Schlagwort-Archive: Konkurrenzen

Die Strafvereitelung des Strafverteidigers, oder: Das (falsche) einheitliche Verteidigungskonzept

© Gerhard Seybert – Fotolia.com

Was passt thematisch nun am besten zum Morgenposting zum 41. Strafverteidigertag (vgl. dazu 41. StV-Tag – Der Schrei nach Strafe, oder: Bremen wir kommen). Nun, ich habe mich für den BGH, Beschl. v.  21.02.2017 –  1 StR 632/16 – entschieden. Sicherlich vom Sachverhalt her nicht unbedingt eine schöne Entscheidung, da es um Strafvereitelung durch einen Strafverteidiger geht. Aber: Sie mag als Warnung dienen, dass man als Verteidiger so, wie es der Kollege hier getan hat, nicht agieren darf.

Der angeklagte Strafverteidiger ist vom LG Ulm wegen versuchter Strafvereitelung in vier Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage und in einem Fall in Tateinheit mit dem Versuch der Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt.

Seine Revision hatte nur hinsichtliche der konkurrenzrechtlichen Bewertung Erfolg. Denn:

„………Die Annahme des Landgerichts, es handele sich um vier selbständige, tatmehrheitlich begangene Taten der versuchten Strafvereitelung, trifft nicht zu. Vielmehr liegt nur eine einheitliche Tat vor.

Der wahrheitswidrige Vortrag des Angeklagten im Haftprüfungstermin im Strafverfahren gegen seinen Mandanten und die Einwirkungen auf die drei Zeugen erfolgten aufgrund eines einheitlichen Verteidigungskonzeptes und sind somit als eine Tat im Rechtssinne anzusehen. Denn sie sind sämtlich darauf gerichtet, einen Strafmilderungsgrund in Form einer „nachvollziehbaren Racheaktion“ vorzutäuschen, um eine mildere Bestrafung des Mandanten des Angeklagten zu erreichen. Somit stellen sie bei deliktsbezogener Betrachtung (BGH, Beschluss vom 3. Mai 1994 – GSSt 2/93, GSSt 3/93, BGHSt 40, 138, 163 f.) nach den Grenzen der tatbestandlichen Handlungseinheit nur einen einheitli-chen Versuch der Strafvereitelung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 – 3 StR 203/08, BGHR StGB § 258 Abs. 1 Konkurrenzen 1 mwN). Eine rechtlich bedeutsame Zäsur ist innerhalb des Tatzeitraums nicht eingetreten.

Die Bewertung des Verhaltens als einheitlicher Versuch der Strafvereitelung führt zur Annahme von Tateinheit auch bezüglich der im Zuge dieses Handelns begangenen Anstiftungen zur uneidlichen Falschaussage bzw. dem Versuch der Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage durch Verklammerung. Die hierfür erforderliche annähernde Wertgleichheit (vgl. BGH aaO mwN) ist mit Blick auf die konkreten Umstände der Tat trotz der versuchsbedingten Milderung des Strafrahmens der Strafvereitelung gegeben.

2. Der Senat konnte den Schuldspruch selbst umstellen; es ist auszuschließen, dass der Angeklagte sich hiergegen anders hätte verteidigen kön-nen. Mit der Annahme von Tateinheit entfallen die festgesetzten Einzelstrafen und damit auch die Gesamtfreiheitsstrafe. Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht, da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt.“

Polizeiflucht, oder: Die Konkurrenzen müssen stimmen

© Picture-Factory - Fotolia.com

© Picture-Factory – Fotolia.com

Das LG verurteilt den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) sowie wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315c StGB) in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe.

Dem BGH „passen“ im BGH, Beschl. v. 07.09.2016 – 4 StR 221/16 – daran zwei Dinge nicht: Hinsichtlich zwei der Verurteilungen hat das LG nach seiner Auffassung die Frage eines möglichen Rücktritts vom Versuch unzureichend erörtert. Insoweit wendet er aus prozessökonomischen Gründen mit Zustimmung des GBA § 154a Abs. 2 StPO an. Und:

„2. Er ändert ferner das Konkurrenzverhältnis zwischen der im ersten Tatkomplex verbleibenden Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und derjenigen im zweiten Tatkomplex (gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte), da die vom Landgericht insoweit angenommene Tatmehrheit durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist, was die Strafkammer im Ansatz auch nicht verkannt hat, in Fällen einer ununterbrochenen Polizeiflucht regelmäßig von Tateinheit bezüglich aller durch die Fahrt verwirklichten Delikte auszugehen (vgl. nur Senatsurteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 239; ebenso schon Senatsurteil vom 15. Dezember 1967 – 4 StR 441/67, BGHSt 22, 67, 76). Der vom Landgericht für die Annahme von Tatmehrheit herangezogene Umstand, der Angeklagte habe während der Flucht zwei getrennte Fahrmanöver ausgeführt, da er zunächst aus einer Parkbucht eines öffentlichen Parkplatzes rückwärts herausgefahren und dann – nach Fahrtrichtungswechsel und „Erweiterung seines Blickwinkels“ – den Parkplatz Richtung Ausfahrt verlassen habe, trägt nicht. Denn ungeachtet derartiger, den Zufälligkeiten des einzelnen Falles geschuldeter Besonderheiten, verbleibt es bei dem für die Annahme von Tateinheit maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkt, wonach in dem einheitlichen Entschluss zu einer Flucht vor der Polizei eine besondere Sachlage zu sehen ist, die in diesen Fällen die Zusammenfassung aller Verletzungen der Strafgesetze zu einer Tat begründet (BGH, Be-schluss vom 12. Januar 1995 – 4 StR 742/94, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 1). Auch bezüglich mehrerer, einander folgenden Widerstandshandlungen besteht natürliche Handlungseinheit (BGH, Senatsurteil vom 9. März 1978 – 4 StR 64/78, VRS 56, 141).

Folge: Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs und Zurückverweisung an eine allgemeine Strafkammer und nicht mehr ans Schwurgericht.

Lenkzeitverstoß – Doppelwochenverstoß – Konkurrenzen – Vorsatz

© Christian-P. Worring - Fotolia.com

Das OLG Hamm, Beschl. v. 16.04.2012 – III-3 RBs 105/12 nimmt zu einigen Fragen in Zusammenhang mit Lenkzeitverstößen Stellung, die nicht neu sind, die die Praxis, vor allem die Betroffenen, aber immer wieder beschäftigen. Es geht um die Konkurrenzverhältnisse mehrerer Verstöße und die Schuldform. Dazu die Leitsätze:

1. Die innerhalb eines Doppelwochenverstoßes begangenen selbständigen Tages- oder Wochenverstöße stehen zueinander in Tateinheit.
 2. Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten werden aufgrund der Verpflichtung; aus Artikel 6 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 i.d.R. vorsätzlich begangen werden.

Vor allem letzteres kann teuer werden. Dazu hatte der 5. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm aber bereits darauf hingewiesen, dass ggf. Bußgelder entstehen können, die leicht den Monatsverdienst des Fahrers übersteigen. Dazu hat dieser Senat dann ausgeführt, dass zwar das Gefährdungspotential übermüdeter Fahrer von Lkws im Straßenverkehr erheblich sei, man andererseits jedoch das Sanktionsgefüge zum Einen innerhalb der Norm, aber auch im Ganzen, im Blick behalten müsse.  Es handele sich (nur) um Ordnungswidrigkeiten, die bei Anwendung des Buß- und Verwarnungsgeldkatalogs Bußgelder ergeben, die Geldstrafen übersteigen, die für wesentlich gefährlichere Verkehrsstraftaten wie z.B. Trunkenheit im Verkehr verhängt werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die Zielsetzung in Art. 1 der VO (EG) Nr. 561/2006 in erster Linie auf den Unternehmer bezieht, und der Fahrer über die „Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Straßenverkehrsgewerbe“ in den Schutzbereich der VO einbezogen sei. Dies müsse bei der Bemessung der einzelnen Bußgelder, insbesondere im Vergleich zum Unternehmer, Berücksichtigung finden.