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PKH abgelehnt – kein Rechtsmittel.

Ja, richtig gelesen, PKH. Und das im Strafverfahren? Ja, auch das ist richtig, wenn es nämlich u.a. um den Nebenkläger und seinen Adhäsionsantrag geht. Wird dafür keine PKH bewilligt, gibt es dagegen kein Rechtsmittel, sagt das OLG Brandenburg, Beschl. v.  20.10.2010 – 1 Ws 167/10. Begründet wird das wie folgt:

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Adhäsionsverfahren richtet sich gemäß § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO nach den entsprechenden Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (§§ 114 ff. ZPO). Hiervon nicht erfasst sind jedoch die Bestimmungen des § 127Abs. 2, 3 ZPO über Rechtsmittel. Denn insoweit enthält § 404 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 StPO für das Strafverfahren eine abschließende Sonderregelung, nach welcher die in Prozesskostenhilfesachen ergehenden Entscheidungen nicht anfechtbar sind (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2007, 254 m.w.N., OLG Düsseldorf JurBüro 1990, 908, KG Berlin, Beschluss vom 26.10.2010 – 4 Ws 146/07 -). Diese Regelung gilt sowohl hinsichtlich einer Rechtsmittelbefugnis der Staatskasse (OLG Düsseldorf a.a.O.) wie auch hinsichtlich des vorliegenden Rechtsmittels der Antragstellerin. Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 404 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 StPO und § 406a Abs. 1 StPO wird nämlich die gesetzgeberische Grundentscheidung deutlich, die Rechtsmittelbefugnisse in Adhäsionssachen zu begrenzen, um das Strafverfahren nicht durch Beschwerdeverfahren über die Prozesskostenhilfe zu belasten und zu verzögern. Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe unterliegt mithin keiner Anfechtung. (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O. unter Hinweis auf BT-Drucks. 10/5305, S. 16).“

Das gilt dann konsequenterweise auch für den Angeklagten, wenn man davon ausgeht, dass die Bestellung seines Pflichtverteidigers sich nicht automatisch auf das Adhäsionsverfahren erstreckt, sondern der Pflichtverteidiger insoweit im Wege der PKH bestellt werden muss.

Videomessung: Anlassbezogene Messung ja oder nein?

Wenn sich überhaupt noch mit der Rechtsprechung des BVerfG zur (unzulässigen) Videomessung in 2 BvR 941/08 verteidigen lässt, dann m.E. nach den beiden Entscheidungen des BVerfG aus dem Sommer 2010 nur noch hinsichtlich der Frage der Anfangsverdachts und/oder der Frage der Anlassbezogenheit der Messung. Alle anderen Fragen sind durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt, wobei dahinstehen soll, ob zutreffend oder nicht.

Für den Verteidiger bedeutet dies, dass sich das Schwergewicht der Verteidigung verlagert bzw. auch darauf geachtet werden muss, ob das tatrichterliche Urteil Feststellungen zur Anlassbezogenheit der Messung enthält. Darauf hatte auch schon das OLG Hamm hingewiesen (VA 2010, 208 = VRR 2010, 475).

In die Richtung geht auch die Entscheidung des OLG Brandenburg v. 11.01.2011 –  (1 B) 53 Ss-OWi 585/10 (341/10), wonach das Urteil, durch das der Betroffene wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder einer Abstandsunterschreitung verurteilt wird, deren Feststellung auf einer Videomessung beruht, Feststellungen dazu enthalten muss, ob die Messung „anlassbezogen“ durchgeführt worden ist. Und das ist durch Befragung der Messbeamten in der HV zu klären.

Mehrere verwirkte Fahrverbote – Eins und Eins macht nicht Zwei

Es kommt sicherlich in der Praxis immer mal wieder vor, dass eine Verkehrsordnungswidrigkeit des Betroffenen sowohl die Voraussetzungen einer groben als auch einer beharrlichen Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gem. § 25 Abs. 1 StVG, § 4 Abs. 1 und 2 BKatV erfüllt. Dann stellt sich die Frage: Addieren nach der alten Regel: 1 + 1 = 2? So hat es jedenfalls ein Amtsrichter beim AG Eisenhüttenstadt gemacht.

Auf die Rechtsbeschwerde sagt aber das OLG Brandenburg, Beschl. v.  04.01.2011 – (2 B) 53 Ss-OWi 546/10 (257/10), 53 Ss-OWi 546/10: Nein, falsch. So hatten auch schon andere OLGs entschieden, zwar mit anderer Begründung. Aber das wird den Betroffenen nicht interessieren.

Und es bewegt sich doch was: Beweisverwertungsverbot, wenn aufgrund genereller Anordnung gehandelt wird

Da ist mal wieder ein OLG, das zu einem Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO) kommt, und zwar das OLG Brandenburg in seinem Beschl. v. 13.08.2010 – (2) 53 Ss 40/10.

Die Polizeibeamten hatten sich bei der Blutentnahme auf einen Erlass des Ministeriums des Innern bezogen, der die Anweisung enthielt, dass der vor Ort befindliche Polizeibeamte auf Grund eigener Eilkompetenz wegen der Geschwindigkeit des Alkoholabbaus im Blut die Ent­nahme einer Blutprobe selbst anzuordnen habe. Das OLG sagt, die Verwaltung handelt willkürlich, wenn sie solche Anweisungen herausgibt, da die Frage der Zuständigkeit für die Anordnung der Blutentnahme eine Einzelfallentscheidung ist. Ebenso bereits in der Vergangenheit das OLG Karlsruhe (StRR 2009, 262 = VRR 2009, 273) und das OLG Oldenburg (VRR 2009, 438 = StRR 2009, 467).  Auch das BVerfG hatte ja in seinem Beschluss v. 11. 6. 2010 (VRR 2010, 309 = StRR 2010, 302) die Erforderlichkeit einer Einzelfallprüfung und – entscheidung betont.

Erwähnenswert ist die Entscheidung des OLG Brandenburg auch deshalb, weil das OLG im Grunde die Frage gar nicht hätte entscheiden müssen, weil bereits die Sachrüge zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils führte.

Also: Alle Achtung. Allerdings hat das OLG sich damit dann aber auch eine weitere Revision erspart.

Fehlende Frontlinie führt nicht zum Freispruch – sondern nur zum SV-Gutachten

Wir hatten neulich über eine Entscheidung des AG Lübben berichtet, das eine Geschwindigkeitsmessung mit eso ES 3.0 als unverwertbar angesehen hatte, weil die sog. „Fotolinie“ fehlte (vgl. hier).

Inzwischen hat die Problematik das OLG Brandenburg beschäftigt. Dieses hat in seinem Beschl. v. 03.06.2010 – 2 Ss (OWi) 110 B/10 – eine gleich lautende Entscheidung des AG Lübben zu der Problematik aufgehoben und ausgeführt, dass das Tatgericht bei Zweifeln an der Richtigkeit eines Geschwindigkeitsmessergebnisses für Sachaufklärung sorgen und nicht unmittelbar freisprechen darf. Der Freispruch druch das AG wegen Fehlens der sog. Fotolinie beim Aufbau einer Messstation sei aufzuheben, wenn das Tatgericht die Unverwertbarkeit des Messergebnisses an diesem konkreten Umstand festmacht und diese Erkenntnisse aus einer selbständigen Analyse des Aufbaus der Messstation gewonnen haben will. Zwar könen sich das Gericht grundsätzlich auf seine eigene Sachkunde zur Klärung von Beweisfragen beziehen, es müsse das Ergebnis seiner Erwägungen aber immer auf Grundlage einer für die Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung tragfähigen Begründung bilden. Drängt sich lediglich der Verdacht einer Fehldokumentation auf, müsse das Gericht dies zum Anlass nehmen, eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich der Relevanz der mutmaßlichen Fehlerquelle und seiner Auswirkung auf das Messergebnis mittels eines Sachverständigengutachtens in die Wege zu leiten.

Fazit: In den Fällen soll also wohl die Einholung ein SV-Gutachtens erforderlich sein. Ggf. muss der Verteidiger das beantragen und wegen der m.E. nicht beachteten Vorgaben der Bedienungsanleitung immer auch die Frage des Toleranzwertes problematisieren.