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Richtige Gebührenbemessung im OWi-Verfahren II, oder: Vor allem Abgeltungsbereich der Terminsgebühr

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Und dann als zweite Entscheidung der LG Hagen, Beschl. v. 07.04.2025 – 46 Qs 13/25. Das ist dann leider mal wieder so eine Entscheidung, bei der – in meinen Augen – so gar nichts passt.

Gestritten wird auch hier um die Rahmengebühren in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Das AG hate den Betroffenen vom Vorwurf der verbotenen Benutzung eines elektronischen Geräts im Straßenverkehr (§ 23 Abs. 1a StVO) frei gesprochen. Der Verteidiger hat dann Festsetzung der notwendigen Auslagen beantragt. Das AG hatte seinem Antrag nur zum Teil entsprochen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte teilweise Erfolg.

Ok, die Beschwerde hatte teilweise Erfolg. Das heißt aber nun nicht, dass das, was das LG ausführt, zutreffend ist. Ich stelle hier nun nicht alles ein, was das LG ausgeführt hat. Das haben wir so – falsch – schon leider häufiger gelesen, sondern beschränke ich mich auf eine kurze Zusammenfassung:

  • Das LG geht bei der § 14 Abs. 1 S. 1 RVG von einer sog. Toleranzgrenze von 20 % aus.
  • Im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten ist nach Auffassung des LG nicht grundsätzlich die Mittelgebühr anzusetzen.
  • Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit ergibt sich eine höhere oder gar durchschnittliche Bedeutung nicht aus dem Umstand, dass der angegriffene Bußgeldbescheid auch die Eintragung eines Punktes im FAER vorsah.
  • Auch der Umstand, dass der Betroffene aufgrund seiner Außendiensttätigkeit auf die Fortdauer seiner Fahrerlaubnis angewiesen sei, führt nicht zu einer Gebührenerhöhung.

Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext. Ich stelle hier nur die – ebefalls falschen – Ausführungen zum Abgeltungsbereich der Terminsgebühr ein. Dazu meint das LG:

„Bezüglich der Terminsgebühr ist eine Gebührenhöhe von 180,00 Euro billig. Gesichtspunkte, die für eine höhere Gebühr – wie vom Beschwerdeführer i. H. v. 280,50 Euro in Ansatz gebracht – sprechen würden, sind nicht gegeben.

aa) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war insoweit insbesondere nicht die bereits vorstehend berücksichtigte Vorbereitung des Hauptverhandlungstermins zu berücksichtigen. Denn die Gebühr nach Nr. 5110 VV RVG entsteht nur für die Teilnahme an der Hauptverhandlung im gerichtlichen Verfahren des ersten Rechtszuges. Die Höhe der Terminsgebühr bestimmt sich dabei in der Gesamtschau der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG im Wesentlichen nach der zeitlichen Dauer des Termins (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 06.2.02018 – Az. 1 Ws 51/18, in: BeckRS 2018, 2185, Rn. 18), wobei nach herrschender Meinung Warte- und Pausenzeiten in die Termindauer grundsätzlich einzurechnen sind (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 24.01.2008 – Az. 4 Ws 528/07, juris). Darüber hinaus ist auch die Entfaltung der Tätigkeit in der Hauptverhandlung für die Höhe der Gebühr von Belang (vgl. LG Hagen, Urt. v. 12.05.2011 – Az. 46 Qs 20/11, juris; HK-RVG/Carsten Krumm, 8. Aufl. 2021, RVG VV 5107, Rn. 17). Nach ständiger Kammerrechtsprechung, auf die der Bezirksrevisor zutreffend verwiesen hat und an der die Kammer ausdrücklich festhält, besteht die Grenze zur Durchschnittlichkeit bei etwa einer Stunde.

Soweit zum Teil auch die Vor- und Nachbereitung eines Hauptverhandlungstermins als relevant für die Bemessung der Terminsgebühr angesehen wird, folgt die Kammer dem nicht, weil es sich hierbei nicht um Tätigkeiten in der Hauptverhandlung handelt. Die Tätigkeiten außerhalb der Hauptverhandlung, wozu auch die Vor- und Nachbereitung der Hauptverhandlungstermine, die Bewertung von Gutachten sowie die Prüfung von Rechtsfragen gehören, sind bereits mit der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5109 VV RVG abgegolten. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat in der Gesetzesbegründung darauf abgestellt, dass die Verfahrensgebühr das „Betreiben des Geschäfts, im gerichtlichen Verfahren also z.B. für die Vorbereitung der Hauptverhandlung“, abgelten soll (BT-Drucks. 15/1971, 220). Durch die Terminsgebühr soll demgegenüber nur noch die Tätigkeit in der Hauptverhandlung abgegolten werden, „die übrigen Tätigkeiten während des gerichtlichen Verfahrens fallen unter die Verfahrensgebühr“ (BT-Drucks. 15/1971, 226). Zwar erachtet der Gesetzgeber an anderen Stellen einen Vorbereitungsaufwand als von der Terminsgebühr erfasst. Jedoch folgt hieraus im Ergebnis keine andere Bewertung, da insoweit nur organisatorischer Aufwand für die Terminwahrnehmung bzw. die Berücksichtigungsfähigkeit von Unterbrechungszeiten an einem Terminstag gemeint sind. So heißt es etwa einerseits:

„Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Verteidiger, der zur Hauptverhandlung erscheint, hierfür keine Gebühr erhalten soll. Er erbringt unter Umständen einen nicht unerheblichen Zeitaufwand schon zur Vorbereitung des Termins. Soweit dieser wegen des Nichtstattfindens der Hauptverhandlung gering ist, lässt sich dies ohne weiteres bei der Bemessung der Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens berücksichtigen.“ (BT-Drucks. 15/1971, 221)

und andererseits:

„Wird beispielsweise die Sitzung auf Antrag der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts unterbrochen, weil eine Besprechung mit dem Mandanten erforderlich ist, handelt es sich insoweit um Vorbereitungsaufwand für den (fortzusetzenden) Termin, der bereits über die Grundterminsgebühr (ohne Längenzuschlag) abgegolten wird.“ (BT-Drucks. 19/23484, 87).

Hierbei zeigt der Verweis auf einen Vorbereitungsaufwand, der wegen des Nichtstattfindens gering sein kann, dass gerade kein Vorbereitungsaufwand in Form einer Bearbeitung der Sache gemeint sein kann. Diese fällt vor dem Erscheinen zum Termin an und kann denklogisch nicht bedingt durch einen unvorhergesehenen Ausfall des Termins gering sein. Dass es in diesem Zusammenhang um Termine geht, die unvorhergesehen nicht stattfinden, zeigt sich bereits dadurch, dass der Anfall der Terminsgebühr gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG (bzw. gleichlautend Vorbemerkung 5 Abs. 3 S. 2 W-RVG) gerade das Erscheinen des Verteidigers erfordert, womit organisatorischer Aufwand tatsächlich angefallen ist. In der Gesamtschau der Gesetzesbegründung kann schließlich die letztgenannte Passage nur bedeuten, dass eine Besprechung mit dem Mandanten bei Gelegenheit eines Hauptverhandlungstermins mit der Terminsgebühr abgegolten, jedoch nicht in die Dauer des Termins einzurechnen ist. Denn diese Begründung erfolgt im Zusammenhang mit der Berücksichtigungsfähigkeit von Wartezeiten und Unterbrechungen im Rahmen des Hauptverhandlungstermins. Eine Abkehr von den dargestellten Grundsätzen der Abgeltungsbereiche von Verfahrens- und Terminsgebühr wird insoweit nicht erkennbar.

bb) Danach sind bezüglich des Hauptverhandlungstermins keine weiteren gebührenerhöhend wirkenden Gesichtspunkte dargetan oder ersichtlich. Die Termindauer von laut Protokoll 30 Minuten bei Vernehmung einer Zeugin ist als unterdurchschnittlich anzusehen (vgl. LG Hagen, Urt. v. 12.5.2011 – Az. 46 Qs 20/11, BeckRS 2012, 25089). Hier ist auch zu berücksichtigen, dass die Zeugenvernehmung keinen besonderen Aufwand bedurfte, da sich die Zeugin an den zugrundeliegenden Vorfall nicht mehr erinnerte, was im Ergebnis zu dem Freispruch führte. So enthält das Sitzungsprotokoll keine Angaben bezüglich der Vernehmung der Zeugin zur Sache. Ferner wies der erkennende Richter in einer an den Termin anschließenden Anfrage an die Staatsanwaltschaft, ob auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet werde (BI. 86 d. A.), auf die fehlende Erinnerung der Zeugin hin.“

Sorry, aber das ist in meinen Augen – ich will es vorsichtig formulieren – falsch:

1. Den Ausführungen des LG zur Mittelgebühr ist zu widersprechen. Es ist vielmehr so, dass auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren von der Mittelgebühr auszugehen ist und dann geprüft werden muss, welche Umstände die Gebühr ggf. erhöhen oder zu einer niedrigeren Gebühr führen. Der Auffassung des LG lässt sich demgegenüber nicht entnehmen, was denn nun Ausgangspunkt der Gebührenbemessung ist (zu allem eingehend Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Vorbem. 5 VV Rn 54 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung).

2. Unzutreffend sind auch die Ausführungen des LG zur Bedeutung der Angelegenheit und zu deren Einordnung als „unterdurchschnittlich“. Was soll denn bitte ein „durchschnittlich“ bedeutendes Bußgeldverfahren sein, wenn nicht dieses mit einem bestreitenden Betroffenen, einer Geldbuße von 130 EUR und ggf. zwei Punkten im FAER? Wenn nicht dieses Verfahren durchschnittlich war, welches ist es dann? Die Argumentation, die Eintragung von zwei Punkten im FAER erlange keine erhebliche Bedeutung angesichts einer drohenden Entziehung der Fahrerlaubnis erst beim Erreichen von acht Punkten, ist einfach lächerlich. Zwei Punkte im FAER sind nur noch zwei Punkte von der Ermahnung, 4 Punkte von der Verwarnung und 6 Punkte von der Entziehung der Fahrerlaubnis entfernt. Und da soll das Verfahren keine „erhebliche Bedeutung“ haben.

3. Unzutreffend sind dann schließlich auch die Ausführungen des LG zur Terminsgebühr, und zwar in zweifacher Hinsicht:

a) Es ist m.E. unzutreffend, wenn das LG von einer durchschnittlichen Dauer einer Hauptverhandlung in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ausgeht. Die ist vielmehr erheblich niedriger anzusetzen. Mich würde interessieren, worauf diese Zeitvorgaben des LG beruhen. In der Praxis sind eher andere Zeitdauern üblich.

b) Das LG irrt im Übrigen auch wegen des Abgeltungsbereich der Terminsgebühr. Denn die honoriert auch die Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten für den konkreten Termin (s. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn 68 w.N. aus der zutreffenden anders lautenden Rechtsprechung). Aus der vom LG angeführten Stelle aus der Gesetzesbegründung zum RVG 2004 folgt nichts anderes, denn die bezieht sich auf die allgemeine Vorbereitung der Hauptverhandlung, um die es hier aber nicht geht. Entsprechendes gilt für den Hinweis auf den „geplatzten Termin“. Die vom LG angeführte Stelle spricht im Übrigen eher für die herrschende Meinung als gegen sie. Und was schließlich das Erinnerungsvermögen der im Hauptverhandlungstermin vernommenen Zeugin mit der Höhe der Terminsgebühr des Verteidigers zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Wenn dadurch eine längere Vernehmung der Zeugin nicht erforderlich war, ist das doch ein Umstand, der sich bereits in der Hauptverhandlungsdauer niedergeschlagen hat.

Man kann nur hoffen, dass der hl. „Gebührengeist“ am Wochenende das LG Hagen besucht.

StPO III: Mal wieder etwas zum letzten Wort vom BGH, oder: Gewährung von genügend Vorbereitungszeit

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Und dann noch die angekündigte Entscheidung des BGH zum letzten Wort. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – 6 StR 545/23 – mit der Problemati: Genügend Vorbereitungszeit für das letzte Wort?

Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit seiner Rüge rügt der Angeklagte eine Verletzung des § 258 Abs. 1 StPO.

Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde: Dem Angeklagten war mit der Anklageschrift versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Adhäsionsklägers H. und gefährliche Körperverletzung zum Nachteil einer weiteren Geschädigten vorgeworfen worden. Der Strafkammervorsitzende terminierte die Hauptverhandlung auf drei Sitzungstage.

Am 2. Sitzungstag erteilte der Vorsitzende um 14:47 Uhr einen rechtlichen Hinweis; demzufolge sollte hinsichtlich der Tat zum Nachteil des Adhäsionsklägers auch eine Verurteilung wegen „tateinheitlichen versuchten Mordes gemäß § 211 Abs. 2 Var. 4 und 5 StGB  – sonstiger niedriger Beweggrund bzw. Heimtücke – in Betracht kommen. Die Vorschrift wurde verlesen, ein Haftbefehl verkündet und der Angeklagte um 14:56 Uhr im Saal verhaftet. Im Haftbefehl wurde der Tatvorwurf zu Fall 1 der Anklageschrift dahin konkretisiert, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Messerstiche in Richtung des Oberkörpers des sich „keines Angriffs versehenen und deshalb wehrlosen“ Adhäsionsklägers geführt habe. Ein vom Verteidiger daraufhin gestellter Aussetzungsantrag, gestützt auf die wegen des verschärften Tatvorwurfs notwendige Vorbereitungszeit, wurde zurückgewiesen und auch die hilfsweise begehrte Unterbrechung für die Dauer von einer Woche abgelehnt. Es seien keine neuen Tatsachen oder tatsächlichen Verhältnisse in der Hauptverhandlung aufgetreten, die der Angeklagte nicht bereits der Anklageschrift oder dem Eröffnungsbeschluss habe entnehmen können. Die Hauptverhandlung wurde um 15:16 Uhr bis zum nächsten Sitzungstag unterbrochen.

Am Morgen des folgenden Tages wurde die Hauptverhandlung fortgesetzt. Nach weiteren Beweiserhebungen, insbesondere Vernehmungen von Zeugen und Sachverständigen, wurde die Beweisaufnahme „im allseitigen Einverständnis“ geschlossen. Der Verteidiger beantragte um 14:15 Uhr zur Vorbereitung auf den Schlussvortrag eine Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zu einem weiteren, noch abzustimmenden Sitzungstag. Er sehe sich eingedenk des Verfahrensablaufs, namentlich des gerichtlichen Hinweises, der Verhaftung seines Mandanten im Sitzungssaal und der bis 14:10 Uhr durchgeführten Beweisaufnahme nicht in der Lage, sachgerecht zu plädieren. Den Antrag wies der Vorsitzende unter Hinweis auf die Gründe der abgelehnten Aussetzung vom vorangegangenen Sitzungstag zurück. Es seien „netto drei Stunden“ verhandelt worden, sodass keine Gründe ersichtlich seien, die einen Schlussvortrag nicht zuließen. Diese Anordnung wurde von der Kammer sodann bestätigt. Nach den Schlussvorträgen wurde das angefochtene Urteil verkündet.

Und es kommt, was m.E. kommen musste: Der BGH hat aufgehoben:

„2. Die Rüge der Verletzung des § 258 Abs. 1 StPO ist begründet. Auf die ebenfalls beanstandeten mehrfachen Verletzungen des § 265 Abs. 1 StPO kommt es deshalb ebenso wie auf die sachlich-rechtlichen Beanstandungen nicht an.

a) Der Angeklagte erhält durch § 258 Abs. 1 StPO das Recht, nach Beendigung der Beweisaufnahme und vor der endgültigen Entscheidung des Gerichts zum gesamten Sachverhalt und zu allen Rechtsfragen des Verfahrens Stellung zu nehmen. Die Vorschrift dient damit unmittelbar der Gewährleistung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. BVerfGE 54, 140, 141 f.; Remmert in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 103. EL, Art. 103 Abs. 1 Rn. 66). Zur Ausübung dessen kann der Angeklagte sich – wie in § 258 Abs. 3 StPO vorausgesetzt – eines Verteidigers bedienen (vgl. KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 258 Rn. 5). Dieses Recht erschöpft sich aufgrund seiner überragenden Bedeutung nicht in der bloßen Möglichkeit zur Äußerung; vielmehr muss den Verfahrensbeteiligten eine wirksame Ausübung ermöglicht werden (vgl. BeckOK-StPO/Eschelbach, 50. Ed., § 258 Rn. 14; MüKo-StPO/Niehaus, 2. Aufl., § 258 Rn. 7). Das Gericht ist daher dazu verpflichtet, angemessene Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Verfahrensbeteiligten einen Schlussvortrag in der Weise halten können, wie sie ihn für sachdienlich erachten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 1989 – 5 StR 120/88, BGHR StPO § 258 Abs. 1 Schlussvortrag 1; vom 24. Januar 2023 – 3 StR 80/22, NStZ 2023, 437).

Dabei steht es indes nicht im Belieben der Verfahrensbeteiligten, ob und in welchem Umfang eine Vorbereitungszeit zu gewähren ist. Was dazu erforderlich ist, bestimmt sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Danach kann es je nach Umfang und Dauer der Hauptverhandlung sowie dem konkreten Prozessverlauf notwendig sein, zur Ausarbeitung der Schlussvorträge eine angemessene Vorbereitungszeit einzuräumen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 1989 – 5 StR 120/88, aaO; vom 11. Mai 2005 – 2 StR 150/05, NStZ 2005, 650; vom 24. Januar 2023 – 3 StR 80/22, NStZ 2023, 437; LR/Esser, StPO, 27. Aufl., Art. 6 EMRK Rn. 887 mwN). Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang diese zu gewähren ist, hat das Tatgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn die Verfahrensbeteiligten eine Vorbereitungszeit verlangen. Für die Beurteilung der Angemessenheit derselben kann neben der Komplexität und dem Umfang der Sach- und Rechtslage insbesondere auch relevant sein, dass die Verfahrensbeteiligten bereits zuvor auf den anstehenden Schluss der Beweisaufnahme hingewiesen wurden oder aus anderen Gründen damit rechnen mussten, ihre Plädoyers halten zu müssen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 21. März 1989 – 5 StR 120/88, aaO); in diesem Fall können sie die Zeit zwischen den Hauptverhandlungsterminen bereits zur Vorbereitung ihrer Vorträge und gegebenenfalls erforderlichen Besprechung und Abstimmung mit dem Mandanten nutzen, sodass die Notwendigkeit einer (weiteren) Unterbrechung ganz entfallen oder jedenfalls ihre Dauer kürzer zu bemessen sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2023 – 3 StR 80/22, aaO).

b) Die vollständige Versagung einer Vorbereitungszeit erweist sich hier als rechtsfehlerhaft.

Zwar konnten die Verfahrensbeteiligten ursprünglich davon ausgehen, dass am letzten von drei terminierten Hauptverhandlungstagen die Beweisaufnahme geschlossen wird und die Schlussvorträge zu halten sind. Da aber entgegen der Ladungsverfügung (§ 214 Abs. 1 StPO) am letzten Sitzungstag ab 9:30 Uhr unter anderem mehrere Zeugen und zwei Sachverständige vernommen wurden, durfte die Strafkammer von den Verfahrensbeteiligten nicht bereits wegen der ursprünglichen Terminierung verlangen, unmittelbar nach dem Schluss der Beweisaufnahme den Verfahrensstoff sachgerecht aufbereitet zu haben (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 – 5 StR 236/20, NStZ 2021, 56). Dies gilt erst recht mit Blick darauf, dass der Angeklagte erst am Ende des zweiten von drei Sitzungstagen auf den gravierend verschärften Tatvorwurf des versuchten Mordes hingewiesen und zeitgleich im Saal verhaftet worden war.

Unvertretbar aber war die Versagung jedweder Unterbrechung jedenfalls in der Zusammenschau mit der Bedeutung der Aussage des am letzten Sitzungstag vernommenen Zeugen B. . Dessen Angaben waren nicht allein für den Tötungsvorsatz bedeutsam; besondere Relevanz kam ihnen ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 17) und der Anklageschrift (S. 22) für das Tötungsmotiv zu. Damit bestand ein unmittelbarer Zusammenhang zu dem Hinweis auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen des höchststrafwürdigen Tötungsverbrechens eines versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 StGB), der trotz der seit der Anklageerhebung unveränderten Sachlage erst tags zuvor erteilt worden war.

c) Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Inhalt eines sachgerecht vorbereiteten Schlussvortrags ein für den Angeklagten günstigeres Ergebnis bewirkt hätte.“