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Erfolgswahrscheinlichkeit reicht für Halbstrafe; oder: Nichts Neues, aber schön, es mal wieder zu lesen.

 © hati - Fotolia.com

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Die zweite Entscheidung aus dem heutigen Themenkreis „Strafvollstreckung/-vollzug“ behandelt noch einmal die Voraussetzungen der Strafaussetzung zur Bewährung nach Halbstrafe (§§ 57 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 StGB). Es ist der OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.10.2016 – 1 Ws 555/16, der zu der Problematik allerdings nicht viel Worte verliert. Gegen den Verurteilten war wegen Einschleusens von Ausländern eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt. Am 05.07.2016 ist die Hälfte der Strafe verbüßt gewesen, der Zweidrittel-Zeitpunkt ist für den 04.11.2016 und das Strafende ist auf den 06.07.2017 notiert. Die Strafvollstreckungskammer hat die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach Verbüßung der Hälfte im Hinblick auf das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit abgelehnt. Das OLG sieht das anders:

„Die Aussetzung des Strafrestes bereits nach Verbüßung der Hälfte der zweijährigen Freiheitsstrafe gemäß §§ 57 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt keine Gewissheit künftiger Straffreiheit des Verurteilten voraus, aber ein gewisses Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit, welche im konkreten Umfang abhängig ist von dem bedrohten Rechtsgut und vom Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 57 Rn. 12 und Rn. 14).

Für den Verurteilten als Erstverbüßer streitet zunächst die Vermutung, dass ihn die bisherige Vollstreckung ausreichend beeindruckt hat und in Zukunft von weiteren Straftaten abhält. Für ihn spricht ferner das nach der Stellungnahme der JVA vom 27. April 2016 beanstandungsfrei gebliebene Vollzugsverhalten.

Nach Ansicht des Senats bestehen keine begründeten Anhaltspunkte dafür, dass der Verurteilte im Falle einer vorzeitigen Entlassung weitere Straftaten begehen wird.

Vor diesem Hintergrund hält es der Senat deshalb für verantwortbar, den Verurteilten in Freiheit zu erproben, zumal im Falle seiner Entlassung nach seinen Angaben die Wohnsitznahme bei seiner Familie in Rumänien gesichert ist. Der Umstand, dass der Verurteilte die Personen ungesichert befördert hat, vermag eine Ablehnung der vorzeitigen Entlassung bereits nach der Hälfte nicht zu tragen, da dies für sich betrachtet lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt.“

Also: Erfolgswahrscheinlichkeit reicht für die Halbstrafe. Nichts Neues, aber schön, es mal wieder zu lesen.

Wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte, oder: Zuständigkeits-Ping-Pong bei der Blutentnahme

entnommen wikimedia.org Author PJ, User:Piko

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Die Kollegin Rueber hat in ihrem Blog – oder besser „hatte“ mal – die Rubrik bzw. eine lose Serie: „Wir überprüfen Stichwörter..“. Nun, ich meine, in die Rubrik passt ganz gut der OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.06.2016 – 2 Ss (OWi) 152/16 -, über den ich jetzt berichten will. Der Beschluss hängt schon ein wenig länger in meinem Blogordner. Aber ich musste warten, bis der Kollege Gratz ihn gebracht hatte, da er mich auf den Beschluss hingewiesen hat, er also den Vortritt hatte :-). Nachdem der Beschluss beim Kollegen in der vergangenen Woche gelaufen ist (vgl. hier), kann ich ihn nun auch bringen.

Der Beschluss behandelt noch einmal den Richtervorbehalt bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO), eine Problematik, um die es in der letzten Zeit still(er) geworden ist, die aber doch immer mal wieder aus der Veresnkung auftaucht. So auch im OLG Oldenburg, Beschl. mit einer sicherlich nicht alltäglichen Sachverhaltsgestaltung. Nämlich:

Der Betroffene hatte am 18.2.2015 um 15.05 Uhr nach Konsum von Cannabis öffentliche Straßen befahren. Er wurde im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle von der Polizei kontrolliert. In einen Drogenvortest hat der Betroffene eingewilligt. Nachdem dieser Test positiv war, sollte ihm auf der Dienststelle der Polizei eine Blutprobe entnommen werden. Der Betroffene willigte nicht ein, weshalb er über den Richtervorbehalt aufgeklärt wurde. Im Anschluss daran versuchte der Polizeibeamte, einen richterlichen Beschluss über die Blutprobenentnahme zu erlangen. Zu diesem Zweck rief er zunächst beim bereitschaftsdiensthabenden Richter am AG Meppen an. Dort wurde er unter Bezugnahme auf ein Urteil des LG Osnabrück, wonach das AG Osnabrück für die Anordnung der Blutprobenentnahme zuständig sei, an das AG Osnabrück verwiesen. Der dort bereitschaftsdiensthabende Richter teilte dem Polizeibeamten, dass er sich selbst nicht für zuständig halte, sondern dass vielmehr das AG Meppen zuständig sei und er sich daher mit der Sache nicht befassen werde. Nachdem seit der ersten Kontrolle nun bereits ca. eine Stunde verstrichen war, ordnete der Polizeibeamte unter Berufung auf Gefahr in Verzug die Blutentnahme selbst an, welche um 16.01 Uhr entnommen wurde. Diese ergab einen THC-Wert von 1,6 ng/ml. Der Betroffene ist vom AG wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte beim OLG Erfolg. Dieses hat den Betroffenen frei gesprochen:

Die dem Betroffenen entnommene Blutprobe und das daraus resultierende Gutachten waren nicht verwertbar.

Die durch den Polizeibeamten pp. angeordnete Blutentnahme war wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt gemäß § 81 a StPO rechtswidrig. Dieser Verfahrensverstoß führt vorliegend auch zu einem Beweisverwertungsverbot, also zur Unverwertbarkeit des Ergebnisses der Blutuntersuchung.

Zwar hat nicht jeder Verstoß gegen eine Beweiserhebungsvorschrift ein Verwertungsverbot zur Folge. Vielmehr ist diese Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbotes und des Gewichtes des Verstoßes und der Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei bedeutet ein Beweiserhebungsverbot die Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind, die nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt 44. Bd., 243, 249). Ein Beweisverwertungsverbot wird von der Rechtsprechung bei willkürlicher Vornahme einer Maßnahme ohne richterliche Anordnung und damit bewusstem Ignorieren des Richtervorbehalts oder gleichwertiger gröblicher Missachtung angenommen  (vgl. BGHSt 51, Bd., 285 ff.).

So ist es hier, wobei es die Gerichte selbst sind, die den Richtervorbehalt wirkungslos gemacht haben.

Nachdem der Polizeibeamte die Richter, die für die Entscheidung in Frage kamen (Richter am Sitz der Verwaltungsbehörde und Richter am Sitz der Staatsanwaltschaft) erreicht hatte, endete seine aus § 81 a Abs. 2 StPO i. V. m. § 46 OWiG abgeleitete Eilkompetenz. Sie lebte auch nach der Weigerung der angerufenen Richter, sich mit der Sache zu befassen, nicht wieder auf.

Für das Ende der Eilzuständigkeit der Ermittlungsbehörden gilt Folgendes:

Haben die Ermittlungspersonen – nach Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls – das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme von Gefahr in Verzug verneint und eine richterliche Durchsuchungsanordnung beantragt, endet mit der Befassung des Gerichts und der dadurch eröffneten Möglichkeit präventiven Grundrechtsschutzes durch den Richter die Eilzuständigkeit der Ermittlungsbehörden. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, in dem das Gericht mit dem Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung befasst wird. Dies ist der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft dem zuständigen Richter den Antrag tatsächlich unterbreitet hat, so dass dieser in eine erste Sachprüfung eintreten kann.

Auch soweit während des durch den Richter in Anspruch genommenen Entscheidungszeitraums nach dessen Befassung die Gefahr eines Beweismittelverlustes eintritt, etwa weil dieser auf ein mündlich gestelltes Durchsuchungsbegehren hin die Vorlage schriftlicher Antragsunterlagen oder einer Ermittlungsakte fordert, Nachermittlungen anordnet oder schlicht bis zum Eintritt der Gefahr eines Beweismittelverlusts noch nicht entschieden hat, lebt die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden nicht wieder auf. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die richterliche Entscheidung über den Durchsuchungsantrag unterbleibt (BVerfG NJW 2015, 2787 ff).

Die Eilkompetenz lebt auch nicht wieder auf, wenn der mit der Sache befasste Richter eine Entscheidung nicht trifft. Der Annahme einer Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden im Fall des „mutwillig“ nicht entscheidenden Richters steht nämlich der Umstand entgegen, dass der Richter nicht befugt ist, durch den Verzicht auf eine Sachentscheidung über die Gewährung präventiven Grundrechtsschutzes zu disponieren. Er ist, wie alle Gerichte und Behörden, an das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege und das Gebot effek-tiver Strafverfolgung (Art. 20 Abs. III Grundgesetz) gebunden.

Ab dem Zeitpunkt seiner Befassung trägt grundsätzlich allein der Richter die Verantwortung für die Anordnung der Durchsuchung, so dass ihm auch die Abwägung und Entscheidung obliegt, ob und inwieweit durch den von ihm zu verantwortenden Prüfungsvorgang der Ermittlungserfolg gegebenenfalls gefährdet wird (BVerfG a.a.O.)

Zwar betrifft der vorliegende Fall nicht den verfassungsrechtlich, sondern lediglich den in § 81 a Abs. 2 StPO einfachrechtlich angeordneten Richtervorbehalt. Darüber hinaus ist es im vorliegenden Fall so, dass die angerufenen Richter noch nicht in eine Sachprüfung eingetreten waren, sondern schon ihre Zuständigkeit verneint hatten.

Das ändert aber in der Sache nichts:

Ein Richter, der nicht bereit ist, ohne Vorlage der Ermittlungsakte zu entscheiden, verweigert eine zeitnahe Entscheidung ebenso wie derjenige, der sich auf seine fehlende Zuständigkeit beruft. Da zweifellos entweder der Richter am Sitz der Verwaltungsbehörde oder der Richter am Sitz der Staatsanwaltschaft zuständig war, ist das Tätigwerden zumindest durch einen der beiden „mutwillig“ verweigert worden. Insofern besteht kein Unterschied zu den Sachverhalten, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lagen.

Zwar ist der präventive Richtervorbehalt bei einer Verneinung der Zuständigkeit ebenso wenig wirksam, wie bei einem nicht erreichbaren Richter (vgl. hierzu: BVerfG 2 BvR 1596/10 u. 2 BvR 2346/10, juris), dennoch können diese Fälle nicht gleichgesetzt werden: Durch die Erreichbarkeit beider Richter war die weitere Entscheidung über die Anordnung der Blutentnahme in die Verantwortung der Gerichte übergegangen und damit den Ermittlungsbehörden entzogen. Wenn die Gerichte der ihnen zu-kommenden Verantwortung nicht gerecht werden, darf das nicht dazu führen, dass der Richtervorbehalt sanktionslos missachtet werden dürfte.

Aber auch der Umstand, dass hier nur der einfachrechtliche Richtervorbehalt verletzt worden ist, spricht nicht gegen ein Beweisverwertungsgebot.

Es ist nämlich nicht so, dass ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. StPO im nachfolgenden Strafverfahren keine verfassungsrechtliche Bedeutung erlangen kann. Es ist vielmehr zu prüfen, ob die maßgeblichen strafrechtlichen Vorschriften unter Beachtung des Fairnessgrundsatzes und in objektiv vertretbarer Weise, also ohne Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot (Art 3 Abs. 1 GG), ausgelegt und angewandt worden sind (BVerfG 2 BvR 2346/10, juris).

Vor diesem Hintergrund kommt auch nicht deshalb kein Beweiserhebungsverbot in Betracht, weil der Zuständigkeitsstreit zwischen den Amtsgerichten erstmals aufgeflammt wäre und die Verweigerung richterlichen Tätigwerdens nicht systematisch erfolgte, sondern „nur“ bis zu einer Entscheidung des den Amtsgerichten übergeordneten Landgerichtes. Wie sich nämlich aus den Feststellungen des angefochtene Urteils ergibt, hat das Landgericht in der Vergangenheit eine Entscheidung über die Zuständigkeit für derartige Fälle getroffen, ohne dass damit der negative Kompetenzkonflikt beigelegt worden wäre. Damit kommen die Gerichte der ihnen übertragenen Verantwortung in objektiv nicht nachvollziehbarer Art und Weise nicht nach.

Die Schwere des Verstoßes ergibt sich hier also nicht daraus, dass ein Polizeibeamter im Einzelfall die Voraussetzung des Richtervorbehalts verkannt oder nicht geprüft hat, sondern daraus, dass dessen Voraussetzungen aufgrund eines „Fehlers im System“ ungeprüft geblieben sind (OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.2009, 3 Ss 31/09, juris).

Auch wenn hier – anders als bei der Entscheidung des OLG Hamm- möglicherweise keine langjährige Praxis vorliegt, liegt der Fehler im System darin, dass sich zwei Gerichte nicht über ihre Zuständigkeit einigen, was die Ermittlungsbehörden dem Dilemma aussetzt, die in der Sache gebotene Ermittlungsmaßnahmen  nicht ergreifen zu können. Die Lösung kann allerdings auch nicht darin bestehen, dass durch die Verweigerung der Gerichte  eine im Gesetz so nicht vorgesehene Eilzuständigkeit geschaffen wird. In einer Anmerkung von Dencker zur oben genannten Entscheidung des OLG Hamm (DAR 2009, 257, 263) heißt es:

„pp. Objektive Willkür dagegen liegt jedenfalls dann vor, wenn das zur Gesetzesanwendung berufene „System“ falsch eingestellt ist, also in einer Weise, die ein vom Gesetz abweichendes Vorgehen als den Normalfall vorprogrammiert“.

Der gesetzliche Normalfall ist aber die Entscheidung über die Anordnung einer Blutentnahme durch den Richter und nicht durch die Ermittlungsbehörden. So wäre es aber hier, wenn man -weil zwei Gerichte sich nicht einigen können- eine im Gesetz nicht vorgesehene Zuständigkeit zulassen würde.

M.E. passt das. Zum Schluss gibt es dann vom OLG noch eine kleine Entschuldigung (?) in Richtung Polizei:

„Der Senat verkennt nicht, dass diese Konsequenz für die Polizei frustrierend und demotivierend ist, sieht sich aber mit seinen Möglichkeiten nicht in der Lage, an dieser unhaltbaren Situation etwas zu ändern. Denkbar erscheint u.a., dass die zuständige Behörde im Wiederholungsfall versuchen könnte, nach Ablehnung der Anordnung durch das Amtsgericht, eine sofortige Entscheidung der zuständigen Beschwerdekammer zu erreichen.“

Da ist dann nur die Frage: Welche Beschwerdekammer ist zuständig 🙂 ?

Machst du mir Arbeit, verurteile ich wegen Vorsatz, oder: Einspruchsbeschränkung

© Gooseman - Fotolia.com

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Ich bin immer wieder überrascht, was – bei der Flut der veröffentlichten Entscheidungen – alles doch noch nicht entschieden ist, aber vielleicht liegt es manchmal auch daran, dass es sich um Selbstverständlichkeiten handelt. Dazu – zu diesen Überraschungen – zählt der OLG Oldenburg, Beschl. v. 07. 03.2016 – 2 Ss (OWi) 55/16. Da wollte das AG den Betroffenen offenbar abstrafen. Gegen den Betroffenen war nämlich ein Bußgeldbescheid wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung erlassen worden. Gegen den legt der Betroffene zunächst unbeschränkt Einspruch ein. Nach der damit erforderlichen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sieht es dann nach einer Verurteilung wegen einer Vorsatztat aus. Dem wollte der Betroffene/Verteidiger durch die eine nach der Beweisaufnahme noch vorgenommene Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen entgehen und das AG damit zu einer Verurteilung wegen einer Fahrlässigkeitstat „zwingen“. Das AG hat das aber anders und die Beschränkung als unwirksam angesehen und dennoch wegen Vorsatzes verurteilt. Das OLG hat dem Betroffenen Recht gegeben.

Das OLG verweist auf die Neufassung des § 67 Abs. 2 OWiG vom 26.01.1998. Danach ist die Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit möglich, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht. Das OLG folgt dem AG auch insoweit als, dass der durch diese Gesetzesänderung gewünschte Effekt der Gerichtsentlastung weniger stark durchschlägt, sofern die Beschränkung des Einspruchs erst nach der Beweisaufnahme erfolgt. Allerdings entfällt – so dass OLG – dieser Effekt nicht vollständig. Denn infolge der Beschränkung des Einspruchs verringert sich sowohl der Aufwand des AG im Rahmen der Urteilsabfassung als auch der Prüfungsumfang des Rechtsbeschwerdebeschwerdegerichts. Das OLG verweist zudem darauf, dass es darüber hinaus grundsätzlich nicht möglich erscheint, die Einspruchsbeschränkung vom Abschluss der Beweisaufnahme abhängig zu machen, weil es zu diesem Zeitpunkt an bindenden Feststellungen zum Tathergang noch fehlt. Solange dies so ist, bleibe die Möglichkeit des Betroffenen bestehen, dem AG die Prüfungskompetenz für diese Feststellungen zu entziehen.

Es bleibt also dabei: Der Bußgeldbescheid kann auch noch in der Hauptverhandlung auf die Rechtsfolgen beschränkt werden. Eine zeitliche Grenze – Quasi als Sanktion für den Betroffenen nach dem Motto: Machst du mir Arbeit, verurteile ich wegen Vorsatz – gibt es nicht. Die Zustimmung der StA zur (Teil)Rücknahme, die in der Beschränkung liegt, ist nicht erforderlich. § 75 Abs. 2 OWiG lässt grüßen.

Eine „Zähne und Klauen-Entscheidung aus Oldenburg, oder: Die PTB, die PTB, die PTB hat immer Recht

entnommen wikimedia.org Urheber Jepessen

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Machen wir heute einen OWi-Tag. Nach dem OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.04.2016 – 4 Ss 212/16 – zur „Aufweichung“ des Handyverbots am Steuer (§ 23 Abs. 1a StVO) (vgl. dazu Aufweichung beim Handyverbot, wirklich?, oder: Neue „Verteidigungsansätze“?) daher den OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.04.2016 – 2 Ss (OWi) 57/16. Für mich ein „schönes“ Beispiel dafür, dass es im Owi-Recht ähnlich wie beim Keglen ist: Ist eine Kugel nämlich dort erst mal auf der Bahn, dann kann man sie kaum noch aufhalten. Und so ist es im OWi-Recht auch: Hat erst mal ein OLG etwas „vorgebetet“, dann wird das (häufig) von den anderen OLg „nachgebetet“. Das haben wir bei der Videomessung im Straßenverkehr 2009 mit der Frage nach der Ermächtigungsgrundlage erlebt. Die hatte das OLG Bamberg im OLG Bamberg vom 16.11.2009 – 2 Ss 1215/09 – in § 100h StPO gesehen (vgl. dazu Entscheidung aus Bamberg ist da: Rechtsgrundlage für Videomessung ist § 100h StPO). Und alle OLGs haben das dann mitgemacht.

Ähnlich ist es zur Zeit bei den Geschwindigkeitsmessungen mit dem „antizipierten Sachverständigengutachten der PTB betreffend ESO ES 3.0. Das OLG Frankfurt ist diesen Blödsinndiese Rechtsprechung im OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.12.2014 – 2 Ss-OW i 1041/14 – angefangen (vgl. OLG Frankfurt kämpft für Poliscan Speed – wie die Römer gegen Asterix? und Munition im Kampf gegen PoliscanSpeed, oder: Das OLG Frankfurt hat keine Ahnung….), das OLG Bamberg hat es im OLG Bamberg, Beschl. v. 22. 10. 2015 – 2 Ss OWi 641/15, vgl. (OLG Bamberg: Mit „Klauen und Zähnen“ für Riegl FG21-P, oder: Die PTB als „antizipierter Sachverständiger“) „aufgegriffen“ und nun gibt es auch vom OLG Oldenburg so eine „Klauen und Zähne-Entscheidung“, in der diese Auffassung vertreten wird.

Es ist der OLG Oldenburg, Beschl.v. 18.04.2016 – 2 Ss (OWi) 57/16, von dem ich hier nur die Leitsätze einstellen möchte – Rest selbst lesen bitte:

„1. Die Geschwindigkeitsmessung mit dem Einseitensensor ES3.0 erfüllt die Anforderungen an ein sog. standardisiertes Messverfahren. Der Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) kommt dabei die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu, mit dem die generelle Zuverlässigkeit und Geeignetheit des Messgeräts verbindlich festgestellt ist.

2. Eine nähere tatrichterliche Überprüfung des Messwertes durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nur dann erforderlich, wenn im Einzelfall konkrete Zweifel an der Funktionstüchtigkeit oder sachgerechten Handhabung des Messgeräts und deshalb an der Richtigkeit des Messergebnisses bestehen.

3. Die Entscheidung des Amtsgerichts Meißen vom 29.05.2015 (Az. 13 OWi 703 Js 21114/14) begründet für das Tatgericht keinen Anlass, das Geschwindigkeitsmessgerät ES3.0 sachverständig untersuchen zu lassen.“

Bemerkenswert ist an dem Beschluss für mich:

1. Die Frage/das Problem „antizipiertes Sachverständigengutachten“ wird vom OLG schon gar nicht mehr näher behandelt. Es wird nur noch auf den OLG Bamberg, Beschl. v. 22. 10. 2015 – 2 Ss OWi 641/15 verwiesen. Das nennt man dann wohl „Kettenreaktion“.

2. Und das AG Meißen, dieses böse AG, mit seinem AG Meißen, Urt. v. 29.05.2015 – 13 OWi 703 Js 21114/14 (vgl. dazu Ein Schwergewicht/Hammer aus Sachsen: 112 Seiten zu ESO ES 3.0 und  Hier wird es technisch, oder. ESO ES 3.0, das AG Meißen, die PTB und eine sachverständige Gegendarstellung), das hat keine Ahnung. Denn die PTB sagt: „Wir haben Recht“. Die Kollegin Kutscher, die das Urteil „verbrochen“ hat, wird es mit Fassung tragen. Sie kann sich aber auch darin „sonnen“ – wenn sie denn mag -, dass sie es mit ihrem Urteil immerhin bis in die Leitsätze des OLG Oldenburg-Beschlusses geschafft hat. Ist für ein AG auch eher selten. 🙂 .

Fazit: Nach wie vor fragt man sich bzw. ich mich: Warum diese Klauen und Zähne-Entscheidungen? Vielleicht steckt des Pudels-Kern in dem vom OLG aus der obergerichtlichen Rechtsprechung zitierten Satz: „Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Obergerichte durch eine Fülle von massenhaft vorkommenden Bagatellsachen blockiert und sie so für ihre eigentliche Aufgabe funktionsuntüchtig gemacht würden“.  Allerdings müsste man dann mal erst den Begriff der „Bagatellsache“ definieren. Und ob die Sicht so richtig ist, erscheint mir im Hinblick auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dann doch mehr als zweifelhaft.

Ich habe übrigens die Entscheidung des OLG dann auch an die angesprochene VUT, deren Gutachten ja vom OLG verworfen ist, geschickt. Von dort kam als Kommentar: „Ist überholt und falsch.  Näheres in Kürze, wenn wir einen entsprechenden Gerichtsauftrag zur Feststellung der Korrektheit der Daten haben. Unsere Gutachten sind jedenfalls eine Stufe weiter. Freue mich auf die weitere Auseinandersetzung.

Aber wahrscheinlich kommt das Argument: Die haben (auch) keine Ahnung, denn – in Abwandlung von“Die Partei, die Partei, die hat immer recht.“ – gilt ja wohl: Die PTB, die PTB, die PTB hat immer Recht:

Standardisiertes Messverfahren, oder: Inzwischen freut man sich schon über Selbstverständliches

entnommen openclipart.org

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Zum Abschluss des heutigen Tages dann noch eine (erfreuliche) Entscheidung. Ja, erfreulich, obwohl sie eine Selbstverständlichkeit enthält. Aber inzwischen ist es ja so, dass man sich im Bereich der Messungen und der standardisierten Messverfahren schon über Selbstverständlichkeiten – leider – und darüber freut, wenn die OLG nicht auch die noch auf dem „Altar der Messungen“ opfern. Bei der Entscheidung handelt es sich um den OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.01.2016 – 2 Ss (OWi) 34/16. Das OLG hat zwar die Rechtsbeschwerde des Betroffenen – aus unbekannten Gründen – verworfen, führt aber in einem obiter dictum aus,

„Zu Ziffer 2 der Zuschrift bemerkt der Senat allerdings Folgendes:

Noch ordnungsgemäß, da nicht allein aus den Anlagen ersichtlich, wird vom Betroffenen gerügt, dass der Betroffene den konkreten Einwand erhoben hat, der vom Messgerät ermittelte Seitenabstand, sei mit den Vermessungsangaben der Messprotokolle nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Gibt es bei einem standardisierten Verfahren konkrete Anhaltspunkte für Messfehler, muss das Amtsgericht sich hiermit auseinandersetzen. Die hierzu vom Amtsgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist unzureichend: Zwar ist das Amtsgericht, dem Zeugen S folgend, davon ausgegangen, dass es weder Schattenwürfe gegeben, noch sich ein anderes Fahrzeug im Messbereich befunden hebe. Eine plausible Erklärung für den – sachverständig untermauert – konkret dargelegten Widerspruch zwischen ermitteltem Seitenabstand und Position des Fahrzeuges wird nicht aufgezeigt.

Da es sich insofern aber lediglich um ein Begründungsdefizit im Einzelfall handelt, kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht in Betracht.“