Schlagwort-Archive: Sachrüge

Kein Revisionsrecht am Hochreck…

Es gibt m.E. kaum eine Woche, zumindest aber kaum einen Monat, in der/dem man bei der Auswertung der Revisionsentscheidungen des BGH nicht auf den Dauerbrenner: Anforderungen an den Umfang Begründung der Begründung der Sachrüge, wenn der Nebenkläger Revision eingelegt, stößt. Immer wieder muss der BGH dazu Stellung nehmen und immer wieder weit er dabei darauf hin, dass an diese Revisionen besondere Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der Begründung gestellt werden. Es reicht eben nicht die einfache/allgemeine Sachrüge. So jetzt auch noch einmal/schon wieder der BGH, Beschl. v. 13.07.2011 – 2 StR 198/11 -, in dem es heißt:

„Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag, das Urteil aufzuheben, mit der allgemeinen Sachrüge begründet. Er hat damit entgegen § 344 Abs. 1 StPO nicht angegeben, inwieweit er das Urteil anfechtet und dessen Aufhebung beantragt. Es bleibt offen, ob der Nebenkläger sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten wegen versuchten Totschlags wendet oder ob er – was gemäß § 400 Abs. 1 StPO unzulässig ist – lediglich den Rechtsfolgenausspruch beanstanden will. Die Erhebung der allgemeinen Sachrüge genügt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, um die Zulässigkeit des Rechtsmittels eines Nebenklägers feststellen zu können (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 2, 5, 10; BGH, Beschluss vom 6. März 2001 – 4 StR 505/00, NStZ-RR 2002, 104; BGH, Beschluss vom 11. März 2004 – 3 StR 493/03, NStZ-RR 2005, 262; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. § 400 Rn. 6 mwN). Daher muss die Revision als unzulässig verworfen werden.“

Mir sind diese Verwerfungen bzw. die unzureichenden Begründungen unverständlich. Wenn man schon als Verteidiger Revision für den Nebenkläger einlegt, dann sollte man sich auch mit den Anforderungen an deren Begründung befassen. Dazu steht etwas in jedem Kommentar. Und das Ganze ist – anders als ggf. bei der Verfahrensrüge – nicht Revisionsrecht am Hochreck.

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr – Zusammenfassung beim BGH

So häufig sind verkehrsrechtliche Entscheidungen des in dem Bereich allein zuständigen 4. Strafsenat des BGH nicht. Daher freue ich mich immer, wenn ich mal wieder eine entdecke.

So den BGH-Beschl. v. 12.04.2011 – 4 StR 22/11. Die Entscheidung bringt allerdings an sich zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) aus Karlsruhe nichts Neues. Sie ist aber dennoch berichtenswert, weil der BGH in der Entscheidung sehr schön seine Rechtsprechung der letzten Jahre zur Problematik – konkrete Gefährdung von Leib und Leben eines anderen bzw. einer Sache von bedeutendem Wert – zusammenfasst.

Zudem wird nochmals deutlich, worauf man als Verteidiger im Rahmen der Sachrüge achten muss. Denn die landgerichtliche Entscheidung beweist/zeigt: Die Rechtsprechung des BGH zu diesen Fragen scheint bei den LG immer noch nicht angekommen zu sein. Anders lassen sich solche landgerichtlichen Feststellungen, wie sie hier der BGH zu beurteilen hatte, nicht erklären.

Und immer wieder die Beweiswürdigung… hier mal beim BtM-Handel

Die Revisionsgerichte weisen immer wieder darauf hin, dass die Beweiswürdigung einer der „ureigensten Aufgaben“ des Tatrichters ist und jeder Revisionsrechtler weiß daher, dass an die Beweiswürdigung der tatrichterlichen Urteile nur „schlecht dran zu kommen ist“.

Andererseits deckt der BGH aber auch immer wieder Beweiswürdigungsfehler auf. So auch im Beschl. v. 05.07.2010 – 5 StR 156/10. In der Sache ging es um mehrere Angeklagte, denen bandenmäßiges Handeltreiben vorgeworfen wurde. Die Angeklagten belasteten sich gegenseitig. Der BGH führt dann aus:

„aa) In einem Fall, in dem ein Angeklagter – wie hier – zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben anderer Tatbeteiligter überführt werden soll, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle entscheidungsrelevanten Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 19; BGH NStZ-RR 1996, 300). Das gilt in besonderem Maße, wenn widersprüchliche Angaben von Tatbeteiligten zu würdigen sind, die in ein Geflecht illegalen Rauschgifthandels verwickelt sind und naheliegend eigene Vorteile durch vermeintlich geständige Angaben zu erlangen oder fremde Beschuldigungen abzuwehren suchen; unter solchen Vorzeichen ist es erforderlich, die Umstände der Entstehung und den näheren Inhalt der belastenden Angaben sowie deren Entwicklung darzustellen und zu bewerten (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 19; BGH, Beschluss vom 4. August 2004 – 5 StR 267/04; Brause, NStZ 2007, 505, 510).“

Mängel der Beweiswürdigung muss der Verteidiger zwar nicht ausdrücklich rügen – auf die Sachrüge prüft das Revisionsgericht diese von sich aus. Aber man kann den Finger ja mal in (vermeintliche) Wunde legen. Dann wird nichts übersehen.

Manchmal helfen OLGs auch…

So jetzt z.B. das OLG Bamberg in seinem Beschl. v. 30.06.2010 – 3 Ss OWi 854/10, wo der Verteidiger der Rechtsbeschwerde auch mal wieder (vgl. auch hier) „eine ausschließlich eine den gesetzlichen Begründungs­an­forderungen des § 344 II 2 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG nicht ge­nü­gende ‚Aufklärungsrüge’ erhoben“ hatte.

Das OLG hat seine Ausführungen nach allgemeinen Grundsätzen ausgelegt und kommt dann zum Ergebnis:

„…, dass der Bf. neben der schon aus der Formulierung seines Rechtsbeschwerdeantrags ersichtlichen Rechtsmittelbeschrän­kung den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils mit der sog. ‚Feststellungs- bzw. Darstellungsrüge’, nämlich mit der Beanstandung angreift, dass die nach seiner Auffassung lückenhaften Urteilgründe des AG bereits keine trag­fähige Tatsachengrundlage für die Rechtsfolgenbemessung abgeben, namentlich keine hinreichenden Feststellungen zu den ‚bestimmenden’ Zumessungstatsachen iSv. § 267 III 1, 2. Hs. StPO (i.V.m. § 71 OWiG) für die Be­gründung der über dem an sich verwirk­ten Bußgeldregelsatz verhängten Geldbuße enthalten (vgl. hierzu u.a. Meyer-Goßner § 267 Rn. 18 ff. i.V.m. Rn. 42 f.; KK/Engelhardt § 267 Rn. 24 ff. i.V.m. Rn. 47; Göh­ler/Seitz § 71 Rn. 42; Göh­ler/Gürtler § 17 Rn. 34 f. und – im Überblick unter dem Ge­sichtspunkt der revisions­rechtlichen Behandlung – Burhoff, Hdb. für die strafrechtliche Hauptverhand­lung, 6. Aufl. Rn. 758p ff.; aus der im dogmatischen Ansatz unverändert ein­heitlichen obergerichtlichen Rspr. u.a. BGH NStZ-RR 1998, 17 f.: „Das Urteil muß in jedem Fall erkennen lassen, dass sich das Tatgericht für die Strafzumessung um die Aufklärung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten – wenn auch vergeblich – bemüht hat“; im gleichen Sinne z.B. auch BGHR StPO § 267 III 1 Strafzu­messung 8, 9, 10, 15, 17 und OLG Düsseldorf DAR 2002, 174 ff.). Nach alledem beanstandet der Bf. vorliegend die Verletzung sachli­chen Rechts. Der Betr. hat deshalb unbeschadet der anwaltlichen Abfassung seiner Rechtsbeschwerdebegründung und der ‚untechnisch’ zu verstehenden Ver­wendung des Begriffs der ‚Aufklärungsrüge’ gerade keine (unzuläs­sige) Verfahrens­rüge, sondern – zumindest auch – eine (zulässige) Sachrüge erhoben, weshalb die von der GenStA beantragte Verwer­fung der Rechtsbeschwerde als unzu­lässig (§ 349 I StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG) nicht in Betracht kommt.“

Damit war die Rechtsbeschwerde zumindest nicht unzulässig. Unbegründet war sie allerdings. Dazu hier mehr

Keine Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen = durchschnittliche Verhältnisse

Wir hatten gestern über den Beschl. d. OLG Bamberg v. 30.06.2010 – 3 Ss OWi 854/10 und die Auslegung der Aufklärungsrüge auch als Sachrüge berichtet.

Der Beschluss ist nicht nur wegen der verfahrensrechtlichen Frage von Interesse, sondern auch wegen der Ausführungen des OLG zur Höhe der Geldbuße. Der Betroffene hatte keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht mit der Folge, dass das OLG von durchschnittlichen Verhältnissen ausgegangen ist und die bei der Überprüfung der verhängten Geldbuße zugrunde gelegt hat. Auf der Grundlage ergaben sich dann keine Beanstandungen wegen des Führens einer Fahrzeugkombination, obwohl das zulässige Gesamtgewicht um 37,25 % über­schritten war, festgesetzte Geldbuße von 820 €.