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KiPo II: Besitz von kinderpornografischen Inhalten, oder: Konkrete Feststellungen zur sexuellen Handlung

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Und dann in der zweiten Entscheidung etwas Verfahrensrechtliches. Das BayObLG hat im BayObLG, Beschl. v. 16.12.2024 – 203 StRR 589/24 – zur Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung bei einer Verurteilung wegen Besitzes von kinderpornographischen Inhalten Stellung genommen.

Es hat die vom LG als wirksam angesehene Beschränkung bei der Verurteilung wegen des Besitzes kinderpornographischer Inhalte und des Drittverschaffens kinderpornographischer Inhalte als unwirksam angesehen:

„3. Gemessen daran erweist sich die Beschränkung der Berufung hier als unwirksam. Die Feststellungen des Tatrichters sind zu lückenhaft, um den Schuldspruch zu tragen und die Nachprüfung des Strafausspruchs zu ermöglichen.

a) Bezüglich der jeweils als selbständige Tat abgeurteilten Weitergaben von Dateien lassen sich weder dem Urteil des Amtsgerichts noch dem Erkenntnis des Landgerichts hinreichende Ausführungen zum Inhalt der jeweiligen Abbildung entnehmen. Der Verweis auf den gesetzlichen Tatbestand genügt den Anforderungen an eine Urteilsbegründung nicht. Denn nach § 267 Abs. 1 S. 1 StPO müssen die Urteilsgründe im Falle einer Verurteilung die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Ein Geständnis des Angeklagten entbindet das Gericht nicht von der Notwendigkeit, eigene tatsächliche Feststellungen zu treffen und diese sodann rechtlich zu bewerten. Wird ein Angeklagter wegen mehrerer selbstständiger Straftaten verurteilt, so müssen die einzelnen Taten so hinreichend dargestellt werden, dass das Revisionsgericht in Bezug auf jede einzelne Tat in der Lage ist zu prüfen, ob sie den Straftatbestand in objektiver und in subjektiver Hinsicht erfüllt.

b) Daraus folgt, dass die Urteilsgründe im Falle einer – tatmehrheitlichen – Verurteilung nach § 184b StGB die wesentlichen Inhalte der jeweiligen kinderpornografischen Inhalte wiedergeben müssen; hierzu gehört zumindest eine Beschreibung der Art der sexuellen Handlung (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2023 – 5 StR 55/23, juris Rn. 3 und vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12 m.w.N; OLG Celle, Beschluss vom 28. Mai 2024 – 1 ORs 13/24 –, juris Rn. 21; OLG Oldenburg, Beschluss vom 3. Mai 2023 – 1 ORs 85/23 –, juris Rn. 10). Zwar ist es beim Vorliegen einer großen Menge von Video- und Bildaufnahmen nicht erforderlich, in den Urteilsgründen jede einzelne zu beschreiben; zumindest für eine exemplarische Auswahl der Aufnahmen sind aber konkrete Feststellungen zu den sexuellen Handlungen geboten (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12; OLG Oldenburg a.a.O. Rn. 10; OLG Celle a.a.O. Rn. 21). Möglich wäre auch eine Bezugnahme auf in den Akten befindliche Abbildungen gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12).

c) Im vorliegenden Fall kann die exemplarische Darstellung von 5 Bilddateien und 2 Videodateien den insgesamt 11 Fällen des Drittverschaffens kinderpornographischer Inhalte nicht zugeordnet werden. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass bezüglich der beiden Taten vom 30. Juni 2021 auch zu prüfen wäre, ob insoweit eine natürliche Handlungseinheit und damit eine Tat im materiellrechtlichen Sinn vorliegt (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2023 – 3 StR 123/23 –, juris Rn. 18).

d) Nachdem das Amtsgericht die notwendigen Feststellungen versäumt hatte, hätte die Berufungskammer entsprechende eigene Feststellungen nachholen müssen.“

StGB I: Besitz und Drittbesitzverschaffung von Kipo, oder: Tatmehrheit oder Tateinheit?

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Heute stelle ich dann drei StGB-Entscheidungen vor.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 11.12.2024 – 3 StR 334/24. Das LG hat den Angeklagten wegen „des Unternehmens der Drittbesitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften in vier Fällen und ihres Besitzes“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision, die zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Entfall der Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten, die wegen des – als tatmehrheitlich begangen abgeurteilten – Besitzes kinderpornographischer Schriften verhängt worden ist:

„Insoweit hat der Generalbundesanwalt das Folgende ausgeführt:

„Indes bedarf der Schuldspruch der Korrektur dahin, dass der ausgeurteilte Besitz kinderpornographischer Schriften nicht rechtlich selbständig (§ 53 StGB) neben den Drittbesitzverschaffungen steht, sondern tateinheitlich mit diesen zusammentrifft (§ 52 StGB). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, inwiefern den vier Fällen der Weitergabe jeweils dieselbe Datei des fraglichen Videos zugrunde lag (vgl. UA S. 6 [‚mehrfach unter verschiedenen Dateibezeichnungen gespeichert‘]; S. 11 [‚jeweils verschickten identischen vier Dateien des Videos‘]); es genügt, dass der Angeklagte im gesamten Tatzeitraum über sämtliche Dateien verfügte (vgl. UA S. 7 oben).

1. Der zeitgleiche Besitz von verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich gemachten sowie darüber hinausgehenden kinderpornografischen Schriften verknüpft den unerlaubten Besitz kinderpornografischer Schriften mit jeder Verbreitungshandlung zu einer einheitlichen Tat. Insoweit gilt: Zwar verdrängen die Tathandlungsvarianten des Verbreitens bzw. des öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornografischer Schriften grundsätzlich diejenige des unerlaubten Besitzes solcher Schriften als subsidiären Auffangtatbestand. Dies betrifft jedoch ausschließlich den Zeitraum der Zugänglichmachung, nicht jedoch die Zeit danach, und nur die zugänglich gemachten Dateien. Geht der Besitz kinderpornografischer Schriften in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten bzw. öffentliche Zugänglichmachen erforderlichen Besitz derartiger Schriften hinaus, tritt das Dauerdelikt des verbotenen Besitzes kinderpornografischer Schriften tateinheitlich neben das jeweilige Verbreitungsdelikt. Dabei liegt dem verbotenen Besitz mehrerer kinderpornografischer Schriften ein einheitlicher Verstoß gegen § 184b Abs. 3 Alt. 2 StGB zugrunde. Bei gleichzeitigem Besitz von verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich gemachten kinderpornografischen Schriften und weiterem, darüberhinausgehend gespeicherten verbotenem Material bleibt danach kein Raum für eine tatmehrheitliche Verurteilung (s. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 2 StR 321/19, juris Rn. 18 f.; s.a. Beschlüsse vom 25. Januar 2022 – 1 StR 424/21, juris Rn. 6; vom 3. Mai 2019 – 3 StR 86/19, juris Rn. 6; vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 15; abweichend womöglich BGH, Beschluss vom 1. September 2022 – 1 StR 248/22, juris Tenor und Rn. 3 f. unter Verneinung eines Besitzes, der ‚in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten erforderlichen Besitz hinausgeht‘, obgleich ‚der Angeklagte das Video zuvor und danach in Besitz hatte‘). Da es sich bei der Drittbesitzverschaffung gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB um eine dem Verbreiten und öffentlich Zugänglichmachen nach § 184b Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und Var. 2 StGB gleichgestellte Tatbestandsvariante handelt, kann insoweit nichts Anderes gelten (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2022 – 1 StR 424/21, juris Rn. 6; s.a. Beschluss vom 28. Juni 2023 – 3 StR 123/23, juris Rn. 19, wobei die dortige Ablehnung des Besitztatbestandes wohl der mangelnden Feststellung einer über die Momente der Drittbesitzverschaffung hinausgehenden Verfügungsgewalt geschuldet gewesen sein dürfte).

2. Gemessen daran – und entgegen der Würdigung des Landgerichts (UA S. 17) – steht der durchgängig verwirklichte und einheitlich (im Sinne einer Tat) gegen § 184b Abs. 3 StGB verstoßende Besitz nicht in Tatmehrheit mit den Taten der Drittbesitzverschaffung (die ihrerseits erst durch die Besitzausübung ermöglicht wurden), sondern mit diesen jeweils in Tateinheit. Denn nach der ersten Drittbesitzverschaffung sowie vor und nach jeder weiteren Versendung kam dem Besitz wieder eigenständige Bedeutung zu, wobei er andererseits nicht in der Lage ist, die Drittbesitzverschaffungen zu verklammern (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2022 – 1 StR 248/22, juris Rn. 3 f.; SK-StGB/Greco, 10. Aufl. 2024, § 184b Rn. 48). Zudem begründet der zumindest teilweise im Bundesgebiet ausgeübte Besitz insgesamt die deutsche Strafgewalt (§ 3 StGB), ohne dass es darauf ankommt, von wo aus die Dateiversendungen erfolgt sind (vgl. UA S. 8, 12 und dazu BGH, Urteil vom 24. November 2022 – 3 StR 64/22, BGHSt 67, 177, juris Rn. 21 ff.).

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „des Unternehmens der Drittbesitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften in vier Fällen und ihres Besitzes“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Entfall der Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten, die wegen des – als tatmehrheitlich begangen abgeurteilten – Besitzes kinderpornographischer Schriften verhängt worden ist.

Insoweit hat der Generalbundesanwalt das Folgende ausgeführt:

„Indes bedarf der Schuldspruch der Korrektur dahin, dass der ausgeurteilte Besitz kinderpornographischer Schriften nicht rechtlich selbständig (§ 53 StGB) neben den Drittbesitzverschaffungen steht, sondern tateinheitlich mit diesen zusammentrifft (§ 52 StGB). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, inwiefern den vier Fällen der Weitergabe jeweils dieselbe Datei des fraglichen Videos zugrunde lag (vgl. UA S. 6 [‚mehrfach unter verschiedenen Dateibezeichnungen gespeichert‘]; S. 11 [‚jeweils verschickten identischen vier Dateien des Videos‘]); es genügt, dass der Angeklagte im gesamten Tatzeitraum über sämtliche Dateien verfügte (vgl. UA S. 7 oben).

1. Der zeitgleiche Besitz von verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich gemachten sowie darüber hinausgehenden kinderpornografischen Schriften verknüpft den unerlaubten Besitz kinderpornografischer Schriften mit jeder Verbreitungshandlung zu einer einheitlichen Tat. Insoweit gilt: Zwar verdrängen die Tathandlungsvarianten des Verbreitens bzw. des öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornografischer Schriften grundsätzlich diejenige des unerlaubten Besitzes solcher Schriften als subsidiären Auffangtatbestand. Dies betrifft jedoch ausschließlich den Zeitraum der Zugänglichmachung, nicht jedoch die Zeit danach, und nur die zugänglich gemachten Dateien. Geht der Besitz kinderpornografischer Schriften in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten bzw. öffentliche Zugänglichmachen erforderlichen Besitz derartiger Schriften hinaus, tritt das Dauerdelikt des verbotenen Besitzes kinderpornografischer Schriften tateinheitlich neben das jeweilige Verbreitungsdelikt. Dabei liegt dem verbotenen Besitz mehrerer kinderpornografischer Schriften ein einheitlicher Verstoß gegen § 184b Abs. 3 Alt. 2 StGB zugrunde. Bei gleichzeitigem Besitz von verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich gemachten kinderpornografischen Schriften und weiterem, darüberhinausgehend gespeicherten verbotenem Material bleibt danach kein Raum für eine tatmehrheitliche Verurteilung (s. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 2 StR 321/19, juris Rn. 18 f.; s.a. Beschlüsse vom 25. Januar 2022 – 1 StR 424/21, juris Rn. 6; vom 3. Mai 2019 – 3 StR 86/19, juris Rn. 6; vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 15; abweichend womöglich BGH, Beschluss vom 1. September 2022 – 1 StR 248/22, juris Tenor und Rn. 3 f. unter Verneinung eines Besitzes, der ‚in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten erforderlichen Besitz hinausgeht‘, obgleich ‚der Angeklagte das Video zuvor und danach in Besitz hatte‘). Da es sich bei der Drittbesitzverschaffung gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB um eine dem Verbreiten und öffentlich Zugänglichmachen nach § 184b Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und Var. 2 StGB gleichgestellte Tatbestandsvariante handelt, kann insoweit nichts Anderes gelten (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2022 – 1 StR 424/21, juris Rn. 6; s.a. Beschluss vom 28. Juni 2023 – 3 StR 123/23, juris Rn. 19, wobei die dortige Ablehnung des Besitztatbestandes wohl der mangelnden Feststellung einer über die Momente der Drittbesitzverschaffung hinausgehenden Verfügungsgewalt geschuldet gewesen sein dürfte).

2. Gemessen daran – und entgegen der Würdigung des Landgerichts (UA S. 17) – steht der durchgängig verwirklichte und einheitlich (im Sinne einer Tat) gegen § 184b Abs. 3 StGB verstoßende Besitz nicht in Tatmehrheit mit den Taten der Drittbesitzverschaffung (die ihrerseits erst durch die Besitzausübung ermöglicht wurden), sondern mit diesen jeweils in Tateinheit. Denn nach der ersten Drittbesitzverschaffung sowie vor und nach jeder weiteren Versendung kam dem Besitz wieder eigenständige Bedeutung zu, wobei er andererseits nicht in der Lage ist, die Drittbesitzverschaffungen zu verklammern (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2022 – 1 StR 248/22, juris Rn. 3 f.; SK-StGB/Greco, 10. Aufl. 2024, § 184b Rn. 48). Zudem begründet der zumindest teilweise im Bundesgebiet ausgeübte Besitz insgesamt die deutsche Strafgewalt (§ 3 StGB), ohne dass es darauf ankommt, von wo aus die Dateiversendungen erfolgt sind (vgl. UA S. 8, 12 und dazu BGH, Urteil vom 24. November 2022 – 3 StR 64/22, BGHSt 67, 177, juris Rn. 21 ff.).

3. § 265 StPO steht der beantragten Schuldspruchberichtigung nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

Mit der Korrektur des Schuldspruchs einher geht der Wegfall der Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten, die wegen des (als rechtlich selbständig zur Verurteilung gelangten) Besitztatbestandes verhängt wurde (UA S. 19 f.; vgl. dazu BGH, Beschluss vom 21. Juni 2022 – 4 StR 460/21). Die weiteren Einzelstrafen und die Gesamtstrafe wiederum können bestehen bleiben.“

Dem tritt der Senat bei.“