Ich kann, da ich ja nicht forensisch tätig bin, leider nicht so viel aus dem Gerichtsalltag beitragen wie andere Kollegen (vgl. z.B. hier der Kollege Nebgen zur Sitzordnung, ein m.E. alter Hut, der aber offenbar von den Gerichten doch immer wieder hervorgekramt wird). Da bin ich dann froh, wenn im Forum bei Heymanns Strafrecht sich mal das ein oder andere Thema anbietet, das man auch hier zur Diskussion stellen kann.
So gestern unter der Überschrift: „Hauptverhandlungsprotokoll/Sitzungsprotokoll“: Der Kollege schreibt:
„Hallo, gegen meinen Mandanten wurde ein Ordnungsgeld festgesetzt, weil er in der Hauptverhandlung, in der er als Zeuge geladen war, nicht erschienen ist.
Zur Begründung meiner Beschwerde beantrage ich Akteneinsicht. Bei Durchsicht der Akte finde ich auch das bereits unterschriebene Sitzungsprotokoll der HV, zu der mein Mandant nicht erschienen war. Er war der einzig geladene, nicht anwesende Zeuge.
Im Protokoll heisst es dann wie folgt:
Als Zeuge war erschienen:
Zeuge A. Oldenburg nicht
Der/Die Zeuge/in und der/ die Sachverständige wurden mit dem Gegenstand der Untersuchung und der Person des Angeklagten bekannt gemacht.
Der/Die Zeugin wurde zur Wahrheit ermahnt und darauf hingewiesen, dass Zeugen ihre Aussage zu beeiden haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliege.
Hierauf folgte eine Belehrung über die Bedeutung des Eides, die Möglichkeit der Wahl zwischen dem Eid mit religiöser oder ohne religiöse Beteuerung und die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage.
Ferner wurde darauf hingewiesen, dass der Eid sich auch auf die Beantwortung solcher Fragen beziehe, die Zeugen über ihre Person oder die sonst im § 68 StPO angeführten Umstände vorgelegt würden.
Der/Die Zeuge/in entfernte sich darauf aus dem Sitzungssaal.
Nun frage ich mich, wie man einen Zeugen belehren kann, der gar nicht da ist und wieso kann sich dieser sogar aus dem Sitzungssaal entfernen, bzw. sich sogar aus dem Sitzungssaal entfernen?!? 😕
Es kann doch nicht sein, dass hier Textbausteine verwendet werden, die nicht den Verlauf der Hauptverhandlung wiedergeben. 😕 Noch toller finde ich, dass in Oldenburg die Zeugen ihre Aussage generell zu beeiden haben, außer es liegen Ausnahmen vor.
Zur Beruhigung kann ich aber mitteilen, dass auch in Oldenburg nach der seit 2004 geltenden Rechtslage belehrt wird.
Ich frage mich nun aber, wie ich hiermit umgehen soll. Wenn im Protokoll schon alles eingetragen wird, kann ich doch nie beweisen, dass ein Formfehler vorgelegen hat. Die Vorgehensweise wird doch nicht den Anforderungen der §§ 271 ff StPO gerecht. Ich bitte um konstruktive Vorschläge. Amtsgerichtsdirektor anschreiben? Justizministerium anschreiben? Alles sein lassen, weil ich viel zu kritisch bin?“
Wir haben ihm geraten, sich vielleicht doch mal an das JM zu wenden. Die Krux ist, dass bei den Hauptverhandlungsprotokollen Formulare verwendet werden, in denen vieles voreingetragen ist. So z.B. auch, dass dem Verteidiger jeweils nach einer Beweisaufnahme jeweils das Erklärungsrecht aus § 257 StPO eingeräumt worden ist. Ich „bezweifle“, dass das geschieht :-). Gegen diese Protokolle ist dann auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH nicht bzw. nur sehr schwer anzukommen.