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StPO III: Wurde das „letzte Wort „abgeschnitten?, oder: Wohl nicht bei fast 14 Stunden reden an 4 HV-Tagen

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Und zum Tagesschluss dann noch der BGH, Beschl. v. 02.03.2022 – 4 StR 295/21 . Der ist in einem Verfahren wegen Mordes ergangen. Über das Verfahren habe ich schon mal berichtet, und zwar über den BGH, Beschl. v. 21.12.2021 – 4 StR 295/21 (vgl. Pflichti III: Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung, oder: Ist das Mandatsverhältnis zerrüttet?). Der Beschluss vom 02.03.2022 ist dann jetzt die abschließende Revisionsentscheidung des BGH.

In dem Verfahren war mit der Revision eine Verletzung des Rechts auf das letzte Wort geltend gemacht. Meist sind die Rügen ja „Selbstläufer“, hier dann aber mal nicht, denn:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe dem Angeklagten das letzte Wort „abgeschnitten“, genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn aus der Schilderung des Verfahrensgeschehens in der Revisionsbegründung und dem hierzu mitgeteilten Hauptverhandlungsprotokoll vom 10. Februar 2021 ergibt sich bereits nicht, dass der Angeklagte, der über vier Hauptverhandlungstage insgesamt dreizehn Stunden und 45 Minuten das letzte Wort hatte, daran gehindert wurde, noch weitere Ausführungen zu machen.“

Nun, m.E. merkt man dem BGH das „Kopfschütteln“ an. Er stützt die Verwerfung zwar auf § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, aber der Einschub „über vier Hauptverhandlungstage insgesamt dreizehn Stunden und 45 Minuten das letzte Wort hatte“ nicht nötig gewesen. Das bezieht sich m.e. deutlich auf die Verfahrensrüge, die offensichtlich formuliert war, dass dem Angeklagten „das letzte Wort „abgeschnitten“. Damit kann man sich bei 13 Stunden 45 Minuten Redezeit aber in der Tat schwer tun.

Und: Man sehe mir das Bild nach. Natürlich wird kein Richter einschlafen. Aber die Gefahr ist groß. Im Übrigen gehört es m.E. auch zu den Aufgaben des Verteidigers, den Mandanten beim letzten Wort zur Kürze anzuhalten, wenn man ihn überhaupt reden lässt.

StPO I: Befangeheitsantrag des Angeklagten, oder: Nach dem letzten Wort absolut ausgeschlossen

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Heute dann Entscheidungen zum (Straf)Verfahren, also zur StPO.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 25.05.2021 – 5 StR 482/20. Der BGH nimmt in dem Beschluss (noch einmal) zum spätesten Zeitpunkt für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit Stellung:

„3. Die von beiden Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 3 StPO, die auf ein nach der mündlichen Urteilsverkündung außerhalb der Hauptverhandlung gestelltes, gegen die Berufsrichter und die Schöffen gerichtetes Befangenheitsgesuch des Angeklagten B. gestützt wird, dem sich die Verteidigung des Angeklagten S. angeschlossen hatte, geht fehl.

Die Beschwerdeführer haben das Befangenheitsgesuch damit zu begründen gesucht, dass die von der Vorsitzenden der Strafkammer in der Urteilsbegründung geäußerte Einschätzung, „der Zoll habe alles sehr gut gemacht“ und „sich professionell verhalten“, sich als „objektiv und subjektiv willkürlich“ darstelle und deshalb die Besorgnis begründe, „die abgelehnten Richterinnen hätten die erforderliche Distanz, Neutralität und Unparteilichkeit auch sonst vermissen lassen.“ Dieses Befangenheitsgesuch hat die Strafkammer – unter Mitwirkung der abgelehnten Berufsrichterinnen – in der außerhalb der Hauptverhandlung zuständigen Kammerbesetzung zu Recht ohne Sachprüfung verworfen, weil Befangenheitsgesuche nach dem letzten Wort des Angeklagten absolut ausgeschlossen und damit unzulässig sind (§ 25 Abs. 2 Satz 2 StPO, vgl. KKStPO/Scheuten, 8. Aufl., § 25 Rn. 11 mwN).

Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vereinzelt erwogen worden ist, ob es in Fällen einer deutlich zu Tage getretenen Voreingenommenheit möglich sei, von diesem Grundsatz durch eine einschränkende Auslegung der Vorschrift abzuweichen, wenn Ablehnungsgründe erst nach dem letzten Wort entstanden oder bekannt geworden seien und anders „unerträgliche Ergebnisse“ nicht vermieden werden könnten (BGH, Urteil vom 7. September 2006 – 3 StR 277/06, bei Cierniak, NStZ-RR 2009, 1, 2), liegen – ungeachtet der Frage ob eine solche einschränkende Auslegung angesichts des eindeutigen entgegenstehenden Wortlauts von § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO überhaupt in Betracht kommen kann – die in der zitierten Entscheidung skizzierten Voraussetzungen nicht ansatzweise vor: Die Beschwerdeführer begründen ihre Ablehnung im Kern mit der von der Strafkammer im Urteil vorgenommenen Beweiswürdigung. Diese kann denknotwendig keine „Voreingenommenheit“ der an der Urteilsfindung beteiligten Richter zum Ausdruck bringen, ist es doch gerade die Aufgabe des Tatgerichts, über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften – und folglich zwingend spätestens in der Urteilsberatung zu bildenden – Überzeugung zu entscheiden (§ 261 StPO). Der Ort für die Darlegung dieser Überzeugungsbildung ist das Urteil (§ 267 Abs. 1 StPO), der Zeitpunkt dafür ist derjenige der Urteilsverkündung (§ 268 Abs. 2 StPO). Das Landgericht hat mithin seine ihm von der Strafprozessordnung aufgegebene Verpflichtung erfüllt, indem es die Beweise im Urteil gewürdigt hat, ohne dass – auch nach deren Vorbringen – etwa unnötige oder sachlich unzutreffende Werturteile über die Beschwerdeführer in der Begründung enthalten gewesen wären (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 24 Rn. 13a mwN). Anhaltspunkte, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, sind deshalb unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich. Dass die Angeklagten sich ein anderes Ergebnis gewünscht haben mögen bzw. die Beweise anders gewürdigt hätten, ändert daran nichts.

Aus den genannten Gründen wäre das Befangenheitsgesuch im Übrigen auch nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO unzulässig, weil die Begründung – auch eingedenk des dabei anzuwendenden strengen Maßstabs – aus zwingenden rechtlichen Gründen völlig ungeeignet ist, was dem vollständigen Fehlen einer Begründung gleichsteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 26a Rn. 4a mwN).“

OWi III: Letztes Wort nicht gewährt, oder: Rügeanforderungen

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Und die dritte und letzte Entscheidung greift dann noch einmal eine Problematik auf, die immer wieder eine Rolle spielt. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs im Rechtsbeschwerdezulassungsverfahren und der ausreichende Vortrag. Hier war es die Rüge, dass der Betroffene nicht das letzte Wort erhalten habe. Die hat das OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Beschl. v. 08.09.2020 – 2 Ss-OWi 817/20 – als unzulässig, weil nicht ausreichend begründet, angesehen:

„Soweit der Betroffene die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs mit der Begründung erhebt, er habe „das letzte Wort“ nicht erhalten, ist die insoweit erforderliche Verfahrensrüge nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i. V. m. § 80 Abs. 3 OWiG genügenden Weise erhoben worden und somit unzulässig. So ist es nicht nur erforderlich, den tatsächlichen Ablauf der Hauptverhandlung wiederzugeben sowie den für die Beurteilung der Beachtung des § 258 StPO maßgeblichen Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (OLG Jena, Beschluss vom 27. Oktober 2004 — 1 Ss 229/04). Darüber hinaus ist in einem auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch unterbliebene Gewährung des letzten Wortes gestützten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde auch mitzuteilen, was der Betroffene im Falle der Gewährung des letzten Wortes vorgebracht hätte (Senat, Beschluss vom 14. August 2018 — 2 S -OWi 651/18; OLG Jena, Beschluss vom 09. Dezember 2003 — 1 Ss 314/03; BayObLG, Beschluss vom 15. April 1996 — 3 ObOWi 42/96; BeckOK OWiG/Bär, 27. Edition 01. Juli 2020, OWiG § 80 Rdn. 20). Zweck der Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 OWi ist nämlich, dass in begründeten Fällen ein Verfassungsverstoß gegen Art. 103 GG innerhalb der Fachgerichtsbarkeit bereinigt wird (BVerfG NJW 1992, 2811, 2812; Göhler OWiG, 17. Auflage 2017, § 80 Rdn. 16a). Demnach muss für den Vortrag nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG das gleiche verlangt werden wie für eine entsprechende Verfassungsbeschwerde. Es genügt somit nicht, wie sonst bei Versagung des letzten Wortes, den Verfahrensverstoß darzutun, weil das Revisions- bzw. das Rechtsbeschwerdegericht abstrakt von der Möglichkeit des Beruhens des Urteils auf diesen Verfahrensverstoß ausgeht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 258 Rdn. 33f.), sondern es müssen konkrete Tatsachen dargelegt werden, aufgrund deren die Beruhensfrage geprüft werden kann (BayObLG MDR 1992, 802). Vorliegend fehlt jedoch der Vortrag, was der Betroffene im Fall der Gewährung des letzten Wortes vorgetragen hätte, so dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bereits aus diesem Grund ausscheidet.“

Das gilt übrigens nicht nur im OWi-Verfahren, sondern auch hinsichtlich der Begründung der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) bei der Revision im Strafverfahren.

StPO II: Letztes Wort dauert 5 Tage, oder: Fristsetzung durch den Vorsitzenden erlaubt

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Die zweite Entscheidung kommt auch vom BGH. Der hat sich im BGH, Beschl. v. 27.05.2020 – 5 StR 166/20 – zum Umgehen/Vorgehen mit/beim letzten Wort des Angeklagten geäußert. Was genau in der Hauptverhandlung vorgefallen ist, lässt sich dem Beschluss nicht konkret entnehmen, aber zumindest erahnen :-). Jedenfalls hatte der Angeklagte mit seiner Revision dann (u.a.) Beschränkungen beim letzten Wort – wahrscheinlich eine Fristsetzung – gerügt. Ohne Erfolg:

„2. Dem Angeklagten wurde ausreichende Gelegenheit zum letzten Wort (§ 258 StPO) gegeben.

Nach zehn Tagen Beweisaufnahme konnte er fünf Tage lang Ausführungen zu seiner Verteidigung machen. Dass er durch die Vorsitzende dabei 31 mal darauf hingewiesen wurde, dass seine Ausführungen Wiederholungen und Weitschweifigkeiten enthalten, und ihm schließlich eine Frist zur Beendigung seiner Ausführungen gesetzt wurde, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Denn ein Vorsitzender darf nach § 238 Abs. 1 StPO einschreiten, wenn sich die Ausführungen des Angeklagten in seinem letzten Wort mit nicht zur Sache gehörenden Umständen befassen, fortwährende Wiederholungen oder andere unnütze Weitschweifigkeiten enthalten oder sonst einen Missbrauch seines letzten Wortes darstellen (BGH, Urteil vom 9. Januar 1953 – 1 StR 623/52, BGHSt 3, 368, 369). Nach mehrmaligen erfolglosen Ermahnungen ist auch der Entzug des letzten Wortes möglich (vgl. KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 258 Rn. 21; Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl., § 258 Rn. 26 jeweils mwN).“

Nun ja – man kennt das Verfahren nicht. Aber fünf Tage letztes Wort nach zehn Tagen Beweisaufnahme ist schon heftig. Ich hatte mal beim LG Bochum zwei Tage. Auch das war ermüdend 🙂 .

Das allerletzte Wort hat immer der Angeklagte, oder: Dauerbrenner als revisionsrechtlicher Selbstläufer

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Bei der zweiten Entscheidung am heutigen Montag handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 05.02.2019 – 3 StR 469/18. Thema dieses Beschlusses ist ein verfahrensrechtlicher Dauerbrenner, nämlich der sog. Wiedereintritt in die Hauptverhandlung nach dem letzten Wort des Angeklagten und das diesem danach erneut zu gewährende letzte Wort.

Das LG Hat den Angeklagten u.a. wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit verurteilt. Die dagegen gerichtete, u.a. auf mehrere Verfahrensbeanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hatte mit der Rüge, dass § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO verletzt worden sei, Erfolg:

„1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Angeklagten erhielten in der Hauptverhandlung am 1. März 2018 nach dem Schluss der Beweisaufnahme und den Schlussvorträgen jeweils das letzte Wort. Anschließend wurde die Hauptverhandlung um 11.35 Uhr unterbrochen und um 11.45 Uhr fortgesetzt. Sodann wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Danach wurde die Hauptverhandlung erneut unterbrochen und am 7. März 2018 fortgesetzt. An diesem Tag wurde das Urteil verkündet, ohne dass dem Angeklagten erneut das letzte Wort gewährt worden war.

2. Die Rüge ist in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nicht mitgeteilt hat, wozu und mit welchem Inhalt die Erörterungen geführt wurden. Denn der Senat ist hier auch ohne nähere Kenntnis des Inhalts der Erörterungen in der Lage zu beurteilen, ob der gerügte Verfahrensverstoß vorlag.

3. Die Revision beanstandet zu Recht, dass dem Angeklagten nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht erneut das letzte Wort erteilt wurde. Insoweit gilt:

Gemäß § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO gebührt dem Angeklagten nach dem Schluss der Beweisaufnahme und den Schlussvorträgen das letzte Wort. Tritt das Gericht danach erneut in die Beweisaufnahme ein, ist dem Angeklagten wiederum das letzte Wort zu erteilen. Denn mit dem Wiedereintritt in die Verhandlung haben die früheren Ausführungen des Angeklagten ihre Bedeutung als abschließende Äußerungen im Sinne des § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO verloren (BGH, Urteil vom 13. Mai 1993 – 4 StR 169/93, NStZ 1993, 551 mwN).

Der Wiedereintritt in die Verhandlung muss nicht förmlich, sondern kann auch konkludent durch Vornahme einer Prozesshandlung geschehen (BGH, Urteil vom 27. Februar 2004 – 2 StR 146/03, NStZ 2004, 505, 507). Ob von einem Wiedereintritt in die Verhandlung auszugehen ist, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152). Maßgeblich ist, ob es sich um einen Verfahrensvorgang handelt, der für die Sachentscheidung des Tatgerichts von Bedeutung sein kann (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152). Das ist beispielsweise nicht der Fall bei einer bloßen Entgegennahme von Hilfsbeweisanträgen (BGH, Urteil vom 27. Februar 2004 – 2 StR 146/03, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 14), bei einer Ersetzung eines Pflichtverteidigers (BGH, Beschluss vom 17. September 1981 – 4 StR 496/81, juris Rn. 11) oder bei der Kundgabe eines Negativattests im Sinne des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO. Ein Verfahrensvorgang, der Einfluss auf die Sachentscheidung haben kann, ist demgegenüber jede Prozesshandlung, die ihrer Natur nach in den Bereich der Beweisaufnahme fällt sowie jede Handlung, in der sich der Wille des Gerichts zum Weiterverhandeln in der Sache zeigt (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Wille des Gerichts zum Ausdruck kommt, im Zusammenwirken mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortzufahren oder wenn Anträge erörtert werden (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152 mwN).

Gleichermaßen verhält es sich, falls – wie hier – „die Sach- und Rechtslage erörtert“ wird (so bereits BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 – 5 StR 253/12, NStZ 2012, 587). Wenngleich eine „Erörterung“ der Sach- und Rechtslage nicht notwendigerweise die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) zum Gegenstand haben muss, so versteht es sich doch von selbst, dass sich die Erörterung „der Sach- und Rechtslage“ auf Fragen bezieht, die für die Sachentscheidung bedeutsam sind. Die in der Hauptverhandlung relevante Sach- und Rechtslage wird durch den Anklagevorwurf und die dadurch aufgeworfenen Fragen bestimmt, insbesondere diejenigen, die den Schuld- und Strafausspruch betreffen.

Danach war das Gericht hier durch die Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Verfahrensbeteiligten wieder in die Verhandlung eingetreten, so dass dem Angeklagten anschließend erneut das letzte Wort hätte erteilt werden müssen.

4. Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte, der die Anklagevorwürfe in Abrede gestellt hatte, nunmehr Angaben gemacht hätte, die sich zu seinen Gunsten ausgewirkt hätten.“

Wie gesagt: Verfahrensrechtlicher Dauerbrenner und resionsrechtlicher Selbstläufer, bei dem ich mich immer wieder frage: Warum gewährt die Kammer nicht noch einmal das letzte Wort? Und wenn es nur zur Sicherheit ist/wäre. Die Rechtsprechung des BGH sollte bekannt sein.

Allerdings kann man daran beim LG Verden dann doch wohl ein wenig zweifeln, wenn man den weiteren Hinweis des BGH liest:

„5. Die Sache bedarf bereits deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Es kommt mithin nicht darauf an, dass auch die Rüge der Verletzung von § 265 Abs. 1, Abs. 2 StPO durchgedrungen wäre und zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs geführt hätte. Insoweit beanstandet die Revision zu Recht, dass das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet hat, ohne zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilt zu haben (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 11. November 1993 – 4 StR 584/93, BGHR StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 6; vom 16. Juni 2004 – 1 StR 166/04, NStZ-RR 2004, 297; vom 2. September 2009 – 5 StR 311/09, BGHR StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 10).“