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StPO I: Selbstläuferrevision: Fehler beim letzten Wort, oder: Wiedereintritt in die Beweisaufnahme

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Und dann heute noch einmal StPO-Entscheidungen.

Den Auftakt mache ich mit dem BGH, Beschl. v. 16.08.2023 – 2 StR 308/22. Mal wieder eine dieser „Selbstläuferrevisionen“. Gerügt worden war die Verletzung des Rechts auf das letzte Wort (§ 258 StPO).

Das Landgericht hat den Angeklagten u.a. wegen dirigistischer Zuhälterei verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Revision hatte hinsichtlich der Strafaussprüche teilweise Erfolg.

Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

„Die Beweisaufnahme wurde am 23. Hauptverhandlungstag, dem 7. Dezember 2021, geschlossen. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägervertreter hielten ihre Plädoyers und stellten ihre Schlussanträge. Dabei beantragte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft auch die Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen zugunsten der Nebenklägerinnen C. und M. Im darauffolgenden Termin am 13. Dezember 2021 plädierten die Verteidiger des Angeklagten. Dem Angeklagten wurde Gelegenheit gegeben, noch etwas zu seiner Verteidigung zu sagen. Er hatte das letzte Wort. Die Hauptverhandlung wurde sodann unterbrochen; Termin zur Fortsetzung war auf den 22. Dezember 2021 festgesetzt. Einen Tag zuvor ging bei der Strafkammer ein Faxschreiben von Rechtsanwalt D. ein. Er übersandte zwei an den Angeklagten gerichtete Schriftstücke, zum einen einen Anwaltsschriftsatz, mit dem im Auftrag der Nebenklägerin C. ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 € geltend gemacht wurde, zum anderen einen Antrag auf Prozesskostenhilfe der Nebenklägerin M. zur Durchführung eines Mahnverfahrens über 40.000 €. Rechtsanwalt D. kündigte an, im folgenden Termin den Wiedereintritt in die Beweisaufnahme zu beantragen, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, die Ansprüche, jedenfalls teilweise, anzuerkennen.

In der Hauptverhandlung vom 22. Dezember 2021 stellte Rechtsanwalt D. einen entsprechenden Antrag. Die Vorsitzende erörterte dies mit den Verfahrensbeteiligten und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei erklärten die Nebenklägerinnen über ihre anwaltlichen Vertreterinnen, nach wie vor keinem Täter-Opfer-Ausgleich zuzustimmen. Die Staatsanwaltschaft sah keinen Bedarf, die Beweisaufnahme noch einmal zu eröffnen. Sodann gab die Vorsitzende bekannt, dass auch die Strafkammer keinen Grund sehe, erneut in die Hauptverhandlung einzutreten. Nach geheimer Beratung wurde sodann das angefochtene Urteil verkündet, ohne dass dem Angeklagten (erneut) das letzte Wort gewährt wurde.

Diese Verfahrensweise verstieß nach Auffassung des BGH gegen § 258 Abs. 2 Halbsatz 2, Abs. 3 StPO:

„Dem Angeklagten hätte nach der Erörterung über den von Rechtsanwalt D. beantragten Wiedereintritt in die Beweisaufnahme erneut Gelegenheit gegeben werden müssen, zu seiner Verteidigung vorzutragen und Ausführungen im Rahmen des letzten Worts zu machen.

a) Nach einem Wiedereintritt in die Verhandlung muss das Gericht die Möglichkeit zu umfassenden Schlussvorträgen und das letzte Wort erneut gewähren, auch wenn er nur einen unwesentlichen Aspekt oder einen Teil der Anklagevorwürfe betrifft, weil jeder Wiedereintritt den vorangegangenen Ausführungen ihre rechtliche Bedeutung als Schlussvorträge und letztes Wort nimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2017 – 1 StR 391/16, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 20 Rn. 6; Urteil vom 24. Februar 2022 – 3 StR 202/21, NJW 2022, 1631, 1632). Ein Wiedereintritt in die Verhandlung kann durch eine ausdrückliche Erklärung des Vorsitzenden beziehungsweise des Gerichts oder stillschweigend geschehen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – 3 StR 202/21, NJW 2022, 1631, 1632 f.; Beschluss vom 24. Juni 2014 – 3 StR 185/14, NStZ 2015, 105). Für letzteres genügt jede Betätigung, in welcher der Wille des Gerichts, mit der Untersuchung und der Aburteilung fortzufahren, erkennbar zutage tritt, auch wenn das Gericht darin keine Wiedereröffnung der Verhandlung erblickt oder diese nicht beabsichtigt. Dies ist der Fall bei jedem Vorgang, der die gerichtliche Sachentscheidung auch nur mittelbar beeinflussen könnte, indem er eine tatsächliche oder rechtliche Bewertung des bisherigen Verfahrensergebnisses zum Ausdruck bringt. Auf Umfang und Bedeutung der nochmaligen Verhandlungen kommt es dabei nicht an. Ob ein Wiedereintritt vorliegt, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (s. BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – 3 StR 202/21, NJW 2022, 1631, 1633; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 258 Rn. 28). Er kann auch darin liegen, dass Anträge erörtert werden, ohne dass ihnen letztlich stattgegeben wird (BGH, Beschluss vom 20. September 2017 – 1 StR 391/16, NJW 2018, 414, 415; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 258, Rn. 28; Tiemann, in: KK-StPO, 9. Aufl., § 258, Rn. 24).

b) Gemessen daran ist das Landgericht durch die Erörterung mit den Verfahrensbeteiligten über den Antrag von Rechtsanwalt D. , die Beweisaufnahme zu eröffnen, stillschweigend wieder in die Hauptverhandlung eingetreten. Der Antrag zielte darauf ab, dem Angeklagten die Chance einzuräumen, durch eine zumindest teilweise Anerkennung der nunmehr gegen ihn außerhalb der Hauptverhandlung geltend gemachten Ansprüche im Rahmen des Strafverfahrens Schadenswiedergutmachung zu leisten. Er war insoweit darauf gerichtet, Einfluss auf die Strafzumessung durch das Landgericht zu nehmen, das gemäß § 46 Abs. 2 StGB das Verhalten des Angeklagten nach der Tat und dabei insbesondere auch ein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, in den Blick zu nehmen hatte. Dieser Antrag wurde nicht lediglich entgegengenommen, sondern war im Folgenden förmlicher Gegenstand der Erörterung, wie mit ihm umzugehen sei. Damit ging – da der Gegenstand des Antrags wie ausgeführt die gerichtliche Sachentscheidung zu beeinflussen geeignet war – der (faktische) Wiedereintritt in die Hauptverhandlung einher; belegt wird dies im Übrigen durch den unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Revision, die Nebenklägerinnen hätten klargestellt, einem Täter-Opfer-Ausgleich nach wie vor nicht zuzustimmen. Dass dem Antrag letztlich nicht stattgegeben wurde, das Gericht vielmehr ausdrücklich mitteilte, keinen Grund zu sehen, erneut in die Hauptverhandlung einzutreten, ändert an dieser Feststellung nichts (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2017 – 1 StR 391/16, NJW 2018, 414, 415).

c) Auf dem dargelegten Verfahrensfehler beruhen die Strafaussprüche in den Fällen II.2 bis II.5 der Urteilsgründe, nicht jedoch die ihnen zugrundeliegenden Schuldsprüche.

Der Senat schließt aus, dass der Angeklagte in einem – erneuten – letzten Wort etwas Erhebliches zu den Schuldsprüchen hätte bekunden können. Hingegen ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte, wäre ihm das letzte Wort erneut erteilt worden, Ausführungen gemacht hätte, die die Strafzumessung zu seinen Gunsten beeinflusst hätten (vgl. zum Einverständnis zur förmlichen Einziehung sichergestellter Gegenstände BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152). Dies gilt hier insbesondere mit Blick auf die in dem ursprünglichen Schriftsatz von Rechtsanwalt D. angekündigte (teilweise) Anerkennung der geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche. Dies wäre über das bloße in der Hauptverhandlung bereits abgegebene Angebot, Schmerzensgeld zu zahlen, hinausgegangen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte auf die Herausgabe sichergestellten Bargelds in Höhe von 161.500 € auch gegenüber den Nebenklägerinnen M. und C. verzichtet hatte. Dass diese im Übrigen nicht bereit waren, sich weitergehend auf einen Täter-Opfer-Ausgleich einzulassen, ändert nichts daran, dass bereits einer möglichen förmlichen Anerkennung geltend gemachter Ansprüche eine weitergehende strafmildernde Bedeutung zukommen kann.“

StPO I: Das hohe Gut „letztes Wort des Angeklagten“, oder: Letztes Wort, wenn Angeklagter zurückkommt.

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Und heute dann 3 x StPO vom BGH.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 18.04.2023 – 3 StR 10/23. Das LG hatte die Angeklagte S.  wegen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten verurteilt. Dagegen die Revision der Angeklagten, die mit der Verfahrenrüge der Verletzung des § 258 Abs. 2 StPO – also letztes Wort – Erfolg hatte:

„2. Die Revision der Angeklagten S. dringt mit der Verfahrensbeanstandung durch, ihr sei entgegen § 258 Abs. 2 StPO nicht das letzte Wort gewährt worden.

a) Der Rüge liegt im Wesentlichen das folgende Geschehen zugrunde:

Die Angeklagte war am 21. Tag der Hauptverhandlung nicht erschienen. Nach einem entsprechenden Beschluss des Landgerichts gemäß § 231 Abs. 2 StPO wurde die Verhandlung ohne sie fortgesetzt. Am selben Tag erhielten die Verteidiger beider Angeklagter und der Mitangeklagten das Wort für ihre Schlussvorträge sowie der Angeklagte und die Mitangeklagten das letzte Wort. Am nächsten Hauptverhandlungstag war die Angeklagte von Beginn an anwesend. Der Vorsitzende verkündete einen Kammerbeschluss und nach Unterbrechung der Verhandlung das Urteil, ohne der Angeklagten das letzte Wort zu erteilen.

b) Diese Verfahrensweise entsprach nicht § 258 Abs. 2 StPO, nach dem der Angeklagten das letzte Wort gebührt.

Danach ist sie gemäß § 258 Abs. 3 StPO auch dann zu befragen, ob sie selbst noch etwas zu ihrer Verteidigung anzuführen habe, wenn ein Verteidiger für sie gesprochen hat. Die zeitweise Verhandlung in ihrer Abwesenheit nach § 231 Abs. 2 StPO enthebt das Landgericht nicht von der Pflicht, der wieder anwesenden Angeklagten das letzte Wort zu erteilen. Kehrt sie in die Hauptverhandlung zurück, nimmt sie ihre Stellung mit allen ihren Rechten wieder ein. Das Recht zur Ausübung des letzten Wortes hat sie nicht dadurch verwirkt, dass sie während eines Verfahrensabschnittes abwesend war, in dem Mitangeklagte Gelegenheit zum letzten Wort hatten. Dem Recht der Angeklagten auf das letzte Wort entspricht die Verpflichtung des Gerichts, nach § 258 Abs. 3 StPO den Angeklagten von Amts wegen Gelegenheit zu geben, sich als Letzte persönlich abschließend zur Sache zu äußern. Das ist angesichts der Bedeutung dieses Rechts selbst dann erforderlich, wenn das Gericht das Beweisergebnis schon abschließend beraten hat und zur Verkündung des Urteils bereit ist (s. insgesamt BGH, Beschluss vom 27. Februar 1990 – 5 StR 56/90, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Letztes Wort 2 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 258 Rn. 20).

Diese Anforderungen wurden nicht eingehalten.

c) Soweit das Urteil die Angeklagte betrifft, beruht es im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO auf dem aufgezeigten Verfahrensfehler; denn es ist nicht auszuschließen, dass sie bei Erteilung des letzten Wortes noch Ausführungen gemacht und dies sich auf die Entscheidung des Landgerichts ausgewirkt hätte (vgl. zum Beruhen etwa BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2002 – 3 StR 499/01, wistra 2002, 308; vom 11. März 2014 – 5 StR 70/14, StraFo 2014, 251; vom 20. August 2008 – 5 StR 350/08, NStZ 2009, 50; vom 2. Mai 1989 – 5 StR 154/89, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Letztes Wort 1; BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 1980 – 2 BvR 705/79, BVerfGE 54, 140, 142; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 258 Rn. 35 f.). Allein daraus, dass die in L.     lebende Angeklagte zu dem auf den Schlussvortrag des Staatsanwalts folgenden Hauptverhandlungstag nicht erschien, ist nicht zu folgern, sie habe wie zuvor von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen und sich nicht äußern wollen. So ließ sich etwa der ebenfalls zuvor schweigende Angeklagte erst im Rahmen seines letzten Wortes zur Sache ein.

d) Danach ist die Verurteilung der Angeklagten S. insgesamt mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben…..“

StPO II: Noch einmal das nicht gewährte letzte Wort, oder: Was gehört in die Verfahrensrüge?

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Und als zweite Entscheidugn stelle ich dann den BGH, Beschl. v. 16.08.2022 – 5 StR 101/22 – vor. Es geht mal wieder um das nicht gewährte letzte Wort. Der Angeklagte hatte das mit seiner Revision gegen seine Verurteilung gerügt und hatte damit Erfolg. Ich stelle den Beschluss wegen der Ausführungen des BGH zur Begründung der Verfahrensrüge vor:

„1. Die Rüge einer Verletzung des § 258 Abs. 2 StPO führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.

a) Der Verfahrensrüge liegt das folgende Geschehen zugrunde: Am vorletzten Tag der Hauptverhandlung, dem 15. September 2021, hielt – nachdem bereits die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger von Mitangeklagten an früheren Tagen plädiert hatten – der Verteidiger des Angeklagten seinen Schlussvortrag. Anschließend erhielten alle – nicht revidierenden – Mitangeklagten das letzte Wort, nicht aber der Angeklagte. Sodann wurde die Hauptverhandlung unterbrochen; im Fortsetzungstermin am 6. Oktober 2021 wurde – ohne dem Angeklagten vorher das letzte Wort zu gewähren – unmittelbar das Urteil verkündet.

b) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Revision keine ausdrücklichen Angaben dazu gemacht hat, ob der Angeklagte am letzten Tag der Hauptverhandlung tatsächlich anwesend war und nicht nach § 231 Abs. 2 StPO in Abwesenheit gegen ihn verhandelt wurde. Zwar müssen bei einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht allein auf Grund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden; dabei darf der Beschwerdeführer die ihm nachteiligen Tatsachen nicht übergehen und muss auch die Fakten vortragen, die für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes sprechen können, der seiner Rüge den Boden entzöge (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 23. September 2008 – 1 StR 484/08, BGHSt 52, 355, 357 mwN). Hier ist es indes nicht zu einer Abwesenheitsverhandlung gekommen, so dass es eines entsprechenden Vortrags unter dem Gesichtspunkt der Verpflichtung zur Mitteilung rügevernichtender Umstände (vgl. insoweit etwa Cirener, NStZ-RR 2010, 97, 100) nicht bedurfte. Ebensowenig war hier der Vortrag erforderlich, dass „nicht nach § 231 Abs. 2 StPO verfahren worden“ war, denn solche „Negativtatsachen“ sind nur dann mitzuteilen, wenn eine dem geltend gemachten prozessualen Fehler entgegenstehende Verfahrenslage nach der konkreten Fallgestaltung ernsthaft in Frage kommt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1990 – 3 StR 170/90, BGHSt 37, 245, 248; Beschluss vom 5. August 2021 – 4 StR 143/21, NStZ 2022, 126 mwN). So verhielt es sich hier nicht, denn die Anwesenheit des Angeklagten bei Schluss der Beweisaufnahme und Verkündung des Urteils stellt den von der Strafprozessordnung vorgesehenen Normalfall dar; es gab keine Hinweise darauf, dass davon abgewichen worden war.

Des vollständigen Vortrags der dienstlichen Stellungnahmen der Berufsrichter bedurfte es ebenfalls nicht, weil zur Prüfung des Vorhandenseins des Verfahrensmangels der „Hintergrund des Verfahrensgeschehens“ nicht von Bedeutung ist.

c) Der aufgezeigte und durch das Sitzungsprotokoll bewiesene (§ 274 Satz 1 StPO) Verstoß gegen § 258 Abs. 2 StPO führt zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch.

Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, beruht der Schuldspruch nicht auf dem Verfahrensfehler. Mit Blick auf das Geständnis des Angeklagten, die geständigen Einlassungen der Nichtrevidenten und die übrigen Beweismittel ist auszuschließen, dass das Landgericht bei Gewährung des letzten Worts insoweit zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2017 – 1 StR 35/17, NStZ 2018, 290, 291). Auch die Revision trägt mit der Erwägung, der Angeklagte hätte sich möglicherweise bei Geschädigten in den Fällen 1 und 3 der Urteilsgründe entschuldigt, nur für den Strafausspruch relevante Umstände vor. Insoweit kann der Revision der Erfolg allerdings nicht versagt bleiben; der Senat kann nicht ausschließen, dass der Angeklagte in seinem letzten Wort Ausführungen gemacht hätte, die den Strafausspruch hätten beeinflussen können.“

OWi III: Das letzte Wort des entbundenen Betroffenen, oder: Hat der „Vertretungsverteidiger“ das letzte Wort?

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Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung zu einer verfahrensrechtlichen Frage, nämlich: Muss dem von der Anwesenheitspflicht entbundenen Betroffenen, für den ein Verteidiger mit Vertretungsvollmacht anwesend ist, das letzte Wort gewährt werden?

Das OLG Hamm sagt im OLG Hamm, Beschl. v. 12.04.2022 – 5 RBs 98/22 – nein:

„Ergänzend bemerkt der Senat: Die Rüge der Verletzung der Gewährung des letzten Worts an den Betroffenen greift nicht durch. Soweit der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundene, in der Hauptverhandlung nicht erschienene Betroffene eine Verletzung des § 258 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG geltend macht, ist festzustellen, dass sein Verteidiger vor der Urteilsverkündung als letztes gesprochen hat. Da der Betroffene selbst nicht erschienen war, konnte ihm selbst das letzte Wort zwangläufig auch nicht gewährt werden.

Dem mit Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger musste bei Abwesenheit des Betroffenen nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, für diesen das letzte Wort zu sprechen. Die auf § 258 Abs. 3 StPO i.V.m. § 46 OWiG gestützte gegenteilige Auffassung des Betroffenen trifft nicht zu. Das letzte Wort ist ein höchstpersönliches Recht des Betroffenen (vgl. BGH NJW 1962, 500, 501), das ihm die Möglichkeit geben soll, sich – unabhängig von dem Schlussvortrag des Verteidigers – mit seinen eigenen Worten abschließend zur Sache zu äußern (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.03.2020 – IV-2 RBs 47/20 – juris; Bock ZStW 2017, 745, 754; Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 258 Rdn. 38 m.w.N.). Dieses Recht ist seiner Natur nach nicht übertragbar. Daher ist der Verteidiger – auch als bevollmächtigter Vertreter des abwesenden Betroffenen – weder zum letzten Wort aufzufordern noch kann er verlangen, nach seinem Schlussvortrag noch ein letztes Wort zu haben (vgl. nur: (KG Berlin, Beschl. v. 30.08.1999 – 2 Ss 161/993 Ws (B) 436/99 -juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.03.2020 – IV-2 RBs 47/20 – juris m. zahlr. w. Nachw.; OLG Koblenz NJW 1978, 2257 – LS -). Die von der Verteidigung vertretene Auffassung, dass der mit Vertretungsmacht ausgestattete Verteidiger das letzte Wort für den nicht erschienenen Angeklagten haben müsse, widerspricht der ständigen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die obigen Nachweise). § 258 Abs. 3 StPO soll sicherstellen, dass (auch) dem Angeklagten – sofern verteidigt neben dem Verteidiger – selbst volle Freiheit zur Äußerung gewährt wird (BGH NJW 1959, 1093). Dieser Zweck zeigt sich darin, dass dort ausdrücklich zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger differenziert wird und dass „er selbst“ (also der Angeklagte in Person) sich äußern können soll, etwa auch, um eine von seinem Verteidiger abweichende Darstellung zu geben (vgl. BGH NJW 1962, 500, 501). Ob es vor diesem Hintergrund konsequent ist, dass es gleichwohl möglich sein soll, dass der Verteidiger das letzte Wort für den anwesenden Angeklagten (bzw. Betroffenen) wahrnehmen können soll (so: OLG Oldenburg NJW 1957, 839; Bock a.a.O. S. 755) – wofür sprechen könnte, dass der anwesende Angeklagte oder Betroffene dann immer noch zu erkennen geben kann, ob die Äußerungen des Verteidigers seinem Willen entsprechen – kann dahinstehen, denn im vorliegenden Fall war der von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundene Betroffene nicht anwesend. Soweit der Betroffene meint, dass wegen der dem Verteidiger erteilten Vertretungsmacht die persönlichen Verfahrensrechte auf diesen übergingen und sich insoweit auf die Entscheidung KG Berlin NStZ-RR 2015, 385 bezieht, kann er damit nicht durchdringen. Die Entscheidung bezieht sich nicht auf § 258 Abs. 3 StPO. Die Vertretung des (abwesenden) Betroffenen ist eben bzgl. solcher Verfahrensrechte nicht möglich, die ihm ausdrücklich in Abgrenzung zu seinem Verteidiger (vgl. hierzu: BGH NJW 1963, 259, 260; Ott in: KK-StPO, 8. Aufl., § 258 Rdn. 14) eingeräumt worden sind.“

Gilt dann auch in anderen Fällen der erlaubten Abwesenheit.

StPO II: Wiedereintritt in die Beweisaufnahme erfolgt?, oder: Zur Sache oder nur zum Verfahren verhandelt?

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Als zweite Entscheidung stelle ich dann das zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmte BGH, Urt. v. 24.02.2022 – 3 StR 202/21. Das nimmt u.a. zur Frage des Wiedereintritts in die Hauptverhandlung und der Notwendigkeit der nochmaligen Gewährung des letzten Wortes nach der Verkündung eines ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses Stellung.

Der Sachverhalt, der dem Urteil zurgunde liegt, ist etwas komprlizierter. Es ist in der Hauptverhandlung ein wenig hin und her gegangen. Jedenfalls verkündet die Vorsitzende nach Gewährung des letzten Wortes dann noch einen Beschluss über die Zurückweisung eines zuvor gestellten Befangenheitsgesuchs des Angeklagten. Das letzte Wort wurde dem Angeklagaten danach nicht mehr gewährt.

Die hierauf gestützte Verfahrensrüge hat der BGH als unbegründet erachtet. Mit der Zurückweisung des Befangenheitsantrags als unbegründet sei das LG nicht wieder in die Hauptverhandlung eingetreten:

„…..

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Strafkammer hier nicht gegen § 258 Abs. 2 StPO verstoßen.

(a) Dass das Landgericht mit der Verkündung des Beschlusses über die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs nicht wieder in die Hauptverhandlung eingetreten ist, legen bereits systematische Erwägungen zur Ausgestaltung des Ablehnungsverfahrens (§§ 24 ff. StPO) nahe. Denn dieser Vorgang gehört seiner Natur und gesetzlichen Konzeption nach nicht zum Bereich der Beweisaufnahme und Hauptverhandlung (vgl. Rübenstahl, GA 151 [2004], 33, 47). Dies zeigt sich schon daran, dass die Entscheidung in anderer Besetzung, nämlich ohne die hiervon ausgeschlossene abgelehnte Vorsitzende (§ 27 Abs. 1 StPO) und die Schöffen, außerhalb der Hauptverhandlung getroffen worden ist. Ferner hätte der Beschluss nicht in der Hauptverhandlung verkündet werden müssen; vielmehr wäre eine formlose schriftliche Mitteilung außerhalb der Hauptverhandlung ausreichend gewesen (§ 28 Abs. 2 Satz 2, § 35 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Verkündung hat diese formlose Mitteilung lediglich ersetzt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 35 Rn. 12; s. auch BGH, Urteil vom 3. März 1961 – 4 StR 548/60, BGHSt 15, 384). Zwar schließt diese gesetzliche Konzeption des Ablehnungsverfahrens die Bewertung als Wiedereintritt in die Hauptverhandlung nicht von vornherein aus (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. April 2001 – 3 StR 534/00, StV 2001, 438). Es bedarf jedoch schon im Ausgangspunkt einer näheren Begründung, warum in der Bekanntgabe der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch eine solche Wiedereröffnung mit der Folge der Pflicht zur erneuten Gewährung des letzten Wortes liegen soll.

(b) Ein Wiedereintritt in die Hauptverhandlung kann sich auf der Grundlage der dargelegten Rechtsprechung nur dann ergeben, wenn die Verkündung ein sonstiges Verhandeln über einen Vorgang darstellt, durch welches das Gericht dokumentiert, mit der Untersuchung und Aburteilung fortfahren zu wollen, und dies insbesondere auf die gerichtliche Sachentscheidung Einfluss haben kann. Nur dann sind Sinn und Zweck des Äußerungsrechts nach § 258 StPO betroffen.

(aa) Aus der ersten Voraussetzung folgt, dass es unerheblich ist, ob der Befangenheitsantrag als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird. Denn in beiden Fällen ist er erfolglos und dokumentiert das Gericht seine Absicht, das Verfahren fortzusetzen.

Auch aus den in diesem Zusammenhang genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (s. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1988 – 5 StR 6/88, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 5; Urteil vom 21. März 1985 – 1 StR 417/84, NStZ 1985, 464, 465) ergibt sich nichts anderes. Insbesondere lässt sich diesen entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht im Umkehrschluss entnehmen, eine Zurückweisung des Gesuchs als unbegründet stelle eine Wiederöffnung der Verhandlung dar. Die Entscheidungen beschränken sich allein und ausschließlich auf bereits unzulässige Befangenheitsanträge; Gleiches gilt für die entsprechenden – zustimmenden – Stellungnahmen des Schrifttums (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30; MüKoStPO/Cierniak/Niehaus, § 258 Rn. 21; SSW-StPO/Ignor/Wegner/Franke, 4. Aufl., § 258 Rn. 15; ebenso KMR/Stuckenberg, StPO, 22. EL, § 258 Rn. 6 unter der Voraussetzung, dass „die Gründe für die Ablehnung keine Äußerung erfordern können“, sowie LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 11, wenn keine Gesichtspunkte zur Sprache kommen, die auch für Sachentscheidung relevant sein können, und jedenfalls für den Fall, dass der Befangenheitsantrag nach Verkündung der Urteilsformel gestellt wird; Bock, ZStW 129 [2017], 745, 762; Dölling/Duttge/König/Rössner/Harrendorf, Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl., § 258 StPO Rn. 22; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 258 Rn. 25; Rübenstahl, GA 151 [2004], 33, 47 f.).

(bb) Maßgeblich ist vielmehr, ob der Beschluss über die bloße Zurückweisung hinaus einen Bezug zur Sachentscheidung aufweist, weil sich in ihm die gerichtliche Bewertung einer potentiell urteilsrelevanten Frage widerspiegelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2017 – 1 StR 391/16, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 20 Rn. 7; vom 11. Mai 2017 – 1 StR 35/17, NStZ 2018, 290, 291; vom 9. Juni 2015 – 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19; Urteile vom 13. Oktober 1992 – 5 StR 476/92, NStZ 1993, 94, 95; vom 27. August 1992 – 4 StR 314/92, juris Rn. 4; Beschluss vom 20. Juni 1988 – 3 StR 182/88, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 4; Bock, ZStW 129 [2017], 745, 763 f.; KMR/Stuckenberg, StPO, 22. EL, § 258 Rn. 6; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 10; Radtke/Hohmann/Forkert-Hosser, StPO, § 258 Rn. 26). Gerade dieser Bezug ist der tragende Gesichtspunkt in durch den Bundesgerichtshof bereits entschiedenen ähnlichen Konstellationen und ermöglicht daher eine einheitliche Handhabung. Das gilt insbesondere für den oben genannten vergleichbaren Fall, dass sich das Tatgericht entscheidet, eine grundsätzlich außerhalb der Hauptverhandlung mögliche Haftentscheidung in der Verhandlung zu erörtern und zu verkünden. Ausschlaggebend für die Annahme eines Wiedereintritts in die Verhandlung ist dann nämlich, dass die Entscheidung zumindest inzident auch die gerichtliche Beurteilung des Verdachtsgrades beinhaltet, also eine sachliche Bewertung des bisherigen Beweisergebnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2001 – 3 StR 253/01, NStZ-RR 2001, 372; Urteile vom 11. April 2001 – 3 StR 534/00, StV 2001, 438; vom 25. Juli 1996 – 4 StR 193/96, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 8; vom 27. August 1992 – 4 StR 314/92, juris Rn. 4; Bock, ZStW 129 [2017], 745, 765). Ebenso fügt sich diese Betrachtungsweise bruchlos in die Rechtsprechung ein, wonach die reine Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO (s. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30) oder die bloße Bekanntgabe eines Verbindungsbeschlusses zur gemeinsamen Urteilsverkündung (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 – 3 StR 53/00, NStZ-RR 2001, 241; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30) keine Wiedereröffnung der Verhandlung darstellt.

Diese Begrenzung auf die Sachentscheidungsrelevanz folgt aus dem Sinn und Zweck des § 258 StPO, der Gewährleistung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Angeklagte unmittelbar vor der endgültigen Beratung des Gerichts zu dem gesamten Ergebnis der Hauptverhandlung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung und somit auf die Urteilsfindung Einfluss nehmen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 1980 – 2 BvR 705/79, BVerfGE 54, 140, 141 f.; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 1; SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 258 Rn. 37). Diese Funktion ist allerdings, wenn dem Angeklagten bereits einmal das letzte Wort gewährt worden war, nur bei danach eintretenden, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht sachentscheidungsrelevanten Ereignissen berührt. Bei neuen, sich auf die eigentliche Urteilsfindung in der Sache nicht auswirkenden, insbesondere rein formalen Vorgängen besteht hingegen für den Angeklagten kein Bedürfnis, sich in Reaktion hierauf ergänzend zu verteidigen (vgl. Bock, ZStW 129 [2017], 745, 764).

(c) An einer solchen Sachentscheidungsrelevanz im Rechtssinne fehlt es hier.

Der Befangenheitsantrag zielt per se nicht primär auf eine Beeinflussung der Sachentscheidung selbst, sondern auf die Veränderung der Besetzung des Gerichts (vgl. Rübenstahl, GA 151 [2004], 33, 47). Überdies spiegelt sich vorliegend in dem das Gesuch zurückweisenden Beschluss keine Bewertung einer potentiell für den sachlichen Gehalt des Urteils relevanten Frage wider:

Die Gründe des Beschlusses verhalten sich nicht zu dem bisherigen Beweisergebnis, befassen sich inhaltlich nicht mit den Beweisanträgen der Verteidigung und führen auch sonst nichts zur Sache aus. Sie beschränken sich hinsichtlich des Antrags vom 10. Dezember 2020 darauf, dass die reine Bekanntgabe einer nach Beratung ergangenen Kammerentscheidung nicht die Besorgnis der Befangenheit rechtfertige und die Vorsitzende weder berechtigt gewesen sei, diese Entscheidung als Vorsitzende zu treffen, noch dies so dargestellt habe.

Der Senat folgt nicht der Ansicht des Generalbundesanwalts, der darauf abgestellt hat, erst durch die Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs sei endgültig klar geworden, dass die Strafkammer über die Beweisanträge nicht mehr in der Verhandlung entscheide. Zum einen ging bereits aus dem Hinweis der Vorsitzenden in der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 2020 eindeutig hervor, dass nach Fristablauf gestellte Beweisanträge erst im Urteil beschieden werden sollen. Anders als der Beschwerdeführer meint, brachte der Hinweis dabei hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass das beabsichtigte Vorgehen nach § 244 Abs. 4 Satz 4 StPO auf einer Kammerentscheidung beruhte. Denn aus der Angabe „nach Beratung“ ergab sich die Verantwortlichkeit des Spruchkörpers ohne Weiteres. Zum anderen kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dem Fall, dass das Tatgericht über einen auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen gerichteten Hilfsbeweisantrag „mittelbar“ in einem nach der Gewährung des letzten Wortes verkündeten Teileinstellungsbeschluss entscheidet, allenfalls die rechtsfehlerhafte Behandlung des Hilfsbeweisantrags gerügt werden, nicht aber eine Verletzung des § 258 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2001 – 4 StR 414/00, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 13). Gleiches muss im Ergebnis hier gelten.

Soweit der Antrag vom 11. Dezember 2020 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, die Ablehnung sei nicht unverzüglich geltend gemacht worden, kommen ebenfalls keine Gesichtspunkte zur Sprache, die für die Sachentscheidung relevant sein können.

Schließlich gaben die Prozessbeteiligten zu dem Beschluss weder Erklärungen ab (zu dieser Erwägung s. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19), noch erörterten sie anschließend die Sach- und Rechtslage (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 – 3 StR 469/18, NStZ 2019, 426 Rn. 9), so dass sich auch nicht etwa aus diesen Gründen ein Wiedereintritt in die Verhandlung ergibt….“