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Vorschuss für Einholung eines Privatgutachtens?, oder: Das gerichtliche Gutachten gibt umfassend Antworten

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So, heute dann noch RVG-/Gebührentag und dann ist Wochenende. Unter der Thematik „RVG/Gebühren“ stelle ich heute dann Entscheidungen zu Vorschüssen vor.

Ich beginne mit einem Beschluss aus dem Zivilrecht, und zwar mit dem OLG Celle, Beschl. v. 14.11.2022 – 14 W 30/22 – zur Frage eines Kostenvorschusses für ein prozessbegleitendes Privatgutachten. Der dem Kläger im Rahmen von PKH in dem (Zivil)Verfahren beigeordnete Prozessbevollmächtige hat gemäß § 47 Abs. 1 RVG beantragt, einen Kostenvorschuss für die Einholung eines Privatgutachtens zur Widerlegung bzw. Erschütterung eines gerichtlichen Gutachtens zu gewähren. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg:

„Die Aufwendungen für die Beauftragung eines Privatgutachters sind hier zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine Erstattung von Kosten für einen privat beauftragten Sachverständigen in Betracht, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendig waren (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 – VI ZB 56/02, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 23. Mai 2006 – VI ZB 7/05, Rn. 10, juris). Die Beurteilung dieser Frage hat sich dabei daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich hätte ansehen dürfen (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 – VI ZB 56/02, Rn. 13, juris; Beschluss vom 26. Februar 2013 – VI ZB 59/12, Rn. 5, juris). Danach kommt eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens ausnahmsweise in Betracht, wenn ein Beteiligter infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist (vgl. BGH aaO.; OLG Köln, Beschluss vom 16. Februar 2012 – II-4 WF 11/12, BeckRS 2012, 12070). Diese Ausnahme ist insbesondere auf Zivilverfahren zugeschnitten, in denen es den Parteien nach dem sogenannten Beibringungsgrundsatz obliegt, substantiiert die gebotenen Tatsachen und Informationen vorzutragen, die als Grundlage für die Entscheidung des Gerichts erforderlich sind (vgl. hierzu Herget in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 91 ZPO, Rn. 13.73).

In Bezug auf prozessbegleitend eingeholte Privatgutachten ist die Erstattungsfähigkeit entsprechender Aufwendungen allerdings insoweit eingeschränkt, dass es Sache des Gerichts ist, Beweiserhebungen durch Einholung von Sachverständigen-gutachten durchzuführen. Die Rechtsprechung hat die Erstattungsfähigkeit prozessbegleitender Privatgutachten aber dann bejaht, wenn es darum geht, ein gerichtliches Gutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.11.2001, AZ: 8 W 481/01, Tn. 6, sowie Beschluss vom 11.07.2007, AZ: 8 W 265/07 Rn. 11; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2001, AZ: 4 W 2053/01, Rn. 14; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.08.2007, AZ: 14 W 608/07, Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 25.07.2008, AZ: 2 W 148/08, Rn. 3) oder wenn eine Partei auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen angewiesen ist, um ihrer Darlegungs- und Beweislast zu genügen, Beweisangriffe abzuwehren oder Beweisen des Gegners entgegentreten zu können (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.02.1997, AZ: 10 W 21/97 Rn. 4; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2001, AZ: 4 W 2053/01, Rn. 14; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.08.2006, AZ: 10 W 52/06, Rn. 11; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.08.2007, AZ: 14 W 608/07, Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 25.07.2008, AZ: 2 W 148/08, Rn. 3) oder wenn die Einholung des Gutachtens der Wiederherstellung der Waffengleichheit dient (OLG Hamm, Beschluss vom 14. Mai 2013 – I-25 W 94/13 –, Rn. 12, juris mwN).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Einholung eines prozessbegleitenden Privatgutachtens vorliegend auch nicht deshalb erforderlich, um das gerichtlich eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. T. vom 10. Juli 2022 zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern. Gründe für eine Ausnahme zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Es wird lediglich pauschal behauptet, der Kläger sei aufgrund seiner beruflichen Ausbildung nicht in der Lage, die medizinischen Ausführungen ausreichend zu hinterfragen und etwaige Widersprüche aufzudecken. Der konkrete Fall und der Umstand, dass der Kläger einen Rechtsanwalt zur Unterstützung hat, wird nicht gewürdigt.

Dabei geht es vorliegend anders als im Fall des OLG Hamm (aaO) nicht um einen komplexen Sachverhalt mit umfassenden betriebswirtschaftliche Auswertungen und Fragen, die durch den Gerichtssachverständigen nicht zweifelsfrei beantwortet werden konnten. Hier geht es vielmehr um einen überschaubaren Sachverhalt und den Nachweis unfallbedingter Verletzungen und Beeinträchtigungen, wie es im Bereich des Verkehrsunfallrechts regelmäßig vorkommt. Dabei ist es in der Praxis bei diesen Fällen regelmäßig erforderlich, dass sich der Prozessbevollmächtigte mit der von ihm vertretenen Partei mit entsprechenden medizinischen oder unfallanalytischen Gutachten hinsichtlich der Beweisfragen auseinandersetzt und ggf. geeignete Nachfragen an den gerichtlichen Sachverständigen stellt. Dieser hat vorliegend die Beweisfragen in seinem schriftlichen Gutachten vom 10. Juli 2022 anschaulich, umfassend und nachvollziehbar beantwortet. Die Beschwerde zeigt dabei auch nicht auf, warum der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht in der Lage sein will, – wie seine Kollegen – Vorhalte und zielführende Nachfragen an den Sachverständigen im Rahmen einer mündlichen Erörterung zu stellen. Vielmehr sind bisher gegen das Gutachten klägerseits keine konkreten Einwände erhoben worden.

Gleiches gilt für die Fälle des OLG Stuttgart (aaO), in denen ausnahmsweise die Erstattungsfähigkeit der Kosten für prozessbegleitende Privatgutachten bejaht wurde. Hier geht es, wie ausgeführt, weder um komplexe Fragen aus dem Bereich Statik und Standsicherheit bei Vorliegen und Verwertung eines Privatgutachtens der Gegenseite (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.11.2001, aaO) noch um die Problematik einer Unternehmensbewertung, die einer besonderen Sachkunde bedarf, bei zugleich durch einen Privatgutachter unterstützter Gegenseite (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.07.2007, aaO).

Das OLG Nürnberg (Beschluss vom 18. Juni 2001, aaO) hat die Erstattung prozessbegleitender Privatgutachterkosten in einem Bauprozess abgelehnt, ebenso das OLG Koblenz (Beschluss vom 21. August 2007, aaO), wenn keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass die Partei nicht selbst qualifizierten Vortrag halten kann, so dass ein Gerichtsgutachten zu den streitigen Fragen einzuholen ist. Ähnlich hat das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 30. August 2006, aaO.) darauf abgestellt, dass eine Partei grundsätzlich die für den Vermögensverfall maßgeblichen Tatsachen selbst vortragen könne und die Beweiserhebung im Übrigen Sache des Gerichts sei. Das OLG Celle, 2. Zivilsenat (Beschluss vom 25. Juli 2008, aaO) hat betont, dass zu dem Erfordernis eines Privatgutachtens substantiiert vorzutragen und dabei jede Partei gehalten sei, die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lasse. Es gelte das Gebot sparsamer Prozessführung.

Nach alledem sind hier keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, wonach die zusätzlich zum Gerichtsgutachten begehrte Einholung eines Privatgutachtens erforderlich wäre.

Der Senat ist nach seinen Erfahrungen im Bereich des Verkehrsunfallrechts im Übrigen davon überzeugt, dass eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die begehrte kostenauslösende Maßnahme vorliegend nicht als sachdienlich ansehen würde und erst Recht – ohne PKH – bei diesem Fall, in diesem Verfahrensstand sowie auch angesichts der Höhe des im Raum stehenden Schmerzensgeldes nicht mit 2.500,00 € für ein Privatgutachten in Vorleistung treten würde.“

Die Entscheidung ist zwar in einem Zivilrechtsstreit ergangen, die Ausführungen des OLG haben aber nicht nur für das Zivilverfahren, sondern auch für das Straf- bzw.- ggf. das Bußgeldverfahren Bedeutung. Denn auch spielen die angesprochenen Fragen in der Praxis eine Rolle, und zwar i.d.R., wenn es um die Erstattung eines vom Angeklagten eingeholten Privatgutachtens geht. Auch hier ist es i.d.R. schwer, eine Erstattung der Auslagen zu erreichen(vgl. zu allem Burhoff in: Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2021, Rn. 4900 ff.).

Einstellung des Bußgeldverfahrens, oder: Erstattung der Gutachterkosten ja, aber nicht in der Höhe

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Und als zweite Entscheidung dann mal wieder eine zur Frage der Erstattung der Kosten für ein Privatgutachten, heute aus dem Bußgeldverfahren.

Dem Betroffenen ist eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen worden. Der Betroffene hat ein „Privatgutachten“ über die vorgenommene Messung eingeholt und dem AG übersandt. Das hat daraufhin das Verfahren eingestellt.

Im Rahmen der Kostenfestsetzung sind dann auch die Kosten für das Gutachten 5.251,73 EUR zuzüglich USt geltend gemacht worden.Die hat das AG nicht festgesetzt. Dagegen dann die sofortige Beschwerde, die (nur) teilweise Erfolg hatte. Das LG Stuttgart sagt im LG Stuttgart, Beschl. v. 28.12.2020 – 20 Qs 21/20: Grundsätzlich zu erstattet, aber nicht in der angemeldeten Höhe:

„Es besteht ein Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten als notwendige Auslagen im Sinne des § 464a StPO jedenfalls dem Grunde nach. Die Höhe der Vergütung bemisst sich jedoch nach den JVEG-Sätzen und beträgt vorliegend 85,- Euro pro Stunde (entsprechend Honorargruppe 5 des § 9 Abs. 1 JVEG, Sachgebiet 38 Verkehrsregelungs- und —überwachungstechnik).

Zwar entspricht es nahezu einhelliger Meinung, dass private Ermittlungen im Regelfall nicht als „notwendig“ i.S.v. § 464 Abs. 2 StPO anzusehen sind, da Privatgutachten aufgrund der grundsätzlichen Verpflichtung der Ermittlungsbehörden zur umfassenden Sachaufklärung — auf die die Verteidigung durch die Stellung von Beweisanträgen und —anregungen Einfluss nehmen kann —aus ex-ante-Sicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich sind. Dies gilt auch für Bußgeldverfahren, da auch dieses als Amtsermittlungsverfahren schon auf der Ebene der Ermittlungen auf alle dem Betroffenen günstigen Umstände zu erstrecken ist und es somit zumutbar ist, auch ex-ante notwendig erscheinende Ermittlungen erst dann selbst zu veranlassen, wenn das in der Hauptsache zuständige Gericht diese abgelehnt hat.

Im vorliegenden Fall beruhte die Verfahrenseinstellung allerdings final auf dem Privatgutachten des Betroffenen, weshalb die Kosten der sich tatsächlich zugunsten des Betroffenen entscheidungserheblich ausgewirkten privaten Ermittlungsmaßnahme ausnahmsweise dem Grunde nach als notwendige Auslagen einzuordnen sind.

Die Erstattungsfähigkeit privater Sachverständigenkosten beruht hier auf dem Gedanken, dass das Gericht die privat veranlasste Beweiserhebung durch einen Sachverständigen auf entsprechenden Vortrag oder Antrag des Betroffenen selbst hätte veranlassen müssen. Maßgeblich hierfür ist letztlich sowohl der Umstand, dass der private Gutachtenauftrag für das konkrete Verfahren zielführend ist, als auch dass die dadurch veranlassten Kosten nicht höher als die bei gerichtlicher Beauftragung angefallenen wären (vgl. LG Dresden, Beschluss vom 07.10.2009 — 5 Qs 73/09).

Daraus folgt aus Sicht der Kammer, dass die Höhe der erstattungsfähigen Kosten auf Grundlage des JVEG zu bestimmen ist, da die Kosten nur in Höhe der JVEG-Sätze als notwendig angesehen werden durften. Es ist nicht einzusehen, wieso der durch den Beschwerdeführer beauftragte Sachverständige über die Abrechnung nach § 464a StPO eine höhere Vergütung erlangen sollte, als er aus der Staatskasse für die gleiche Leistung verlangen kann (so etwa auch LG Wuppertal, B. v. 13.04.2015 — 23 Qs 43/15).

Die Kammer verkennt hierbei den privatrechtlichen Charakter der zugrundeliegenden Honorarvereinbarung nicht, erachtet es allerdings als zumutbar, die Kosten für das Sachverständigengutachten lediglich in der Höhe zu erstatten, die der Staatskasse ohnehin bei Einholung des Gutachtens durch das Gericht entstanden wären. Es sind keine Umstände erkennbar, die es ausnahmsweise erforderlich erscheinen lassen, einen Gutachter unter Vereinbarung eines höheren Stundenlohns zu beauftragen, da insbesondere kein Zeitdruck aufgrund eines etwa zu befürchtenden Beweismittelverlust bestand. Der Beschwerdeführer war somit nicht aufgrund einer drohenden Verschlechterung seiner Prozesslage gezwungen, den Sachverständigen für eine höhere Vergütung selbst zu beauftragen; die Einholung eines Gutachtens hätte zunächst förmlich beim Gericht beantragt werden können.

Die Höhe des Honorars bestimmt sich vorliegend nach Honorargruppe 5 des § 9 Abs. 1 JVEG, dadie Nachprüfung einer Geschwindigkeitsbestimmung mit einem Lasermessgerät durch Geschwindigkeitsmessgeräte, derer sich die Polizei zur präventiven und repressiven Kontrolle des Verkehrsraumes bedient, seit der Änderung des JVEG durch Art. 7 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 (KostRModG, BGBl. I S. 2586) dem Sachgebiet 38 zugeordnet wird (vgl. etwa KG, Beschluss vom 10.09.2015 —1 Ws 47 + 67/15).

Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens, oder: „Quasi-fingierter-Unfall“

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In der zweiten Entscheidung, dem schon etwas älteren LG Hanau, Beschl. v. 28.11.2018 – 3 T 254/18 – wird die Problematik der Erstatung der Kosten eines privaten Sachverständigengutachtens behandelt. Das AG hat in einem selbstständigen Beweisverfahren die Kosten festgesetzt, das LG hat das im Beschwerdeverfahren „gehalten“:

„Nach der Rechtsprechung des BGH sind nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erstattungsfähige notwendige Kosten solche, die für Maßnahmen anfallen, die eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei als sachdienlich ansehen darf. Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf dem Zeitpunkt der Veranlassung der die Kosten auslösenden Maßnahmen abzustellen. Zu den erstattungsfähigen Kosten können ausnahmsweise die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind. Die Frage, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte, wird in der Rechtsprechung bejaht, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnis ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage wäre. Dazu gehören auch Fälle, in denen die Partei ohne Einholung eines Privatgutachtens ein ihr nachteiliges Gerichtssachverständigengutachten nicht zu erschüttern vermag.

Zwar liegen die vorgenannten Kriterien vorliegend ersichtlich nicht vor, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein Privatgutachten werden in der Rechtsprechung aber auch bejaht, bei Verdacht eines fingierten Unfalls bzw. bei der zweifelhaften Echtheit einer Unterschrift (vgl. hierzu Zöller Rn. 13 zu § 91 ZPO m. w. N.).

Der vorliegende Sachverhalt ist jedenfalls mit der Konstellation eines fingierten Verkehrsunfalls vergleichbar.

In der Antragsschrift bezweifelt die Antragstellerin, dass der Antragsgegner überhaupt einen Austauschmotor eingebaut habe bzw. dass dieser Austauschmotor nur 79.000 km gelaufen sei.

Die Antragstellerin wirft dem Antragsgegner mithin betrügerisches Verhalten zu ihrem Nachteil vor. Um diesem Vorwurf zu entgegnen war es auch aus Sicht einer wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei sachdienlich, zu diesem Vorwurf ein Gutachten einzuholen, da auch die eigene Sachkunde nicht ausgereicht hätte, einem solchen Vorwurf zu entgegnen. Unabhängig von den vorgenannten Ausführungen besteht eine Erstattungsfähigkeit auch dann, wenn das Privatgutachten ein vom. Gericht benötigtes Gutachten ersparte. Vorliegend hat die Antragstellerin nach Erhalt des Gutachtens den Antrag auf Beweissicherung zurückgenommen, wodurch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens im weiteren Verlauf des Beweissicherungsverfahrens vermieden worden ist.

Der Vortrag der Antragstellerin, dass die Rücknahme ihres Antrags nichts mit dem Gutachten zu tun gehabt habe, ist im Hinblick auf das Ergebnis des Gutachtens wenig überzeugend.“

Abrechnung des Privatsachverständigen, oder: Die Sätze des JVEG passen nicht

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Bei der zweiten „Gebührenentscheidung“ handelt es sich um den LG Chemnitz, Beschl. v. 03.07.2018 – 2 Qs 241/18. Es geht auch um die Kosten und Auslagen nach Einstellung des Verfahrens, in diesem Beschluss geht es aber nicht um den „Kostengrund“, sondern um die Höhe der vom Betroffenen geltend gemachten Kosten eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachten. Die waren wegen der Höhe gekürzt worden. Das LG sieht das anders:

„Diese Kürzung war auch nach Würdigung der Kammer nicht gerechtfertigt.

Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Kosten war die Rechnung des Privatsachverständigen zu Grunde zu legen, da inhaltliche Einwendungen dagegen ausscheiden, nachdem dieses Grundlage für die Verfahrenseinstellung war. Der darin angesetzte Zeitaufwand erscheint der Kammer ebenso wie der Ansatz von Schreib- und Portokosten angemessen.

Auch den abgerechneten Stundensatz sieht die Kammer entgegen der Auffassung des Bezirksrevisorin als erstattungsfähig an. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens kann sich nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG richten. Auch eine entsprechende Anwendung des JVEG kommt nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einem Betroffenen möglich ist, einen geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen [vgl. BGH, NJW 2007, 1532, 1533 und LG Wuppertal Beschl. v. 8.2.2018 — 26 Qs 214/17 (923 Js 323/16), BeckRS 2018, 2186, beck-on-line).

Da der abgerechnete Stundensatz der getroffenen Honorarvereinbarung zwischen dem Betroffenen und dem Privatsachverständigen entspricht und eine unangemessene Gebührenerhöhung nicht ersichtlich ist, sieht die Kammer die Notwendigkeit der über dem JVEG liegenden Kosten als ausreichend dargelegt an.“

Der LG Wuppertal Beschl. v. 8.2.2018 — 26 Qs 214/17 – steht auf meiner HP übrigens auch kostenfrei online.

Bekomme ich mein Privatgutachten erstattet?

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Der LG Wuppertal, Beschl. v. 13.04.2015 – 23 Qs-622 Js 3 78/13-43/15 -, der mir erst jetzt zugesandt worden ist, behandelt eine kostenrechtliche Problematik, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt. Nämlich die Frage: Kann der Angeklagte/Betroffene, der nach Freispruch/Einstellung des Verfahrens einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Staatskasse hat, ggf. auch die Kosten geltend machen, die für eigene Ermittlungen, wie z.B. Privatgutachten, entstanden sind? Die (obergerichtliche) Rechtsprechung ist in der Frage recht restriktiv und argumentiert meist mit dem – in meinen Augen – wenig überzeugenden Argument, dass das grundsätzlich nicht möglich ist, weil der Betroffene ja die Möglichkeit habe, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen, um so die Ermittlungsbehörden zu Ermittlungen zu veranlassen. Schöne Worte, die letztlich nur auf dem Papier stehen, da im Ermittlungsverfahren Beweisanträge des Beschuldigten/Betroffenen meist keinen Erfolg haben.

Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung i.d.R. nur, wenn der Beschuldigte/Betroffene zunächst alle prozessualen Mittel zur Erhebung des gewollten Beweises ausgeschöpft hat und sich nicht mehr anders verteidigen konnte. Kosten für ein Privatgutachten werden danach nur im Einzelfall erstattet, wenn das Gutachten aus Sicht des Betroffenen (ex ante) bei verständiger Betrachtung der Beweislage als für seine Verteidigung notwendig erscheint oder zur Abwehr des erhobenen unbedingt notwendig war.

Und einen solche Fallgestaltung bejaht das LG Wuppertal:

„Im vorliegenden Einzelfall war die Einholung eines schriftlichen Privatgutachtens aus Gründen der Waffengleichheit notwendig und zweckentsprechend. So hatte die Staatsanwaltschaft bereits im Ermittlungsverfahren die Gutachterin Dipl.-Ing. M. beauftragt, die in ihrer schriftlichen Ausarbeitung zu dem Schluss kam, dass die Berührung jedenfalls taktil/kinästhetisch für einen „normal veranlagten Fahrzeuglenker“ bemerkbar gewesen sei. In der konkreten Verfahrenslage war es dem ‚Beschwerdeführer nicht möglich, durch den Zugriff auf erfolgte Testversuche, wie sie dem Sachverständigen A. vorgelegen haben, das staatsanwaltschaftliche Gutachten infrage zu stellen. Die Zweckmäßigkeit dieses Vorgehen zeigte sich vor allem darin, dass sich aufgrund des schriftlichen Sachverständigengutachtens das Amtsgericht dazu veranlasst sah, den Sachverständigen A. zur Hauptverhandlung zu laden und auch als Sachverständigen zu vernehmen. Nach eingehender Befragung des Sachverständigen A. unter Einschaltung der Sachverständigen K. sprach das Amtsgericht den Beschwerdeführer frei. Dies entsprach im Übrigen den zuvor gestellten Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Angesichts dessen können keine Zweifel daran bestehen, dass das privat eingeholte Gutachten das Verfahren in einem besonderen Maße gefördert hat, mit der Folge, dass die insoweit entstandenen Auslagen als notwendig zu qualifizieren und damit dem Grunde nach erstattungsfähig sind.“