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Therapieabbruch – da muss schon sofort reagiert werden…

Das OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.04.2011 – 1 Ws 190/11 ist quasi die Anwendung des Grundsatzes/Verbots des „venire contra factum proprium“.

Der Verurteile hatte in laufender Bewährung eine ihm auferlegte Drogentherapie abgebrochen, sich aber straffrei geführt Auf den Therapieabbruch erfolgte keine Reaktion der StVK.  Nun ist die Bewährung dann doch widerrufen worden.

Das OLG Oldenburg sagt: Geht nicht, denn: Auf den Abbruch einer dem Verurteilten im Bewährungsbeschluss auferlegten Drogentherapie könne ein Widerruf der Strafaussetzung dann nicht mehr gestützt werden, wenn der Therapieabbruch seitens der Justiz zunächst hingenommen wurde und sich seitdem eine positive Entwicklung des Verurteilten ergeben habe. In diesem Fall rechtfertige dann auch ein mangelhafter Kontakt zur Bewährungshilfe keinen Bewährungswiderruf.

Diesen Grundsatz wird man verallgemeinern können. Zeitnahe Reaktion ist also im Widerrufsverfahren erforderlich.

Und sie bewegt sich – die Rechtsprechung zum Umfang der Pflichtverteidigerbeiordnung im Strafbefehlsverfahren

Es ist – besser kann man wohl sagen: war – umstritten, welchen Umfang die Beiordnung des Pflichtverteidigers nach § 408b StPO im Strafbefehlsverfahren hat. Die Meinungen gingen auseinander, von befristet, bis – was natürlich auch gebührenrechtlich von Bedeutung ist -, dass die Beiordnung auch noch für eine auf einen Einspruch hin anberaumte Hauptverhandlung gilt. Inzwischen bewegt sich die obergerichtliche Rechtsprechung und zwar recht heftig 🙂 in die m.E. zutreffend Richtung, dass die Beiordnung auch die Hauptverhandlung umfasst.

Dazu zuletzt jetzt das OLG Celle, Beschl. v. 22.02.2011 – 2 Ws 415/10, nachdem in der Vergangenheit schon OLG Düsseldorf, OLG Oldenburg und OLG Köln (Nachweise im Beschl. des OLG Celle) sich in die Richtung bewegt hatten.

Und: Inzidenter sagt das OLG Celle, dass auf die Abrechnung Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anzuwenden ist und die Tätigkeiten des Rechtsanwalts nicht nur als Einzeltätigkeiten anzusehen sind. Für den Pflichtverteidiger von Bedeutung, da er als gesetzliche Gebühren, dann ggf. nicht nur die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr, sondern auch die Terminsgebühr abrechnen kann.

Wann sind Feststellungen zur Eichung erforderlich?

Umstritten ist in Rechtsprechung und Literatur, wann bei einer Geschwindigkeitsmessung Feststellungen zur Eichung erforderlich sind. Dazu verhält sich OLG Oldenburg, Beschl. v.10.05.2011 – 2 SsBs 35/11, der allerdings einen Sonderfall betrifft: Das OLG führt aus:

Das Urteil enthält keine Feststellungen zur Eichung des eingesetzten Messgeräts Multanova 6 F. Der in der Verwaltungsakte befindliche Eichschein bezieht sich auf das Messgerät 01-90-493 und nicht auf das nach dem Messprotokoll eingesetzte Messgerät 11-85-095 (BI. 4. d. unpag. Verwaltungsvorgangs).

Bei der Radarmessung mit dem eingesetzten Radarmessgerät Multanova 6 F handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (vgl. OLG Bamberg, DAR 2010, 279). Solche Messverfahren sind grundsätzlich beweiskräftig, wenn das Messgerät geeicht ist und richtig aufgestellt und bedient wird (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, § 3 StVO Rn. 59 m. w. N.).

Zwar genügt bei standardisierten Messverfahren in den Urteilsgründen in der Regel die Angabe des Messverfahrens und des berücksichtigten Toleranzwertes (OLG Koblenz, NZV 2010, 212; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, § 3 StVO Rn. 59 m. w. N.). Unterschiedlich beurteilt wird, ob das Urteil darüber hinaus grundsätzlich Feststellungen zur notwendigen Eichung des eingesetzten Messgeräts enthalten muss (so: OLG Frankfurt, NZV 2002, 135) oder diese Feststellungen ohne konkreten Anlass entbehrlich sind, weil davon ausgegangen werden kann, dass von der Polizei eingesetzte Messgeräte grundsätzlich geeicht sind (so: OLG Düsseldorf, NZV 1994, 41, vgl. auch Hentschel, a. a. 0., anders aber: Hentschel, a. a. 0., Rn. 56 b).

Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die in jedem Fall Feststellungen zur Eichung des eingesetzten Messgeräts erfordert hätten. Denn aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass dem Messbeamten das üblicherweise benutzte Messgerät aufgrund einer Reparatur nicht zur Verfügung stand und der sich daher ein baugleiches Messgerät von der Polizeiinspektion Cloppenburg ausgeliehen hatte. Da danach nicht auszuschließen ist, dass das ausgeliehene Messgerät von der Polizeiinspektion Cloppenburg zur Zeit der Tat nicht für Geschwindigkeitsmessungen vorgesehen war – was den Rückschluss auf die bestehende Eichung zuließe -, sondern nur zu Schulungszwecken eingesetzt worden sein könnte (vgl. S. 11 der Beschwerdebegründung), hätte das Amtsgericht insoweit weitere Feststellungen treffen müssen. Durch das Unterlassen der Inaugenscheinnahme der Eichscheine des ausgeliehenen Geräts der Polizeiinspektion Cloppenburg im Wege des Urkundsbeweises bzw. der unterlassenen Vernehmung des zuständigen Beamten der Polizeiinspektion Cloppenburg hat das Gericht seine Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG verletzt.“

Und noch ein zweiter interessanter Punkt: Dem Beschluss des OLG liegt eine erfolgreiche Aufklärungsrüge zugrunde.

Fünf oder sieben Taten – Anklage muss das schon genau bezeichnen

Im Moment häufen sich die Entscheidungen zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anklage. In diese Reihe gehört auch OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.02.2011 – 1 Ss 13/11. Danach ist eine Anklage, bei der sich die Tatanzahl in abstraktem und konkretem Anklagesatz unterscheiden, nebst zugehörigem Eröffnungsbeschluss unwirksam.

In der Anklage, die Gegenstand des Verfahrens war, wurden dem Angeschuldigten im abstrakten Anklagesatz fünf Straftaten zu Last gelegt, während im konkreten Anklagesatz sieben Taten geschildert wurden. Das OLG sagt: Kann wegen dieser – anhand der Anklageschrift nicht aufklärbaren und später nicht korrigierten – Diskrepanz nicht sicher festgestellt werden, welche Taten Gegenstand des Verfahrens sein sollen, so darf der Angeklagte nicht wegen fünf Taten verurteilt werden; vielmehr sind die Anklage und der darauf fußende Eröffnungsbeschluss unwirksam.

Etwas mehr Sorgfalt bei der Anklageverfassung wäre sicherlich angebracht, zumal das OLG auch noch folgenden Hinweis geben musste:

Für den Fall einer neuen Anklageerhebung weist der der Senat vorsorglich darauf hin, dass von den erstinstanzlich festgestellten und abgeurteilten 5 Straftaten mindestens 3 nicht in dem bislang angeklagten Zeitraum verübt wurden.“

U-Haft: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte…

und das ist im OLG Oldenburg, Beschl. v. v. 24.03.2011 – 1 Ws 128/11 mit Sicherheit der Angeklagte, da das OLG den ihm geltenden Haftbefehl wegen eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot aufgehoben hat.

AG Jever und LG Oldenburg lagen/liegen im Clinch im Hinblick auf die Zuständigkeit. Das darf/kann, so das OLG, nicht zu Lasten des Angeklagten gehen, wenn dadurch z.B. die Eröffnung um mehrere Monate verzögert wird.