22.296,24 EUR, die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. Für den derzeit arbeitslosen Angeklagtenstelle die drohende Einziehung eine existenzbedrohende Rechtsfolge dar.

Die Staatsanwaltschaft ist dem zunächst nicht entgegen getreten, hat dann aber die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht befürwortet, da der im Raum stehende Einziehungsbetrag nicht so hoch sei, dass eine solche angezeigt sei. Das AG hat die Bestellung abgelehnt. Die drohende Einziehung von 22.296,24 EUR stelle keine Rechtsfolge dar, aufgrund derer die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich erscheine. Eine Existenzbedrohung sei nicht ersichtlich, ausländerrechtliche Konsequenzen drohten nicht. Es sei zudem nicht ersichtlich, dass sich der Angeklagte nicht selbst verteidigen könne.

Anders dann auf die sofortige Beschwerde das LG im LG Regensburg, Beschl. v. 17.08.2021 – 5 Qs 172/21:

„2. Die Beschwerde ist inhaltlich begründet. Es liegt ein Fall notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO vor.

Die notwendige Bestellung eines Pflichtverteidigers ergibt sich für die Kammer aufgrund der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen. Insoweit ist zu beachten, dass dabei auch alle sonstigen Rechtsfolgen, die in dem betreffenden Strafverfahren angeordnet werden können, zu berücksichtigen sind. Dazu gehört auch die Einziehung (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 140, Rn. 23b). Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass dem Beschwerdeführer neben der drohenden Strafe die Einziehung in Höhe von 22.296,24 € und damit eines nicht unerheblichen Betrages droht. Ungeachtet dessen, ob dies – wie vom Verteidiger vorgetragen – für den derzeit arbeitslosen Beschwerdeführer eine existenzbedrohende Rechtsfolge darstellt, handelt es sich insoweit jedenfalls um einen drohenden Nachteil solch schwerwiegender Art, dass aus Sicht der Kammer aufgrund der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint.“