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Klima I: Rechtsprechung zu Klimaktivisten-Fällen, oder: Straßenblockade, Hausfriedensbruch, Festkleben

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Zum Wochenanfang der 35 KW. stelle ich – seit längerem – mal wieder einige Entscheidungen auf Verfahren betreffend Klimaktivisten vor. Mehr als diese insgesamt vier Entscheidungen habe ich leider nicht. Ich habe zwar versucht, an die Volltextevon Entscheidungen zu kommen, über die in der letzten Zeit berichtet worden ist, aber das hat leider nur in einem Fall, der vom AG München stammt, geklappt. Alle anderen Anfragen hatten keinen Erfolg. Die StA Neuruppin gibt den „Kriminelle Vereinigung“-Beschluss des LG Potsdam nicht heraus, weil es esich um ein laufendes Verfahren handelt, das LG hatte ich zuvor bereits hinter der StA versteckt. Und auch das AG Tiergarten ist sehr zögerlich. Schade.

Vorstellen kann ich dann aber:

Eine Straßenblockade durch Klimaaktivisten stellt nach der sog. „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des BGH Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB dar. Denn die Fahrer in der zweiten Reihe und den nachfolgenden Reihen werden durch unüberwindbare physische Hindernisse, nämlich den Fahrzeugen vor und hinter ihnen, an der Weiterfahrt gehindert, womit auch der erstrebte Nötigungserfolg eingetreten ist. Die darin liegende Nötigung anderer Verkehrsteilnehmer kann jedoch nach Abwägung aller Umstände gem. § 240 Abs. 2 StGB gerechtfertigt sein,

Zur Rechtfertigung des unerlaubten Betretens eines Fußballfeldes während eines laufenden Spieles aus „Klimaschutzgründen“.

1. Bei der den Protestierenden sog. „Letzten Generation“ vorgeworfenen Nötigung sind bei Anwendung und Auslegung der Verwerflichkeitsklausel nach § 240 Abs. 2 StGB im Lichte des Art. 8 GG die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 -, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 64) zu beachten. Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.
2. Wurden Autofahrende auf einer der staubelasteten Autobahn Deutschlands durch die Blockade rund 30 Minuten an der Weiterfahrt gehindert, wobei sich ein Stau von mehreren Metern bildete, die Blockadeaktion jedoch zumindest abstrakt im Vorfeld medial angekündigt wurde und ein konkreter Sachbezug („Öl sparen statt Bohren“ und „Nordseeöl? Nö!“) gegeben war, stellt sich die Nötigung nicht als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB dar, wenn die Polizei die Blockade vor der Räumung versammlungsrechtlich nicht beschränkt oder aufgelöst hat.
3. Ist die Nötigung nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB, kommt ein Verstoß gegen das VersFG Bln in Betracht, wenn die Polizei die Versammlung beschränkt bzw. aufgelöst hat, die Protestierenden hierauf jedoch nicht reagiert haben.1. Bei der den Protestierenden sog. „Letzten Generation“ vorgeworfenen Nötigung sind bei Anwendung und Auslegung der Verwerflichkeitsklausel nach § 240 Abs. 2 StGB im Lichte des Art. 8 GG die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 -, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 64) zu beachten. Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.
2. Wurden Autofahrende auf einer der staubelasteten Autobahn Deutschlands durch die Blockade rund 30 Minuten an der Weiterfahrt gehindert, wobei sich ein Stau von mehreren Metern bildete, die Blockadeaktion jedoch zumindest abstrakt im Vorfeld medial angekündigt wurde und ein konkreter Sachbezug („Öl sparen statt Bohren“ und „Nordseeöl? Nö!“) gegeben war, stellt sich die Nötigung nicht als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB dar, wenn die Polizei die Blockade vor der Räumung versammlungsrechtlich nicht beschränkt oder aufgelöst hat.
3. Ist die Nötigung nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB, kommt ein Verstoß gegen das VersFG Bln in Betracht, wenn die Polizei die Versammlung beschränkt bzw. aufgelöst hat, die Protestierenden hierauf jedoch nicht reagiert haben.

Und der Vollständigkeit halber weise ich dann auch noch einmal hin auf den KG, Beschl. v. 16.08.2023 – 3 ORs 46/23 – 161 Ss 61/23 -, über den ich ja schon in der vergangenen Woche berichtet habe (vgl. StGB III: Widerstand durch Festkleben auf der Straße, oder: Das hätte das KG gern in den Urteilgründen). Die Leitsätze:

1. Um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlich-rechtliche Fehler hin überprüfen zu können, bedarf es einer geschlossenen und zusammenhän-genden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten. Der bloße Hinweis, das Geständnis entspreche dem „akten-kundigen Ermittlungsergebnis“, genügt dafür nicht.
2. Eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB kommt auch dann in Betracht, wenn sich der Täter bereits vor Beginn der Vollstreckungshandlung auf der Fahrbahn mit Sekundenkleber o.ä. festklebt, um die von ihm erwartete alsbaldige polizeiliche Räumung der Fahrbahn nicht nur unwesentlich zu erschweren.
3. Um ein gezieltes Verhalten des Täters vom bloßen Ausnutzen eines bereits vorhandenen Hindernisses abzugrenzen, muss in derartigen Fallgestaltungen der Wille des Täters dahin gehen, durch seine Tätigkeit den Widerstand vor-zubereiten.
4. Dass Polizeibeamte das durch Festkleben entstandene physische Hindernis durch Geschicklichkeit – hier unter Verwendung eines Lösungsmittels – zu be-seitigen in der Lage sind, steht dem Merkmal der Gewalt nicht grundsätzlich entgegen und nimmt ihm in Bezug auf den dem Vollstreckungsbeamten nicht ohne weiteres die körperliche Spürbarkeit.

Klima II: Welche Literatur zu „Klimaaktivisten-Fragen“?, oder: Eine Liste von A-Z zu Aufsätzen/Beiträgen

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Ich hatte ja schon heute Morgen darauf hingewiesen, dass ich weitere Rechtsprechung zu den „Klimaaktivisten-Fragen“ im Moment nicht vorliegen habe. Daher dann hier im zweiten „Klima-Posting“ eben keine weitere Entscheidung, sondern ein Überblick, was es in der Literatur in der letzten Zeit so an Aufsätzen/Beiträgen zu den Fragen gegeben hat. Urteilsanmerkungen habe ich allerdings nicht mit aufgeführt.

Es ergibt sich folgende Liste – von A – Z:

  • Bommarius, Was ist eine kriminelle Vereinigung?, AnwBl 2023, 192
  • Brehme, Haftung fürs Haften – Deliktsrechtliche Verantwortlichkeit der „Letzten Generation“, NJW 2023, 327
  • Busche, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die strafrechtliche Bewertung der Sitzblockaden von Klimaaktivisten, KlimR 2023, 103
  • Effer-Uhe, Zivilrechtliche und strafrechtliche Notwehr gegen Nötigungshandlungen trotz fehlender Verwerflichkeit?, NJOZ 2023, 576
  • Herber, „Dann klebe ich mich eben an der Straße fest, später dann auf der Flughafen-Rollbahn …“, NZV 2023, 49-59
  • Hoven/Mitsch, Notwehr und Notwehrexzess – Vorschlag einer neuen Formulierung der §§ 32, 33 StGB, GA 2023, 241-263
  • Leitmeier, Klimaaktivisten und Strafrecht: Auf Kleben und Tod, jM 2023, 38-43
  • Lund, Zur Strafbarkeit der Straßenblockaden von Klimaaktivisten, NStZ 2023, 198-202
  • Lutzi, Privatrechtliche Haftung im Zusammenhang mit Klimaaktivismus, JuS 2023, 385
  • Mitsch, Autofahrer versus Klimaretter – wer ist gerechtfertigt?, DAR 2023, 234-236
  • Mlodoch, Mehr Milde für Klimaaktivisten, AnwBl 2022, 594
  • Patros/Pollithy, Zivilrechtliche Haftungsfolgen von Sitzblockaden zu Protestzwecken – welche Verantwortung trifft die Klimaaktivisten? NJOZ 2023, 1
  • Pietsch. Alles, was Recht ist (?), Kriminalistik 2023, 137
  • Preuß, Die strafrechtliche Bewertung der Sitzblockaden von Klimaaktivisten, NZV 2023, 60-74
  • Rönnau, Grundwissen – Strafrecht: Klimaaktivismus und ziviler Ungehorsam, JuS 2023, 112
  • Thiel, „Kleben für das Klima“?, Kriminalistik 2023, 131
  • Trurnit, Polizeieinsätze bei demonstrativen Aktionen, VBlBW 2023, 185-190
  • Zimmermann/Griesar, Die Strafbarkeit von Straßenblockaden durch Klimaaktivisten gem. § 240 StGB, JuS 2023, 401

Ich habe dann mal keine neue Kategorie „Service“ eröffnet 🙂 .