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Abrechnung des Privatsachverständigen, oder: Die Sätze des JVEG passen nicht

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Bei der zweiten „Gebührenentscheidung“ handelt es sich um den LG Chemnitz, Beschl. v. 03.07.2018 – 2 Qs 241/18. Es geht auch um die Kosten und Auslagen nach Einstellung des Verfahrens, in diesem Beschluss geht es aber nicht um den „Kostengrund“, sondern um die Höhe der vom Betroffenen geltend gemachten Kosten eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachten. Die waren wegen der Höhe gekürzt worden. Das LG sieht das anders:

„Diese Kürzung war auch nach Würdigung der Kammer nicht gerechtfertigt.

Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Kosten war die Rechnung des Privatsachverständigen zu Grunde zu legen, da inhaltliche Einwendungen dagegen ausscheiden, nachdem dieses Grundlage für die Verfahrenseinstellung war. Der darin angesetzte Zeitaufwand erscheint der Kammer ebenso wie der Ansatz von Schreib- und Portokosten angemessen.

Auch den abgerechneten Stundensatz sieht die Kammer entgegen der Auffassung des Bezirksrevisorin als erstattungsfähig an. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens kann sich nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG richten. Auch eine entsprechende Anwendung des JVEG kommt nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einem Betroffenen möglich ist, einen geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen [vgl. BGH, NJW 2007, 1532, 1533 und LG Wuppertal Beschl. v. 8.2.2018 — 26 Qs 214/17 (923 Js 323/16), BeckRS 2018, 2186, beck-on-line).

Da der abgerechnete Stundensatz der getroffenen Honorarvereinbarung zwischen dem Betroffenen und dem Privatsachverständigen entspricht und eine unangemessene Gebührenerhöhung nicht ersichtlich ist, sieht die Kammer die Notwendigkeit der über dem JVEG liegenden Kosten als ausreichend dargelegt an.“

Der LG Wuppertal Beschl. v. 8.2.2018 — 26 Qs 214/17 – steht auf meiner HP übrigens auch kostenfrei online.

NSU, NSU, NSU – ein paar Gedanken/Anmerkungen am Ende des Verfahrens

entnommen wikimedia.org
Author Bubo

Gestern – am 11.07.2018 – ist nun nach mehr als fünf Jahren das sog. NSU-Verfahren zu Ende gegangen. Die Eilmeldungen, Meldungen im Internet, Tagesschau, Tagesthemen, Heute Journal und die heute die Tageszeitungen sind voll mit „Berichten“ und Meinungen zu dem „Ereignis“. Das hat mich (auch) auf die Idee gebracht, ein paar Punkte anzusprechen, zu denen man (noch) etwas sagen kann. Alles andere wird sich im Laufe der kommenden Zeit ergeben. Anzumerken ist bzw. kann man:

1. Das „NSU-Verfahren“ ist beendet.

Nun, das ist die erste/eine Aussage, die so nicht stimmt – daher ist an sich auch die Überschrift u diesem Beitrag falsch. Nicht „das Verfahren“ ist beendet, sondern die Hauptverhandlung – das gerichtliche Verfahren 1. Instanz – hat nach einer 437-tägigen Hauptverhandlung (hier gibt es einen Prozessbericht über jeden HV-Tag) ein Ende gefunden. Das Verfahren geht weiter mit den angekündigten Revisionen – zum Glück habe ich nirgendwo gelesen, die Verteidiger hätten angekündigt in die „Berufung“ zu gehen. Und möglicherweise steht nach einer BGH-Entscheidung dann noch der Gang nach Karlsruhe zum BVerfG an. Auch das wird man sehen.

2. „Höchststrafe“

An mehreren Stellen hieß/heißt es: Beate Zschäpe sei zur „Höchststrafe“ verurteilt worden. Das ist – stellt man auf die Hauptstrafe ab, – mit „lebenslanger Freiheitsstrafe“ – nicht „lebenslänglich“, wie ich irgendwo gelesen habe 🙂 – und „besonderer Schwere der Schuld“ sicherlich richtig. Berücksichtigt man, dass der GBA auch noch „Sicherungsverwahrung“ – § 66 StGB – beantragt hatte, ist es falsch. Mir hat sich allerdings nicht erschlossen, was in dem Fall eine Sicherungsverwahrung soll. Dem Senat offenbar auch nicht

3. Zur Nebenklage

An vielen Stellen ist über die Unzufriedenheit der Nebenkläger gesprochen worden, die beklagen, dass nicht genügend die Hintergründe des NSU aufgeklärt worden seien. Das mag richtig sein. Aber das – bitte schön – ist auch nicht die Aufgabe eines Strafverfahrens. Das dient nicht der geschichtlichen Aufklärung und Feststellung, sondern der Feststellung konkreter Taten, also die Beantwortung der Frage: Hat dieser/diese Angeklagte die ihm/ihr vorgeworfene Tat begangen? Mehr macht/kann und soll ein Strafverfahren nicht leisten. Alles andere gehört ggf. in Untersuchungsausschüsse oder ggf. in Fach-/Sachbücher, die sich mit den Fragen auseinander setzen und ggf. aus vielen Strafverfahren ein Bild „malen“. Das bedeutet übrigens nicht, dass ich der Auffassung bin, dass alles im Zusammenhang mit dem NSU aufgeklärt ist. Da sind noch viel Fragen offen. Nur in diesem Verfahren ist/war für den Senat alles aufgeklärt, was aus seiner Sicht aufgeklärt werden musste (§ 244 Abs. 2 StPO). Ob es reicht, ist dann ggf. eine Frage der Revision.

4. Zur Revision

Natürlich werden die Angeklagten und/oder ihre Verteidiger Revision einlegen. Alles andere würde überraschen. Nach den Schlussanträgen der Verteidiger – insbesondere der von B.Zschäpe – ist das m.E. sogar die Pflicht der Verteidigung. Wenn man auf Freispruch und/oder maximal 10 Jahre Freiheitsstrafe plädiert, dann aber zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit Bejahung der „besonderen Schwere der Schuld“ verurteilt wird, dann muss man darauf mit der Revision reagieren. Und da bringt es nichts, wenn teilweise gesagt: „und der Steuerzahler zahlt es am Ende“. Ja, das tut er. Und das ist auch gut so bzw. kann/muss sich ein Rechtsstaat leisten (können).

Und dem Zusammenhang: In meinen Augen unsinnig ist es – so aber die Tagesthemenmoderatorin im Gespräch mit dem „ARD-Rechtsexperten“ vor Ort -, wenn nach den Erfolgsaussichten der Revision gefragt wird. Wer will die jetzt beurteilen? Die Revision ist kein Selbstläufer – von daher fand ich die – aus Verteidigersicht verständliche Aussage des Kollegen Heer – die Revision werde zur Aufhebung des Urteils durch den BGH führen – recht mutig. Jedenfalls wird es für den Senat aber nicht einfach, das Urteil zu begründen. Die BGH-Rechtsprechung zur Mittäterschaft des Teilnehmers, der nicht am Tatort ist/war, ist recht vielfältig. Da kommt es auf viele Umstände an, die zutreffend gewertet werden müssen. Man wird sehen, wie es der Senat in den schriftlichen – und nur die sind maßgeblich – Urteilgründen hinbekommt.

An mehreren Stellen habe ich übrigens gelesen, dass einer der Nebenklägervertreter geäußert hat/haben soll, die Urteile seien teilweise „nach unserem Dafürhalten sehr, sehr milde“. Nun darum kann man streiten, aber es ist das gute Recht der Nebenkläger, das so zu sehen. Nur, wenn man deswegen als Nebenkläger in die Revision gehen will, ist das gefährlich. Der Hinweis auf § 400 StPO sei erlaubt. Danach kann der Nebenkläger eben kein Rechtsmittel allein wegen einer zu milden Bestrafung einlegen. Wenn man Revision einlegt, damit auch andere Angeklagte als B.Zschäpe wegen Mittäterschaft an den Morden verurteilt werden, dann mag das gehen. Aber das wird die Nebenklage schon wissen, hoffentlich.

Und dann: Irgendwo stand, nun werde es bald das schrifltich Urteil geben. Na ja, ich weiß nicht, was man unter „bald“ versteht. Aber es wird sicherlich einige Zeit dauern, bis das schriftlich begründete Urteil vorliegt. Wenn ich jetzt auf der Grundlage von § 275 Abs. 1 StPO richtig gerechnet habe, dürften dem Senat dafür 93 Wochen zustehen (437 Haupverhandlungstage = 44 x 2 Wochen + 5 Wochen). Das ist eine lange Zeit, die bis in das Jahr 2020 reicht. So lange wird es aber m.E. nicht dauern. Ich denke, der Senat wird spätestens in der ersten Hälfte 2019 sein Urteil vorlegen. Abgesehen davon, dass die 93 Wochen die Höchstfrist sind, ist – machen wir uns doch nichts vor – das Urteil in Teilen vorbereitet. Das ist zulässig, wenn man, wovon ich ausgehe, als Gericht/Senat nach der „Vorbereitung“ immer noch offen für andere Feststellungen ist. Denn anders kann man ein Urteil in einem Verfahren mit 437 HV-Tagen und – wie man hört – mehr als 1.000 Leitordnern Akten nicht handeln/abschließen.

M.E. gibt es mit dem Urteil keine Probleme wegen der bevorstehenden Pensionierung des Vorsitzenden Richters am OLG Götzel. Der muss das Urteil nicht (mehr) unterschreiben. Ist er zu dem Zeitpunkt pensioniert, kann seine Unterschrift ersetzt werden. Aber ich vermute mal, dass es sich der Vorsitzende nicht nehmen lassen wird, das Urteil auch selbst zu unterschreiben. Ist er zu dem Zeitpunkt dann Vizepräsident des wieder installierten BayObLG (vgl. hier), dann ist er ja noch im Dienst der bayerischen Justiz und kann unterschreiben.

Was der Fall sehr schön zeigt: Das Gericht hat 93 Wochen Zeit sein Urteil zu begründen. Die Verteidiger dann aber nur einen Monat (!!!), um die Revision der Angeklagten zu begründen. Verlängerungen gibt es da nicht. Das zeigt die Schieflage in der StPO an der Stelle, an der m.E. etwas geändert werden müsste. Aber Berlin wird sicherlich nicht dieses Verfahren dazu zum Anlass nehmen. Das Ganze entschärft sich (ein wenig) dadurch, dass (auch) die Verteidiger Gelegenheit haben, die Revisionsbegründungen vorzubereiten. Das muss man, da man es sonst in einem Monat nicht schafft. Das ist allerdings nicht einfach, weil es das Protokoll der Hauptverhandlung, das man für Verfahrensrügen nun mal braucht, i.d.R. erst nach Unterzeichnung des schriftlichen Urteils gibt.

5. Kosten

Die Kosten des Verfahrens liegen im zweistelligen Millionenbereich. Ob es nun 50 oder 60-Millionen sind, ist m.E. egal. Ich habe damit kein Problem, weil sich – siehe oben – der Rechtsstaat das leisten kann/muss. Welche erstgemeinte Alternative gibt es?

6. Aussicht

Wie geht es nun weiter? Nun wir werden irgendwann in den nächsten Monaten – hoffentlich nicht Jahren – eine Entscheidung des BGH bekommen. Zuständig ist m.E. nach dem GVP des BGH der dortige 3. Strafsenat, nicht der – wie an anderer Stelle geäußert wurde – der 1. Strafsenat – der ehemalige „Oli Kahn-Senat“ = „der hält alles“. Bis dahin wird es ruhiger werden.

Und: Es wird dann weitergehen. Ob im Hauptverfahren, wird man sehen. Zumindest wird es aber an einer Stelle weitergehen, nämlich bei den Pauschvergütungen der Pflichtverteidiger (§ 51 RVG). Die Anträge werden sicherlich kommen, Vorschussantrag sind ja auch bereits in der Vergangenheit gestellt worden. Wie sich das weiterentwickelt? Ich bin gespannt, allerdings erwarte ich nach den bisher vorliegenden Entscheidungen des OLG München dazu nichts Gutes. Da hat man sich m.E. bislang sehr kleinlich gezeigt, vor allem nachdem man die drei „Alteverteidiger“ weiterhin in die Pflicht genommen und zu „Quasi-Zwangsverteidigern“ gemacht hat. Wahrscheinlich wird die Fragen dann auf jeden Fall das BVerfG entscheiden. Das wäre dann auch mal eine gute Gelegenheit zu den Fragen der Pauschvergütung nach § 51 RVG Stellung mal wieder grundlegend Stellung zu nehmen.

7. Vertiefung

Und wer ein wenig zu den Hintergründen der Verteidigung und dem Denken und Fühlen der drei „Altverteidiger“ in den letzten fünf Jahren erfahren möchte, der hatte gestern Abend in der m.E. gut gemachten Doku „Heer, Stahl und Sturm – Die Zschäpe-Anwälte“ Gelegenheit. Steht auch wohl noch online bzw. in der Mediathek der ARD.

Das soll es gewesen sein. Ich denke, über die zu erwartenden gebührenrechtlichen Entscheidungen werde ich berichten 🙂 .

Detektivkosten zur Prüfung der Einstandspflicht, oder: Erstattungsfähig?

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Den Money-Friday eröffne ich mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 17.01.2018 – 25 W 259/17. Allerdings, es gibt kein „Money“, was in diesem Fall aber für den Kläger vorteilhaft war. Es ist wohl, so weit man es aus dem Beschluss entnehmen kann, um dei Einstandspflicht einer Versicherun gegangen. Die hatt zur Prüfung „ihrer“ Einstandspflicht einen Detektiv eingeschaltet. Das OLG sagt: Die Kosten kannst du später nicht vom Kläger verlangen:

„Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 13. und 22.12.2017 das Beschwerdeverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt, so dass gemäß § 91a ZPO nur noch über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden war.

Danach waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da die von der Beklagten im Kostenfestsetzungsverfahren angemeldeten Kosten für die Einschaltung des Ermittlungsbüros im vorliegenden Fall nicht erstattungsfähig sind.

Detektivkosten sind nur erstattungsfähig, wenn sie nicht als Geschäftskosten zur Prüfung der Einstandspflicht angefallen sind und die Ermittlungen nicht einfacher und/oder billiger erfolgen konnten (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 31. Auflage 2016, § 91 Rn. 13 Stichwort „Detektivkosten“).    

Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, weshalb für Besprechungen mit dem Kläger und den Vorbesitzern über die Laufleistung des Fahrzeugs ein Ermittlungsbüro eingeschaltet werden musste. Die Aufklärung dieses Sachverhalts hätte auch durch Mitarbeiter der Beklagten erfolgen können. Zudem handelte es sich bei der Aufklärung dieses Sachverhalts lediglich um eine Prüfung der eigenen Einstandspflicht. Für Letzteres spricht gerade auch der zeitliche Ablauf. Das Ermittlungsbüro ist nämlich offensichtlich nicht erst zu einem Zeitpunkt eingeschaltet worden, nachdem für die Beklagte sicher feststand, dass eine Regulierung nicht erfolgen werde und sich somit ein Rechtsstreit bereits konkret abzeichnete. Das Ermittlungsbüro hat Leistungen im Zeitraum vom 12.03.-15.04.2016 abgerechnet. Das Ablehnungsschreiben der Beklagten erfolgte hingegen erst unter dem 26.04.2016.“

Pflichtverteidiger kümmert sich nicht? – Dann „fliegt“ er „kostenneutral“ raus.

© pedrolieb -Fotolia.com

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Die mit dem Wechsel in der Person des Pflichtverteidigers zusammenhängenden Fragen führen in der Praxis immer wieder zu Diskussionen und zu längerm Hin und Her. Und meist sind die Landgerichte da recht „sperrig“; gern wird in dem Zusammenhang auch auf die zusätzlich entstehenden Kosten für die Staatskasse verwiesen. Von Interesse ist deshalb  der LG Siegen, Beschl. v. 20.08.2015 – 10 Qs 57/15. Dort war dem Beschuldigten in einem Verfahren wegen versuchten Totschlags – nachdem der Beschuldigte erklärt hatte, keinen Rechtsanwalt zu kennen, ein Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger 1 bestellt worden. Es meldet sich dann später der Wahlanwalt und beantragt, als Pflichtverteidiger 2 bestellt zu werden. Begründung u.a.: Der ursprüngliche Pflichtverteidiger 1 habe sich nicht „gekümmert“.Das AG wechselt aus  „unter der Voraussetzung, dass keine weiteren Kosten entstehen“. Dagegen dann die Beschwerde des Beschuldigten, die beim LG Siegen Erfolg hatte. Das LG begründet so:

Auf die Frage, ob mangels Kontakts noch kein Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandant aufgebaut werden konnte, kommt es vorliegend nicht entscheidend an, denn die Beschwerde ist schon deshalb begründet, weil dem Beschuldigten vorliegend keine ausreichende Gelegenheit gewährt wurde, einen Verteidiger zu benennen. Allein aus der am 20.04.2015 protokollierten Angabe, keinen Anwalt zu kennen, kann nicht schon der Schluss gezogen werden, dass der Beschuldigte auf die ihm eingeräumte 3-Tages-Frist zur Benennung eines Anwalts verzichtet hat. …………

Zudem ist auch von einem wichtigen Grund für einen Verteidigerwechsel auszugehen. Der Beschuldigte konnte hier zur dem Schluss gelangen, dass sich sein bisheriger Pflichtverteidiger, den er sich im Übrigen nicht selbst ausgesucht hatte, nicht hinreichend für seine Belange einsetzt und die Verteidigung nicht sachgerecht wahrnimmt. Unwidersprochen hat er vorgetragen, dass ihn sein bisheriger Verteidiger nicht in der Haftanstalt besucht hat und auch keine schriftliche Kommunikation zur Sache oder zum Verfahren erfolgt ist. Auch aus Sicht eines verständigen Beschuldigten ist dieses Verteidigerverhalten angesichts des erheblichen Tatvorwurfs, der dem Beschuldigten gemacht wird, nicht sachgerecht und wird auch nicht nachvollziehbar erklärt. Im vorliegenden Fall ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass aufgrund des zeitnah zur Festnahme von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Gutachtens zu entscheiden war, ob sich der Beschuldigte einer Exploration durch einen Sachverständigen stellt.

Der Fall der fehlenden Gelegenheit zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses steht insoweit der Erschütterung desselben gleich. Für den der deutschen Sprache nicht mächtigen Beschuldigten (was sich schon aus dem Polizeivermerk auf BI. 10 d.A. und dem Protokoll zur Verkündung des Haftbefehls auf Bl. 160 d.A. ergibt) bestand ersichtlich ein Interesse an einer zügigen Kontaktaufnahme mit einem Anwalt. Dies wird an seinen unwidersprochen gebliebenen Ausführungen zu seinen Bemühungen, aus der Untersuchungshaft schon vor dem 06.05.2015 Rechtsanwalt Pp1 zu kontaktieren, deutlich.

Der bisherige Wahlverteidiger ist deshalb antragsgemäß als Pflichtverteidiger beizuordnen, ohne dass eine Einschränkung hinsichtlich der entstehenden Kosten erfolgt. Einem Verzicht auf einen Teil der Gebühren, nämlich soweit Rechtsanwalt Pp2 eine Grundgebühr zzgl. Umsatzsteuer geltend macht, hat der Verteidiger zwar ausdrücklich zugestimmt. Zugleich hat er jedoch erneut auf den im Namen des Beschuldigten bereits zuvor beantragten Pflichtverteidigerwechsel aus wichtigem Grund hingewiesen, weshalb insoweit davon auszugehen ist, dass der Verzicht nur für den Fall einer Ablehnung des wichtigen Grundes durch das Amtsgericht erfolgen sollte. Über die Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes hat das Amtsgericht jedoch keine Entscheidung getroffen.

Geht doch. Aber war hier wegen des Verhaltens des Pflichtverteidigers 1 auch nicht schwer. Wegen des Gebührenverzichts m.E. richtig und richtig ist es auch, wenn in den Fällen der Pflichtverteidiger 2 die vollen Gebühren erhält. Denn es kann ja nicht zu seinen Lasten gehen, wenn dem Beschuldigten zunächst ein Pflichtverteidiger bestellt wird, der seine Leistung nicht oder schlecht erbringt.

Der „kostenneutrale“ neue Pflichtverteidiger – so nicht

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In der Praxis gibt es immer wieder Streit um die Auswechselung eines Pflichtverteidigers. Die damit zusammenhängenden Fragen sind umstritten, vor allem, wenn ggf. kein zerrüttetes Vertrauensverhältnis vorliegt, sondern der Beschuldigte den zunächst bestellten Rechtsanwalt – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr wünscht. Dann lässt die obergerichtliche Rechtsprechung den Verteidigerwechsel nur zu, wenn dadurch keine Mehrkosten für die Staatskasse entstehen. Lassen wir mal die mit dem Verteidigerwechsel zusammenhängenden grudnsätzlichen Fragen dahinstehen und greifen nur eine Problematik heraus, die in dem Zusammenhang auch immer eine Rolle spielt: Nämlich die Frage, ob die Auswechselung des Pflichtverteidigers auch dann mit dem Zusatz, dass damit der Staatskasse keine zusätzlichen Kosten entstehen (dürfen), zulässig ist, wenn der neue Pflichtverteidiger damit nicht einverstanden ist. Das ist häufig ein Ausweg/Umweg, der von den Instanzgerichten gegangen wrd.

So auch beim AG Hagen. Der (neue) Pflichtverteidiger hat dagegen Beschwerde eingelegt und beim LG Hagen Recht bekommen. das führt dazu im LG Hagen, Beschl. v. 03.08.2015 – 31 Qs-400 Js 157/15-1/15 67 Gs 992/15 – aus:

„Die vom Amtsgericht vorgenommene Einschränkung der Pflichtverteidigerbestellung im Rahmen der Auswechselung des Pflichtverteidigers, dass damit der Staatskasse keine zusätzlichen Kosten entstehen (dürfen), entbehrt einer gesetzlichen Grundlage.

…….

cc) Da aber der Austausch des Pflichtverteidigers im vorliegenden Fall mit zusätzlichen Kosten für die Staatskasse verbunden ist, hätte der Antrag auf Auswechselung des Pflichtverteidigers vom 26. Juni 2015 mangels Vorliegen der unter a) aufgeführten Voraussetzungen zurückgewiesen werden müssen. Die für die Auswechslung des Pflichtverteidigers insoweit erforderlichen Voraussetzungen können nicht dadurch herbeigeführt werden, dass — wie hier geschehen — die Beiordnung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe erfolgt, dass der Staatskasse hierdurch keine zusätzlichen Kosten entstehen; vielmehr wären die Voraussetzungen vor der Entscheidung des Amtsgerichts zu prüfen und entsprechend zu beachten gewesen (zur Mehrkostenproblematik und eines Vergütungsverzichts vgl. auch OLG Naumburg, Beschluss vom 14.04.2010 – 2 Ws 52/10).“

M.E. in doppelter Hinsicht von Bedeutung: Einmal wegen der klaren Aussage zur Zulässigkeit einer solchen Einschränkung und dann vor allem auch wegen der Beschwerdeberechtigung.