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Verfahren kann nicht zeitnah beendet werden – es gibt den Führerschein zurück

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Folgender Verfahrensablauf in einem Verfahren wegen Straßenverkehrsgefährdung:

04.05.2012 vermeintliche Tat
08.05.2012 Anzeige des Zeugen X und dessen polizeiliche Vernehmung
14.06.2012 Anhörung des Angeklagten
27.09.2012 Eingang des Anzeigevorgangs bei der Staatsanwaltschaft
08.11.2012 Auftrag für Nachermittlungen
06.12.2012 Eingang der Ergebnisse
09./11. 01.2013 Antrag auf Erlass eines StB und für den Fall des Einspruchs die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis
15.01.2013 Erlass des Strafbefehls
21.01.2013 Einspruch eingelegt
07.,02.2013 vorläufige Entziehung der Fahrererlaubnis

Dem LG Stuttgart reicht der Verfahrensablauf nicht (mehr) um die Verhältnismäßigkeit der weiteren Dauer der vorläufigen Entziehung zu bejahen, zumal eine Hauptverhandlung wegen Verhinderung des Tatzeugen erst im Juni 2013, ggf. Ende April 2013 durchgeführt werden kann. Dazu der LG Stuttgart, Beschl. v. 13.03.2013 – 18 Qs 14/13:

…Unbeschadet des fortbestehenden dringenden Tatverdachts und unabhängig von der Frage, ob der mutmaßliche Eignungsmangel im Sinne des § 69 StGB weiter besteht und deshalb – was zu bejahen ist – gemäß § 111 a StPO dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu entziehen sein wird, erscheint die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegend aber wegen auf einer sachwidrigen Behandlung unter Verletzung des Beschleunigungsgebots beruhenden Verzögerung des Verfahrens unverhältnismäßig (vgl. dazu OLG Karlsruhe, NStZ 2005, 402 f.).

Die Belastung aus einem Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich muss in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenen Vorteilen stehen. Das gilt bei der Anordnung, Vollziehung und Fortdauer derartiger Maßnahmen, auch bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis….

Ihn auf – aus derzeitiger Sicht – unabsehbare Zeit auf der Grundlage vorläufiger Erkenntnisse ohne Fahrerlaubnis zu belassen, widerspricht jedenfalls vor dem Hintergrund der bereits vor dem 07.02.2013 zögerlichen Sachbehandlung dem Rechtsstaatsgebot.“

Das LG setzt damit Rechtsprechung, die es im Haftrecht gibt, um, ohne es ausdrücklich auszuführen. Nämlich, dass bereits dann, wenn eine Verfahrensverzögerung absehbar ist, der Haftbefehl ggf. aufgehoben werden muss.

Pflichtverteidiger im Bußgeldverfahren? Bei uns nicht, auch nicht, wenn Fahrerlaubnisentziehung droht.

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Auch im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers möglich. § 60 OWiG verweist auf § 140 StPO. In der letzten Zeit haben auch einige AG und LG im Bußgeldverfahren Pflichtverteidiger beigeordnet.

Dazu gehört nun das LG Stuttgart aber nicht. Das hat im LG Stuttgart, Beschl. v. 13. 12. 2012 – 19 Qs 154/12 OWi die Beiordnung abgelehnt, obwohl m.E. die Voraussetzungen vorgelegen haben. Das LG führt u.a. aus:

1. Wegen der Schwere der Tat erscheint die Mitwirkung eines Verteidigers nicht geboten.

a.       Die Höhe der im vorliegenden Fall zu erwartenden Geldbuße spricht nicht für eine schwere Tat. Es handelt sich lediglich um eine Verkehrsordnungswidrigkeit, die noch dazu mit einer vergleichsweise geringen Geldbuße in Höhe von 200,00 € (Regelgeldbuße gemäß BKat-Nr. 132.3) geahndet wurde, wobei der Sanktionsrahmen gemäß § 24 Abs. 2 StVG bis zu 2.000,00 € umfasst.

b.       Auch die Eintragung weiterer Punkte im Punktesystem und die damit verbundene Entziehung der Fahrerlaubnis im Verwaltungsverfahren nach § 4 StVG reicht nach Ansicht der Kammer nicht aus, um die Mitwirkung eines Verteidigers zu ge-bieten, auch wenn der Betroffenen dadurch Nachteile für seinen Frachtbetrieb und damit seine Berufsausübung zu erwarten hat. Dies gilt auch dann, wenn es sich im vorliegenden Fall um einen schwerwiegenden Nachteil handeln würde, nämlich eine drohende Betriebsaufgabe, da solch ein Nachteil nur mittelbar aus der Verurteilung folgt und damit in der Regel außer Betracht zu bleiben hat (vgl. Göhler/Seitz, OWiG, 16. Auflage, 2012, § 60 Rn. 25; Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Auflage, 2006, § 60 Rn. 31).

 Der Betroffene ist selbständiger Frachtführer und Spediteur, der überwiegend selbst fährt und teilweise Fahrer als Aushilfen einstellt. Die Existenz des Betriebs ist jedoch, entgegen dem Vortrag des Betroffenen, durch den Verlust seiner Fahrerlaubnis nicht zwangsläufig gefährdet, denn der Betroffene kann sich behelfen indem er für die Zeit, in der er nicht selbst fahren kann, weitere Fahrer beschäftigt.

 Doch auch wenn man vorliegend von einer Bedrohung der Existenz des Betriebs und damit einem schwerwiegenden Nachteil für den Betroffenen ausginge, so würde dies nicht zur Annahme einer notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO führen. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass ein solcher Fall vorliegt, wenn neben der etwaigen Verurteilung die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde droht und diese wiederum die Gefahr der Arbeitsplatzkündigung mit sich bringt (LG Mainz, Beschluss vom 06.04.2009, 1 Qs 49/09; LG Köln, Beschluss vom 09.12.2009, 105 Qs 382/09, jeweils zitiert nach Juris). Dieser Ansicht folgt die Kammer jedoch nicht. Dass der Betroffene die zum Entzug der Fahrerlaubnis führende Punktzahl erreicht hat, ist darauf zurückzuführen, dass er bereits in der Vergangenheit eine Vielzahl von Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen hat. Wenn nun die hier durch das Amtsgericht abzuurteilende Ordnungswidrigkeit dazu führen sollte, dass der Betroffene die Punktzahl erreicht, bei der die Entziehung der Fahrerlaubnis vorgesehen ist, so ist diese Verurteilung lediglich der sog. Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Gefahr einer Entziehung stand dagegen schon längere Zeit im Raum und beruht auf dem Vorverhalten des Betroffenen. Für diese Ansicht spricht auch, dass im Rahmen der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde eine Eintragung im Verkehrszentralregister – gleichgültig mit welchen Konsequenzen – nicht beachtlich ist. Eine Eintragung im Verkehrszentralregister stellt nämlich keine Nebenfolge „nichtvermögensrechtlicher Art“ i.S.d. OWiG § 79 Abs. 1 S 1 Nr. 2 dar (Göhler/Seitz, OWiG, § 79 Rn. 8 m.w.N.).

 Rechtsfolge der Verurteilung ist – nicht das Vorliegen einer schweren Tat und damit eine notwendige Beiordnung, da die Folgen für den Betroffenen durch die zeitliche Begrenzung auf einen Monat überschaubar sind und ihnen durch die Beschäftigung anderer Fahrer begegnet werden kann.

Die Begründung zieht so nicht: Natürlich sind die mittelbaren Folgen zu berücksichtigen. Wenn das nicht (mehr) der Fall wäre, würden ganz Bibliotheken von Entscheidungen zur Beiordnung im Strafverfahren Makulatur. Oder sollte das LG übersehen haben, dass die Beiordnung des Pflichtverteidigers häufig damit begründet wird, dass der Bewährungswiderruf in anderen Verfahren droht. Das ist doch nichts anderes als die hier ggf. anstehenden Fahrerlaubnismaßnahmen.

 

Mietwagenkosten: Die Nebenleistung des Vermieters

Gelegentlich darf es ja auch mal ein wenig Zivilrecht sein. Heute daher der Hinweis auf das LG Stuttgart, Urt. v. 13.04.2011 – 4 S 278/10, dass sich mit der Geltendmachung eines abgetretenen Anspruchs auf Ersatz von Mietwagenkosten durch das Nietwagenunternehmen befasst. Das LG sagt:

„Die Geltendmachung eines abgetretenen Anspruchs auf Ersatz von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall stellt keine zulässige Nebenleistung des Mietwagenunternehmens dar; sie verstößt vielmehr gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Mithin ist das Mietwagenunternehmen im Rahmen einer Klage auf Zahlung der Mietwagenkosten nicht aktivlegitimiert. Dabei mag zwar ein Zusammenhang mit der Hauptleistung eines Mietwagenunternehms insoweit bestehen, als dass das Mietwagenunternehmen den Rechnungsbetrag gegenüber dem Kunden rechtfertigen muss. Dies stellt aber noch keine rechtliche Beratung dar. Es besteht keine Nebenleistungspflicht des Mietwagenunternehmens, eine streitige Schadensersatzforderung des Kunden in eigenem Namen geltend zu machen.“

LG Stuttgart, Urt. v. 13.04.2011 – 4 S 278/10

LG Stuttgart macht die Sanktionsschere zu

Im Oktober hatte ich unter dem Titel „Eine neue Sanktionsschere öffnet sich, oder?“ über eine Entscheidung des AG Montabaur v. 01.09.2010 – 2040 Js 30257/10 42 Cs berichtet, in der dieses einen bedingten Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO im Strafbefehlsverfahren als unzulässig angesehen hat. Der Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO könne im Strafbefehlsverfahren nicht unter der Bedingung gestellt werden, dass der Beschuldigte keinen Einspruch gegen den Strafbefehl einlege.

Es ist ein Gebot wissenschaftlicher Fairness nun darüber zu berichten, dass das LG Stuttgart, Beschl. v. 17.03.2011 – 18 Qs 22/11 dies genau anders sieht. M.E. nicht zutreffend, aber immerhin eine „a.A.“. Vielleicht gibt es ja demnächst mal ein OLG, das sich mit der Frage auseinander setzen muss. Dürfte allerdings schwer sein/werden, dort hin zu kommen.

Entschädigung für entgangene Nutzungsmöglichkeit eines Computers

Das Szenario ist in der Praxis nicht selten: Durchsuchung, Beschlagnahme eines Computers, Entzug der Nutzungsmöglichkeit über einen längeren Zeitraum, Einstellung des Verfahrens: Dann stellt sich die Frage: Ist die Entziehung der Nutzungsmöglichkeit nach dem StrEG zu entschädigen (§ 2 StrEG)?

Das LG Stuttgart sagt in seinem Urteil v. 15.05.2009 – 15 O 306/08: Ja. Manchmal helfen solche Entscheidungen ja und führen dazu, dass die Ermittlungsbehörden sich ggf. mal Gedanken über eine frühere Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände machen.