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Neuer Stolperstein beim BGH: Erhöhte Anforderungen an die Revisionsbegründung im JGG-Verfahren

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Einen neuen potentiellen  Stolperstein gibt es m.E. jetzt in der revisionsrechtlichen Rechtsprechung des BGH zur Begründung der Revision im JGG-Verfahren. Soweit ersichtlich hatten zu der vom BGH im BGH, Beschl. v. 10.07.2013 – 1 StR 278/13 – entschiedenen Fragen bisher nur OLG Stellung genommen. Jetzt ist es auch der BGH, der – ähnlich wie bei der Nebenklägerrevision – einem Dauerbrenner – erhöhte Anforderungen an die Begründung stellt:

1. Ein Urteil, das – wie hier mit der Verhängung von Jugendarrest – aus-schließlich ein Zuchtmittel (§ 13 Abs. 2 Ziffer 3 JGG) gegen den Angeklagten anordnet, kann gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG nicht wegen des Umfangs der Maßnahme und nicht deshalb angefochten werden, weil andere Erziehungs-maßregeln oder (andere) Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen. Dem-entsprechend kann ein Rechtsmittel gegen ein allein derartige Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts verhängendes Urteil lediglich darauf gestützt werden, dass die Schuldfrage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen falsch beur-teilt oder die verhängte Sanktion selbst rechtswidrig ist (OLG Celle, NStZ-RR 2001, 121 mwN; OLG Dresden, Beschluss vom 31. Januar 2003 – 1 Ss 708/02 – zitiert nach juris; Laue in Meier/Rössner/Trüg/Wulf, JGG, 2011, § 55 Rn. 29; siehe auch BVerfG NStZ-RR 2007, 385, 386).

a) Diese gesetzliche Beschränkung in dem zulässigen Angriffsziel eines gegen ein solches Urteil gerichteten Rechtsmittels wirkt sich bei der Revision auf die aus § 344 Abs. 1 StPO resultierenden Anforderungen an den vom Gesetz verlangten Revisionsantrag aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 344 Rn. 3a; siehe auch bereits BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1998 – 4 StR 312/98, bei Böhm NStZ-RR 1999, 289, 291 zu Ziffer VI.). Um eine Umgehung der Begrenzung der im Rahmen von § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG zulässigen An-griffsziele einer Revision zu verhindern, ergibt sich vor dem Hintergrund von § 344 Abs. 1 StPO, im Revisionsantrag anzugeben, inwieweit das Urteil ange-fochten werde, für den Revisionsführer die Notwendigkeit, eindeutig (vgl. BVerfG NStZ-RR 2007, 385, 386) klarzustellen, dass mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird (OLG Celle und OLG Dresden jeweils aaO; Meyer-Goßner aaO; Laue in Meier/Rössner/Trüg/Wulf, JGG, § 55 Rn. 29 aE).

Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. Juni 2013 zutreffend ausgeführt hat, ist ein solches Erfordernis der Angabe eines zulässigen Angriffsziels in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die in § 400 Abs. 1 StPO enthaltenen Beschränkungen bei Rechtsmitteln des Nebenklägers seit langem anerkannt (etwa BGH, Beschlüsse vom 6. März 2001 – 4 StR 505/00, bei Becker NStZ-RR 2002, 97, 104; vom 11. März 2004 – 3 StR 493/03, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262; und vom 27. Januar 2009 – 3 StR 592/08, NStZ-RR 2009, 253). Wie bei dem sachlich begrenzten Rechtsmittel des Nebenklägers kann auch bei dem gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG beschränkt zulässigen Anfechtungsumfang die Einhaltung der Beschränkung durch das Rechtsmittelgericht wirksam vor allem über die aus § 344 Abs. 1 StPO resultierenden Anforderungen an den Revisionsantrag überprüft werden….“

Also: Beachten und kein Rechtsprechungsmarathon initieren.

 

Das „vorletzte“ Wort der Eltern reicht im JGG-Verfahren nicht

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Da hatte die Jugendkammer an alles gedacht, vor allem auch daran, dass im JGG-Verfahren den Eltern des Angeklagten (auch) das letzte Wort zu gewähren ist. Nur sie hatte übersehen, dass sie noch einmal in die Beweisaufnahme eingetreten ist und dann hatten die Eltern nicht noch einmal das letzte Wort. Sie hatten also nur das „vorletzte“ und das reicht dem BGH nicht. Der BGH, Beschl. v. 24.10.2012 – 5 StR 503/12 – hebt auf:

„Die Revision macht zutreffend geltend, dass das Landgericht nicht den erziehungsberechtigten Eltern des Angeklagten das ihnen von Amts wegen nach § 67 Abs. 1 JGG i.V.m. § 258 Abs. 2 und 3 StPO zu gewährende letzte Wort (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2002 – 5 StR 98/02, NStZ-RR 2002, 346 mwN) erteilt hat. Die Eltern des Angeklagten hatten zwar in der Haupt-erhandlung am 30. April 2012 vor dem Angeklagten das „vorletzte“ Wort, jedoch ist nach dem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme und den Bezug-nahmen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf die Schlussvorträge am 9. Mai 2012 im letzten Hauptverhandlungstermin am 22. Mai 2012 nur noch dem Angeklagten das letzte Wort gewährt worden, nicht jedoch dessen anwesenden Eltern.

Der Verfahrensfehler führt entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts zur Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Eltern des Angeklagten, die bei der geständigen Einlassung im Ermittlungsverfahren sogar anwesend gewesen waren, nach erneuter Beweisaufnahme Ausführungen zur Frage der Glaubhaftigkeit des widerrufenen Geständnisses und zu einer möglichen Selbstbelastungsmotivation ihres Sohnes getätigt hätten.

 

Ein Blick ins Gesetz – da steht es deutlich…

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Tja, in § 81 JGG ist eindeutig geregelt: Die Vorschriften  der StPO „über die Entschädigung des Verletzten (§§ 403 bis 406c der Strafprozessordnung) werden im Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht angewendet“. Noch deutlicher kann man m.E. nicht regeln, dass es ein Adhäsionsverfahren gegen einen Jugendlichen nicht gibt.

Dennoch hat das LG Gera in einem Verfahren gegen einen Angeklagten, der zur Tatzeit Jugendlicher war, einen Adhäsionsausspruch getroffen.

Dazu der BGH, Beschl. v. 30.05.2012 – 2 StR 98/12:

1. Die im Adhäsionsverfahren gegen den Angeklagten K. getroffenen Entscheidungen haben schon deshalb keinen Bestand, weil dieser Angeklagte zur Tatzeit Jugendlicher war. Eine Anwendung der Vorschriften über eine Entschädigung des Verletzten (§§ 403 bis 406c StPO) kam daher gemäß § 81 JGG nicht in Betracht.“

Der BGH erspart sich jede weitere Begründung. Was soll man dazu auch mehr schreiben. Ein Blick ins Gesetz……

Aufgepasst! Wahl des Rechtsmittels versäumt – keine Wiedereinsetzung

Allen (hoffentlich :-)) bekannt ist die Möglichkeit, zunächst nur unbestimmt „Rechtsmittel“ einzulegen und dieses dann erst nach Zustellung des schriftlich begründeten Urteils als Berufung oder Revision zu bestimmen. Wird diese Wahl verpasst, gibt es dagegen nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sondern das Rechtsmittel wird als Berufung behandelt.

So weit, so gut. Es stellt sich nur die Frage, ob das auch im JGG-Verfahren gilt, oder ob dort wegen der eingeschränkten Rechtsmittelmöglichkeit etwas anderes gilt. So hatte beim OLG Hamm ein Verteidiger argumentiert. Das OLG sah es anders und hat in OLG Hamm, Beschl. v. 22.11.2011 – III 3 RVs 101/11 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen.

Entziehung der Fahrerlaubnis beim Jugendlichen: Kein Unterschied zum Erwachsenen

Das OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.08.2011 – 1 St OLG Ss 156/11 befasst sich mit der Entziehung der Fahrerlaubnis bei einem Heranwachsenden im JGG-Verfahren. Das OLG weist darauf hin, dass bei der Entziehung der Fahrerlaubnis eines Jugendlichen gemäß § 69 StGB i.V.m. § 7 Abs. 1 JGG es allein auf dessen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen und nicht auf erzieherische Erwägungen ankommt. Die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB finde daher auch im Rahmen des § 7 Abs. 1 JGG uneingeschränkt Anwendung.

Auch die Dauer der Sperrfrist gem. § 69 a StGB ist allein an der Ungeeignetheit des Jugendlichen bzw. Heranwachsenden auszurichten. Sie darf nicht allein aus erzieherischen Gründen verkürzt werden. Zu der Frage bedarf es daher also keinerlei Ausführungen in den Urteilsgründen.