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Strafe III: Erörterung eines Bewährungswiderrufs, oder: Feststellungen zum Wirkstoffgehalt von BtM

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Und dann zum Tagesschluss noch der KG, Beschl. v. 03.03.2023 – (3) 161 Ss 212/22 (73/22) – u.a. zur Frage der Erforderlichkeit von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt von Betäubungsmitteln im Hinblick auf die Strafzumessung.

Das AG hat den Angeklagten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde dabei nicht zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete Berufung hat das LG verworfen. Die Revision hatte hinsichtlich einer vom LG gebildeten Gesamtstrafe (§ 55 StGB) Erfolg, die Strafzumessung im Übrigen hat das KG nicht beanstandet:

„b) Die dem Tatgericht obliegende Strafzumessung hält sachlich rechtlicher Überprüfung stand.

Es ist grundsätzlich die Aufgabe des Tatgerichts, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1995 – 3 StR 478/95 –, juris). Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist regelmäßig nur bei beachtlichen Rechtsfehlern in dem Sinne, dass die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen, bestimmende Strafzumessungstatsachen übergangen wurden oder sich die verhängte Freiheitsstrafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs offenkundig löst, möglich (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012  – 3 StR 413/11  –, juris m.w.N.).

(1) Im Hinblick auf § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB und den Strafzweck der Resozialisierung ist der Umstand drohenden Bewährungswiderrufs regelmäßig zu erörtern, wenn auf Grund eines möglichen Widerrufs die gesamte Länge der zu verbüßenden Haft diejenige der neu verhängten Strafe beträchtlich übersteigt (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Februar 2022 – (3) 121 Ss 170/21 (62/21) –, juris m.w.V.). Eine Erörterung oder gar strafmildernde Bewertung eines möglicherweise drohenden Bewährungswiderrufs kann jedoch im Einzelfall dann unterbleiben, wenn ein übermäßiges Gesamtvollstreckungsübel namentlich aus spezialpräventiven Gründen nicht naheliegt (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Februar 2022 , a.a.O.; OLG Hamburg NStZ-RR 2017, 72), etwa bei Intensiv- oder Serientätern, bei hoher Rückfallgeschwindigkeit oder bei einer Tat kurz nach der Haftentlassung, nachdem die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 03. August 2021 – 2 StR 129/20 –, juris; Senat, Beschluss vom 11. Februar 2022 a.a.O.).

Den vorstehenden Anforderungen wird die Strafzumessungsentscheidung gerecht. Das Landgericht hat zutreffend auf den Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG abgestellt und seine umfassenden Strafzumessungserwägungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung den infolge der erneuten Verurteilung drohenden Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus der Verurteilung des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. August 2021 – Az. 260 Ds 96/20 – nur im Zuge der Prognoseentscheidung nach § 56 Abs. 1 StGB explizit erwähnt hat. Denn ungeachtet des Umstandes, dass die Urteilsgründe eine Einheit bilden (vgl. BGHSt 65, 75; Senat, Beschluss vom 29. April 2022 – (3) 161 Ss 51/22 (15/22) –, juris m.w.V.), sind im vorliegenden Fall ausführliche Erörterungen zum möglichen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht angezeigt. Zwar droht dem Angeklagten bei Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung in dem Verfahren 260 Ds 96/20 die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat, die die hier verhängte Strafe von sechs Monaten beträchtlich übersteigt. Jedoch hat das Landgericht rechtsfehlerfrei dargelegt, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Intensivtäter handelt und die früheren Verurteilungen im notwendigen Umfang geschildert. Vor diesem Hintergrund konnte eine ausführliche Erörterung des Bewährungswiderrufs oder gar dessen strafmildernde Bewertung unterbleiben.

(2) Die Strafzumessung hält auch insoweit der rechtlichen Überprüfung stand, als dass das Landgericht keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Buprenorphin in den Subutex-Tabletten getroffen hat. Der Wirkstoffgehalt des gehandelten Rauschgifts ist grundsätzlich für die Bestimmung des Unrechts- und Schuldgehalts einer Straftat rechtlich belangvoll (vgl. BGH NStZ 2023, 46; KG, Beschluss vom 4. Januar 2012 – (4) 1 Ss 466/11 (322/11), BeckRS 2012, 12416; OLG München Beschluss vom 6. August 2009 – 4 St RR 113/09, BeckRS 2010, 30585). Von genaueren Feststellungen kann aber ausnahmsweise abgesehen werden, wenn ausgeschlossen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehalts das Strafmaß im Rahmen des § 29 Abs. 1 und 3 BtMG zu Gunsten des Angeklagten beeinflussen kann. Dies kann insbesondere bei Kleinstmengen der Fall sein, da der Schuldgehalt der Tat durch die Qualität des Rauschgifts nicht wesentlich geprägt wird (vgl. BGH NStZ-RR 2022, 250, Patzak, NStZ 23,17; BeckOK BtMG/Becker, 16. Ed. 15.9.2022, BtMG § 29 Rn. 145g).

Im vorliegenden Fall kann ausnahmsweise aufgrund der gehandelten Kleinstmenge von der Bestimmung des genauen Wirkstoffgehalts abgesehen werden.

Bezüglich der hier gegenständlichen Tat hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte eine Tablette Subutex für 10,- € an den Zeugen M. verkauft und im Übrigen 12 weitere Subutex-Tabletten bei sich geführt habe, um auch diese gewinnbringend an weitere Abnehmer zu veräußern. Bei dieser Menge an Subutex handelt es sich um eine Kleinstmenge an Rauschgift unabhängig vom Gehalt des Buprenorphin der einzelnen Tablette, wobei eine Tablette eine Konsumeinheit darstellt. Dies ergibt sich auch daraus, dass die geringe Menge an Buprenorphin im Sinne des § 29 Abs. 5 BtMG bei 1-3 Konsumeinheiten Subutex liegt (vgl. Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Aufl., BtMG § 29 Rn. 1659; MüKoStGB/O?lakc?o?lu, 4. Aufl., BtMG § 29 Rn. 1680) und die nicht geringe Menge bei einem Wirkstoffgehalt von 416,67 mg Buprenorphin liegt (vgl. BGH NJW 2007, 2054). Auch unter Annahme der höchsten am Arzneimarkt erhältlichen Dosis von 8 mg Buprenorphin pro Subutex-Tablette (vgl. BGH NJW 2007, 2054) übersteigt der Wirkstoffgehalt 104 mg Buprenorphin nicht. Bei einer solchen Sachlage ist der Wirkstoffgehalt kein bestimmender Faktor bei der Strafzumessung im Sinne des § 46 StGB und das Absehen diesbezüglicher Feststellungen – wie vorliegend – ist rechtsfehlerfrei.“

StPO II: Besetzung der kleinen Strafkammer, oder: Kommissarische Besetzung mit „Hilfsrichter“

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Die zweite Entscheidung ist auch eine „Besetzungssache“, und zwar der KG, Beschl. v. 30.06.2023 – 3 ORs 37/23 – 161 Ss 76/23  – zur Frage der Zulässigkeit der kommissarischen Besetzung einer kleinen Strafkammer bei (sog. Ersatz-) Erprobung. Das KG hat die Revision des Angeklagten gegen seine Verurteilung wegen Betruges verworfen

Zu der Besetzungsfrage führt das KG aus:

„3. Einer vertieften Erläuterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge.

Die Beanstandung, die Strafkammer sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 StPO), ist jedenfalls unbegründet. Das dem Senat unterbreitete Verfahrensgeschehen offenbart namentlich keinen Verstoß gegen § 21f Abs. 1 i. V. m. § 76 Abs. 1 Satz 1 2. Var. GVG, wonach bei den kleinen Strafkammern ein Vorsitzender Richter (vgl. § 19a DRiG) den Vorsitz führt. Zwar hatte den Vorsitz hier kein Vorsitzender Richter am Landgericht inne, sondern eine Richterin am Amtsgericht als so genannte Hilfsrichterin. Dies erweist sich indes als nicht verfahrensfehlerhaft, weil es hierfür ein unabweisbares, rechtlich begründetes Bedürfnis gab (vgl. BVerfGE 14, 156; BGHZ 162, 333; KG NStZ 2018, 491). Ein solches ist z. B. gegeben, wenn für eine planmäßig endgültige Anstellung als Richter in Betracht kommende Assessoren auszubilden sind, wenn vorübergehend ausfallende planmäßige Richter, deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, vertreten werden müssen, wenn ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall aufzuarbeiten ist oder aber, wenn planmäßige Richter unterer Gerichte an obere Gerichte abgeordnet werden, um ihre Eignung zu erproben (vgl. BVerfGE 14, 156 [Rn. 17]). Nach den mitgeteilten Verfahrenstatsachen und namentlich aufgrund des den Revisionsführerinnen bekannten Vermerks des Präsidenten des Landgerichts Berlin war letzteres hier der Fall. Die Richterin war für die Dauer eines Jahres, beginnend am 1. Januar 2022, vom Amtsgericht an das Landgericht abgeordnet und hierfür mit der Leitung einer kleinen Strafkammer betraut worden. Da die Abordnung – durch eine dreimonatige Abordnung zum Verfassungsgerichtshof – unterbrochen worden war, wurde sie um diesen Zeitraum bis zum 31. März 2023 verlängert. Wie oben ausgeführt, können zur Eignungserprobung abgeordnete Richter als Ausnahme zu § 21f GVG den Vorsitz kleiner Strafkammern führen.

Es liegt auch kein Fall einer unangemessenen, übermäßigen oder gar missbräuchlichen Ausübung dieser Grundsätze vor. Solches ist in der durch die Revisionsführer vielfach zitierten Entscheidung des Kammergerichts vom 14. Dezember 2017 (NStZ 2018, 491) angenommen worden. Dort allerdings stand nicht nur eine außerordentlich lange, nämlich mehr als fünfjährige Vakanz des Vorsitzes in Rede, die den Vorsitz kommissarisch führende Person wurde auch gar nicht im Rahmen einer Erprobung, die sie im Zeitpunkt der Hauptverhandlung tatsächlich bereits erfolgreich abgeschlossen hatte, verwendet. Der entschiedene Fall unterscheidet sich damit substantiell von dem hier unterbreiteten und zu bewertenden Verfahrensgeschehen, in welchem die Strafkammer bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021 in Übereinstimmung mit § 21f GVG besetzt war und nunmehr für die Dauer eines Jahres im Rahmen einer Eignungserprobung kommissarisch von einer Richterin am Amtsgericht geleitet werden sollte.

Zwar ist anerkannt, dass auch bei den an sich rechtlich gebilligten Ausnahmen vom gesetzlichen Grundsatz des § 21f Abs. 1 GVG die Verwendung von Hilfsrichtern dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist oder weil die Justizverwaltung es verabsäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen (vgl. BVerfG BVerfGE 14, 156). Dass dies hier der Fall war, wird durch die Revisionen nicht behauptet, und es liegt auch in tatsächlicher Hinsicht fern. Denn die kommissarische Besetzung beruhte gerade nicht auf einem strukturellen personellen Engpass, sondern war Ausfluss einer auch in der Justiz erforderlichen geordneten Personalplanung und -entwicklung. Dass die Abordnung unter dem Gesichtspunkt der Erprobung ungeeignet, dysfunktional oder gar rechtswidrig gewesen sein könnte, wird durch die Revisionen gleichfalls nicht behauptet. Zwar dürfte die obergerichtliche Erprobung, die hier zugleich in der Gerichtsverwaltung (Leitung der Pressestelle Moabit) und im Bereich der Rechtsprechung des Landgerichts erfolgte, eher Ausnahmecharakter gehabt haben. Sie steht aber als so genannte Ersatzerprobung in Übereinstimmung mit den Verwaltungsvorschriften der zuständigen Senatsverwaltung (lit. A Nr. 2 Satz 2 ErprobungsAV vom 5. Dezember 2007). Auch gegen die – in der Summe – einjährige Dauer der Abordnung und kommissarischen Übertragung des Vorsitzes ist nichts zu erinnern, zumal, wie die Revisionen unter Bezug auf den Geschäftsverteilungsplan zutreffend vortragen, das Rechtsprechungspensum der Richterin nur „0,4“ betrug.

Die Strafkammer war damit ordnungsgemäß besetzt, und auch die diesbezüglich in beiden Revisionen erhobene Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg.“

Revision II: Fehlen von Durchsuchungszeugen, oder: Vortrag nach Vorlage eines Attestes beim Ausbleiben

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Im zweiten Posting habe ich dann hier zwei weitere Entscheidungen, eine des BGH und eine des KG, in denen die Revsionen mit den Verfahrensrügen keinen Erfolg hatten. Die Entscheidungen zeigen u.a., was die Revisionsgerichte gern hören/lesen möchten, und zwar:

„Die Verfahrensrüge, mit der die Revision die Verwertung der „in der Wohnung des Angeklagten aufgefundenen Objekte“ beanstandet, weil die Polizeibeamten bei der Durchsuchung unter Verstoß gegen § 105 Abs. 2 StPO keinen neutralen Zeugen hinzugezogen hätten, ist bereits unzulässig. Der Revisionsführer unterlässt es vorzutragen, was die beteiligten Beamten anlässlich ihrer Ver-nehmung in der Hauptverhandlung zum Ablauf der in Gegenwart des Angeklagten und – nach Darstellung der Revision lediglich teilweisen Anwesenheit – seines Verteidigers durchgeführten Durchsuchung bekundet haben. Damit ist dem Senat bereits die Prüfung verwehrt, ob der nach der Vernehmung der Beamten verkündete Beschluss des Landgerichts vom 14. November 2022, wonach ein Verwertungsverbot hinsichtlich der bei der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände ausscheide, weil der Verteidiger des Angeklagten bei der Durchsuchung von der Frage, ob die Verwertbarkeit der Durchsuchungsergebnisse überhaupt von der Einhaltung des § 105 Abs. 2 StPO abhängen kann (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 105 Rn. 11 mwN; KK-StPO/Heinrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 14; BeckOK StPO/Hegmann, 47. Ed., § 105 Rn. 23) ? nicht beurteilen, ob und gegebenenfalls mit welcher Intensität (vgl. zum Maßstab für die Annahme eines Verwertungsverbots BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – 3 StR 140/14, StV 2015, 85, 86; KK-StPO/Heinrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 21 mwN) der gerügte Verfahrens-verstoß durch die dargestellte partielle Abwesenheit des Verteidigers vorlag und ob der Nachweis einer ordnungsgemäßen Durchführung der Durchsuchung (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. Mai 1963 ? 3 StR 6/63, NJW 1963, 1461) durch dessen Anwesenheit nicht über den gesamten Durchsuchungszeitraum gewährleistet war.“

1. Im Revisionsverfahren befreit die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung den Angeklagten nicht von dem Erfordernis, zu seinem Krankheitszustand im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vorzutragen.

2. Ein gesonderter Revisionsvortrag zu dem am Verhandlungstag bestehenden Krankheitszustand des Angeklagten ist nur dann entbehrlich, wenn und soweit die ärztliche Bescheinigung Angaben enthält, die hinreichend konkret und belastbar den Rückschluss zulassen, dass der diagnostizierte Krankheitszustand und dessen Symptome auch noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vorlagen.

 

 

StPO II: 3 x etwas zu Pflichtverteidigungsfragen, oder: Schwierigkeit, Beweisverwertungsverbot, Ermessen

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Und dann im zweiten Posting drei Entscheidungen zur Pflichtverteidigung. Die Problamtik stand an, es reichte aber dieses Mal nicht für einen ganzen Tag.

Hier sind dann die Leitsätze

Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 144 Abs. 1 StPO steht dem Vorsitzenden des Gerichts ein nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Das Beschwerdegericht prüft nur, ob der Vorsitzende die Grenzen seines Beurteilungsspielraums eingehalten und sein Rechtsfolgeermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

Die Rechtslage ist i.S. des § 140 Abs. 2 StPO schwierig, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt, oder wenn die Subsumtion voraussichtlich aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird. Notwendig ist eine Gesamtwürdigung von Sach- und Rechtslage vorzunehmen, um den Schwierigkeitsgrad zu beurteilen. Gemessen an diesen Maßstäben ist von einer Schwierigkeit der Rechtslage auszugehen, wenn die Auffassungen zur Strafbarkeit des Verhaltens des Beschuldigten zwischen den Gerichten und der Staatsanwaltschaft offenkundig auseinander gehen.

Für die Beantwortung der Frage, ob wegen der Schwierigkeit der Rechtslage ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben ist, kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich von einem Verwertungsverbot auszugehen ist. Eine schwierige Rechtslage ist bereits dann anzunehmen, wenn in der Hauptverhandlung eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich sein wird, ob ein Beweisergebnis einem Verwertungsverbot unterliegt.

 

Klima I: Rechtsprechung zu Klimaktivisten-Fällen, oder: Straßenblockade, Hausfriedensbruch, Festkleben

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Zum Wochenanfang der 35 KW. stelle ich – seit längerem – mal wieder einige Entscheidungen auf Verfahren betreffend Klimaktivisten vor. Mehr als diese insgesamt vier Entscheidungen habe ich leider nicht. Ich habe zwar versucht, an die Volltextevon Entscheidungen zu kommen, über die in der letzten Zeit berichtet worden ist, aber das hat leider nur in einem Fall, der vom AG München stammt, geklappt. Alle anderen Anfragen hatten keinen Erfolg. Die StA Neuruppin gibt den „Kriminelle Vereinigung“-Beschluss des LG Potsdam nicht heraus, weil es esich um ein laufendes Verfahren handelt, das LG hatte ich zuvor bereits hinter der StA versteckt. Und auch das AG Tiergarten ist sehr zögerlich. Schade.

Vorstellen kann ich dann aber:

Eine Straßenblockade durch Klimaaktivisten stellt nach der sog. „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des BGH Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB dar. Denn die Fahrer in der zweiten Reihe und den nachfolgenden Reihen werden durch unüberwindbare physische Hindernisse, nämlich den Fahrzeugen vor und hinter ihnen, an der Weiterfahrt gehindert, womit auch der erstrebte Nötigungserfolg eingetreten ist. Die darin liegende Nötigung anderer Verkehrsteilnehmer kann jedoch nach Abwägung aller Umstände gem. § 240 Abs. 2 StGB gerechtfertigt sein,

Zur Rechtfertigung des unerlaubten Betretens eines Fußballfeldes während eines laufenden Spieles aus „Klimaschutzgründen“.

1. Bei der den Protestierenden sog. „Letzten Generation“ vorgeworfenen Nötigung sind bei Anwendung und Auslegung der Verwerflichkeitsklausel nach § 240 Abs. 2 StGB im Lichte des Art. 8 GG die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 -, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 64) zu beachten. Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.
2. Wurden Autofahrende auf einer der staubelasteten Autobahn Deutschlands durch die Blockade rund 30 Minuten an der Weiterfahrt gehindert, wobei sich ein Stau von mehreren Metern bildete, die Blockadeaktion jedoch zumindest abstrakt im Vorfeld medial angekündigt wurde und ein konkreter Sachbezug („Öl sparen statt Bohren“ und „Nordseeöl? Nö!“) gegeben war, stellt sich die Nötigung nicht als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB dar, wenn die Polizei die Blockade vor der Räumung versammlungsrechtlich nicht beschränkt oder aufgelöst hat.
3. Ist die Nötigung nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB, kommt ein Verstoß gegen das VersFG Bln in Betracht, wenn die Polizei die Versammlung beschränkt bzw. aufgelöst hat, die Protestierenden hierauf jedoch nicht reagiert haben.1. Bei der den Protestierenden sog. „Letzten Generation“ vorgeworfenen Nötigung sind bei Anwendung und Auslegung der Verwerflichkeitsklausel nach § 240 Abs. 2 StGB im Lichte des Art. 8 GG die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 -, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 64) zu beachten. Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.
2. Wurden Autofahrende auf einer der staubelasteten Autobahn Deutschlands durch die Blockade rund 30 Minuten an der Weiterfahrt gehindert, wobei sich ein Stau von mehreren Metern bildete, die Blockadeaktion jedoch zumindest abstrakt im Vorfeld medial angekündigt wurde und ein konkreter Sachbezug („Öl sparen statt Bohren“ und „Nordseeöl? Nö!“) gegeben war, stellt sich die Nötigung nicht als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB dar, wenn die Polizei die Blockade vor der Räumung versammlungsrechtlich nicht beschränkt oder aufgelöst hat.
3. Ist die Nötigung nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB, kommt ein Verstoß gegen das VersFG Bln in Betracht, wenn die Polizei die Versammlung beschränkt bzw. aufgelöst hat, die Protestierenden hierauf jedoch nicht reagiert haben.

Und der Vollständigkeit halber weise ich dann auch noch einmal hin auf den KG, Beschl. v. 16.08.2023 – 3 ORs 46/23 – 161 Ss 61/23 -, über den ich ja schon in der vergangenen Woche berichtet habe (vgl. StGB III: Widerstand durch Festkleben auf der Straße, oder: Das hätte das KG gern in den Urteilgründen). Die Leitsätze:

1. Um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlich-rechtliche Fehler hin überprüfen zu können, bedarf es einer geschlossenen und zusammenhän-genden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten. Der bloße Hinweis, das Geständnis entspreche dem „akten-kundigen Ermittlungsergebnis“, genügt dafür nicht.
2. Eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB kommt auch dann in Betracht, wenn sich der Täter bereits vor Beginn der Vollstreckungshandlung auf der Fahrbahn mit Sekundenkleber o.ä. festklebt, um die von ihm erwartete alsbaldige polizeiliche Räumung der Fahrbahn nicht nur unwesentlich zu erschweren.
3. Um ein gezieltes Verhalten des Täters vom bloßen Ausnutzen eines bereits vorhandenen Hindernisses abzugrenzen, muss in derartigen Fallgestaltungen der Wille des Täters dahin gehen, durch seine Tätigkeit den Widerstand vor-zubereiten.
4. Dass Polizeibeamte das durch Festkleben entstandene physische Hindernis durch Geschicklichkeit – hier unter Verwendung eines Lösungsmittels – zu be-seitigen in der Lage sind, steht dem Merkmal der Gewalt nicht grundsätzlich entgegen und nimmt ihm in Bezug auf den dem Vollstreckungsbeamten nicht ohne weiteres die körperliche Spürbarkeit.