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Strafrechts meets Berufsrecht, oder: Fahrerflucht des Rechtsanwalts führt zu berufsrechtlicher Ahndung

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Bei Beck-Online bin ich auf das AnwG Köln, Urt. v. 20.03.2017 – 1 AnwG 40/16 – gestoßen. Er geht um die (zusätzliche) berufsrechtliche Ahndung einer Fahrerflucht durch einen Rechtsanwalt. Das AnwG hat festgestellt, dass sich der angeklagte Kollege nach dem Beschädigen eines anderen Pkw beim Einparken in einem Parkhaus unerlaubt vom Unfallort entfernt hat (§ 142 StGB). Das AG hatte den Rechtsanwalt bereits zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 € und einem zweimonatigen Fahrverbot verurteilt, das AnwG Köln hat gegen den Rechtsanwalt dann noch eine zusätzliche Geldbuße von 400 € verhängt, weil es die Sanktion durch das AG im Hinblick auf die berufliche Stellung des Rechtsanwalts nicht für ausreichend hielt:

„Einer Ahndung des Verhaltens von Herrn Rechtsanwalt D. steht auch § 115b S. 1 BRAO nicht entgegen. Nach § 115b S. 1 BRAO ist dann, wenn durch ein Gericht oder eine Behörde eine Strafe, eine Disziplinarmaßnahme, eine berufsgerichtliche Maßnahme oder eine Ordnungsmaßnahme verhängt worden ist, von einer anwaltsgerichtlichen Ahndung wegen desselben Verhaltens abzusehen, wenn nicht eine anwaltsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich ist, um den Rechtsanwalt zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und das Ansehen der Rechtsanwaltschaft zu wahren. Eine zusätzliche anwaltsgerichtliche Ahndung kommt dabei nur in Betracht, wenn beide Voraussetzungen nebeneinander vorliegen (Feuerich/Weyland, § 115b BRAO, Rn. 30).

Unter Gesamtwürdigung aller Umstände waren die anwaltsgerichtlichen Maßnahmen des Verweises und einer Geldbuße in Höhe von 400,00 EUR gemäß §§ 113 Abs. 2, 114 BRAO zu verhängen.

Die Verhängung der Maßnahmen des Verweises und der Geldbuße in Höhe von 400,00 EUR berücksichtigt den Umstand, dass Herrn Rechtsanwalt D. ein erhebliches Fehlverhalten zur Last fällt. Sein Verhalten bei der Unfallflucht selbst in Gestalt des versteckten Abparkens des Fahrzeuges zwei Etagen höher wie auch sein Tatnachverhalten, bei dem er die Unfallgeschädigte ignorierte und bei der eiligen Ausfahrt noch seinen rechten Außenspiegel beschädigte, und sein zu einer Verzögerung der Unfallregulierung folgendes Verhalten begründen eine besondere Schwere der Pflichtverletzung.

Zugunsten von Herrn Rechtsanwalt D. war zu berücksichtigen, dass bereits eine Ahndung durch Strafbefehl des AG Köln pp. in Gestalt der Verhängung von 30 Tagessätzen zu je 50,00 EUR sowie eines Fahrverbotes von zwei Monaten erfolgte und eine sicherlich empfindliche Ahndung darstellt.

Die Maßnahmen des Verweises und der Geldbuße in Höhe von 400,00 EUR waren dabei notwendig aber auch ausreichend, um den Pflichtverstoß zu ahnden und Herrn Rechtsanwalt D. zur Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten anzuhalten.“

So ganz kann ich mich mit dem Urteil nicht anfreunden. Denn nach § 113 Abs. 2 BRAO ist ein außerhalb des Berufs liegendes Verhalten eines Rechtsanwalts dann eine anwaltsgerichtlich zu ahndende Pflichtverletzung, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen der Rechtsuchenden in einer für die Ausübung der Anwaltstätigkeit bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Eine Antwort darauf, warum das hier der Fall war, bleibt die Entscheidung des AnwG Köln m.E. schuldig. Es hat sich um eine ganz „normale“ Unfallflucht gehandelt. Und dass das Verhalten des Rechtsanwalts zu einer über das normale Maß hinaus gehenden Verzögerung der Unfallregulierung geführt hätte, kann man dem Urteil m.E. auch nicht entnehmen. Aber: Dre Kollege hat es hingenommen.

Selbstverteidigung, oder: Dafür geht der Rechtsanwalt leer aus

Copyright: canstockphoto

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In schöner Regelmäßigkeit oder „Alle Jahre wieder“ gibt es eine Entscheidung eines Landgerichts, die einem Rechtsanwalt „bescheinigt“:  Der sich selbst verteidigende Rechtsanwalt hat im Falle seines Freispruchs keinen Anspruch auf Erstattung einer Verteidigervergütung aus der Staatskasse. So jetzt wieder der LG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.2016 – 61 Qs 51/16. Da hatte der Kollege, der Rechtsanwalt ist, gegen einen Bußgeldbescheid mit eigener Unterschrift Einspruch eingelegt und den mit dem Stempel seiner Rechtsanwaltskanzlei versehen. Der Kollege ist dann freigesprochen worden, die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt .

Der Kollege hat dann Kostenfestsetzung beantragt, wobei er die Gebühren eines Verteidigers (Grund- , Verfahrens- und Terminsgebühr) und eine Pauschale für Post- und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV RVG geltend gemacht hat. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen, das LG Düsseldorf hat es dann bestätigt:

„Die gemäß § 464b Satz 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht Neuss hat den Kostenfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen. Auf der Grundlage der gerichtlichen Kostengrundentscheidung kann der Beschwerdeführer, der Rechtsanwalt ist, keine Gebühren wie ein Verteidiger abrechnen.

Dies gilt unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid mit dem Stempel seiner Anwaltskanzlei versehen hat und ob er im Hauptverhandlungstermin in Robe erschienen ist. Denn in jedem Fall ist er in eigener Sache in seiner Eigenschaft als Beschuldigter tätig geworden. Dies folgt bereits daraus, dass im Straf- und Bußgeldverfahren eine Vertretung in eigener Sache unzulässig ist, wenn der Anwalt selbst Betroffener ist (BVerfG NJW 1998, 363; NStZ 1988, 282; LG Berlin, NJW 2007, 1477; OLG Hamm, StraFo 2004, 170; OLG Nürnberg, Beschl. v. 30. 6. 1999 – Ws 737/99; LG Düsseldorf, Beschl. v. 25.03.2009 – 20 Qs 21/09; Laufhütte in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 138 Rn. 3). Denn der Status des Verteidigers einerseits, welcher nach seinem gesetzlichen Auftrag als Organ der Rechtspflege mit spürbarer Distanz zum Beschuldigten und grundsätzlich gleichberechtigt mit der Staatsanwaltschaft tätig wird, und die Stellung des Angeklagten andererseits sind miteinander unvereinbar (BVerfG, NStZ 1988, 282). Dies hat die Konsequenz, dass die Eigenschaft des Betroffenen als Rechtsanwalt gebührenrechtlich ohne Belang ist.“

Also: Wenn jemand an der OWi des Rechtsanwalts „verdienen“ soll, muss man eben einen anderen Kollegen beauftragen 🙂 .

„Hereinspaziert, hereinspaziert, hier wird Ihr Unfallschaden vorfinanziert!“, aber: Zulässig?

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In der letzten Zeit hat es eine ganz Reihe berufsrechtlicher Entscheidungen gegeben, die auch für den Verkehrs- und Strafrechtler von Interesse sind. Eine davon will ich heute in meinem „Kessel Buntes“ bringen. Es ist das BGH, Urt. v. 20.06.2016 – AnwZ (Brfg) 26/14. In ihm geht es um die Frage: Darf der Rechtsanwalt  bei der Abwicklung von Verkehrsunfällen auch die Vorfinanzierung von Schadensaufwendungen anbieten? Sicherlich eine Frage, die im doch hart umkämpften Anwaltsmarkt für den ein oder anderen Kollegen von Interesse sein könnte.

Gegenstand des Verfahrens beim BGH war ein nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO erteilter belehrender Hinweis einer Rechtsanwaltskammer an zwei Rechtsanwälte, die gemeinsam eine Rechtsanwaltskanzlei betrieben, die sich auf die Abwicklung von Verkehrsunfällen spezialisiert hatte. Die Kanzlei bot ihren Mandanten die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen – sowie Abschleppkosten in Höhe der geschätzten Haftungsquote an. In der Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung ermächtigen die Mandanten die Rechtsanwälte der Kanzlei u.a. „zur Zahlung aller mit dem Unfall in Zusammenhang stehender Rechnungen aus Eigen- oder Fremdmitteln“. Nach Erhalt der Rechnungen der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer wurden die Rechnungen jeweils in Höhe der geschätzten Haftungsquote von der Rechtsanwaltskanzlei ausgeglichen. Die zuständige Rechtsanwaltskammer hat den klagenden Rechtsanwälten einen belehrenden Hinweis dahingehend erteilt, dass die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen- und/oder Abschleppkosten für Mandanten im Rahmen der Bearbeitung von Verkehrsunfallangelegenheiten gegen § 49 b Abs. 2 S. 2 BRAO sowie gegen § 49 b Abs. 3 S. 1 BRAO verstoße. Dagegen richtete sich die Klage, die weder beim AnwGH Bayern noch beim BGH Erfolg hatte. Der BGH hat zwar einen Verstoß gegen § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO verneint, einen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO hingegen bejaht:

b) Zutreffend haben der Anwaltsgerichtshof und die Beklagte in der be-anstandeten Verfahrensweise jedoch einen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO gesehen. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO untersagt dem Rechtsanwalt, für die Vermittlung von Aufträgen einen Teil der Gebühren zu zahlen oder sonstige Vorteile zu gewähren. Es soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten, die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate „gekauft“ und „verkauft“ werden (BT-Drucks. 12/4993 S. 31; Kilian, aaO Rn. 159). Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt wird, darf hierfür den Vermittler nicht belohnen (Kilian, aaO Rn. 161; vgl. auch OLG Thüringen, DStRE 2003, 700, 702 zum Steuerberater). Unter sonstigem Vorteil ist auch die Erbringung von berufsfremden Dienstleistungen zu verstehen, wie hier die sofortige Bezahlung der Rechnungen von Kraftfahrzeugwerkstätten und Abschleppunternehmern für den Mandanten. Die betroffenen Kraftfahrzeug-werkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten als Geld-zahlung zwar nur ihre Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall-ereignis vergütet. Sie haben aber den sonstigen Vorteil einer sofortigen, sicheren Zahlung und sind deshalb an der von der Kanzlei der Kläger angebotenen Verfahrensweise interessiert, wie auch die von den Klägern geschilderten Kontaktaufnahmen mit der Bitte um Erläuterung des Vorgehens zeigen. Immerhin stammt nach den eigenen Angaben der Kläger etwa die Hälfte der Mandate aus diesem Geschäftsmodell.

Das Verbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO erfasst nur Provisionszahlungen bzw. die Gewährung von Vorteilen für ein konkret vermitteltes Mandat (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1298 Rn. 24). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Kläger bieten zwar allen Mandanten die Bezahlung der Rechnungen der Kraft-fahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmern in Höhe der geschätzten Haftungsquote an, unabhängig davon, ob und gegebenenfalls auf wessen Empfehlung die Mandanten den Anwaltsvertrag mit ihnen ge-schlossen haben. Wenn die Mandanten jedoch auf Empfehlung der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer die Kanzlei der Kläger mit der Abwicklung der Verkehrsunfallsache beauftragt haben, ist in diesen konkreten Fällen die Ursächlichkeit gegeben. Die Kläger streben mit ihrer Vorgehensweise gerade an, dass die Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständi-gen und Abschleppunternehmer, die den ersten Kontakt mit Verkehrsunfall-opfern mit spezifischem Beratungsbedarf haben, ihre Kanzlei empfehlen. Die Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten den sonstigen Vorteil jeweils in einem konkreten Fall, in dem entweder ihre Empfehlung zur Mandatierung der Kläger geführt hat oder der Mandant aus sonstigen Gründen die Kläger beauftragt hat. Der Vorteil wird hingegen nicht allgemein und unabhängig vom konkreten Mandat gewährt. Dass mindestens in einem Fall eine Mandantin auf Empfehlung der Werkstatt die Kanzlei der Kläger beauftragt hat, ergibt sich aus der Beschwerdesache C. K. , die auf Empfehlung ihres Autohauses dem Kläger zu 1 das Mandat erteilt hatte.

c) Es kann dahinstehen, ob die Kläger durch die Zahlungen auf die Zah-lungspflichten ihrer Mandanten deren Geschäft besorgen und sie lediglich einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) geltend machen oder ob es sich möglicherweise um erlaubnispflichtige Kreditgeschäfte des Rechtsanwalts im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 KWG handelt. Das Verhalten der Kläger gegenüber den Mandanten widerspricht auch dann den §§ 43, 43b BRAO, wenn eine Genehmigungspflicht nach den Kreditwesengesetz für diese Tätig-keit nicht besteht. Durch die Zusage, Werkstatt-, Abschlepp- und Sachverstän-digenkosten zu verauslagen, werden auch die Mandanten mit einer unentgeltlichen Leistung geworben, die in deren Situation keinen geringen Wert hat. Diese Werbung ist nicht berufsbezogen und zudem auf die Erteilung des Mandats im Einzelfall gerichtet. Die Verauslagung der Kosten des Mandanten wird in Aussicht gestellt, um diese nach Verkehrsunfällen, also bei bestehendem Beratungsbedarf, konkret zum Abschluss des Anwaltsvertrags zu bewegen. Dies ist unzulässig.“

Nach dieser mehr als deutlichen Entscheidung des BGH sollte man als Rechtsanwalt von der Art der Akquise auf jeden Fall die Finger davon lassen. Solche Vorfinanzierungen sind auch nicht ungefährlich. Der nach der Rechtsprechung vorliegende berufsrechtliche Verstoß kann über § 134 BGB Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Mandatsvertrags zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten haben. Der BGH hat schon in der Vergangenheit in verschiedenen Entscheidungen die Nichtigkeit von Mandatsverträgen angenommen, wenn diese gegen eine gesetzliche Regelung verstoßen (vgl. BGH NJW 2001, 1569; ZIP 2016, 1443). Begründung: Die gesetzlichen Regelungen bleiben weitgehend wirkungslos, wenn der Rechtsanwalt auch aus einer ihm untersagten Tätigkeit einen Honoraranspruch erwerben könnte. Das bedeutet, dass dem Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des BGH in diesen Fällen sein anwaltliches Honorar verloren gehen kann.

„Ich will doch bloß für den Zeugen Akteneinsicht“ – Pflichtverteidiger für den Angeklagten, ja oder nein?

© pedrolieb -Fotolia.com

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Und zum Tagesabschluss eine Entscheidung aus dem Bereich der Pflichtverteidigung, und zwar mit folgendem Sachverhalt: In einem Strafverfahren meldet sich für einen Zeugen ein Rechtsanwalt, der lediglich zur Prüfung etwaiger zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche legitimiert ist und Akteneinsicht beantragt. Pflichtverteidiger für den Angeklagten, ja oder nein?

Der LG Braunschweig, Beschl. v. 21.10.2015, 3 Qs 109/15 – hat „nein“ gesagt:

„Dem Angeklagten ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Eine solche Pflichtverteidigerbeiordnung ist schon nicht gem. § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO bzw. unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit geboten, denn der Zeuge und mögliche Geschädigte xxx ist kein anwaltlich vertretener Nebenkläger, ihm ist auch nicht gem. § 397 a StPO Prozesskostenhilfe bewilligt noch ein Rechtsanwalt als Beistand beigeordnet worden.

Bei dem Zeugen xxx handelt es sich auch nicht um einen im Strafverfahren anwaltlich vertretenen Verletzten, welches ggf. unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bzw. des fairen Verfahrens eine Beiordnung gem. § 140 Abs. 2 StPO rechtfertigen könnte. Der Rechtsanwalt des Zeugen xxx hat sich in dem vorliegenden Strafverfahren lediglich zur Prüfung etwaiger zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche legitimiert (vgl. Bl. 158) und Akteneinsicht beantragt. Eine darüber hinaus gehende anwaltliche Vertretung des Zeugen xxx in dem Strafverfahren gegen den Angeklagten ist derzeit nicht feststellbar.“

Nun ja, könnte man – je nach den Umständen – auch anders sehen.

Das abgehörte Anbahnungsgespräch, oder: Die (überwachten) Telefonate mit einem Rechtsanwalt sind sofort zu löschen

entnommen wikimedia.org Urheber Stefan-Xp

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Der 3. Strafsenat des BGH hat im BGH, Beschl. v. 04.02.2016 – StB 23/14 – eine Entscheidung des OLG Frankfurt aufgehoben, in der es um eine TKÜ ging, bei der Gespräche mit einer Rechtsanwältin abgehört worden waren. Der Ermittlungsrichter des BGH hatte 2008 in einem Ermittlungsverfahren, das u.a. wegen des Verdachts des Völkermordes geführt wurde,  die Überwachung der Telekommunikation, die von einem bestimmten Telefonanschluss geführt wurde, angeordnet. Auf dieser Grundlage wurden zwischen dem überwachten Anschluss und dem Anschluss der Rechtsanwältin insgesamt 19 Telekommunikationsereignisse aufgezeichnet. Hiervon benachrichtigte der GBA die Rechtsanwältin. Die hat einen Antrag nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO gestellt. Das OLG hatte dann im Urteil festgestellt, dass die angefochtenen TKÜ-Maßnahmen rechtmäßig angeordnet und in rechtmäßiger Art und Weise vollzogen worden seien. Dagegen dann die gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde, die beim BGH Erfolg hatte:

„Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg; denn die Aufzeichnungen über die durch die verfahrensgegenständlichen Überwachungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse hätten nach § 160a Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 5 StPO unverzüglich gelöscht werden müssen. Dies gilt auch dann, wenn man die während der Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen sowie zum Zeitpunkt der Benachrichtigung nach § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO geltende Fassung des § 160a Abs. 1 StPO anwendet, nach der – soweit hier von Bedeutung – im Gegensatz zu der seit dem 1. Februar 2011 geltenden Neufassung die Norm lediglich Verteidiger, nicht aber Rechtsanwälte im Allgemeinen erfasste. Im Einzelnen:

1. Die Beschwerdeführerin war zwar zu keinem Zeitpunkt als solche mandatierte Verteidigerin des Beschuldigten. Jedoch beginnt das berufsbezogene Vertrauensverhältnis, das zu schützen § 160a Abs. 1 i.V.m. § 53 StPO beabsichtigt, nicht erst mit Abschluss des zivilrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrages, sondern umfasst auch das entsprechende Anbahnungsverhältnis (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 – StB 8/13, BGHR StPO § 53 Abs. 1 Nr. 2 Anwendungsbereich 1 mwN). Ein solches Anbahnungsverhältnis ist hier anzunehmen.

Dies ergibt sich insbesondere aus den Inhalten der Telefonate vom 24. April 2008 (SASO IV, lfd. Nr. 350), 29. April 2008 (SASO IV, lfd. Nr. 689) und 2. Mai 2008 (SASO IV, lfd. Nr. 799). Gegenstand dieser Gespräche, die zwischen der Ehefrau des Beschuldigten und der Beschwerdeführerin geführt wurden, war die Suche nach einem Rechtsanwalt für den Beschuldigten. So teilte die Ehefrau des Beschuldigten in dem Telefonat vom 24. April 2008 u.a. mit, dieser wünsche sich die Beschwerdeführerin als Vertreterin. In dem Gespräch vom 29. April 2008 erklärte die Beschwerdeführerin, sie habe den Beschuldigten gebeten, ihr eine Vollmacht zu unterschreiben und zuzuschicken. Außerdem fragte sie nach den Gegenständen, die bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmt wurden und ob etwas dabei gewesen sei, was den Beschuldigten belasten könne. Dies verneinte die Ehefrau des Beschuldigten. In der Unterhaltung am 2. Mai 2008 wird schließlich ausgeführt, der Beschuldigte habe einem anderen Rechtsanwalt Vollmacht erteilt und es sei nicht notwendig, zwei Rechtsanwälte gleichzeitig zu beauftragen. Bei einem Wunsch nach Beratung oder sonstigen Fragen könne die Ehefrau des Beschuldigten die Beschwerdeführerin aber jederzeit anrufen. Die Gespräche enthalten demnach neben Ausführungen etwa zu ausländerrechtlichen Fragestellungen eindeutige Bezüge zu dem gegen den Beschuldigten geführten Strafverfahren und einer möglichen Mandatierung der Beschwerdeführerin in diesem, die genügen, um den Anwendungsbereich der § 160a Abs. 1, § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO zu eröffnen.

2. Die Beschwerdeführerin, gegen die sich die Ermittlungsmaßnahmen nicht richteten, hätte über das, was ihr aus den verfahrensgegenständlichen Telefongesprächen bekannt wurde, gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO das Zeugnis verweigern dürfen.

Nach dieser Vorschrift bekanntgeworden ist dem Berufsausübenden all das, was ihm in anderer Weise als durch Anvertrauen im Sinne des Mitteilens in der erkennbaren Erwartung des Stillschweigens in funktionalem Zusammenhang mit seiner Berufsausübung zur Kenntnis gelangt, unabhängig davon, von wem, aus welchem Grund oder zu welchem Zweck er sein Wissen erworben hat. Nicht erfasst sind allein solche Tatsachen, die er als Privatperson oder nur anlässlich seiner Berufsausübung in Erfahrung gebracht hat (BGH, aaO mwN).

Ausgehend von diesen Maßstäben unterliegt der Inhalt der verfahrensgegenständlichen Telefongespräche dem Schutz des § 53 StPO. Ungeachtet des Umstands, von wem die Initiative für die Telefonate ausging, standen die Äußerungen der Gesprächspartner jeweils in ausreichendem Bezug zu der Funktion der Beschwerdeführerin als – möglicher – Verteidigerin des Beschuldigten. Hieran ändert es nichts, dass direkter Gesprächspartner der Beschwerdeführerin nicht der Beschuldigte, der sich in Untersuchungshaft befand, sondern dessen Ehefrau war.“

Und warum braucht man dafür den BGH?