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StPO II: Wiedereintritt in die Beweisaufnahme erfolgt?, oder: Zur Sache oder nur zum Verfahren verhandelt?

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Als zweite Entscheidung stelle ich dann das zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmte BGH, Urt. v. 24.02.2022 – 3 StR 202/21. Das nimmt u.a. zur Frage des Wiedereintritts in die Hauptverhandlung und der Notwendigkeit der nochmaligen Gewährung des letzten Wortes nach der Verkündung eines ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses Stellung.

Der Sachverhalt, der dem Urteil zurgunde liegt, ist etwas komprlizierter. Es ist in der Hauptverhandlung ein wenig hin und her gegangen. Jedenfalls verkündet die Vorsitzende nach Gewährung des letzten Wortes dann noch einen Beschluss über die Zurückweisung eines zuvor gestellten Befangenheitsgesuchs des Angeklagten. Das letzte Wort wurde dem Angeklagaten danach nicht mehr gewährt.

Die hierauf gestützte Verfahrensrüge hat der BGH als unbegründet erachtet. Mit der Zurückweisung des Befangenheitsantrags als unbegründet sei das LG nicht wieder in die Hauptverhandlung eingetreten:

„…..

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Strafkammer hier nicht gegen § 258 Abs. 2 StPO verstoßen.

(a) Dass das Landgericht mit der Verkündung des Beschlusses über die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs nicht wieder in die Hauptverhandlung eingetreten ist, legen bereits systematische Erwägungen zur Ausgestaltung des Ablehnungsverfahrens (§§ 24 ff. StPO) nahe. Denn dieser Vorgang gehört seiner Natur und gesetzlichen Konzeption nach nicht zum Bereich der Beweisaufnahme und Hauptverhandlung (vgl. Rübenstahl, GA 151 [2004], 33, 47). Dies zeigt sich schon daran, dass die Entscheidung in anderer Besetzung, nämlich ohne die hiervon ausgeschlossene abgelehnte Vorsitzende (§ 27 Abs. 1 StPO) und die Schöffen, außerhalb der Hauptverhandlung getroffen worden ist. Ferner hätte der Beschluss nicht in der Hauptverhandlung verkündet werden müssen; vielmehr wäre eine formlose schriftliche Mitteilung außerhalb der Hauptverhandlung ausreichend gewesen (§ 28 Abs. 2 Satz 2, § 35 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Verkündung hat diese formlose Mitteilung lediglich ersetzt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 35 Rn. 12; s. auch BGH, Urteil vom 3. März 1961 – 4 StR 548/60, BGHSt 15, 384). Zwar schließt diese gesetzliche Konzeption des Ablehnungsverfahrens die Bewertung als Wiedereintritt in die Hauptverhandlung nicht von vornherein aus (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. April 2001 – 3 StR 534/00, StV 2001, 438). Es bedarf jedoch schon im Ausgangspunkt einer näheren Begründung, warum in der Bekanntgabe der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch eine solche Wiedereröffnung mit der Folge der Pflicht zur erneuten Gewährung des letzten Wortes liegen soll.

(b) Ein Wiedereintritt in die Hauptverhandlung kann sich auf der Grundlage der dargelegten Rechtsprechung nur dann ergeben, wenn die Verkündung ein sonstiges Verhandeln über einen Vorgang darstellt, durch welches das Gericht dokumentiert, mit der Untersuchung und Aburteilung fortfahren zu wollen, und dies insbesondere auf die gerichtliche Sachentscheidung Einfluss haben kann. Nur dann sind Sinn und Zweck des Äußerungsrechts nach § 258 StPO betroffen.

(aa) Aus der ersten Voraussetzung folgt, dass es unerheblich ist, ob der Befangenheitsantrag als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird. Denn in beiden Fällen ist er erfolglos und dokumentiert das Gericht seine Absicht, das Verfahren fortzusetzen.

Auch aus den in diesem Zusammenhang genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (s. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1988 – 5 StR 6/88, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 5; Urteil vom 21. März 1985 – 1 StR 417/84, NStZ 1985, 464, 465) ergibt sich nichts anderes. Insbesondere lässt sich diesen entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht im Umkehrschluss entnehmen, eine Zurückweisung des Gesuchs als unbegründet stelle eine Wiederöffnung der Verhandlung dar. Die Entscheidungen beschränken sich allein und ausschließlich auf bereits unzulässige Befangenheitsanträge; Gleiches gilt für die entsprechenden – zustimmenden – Stellungnahmen des Schrifttums (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30; MüKoStPO/Cierniak/Niehaus, § 258 Rn. 21; SSW-StPO/Ignor/Wegner/Franke, 4. Aufl., § 258 Rn. 15; ebenso KMR/Stuckenberg, StPO, 22. EL, § 258 Rn. 6 unter der Voraussetzung, dass „die Gründe für die Ablehnung keine Äußerung erfordern können“, sowie LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 11, wenn keine Gesichtspunkte zur Sprache kommen, die auch für Sachentscheidung relevant sein können, und jedenfalls für den Fall, dass der Befangenheitsantrag nach Verkündung der Urteilsformel gestellt wird; Bock, ZStW 129 [2017], 745, 762; Dölling/Duttge/König/Rössner/Harrendorf, Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl., § 258 StPO Rn. 22; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 258 Rn. 25; Rübenstahl, GA 151 [2004], 33, 47 f.).

(bb) Maßgeblich ist vielmehr, ob der Beschluss über die bloße Zurückweisung hinaus einen Bezug zur Sachentscheidung aufweist, weil sich in ihm die gerichtliche Bewertung einer potentiell urteilsrelevanten Frage widerspiegelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2017 – 1 StR 391/16, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 20 Rn. 7; vom 11. Mai 2017 – 1 StR 35/17, NStZ 2018, 290, 291; vom 9. Juni 2015 – 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19; Urteile vom 13. Oktober 1992 – 5 StR 476/92, NStZ 1993, 94, 95; vom 27. August 1992 – 4 StR 314/92, juris Rn. 4; Beschluss vom 20. Juni 1988 – 3 StR 182/88, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 4; Bock, ZStW 129 [2017], 745, 763 f.; KMR/Stuckenberg, StPO, 22. EL, § 258 Rn. 6; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 10; Radtke/Hohmann/Forkert-Hosser, StPO, § 258 Rn. 26). Gerade dieser Bezug ist der tragende Gesichtspunkt in durch den Bundesgerichtshof bereits entschiedenen ähnlichen Konstellationen und ermöglicht daher eine einheitliche Handhabung. Das gilt insbesondere für den oben genannten vergleichbaren Fall, dass sich das Tatgericht entscheidet, eine grundsätzlich außerhalb der Hauptverhandlung mögliche Haftentscheidung in der Verhandlung zu erörtern und zu verkünden. Ausschlaggebend für die Annahme eines Wiedereintritts in die Verhandlung ist dann nämlich, dass die Entscheidung zumindest inzident auch die gerichtliche Beurteilung des Verdachtsgrades beinhaltet, also eine sachliche Bewertung des bisherigen Beweisergebnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2001 – 3 StR 253/01, NStZ-RR 2001, 372; Urteile vom 11. April 2001 – 3 StR 534/00, StV 2001, 438; vom 25. Juli 1996 – 4 StR 193/96, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 8; vom 27. August 1992 – 4 StR 314/92, juris Rn. 4; Bock, ZStW 129 [2017], 745, 765). Ebenso fügt sich diese Betrachtungsweise bruchlos in die Rechtsprechung ein, wonach die reine Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO (s. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30) oder die bloße Bekanntgabe eines Verbindungsbeschlusses zur gemeinsamen Urteilsverkündung (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 – 3 StR 53/00, NStZ-RR 2001, 241; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30) keine Wiedereröffnung der Verhandlung darstellt.

Diese Begrenzung auf die Sachentscheidungsrelevanz folgt aus dem Sinn und Zweck des § 258 StPO, der Gewährleistung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Angeklagte unmittelbar vor der endgültigen Beratung des Gerichts zu dem gesamten Ergebnis der Hauptverhandlung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung und somit auf die Urteilsfindung Einfluss nehmen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 1980 – 2 BvR 705/79, BVerfGE 54, 140, 141 f.; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 1; SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 258 Rn. 37). Diese Funktion ist allerdings, wenn dem Angeklagten bereits einmal das letzte Wort gewährt worden war, nur bei danach eintretenden, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht sachentscheidungsrelevanten Ereignissen berührt. Bei neuen, sich auf die eigentliche Urteilsfindung in der Sache nicht auswirkenden, insbesondere rein formalen Vorgängen besteht hingegen für den Angeklagten kein Bedürfnis, sich in Reaktion hierauf ergänzend zu verteidigen (vgl. Bock, ZStW 129 [2017], 745, 764).

(c) An einer solchen Sachentscheidungsrelevanz im Rechtssinne fehlt es hier.

Der Befangenheitsantrag zielt per se nicht primär auf eine Beeinflussung der Sachentscheidung selbst, sondern auf die Veränderung der Besetzung des Gerichts (vgl. Rübenstahl, GA 151 [2004], 33, 47). Überdies spiegelt sich vorliegend in dem das Gesuch zurückweisenden Beschluss keine Bewertung einer potentiell für den sachlichen Gehalt des Urteils relevanten Frage wider:

Die Gründe des Beschlusses verhalten sich nicht zu dem bisherigen Beweisergebnis, befassen sich inhaltlich nicht mit den Beweisanträgen der Verteidigung und führen auch sonst nichts zur Sache aus. Sie beschränken sich hinsichtlich des Antrags vom 10. Dezember 2020 darauf, dass die reine Bekanntgabe einer nach Beratung ergangenen Kammerentscheidung nicht die Besorgnis der Befangenheit rechtfertige und die Vorsitzende weder berechtigt gewesen sei, diese Entscheidung als Vorsitzende zu treffen, noch dies so dargestellt habe.

Der Senat folgt nicht der Ansicht des Generalbundesanwalts, der darauf abgestellt hat, erst durch die Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs sei endgültig klar geworden, dass die Strafkammer über die Beweisanträge nicht mehr in der Verhandlung entscheide. Zum einen ging bereits aus dem Hinweis der Vorsitzenden in der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 2020 eindeutig hervor, dass nach Fristablauf gestellte Beweisanträge erst im Urteil beschieden werden sollen. Anders als der Beschwerdeführer meint, brachte der Hinweis dabei hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass das beabsichtigte Vorgehen nach § 244 Abs. 4 Satz 4 StPO auf einer Kammerentscheidung beruhte. Denn aus der Angabe „nach Beratung“ ergab sich die Verantwortlichkeit des Spruchkörpers ohne Weiteres. Zum anderen kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dem Fall, dass das Tatgericht über einen auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen gerichteten Hilfsbeweisantrag „mittelbar“ in einem nach der Gewährung des letzten Wortes verkündeten Teileinstellungsbeschluss entscheidet, allenfalls die rechtsfehlerhafte Behandlung des Hilfsbeweisantrags gerügt werden, nicht aber eine Verletzung des § 258 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2001 – 4 StR 414/00, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 13). Gleiches muss im Ergebnis hier gelten.

Soweit der Antrag vom 11. Dezember 2020 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, die Ablehnung sei nicht unverzüglich geltend gemacht worden, kommen ebenfalls keine Gesichtspunkte zur Sprache, die für die Sachentscheidung relevant sein können.

Schließlich gaben die Prozessbeteiligten zu dem Beschluss weder Erklärungen ab (zu dieser Erwägung s. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19), noch erörterten sie anschließend die Sach- und Rechtslage (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 – 3 StR 469/18, NStZ 2019, 426 Rn. 9), so dass sich auch nicht etwa aus diesen Gründen ein Wiedereintritt in die Verhandlung ergibt….“

StPO III: Wurde das „letzte Wort „abgeschnitten?, oder: Wohl nicht bei fast 14 Stunden reden an 4 HV-Tagen

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Und zum Tagesschluss dann noch der BGH, Beschl. v. 02.03.2022 – 4 StR 295/21 . Der ist in einem Verfahren wegen Mordes ergangen. Über das Verfahren habe ich schon mal berichtet, und zwar über den BGH, Beschl. v. 21.12.2021 – 4 StR 295/21 (vgl. Pflichti III: Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung, oder: Ist das Mandatsverhältnis zerrüttet?). Der Beschluss vom 02.03.2022 ist dann jetzt die abschließende Revisionsentscheidung des BGH.

In dem Verfahren war mit der Revision eine Verletzung des Rechts auf das letzte Wort geltend gemacht. Meist sind die Rügen ja „Selbstläufer“, hier dann aber mal nicht, denn:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe dem Angeklagten das letzte Wort „abgeschnitten“, genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn aus der Schilderung des Verfahrensgeschehens in der Revisionsbegründung und dem hierzu mitgeteilten Hauptverhandlungsprotokoll vom 10. Februar 2021 ergibt sich bereits nicht, dass der Angeklagte, der über vier Hauptverhandlungstage insgesamt dreizehn Stunden und 45 Minuten das letzte Wort hatte, daran gehindert wurde, noch weitere Ausführungen zu machen.“

Nun, m.E. merkt man dem BGH das „Kopfschütteln“ an. Er stützt die Verwerfung zwar auf § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, aber der Einschub „über vier Hauptverhandlungstage insgesamt dreizehn Stunden und 45 Minuten das letzte Wort hatte“ nicht nötig gewesen. Das bezieht sich m.e. deutlich auf die Verfahrensrüge, die offensichtlich formuliert war, dass dem Angeklagten „das letzte Wort „abgeschnitten“. Damit kann man sich bei 13 Stunden 45 Minuten Redezeit aber in der Tat schwer tun.

Und: Man sehe mir das Bild nach. Natürlich wird kein Richter einschlafen. Aber die Gefahr ist groß. Im Übrigen gehört es m.E. auch zu den Aufgaben des Verteidigers, den Mandanten beim letzten Wort zur Kürze anzuhalten, wenn man ihn überhaupt reden lässt.

StPO I: Befangeheitsantrag des Angeklagten, oder: Nach dem letzten Wort absolut ausgeschlossen

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Heute dann Entscheidungen zum (Straf)Verfahren, also zur StPO.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 25.05.2021 – 5 StR 482/20. Der BGH nimmt in dem Beschluss (noch einmal) zum spätesten Zeitpunkt für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit Stellung:

„3. Die von beiden Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 3 StPO, die auf ein nach der mündlichen Urteilsverkündung außerhalb der Hauptverhandlung gestelltes, gegen die Berufsrichter und die Schöffen gerichtetes Befangenheitsgesuch des Angeklagten B. gestützt wird, dem sich die Verteidigung des Angeklagten S. angeschlossen hatte, geht fehl.

Die Beschwerdeführer haben das Befangenheitsgesuch damit zu begründen gesucht, dass die von der Vorsitzenden der Strafkammer in der Urteilsbegründung geäußerte Einschätzung, „der Zoll habe alles sehr gut gemacht“ und „sich professionell verhalten“, sich als „objektiv und subjektiv willkürlich“ darstelle und deshalb die Besorgnis begründe, „die abgelehnten Richterinnen hätten die erforderliche Distanz, Neutralität und Unparteilichkeit auch sonst vermissen lassen.“ Dieses Befangenheitsgesuch hat die Strafkammer – unter Mitwirkung der abgelehnten Berufsrichterinnen – in der außerhalb der Hauptverhandlung zuständigen Kammerbesetzung zu Recht ohne Sachprüfung verworfen, weil Befangenheitsgesuche nach dem letzten Wort des Angeklagten absolut ausgeschlossen und damit unzulässig sind (§ 25 Abs. 2 Satz 2 StPO, vgl. KKStPO/Scheuten, 8. Aufl., § 25 Rn. 11 mwN).

Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vereinzelt erwogen worden ist, ob es in Fällen einer deutlich zu Tage getretenen Voreingenommenheit möglich sei, von diesem Grundsatz durch eine einschränkende Auslegung der Vorschrift abzuweichen, wenn Ablehnungsgründe erst nach dem letzten Wort entstanden oder bekannt geworden seien und anders „unerträgliche Ergebnisse“ nicht vermieden werden könnten (BGH, Urteil vom 7. September 2006 – 3 StR 277/06, bei Cierniak, NStZ-RR 2009, 1, 2), liegen – ungeachtet der Frage ob eine solche einschränkende Auslegung angesichts des eindeutigen entgegenstehenden Wortlauts von § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO überhaupt in Betracht kommen kann – die in der zitierten Entscheidung skizzierten Voraussetzungen nicht ansatzweise vor: Die Beschwerdeführer begründen ihre Ablehnung im Kern mit der von der Strafkammer im Urteil vorgenommenen Beweiswürdigung. Diese kann denknotwendig keine „Voreingenommenheit“ der an der Urteilsfindung beteiligten Richter zum Ausdruck bringen, ist es doch gerade die Aufgabe des Tatgerichts, über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften – und folglich zwingend spätestens in der Urteilsberatung zu bildenden – Überzeugung zu entscheiden (§ 261 StPO). Der Ort für die Darlegung dieser Überzeugungsbildung ist das Urteil (§ 267 Abs. 1 StPO), der Zeitpunkt dafür ist derjenige der Urteilsverkündung (§ 268 Abs. 2 StPO). Das Landgericht hat mithin seine ihm von der Strafprozessordnung aufgegebene Verpflichtung erfüllt, indem es die Beweise im Urteil gewürdigt hat, ohne dass – auch nach deren Vorbringen – etwa unnötige oder sachlich unzutreffende Werturteile über die Beschwerdeführer in der Begründung enthalten gewesen wären (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 24 Rn. 13a mwN). Anhaltspunkte, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, sind deshalb unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich. Dass die Angeklagten sich ein anderes Ergebnis gewünscht haben mögen bzw. die Beweise anders gewürdigt hätten, ändert daran nichts.

Aus den genannten Gründen wäre das Befangenheitsgesuch im Übrigen auch nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO unzulässig, weil die Begründung – auch eingedenk des dabei anzuwendenden strengen Maßstabs – aus zwingenden rechtlichen Gründen völlig ungeeignet ist, was dem vollständigen Fehlen einer Begründung gleichsteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 26a Rn. 4a mwN).“

OWi III: Letztes Wort nicht gewährt, oder: Rügeanforderungen

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Und die dritte und letzte Entscheidung greift dann noch einmal eine Problematik auf, die immer wieder eine Rolle spielt. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs im Rechtsbeschwerdezulassungsverfahren und der ausreichende Vortrag. Hier war es die Rüge, dass der Betroffene nicht das letzte Wort erhalten habe. Die hat das OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Beschl. v. 08.09.2020 – 2 Ss-OWi 817/20 – als unzulässig, weil nicht ausreichend begründet, angesehen:

„Soweit der Betroffene die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs mit der Begründung erhebt, er habe „das letzte Wort“ nicht erhalten, ist die insoweit erforderliche Verfahrensrüge nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i. V. m. § 80 Abs. 3 OWiG genügenden Weise erhoben worden und somit unzulässig. So ist es nicht nur erforderlich, den tatsächlichen Ablauf der Hauptverhandlung wiederzugeben sowie den für die Beurteilung der Beachtung des § 258 StPO maßgeblichen Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (OLG Jena, Beschluss vom 27. Oktober 2004 — 1 Ss 229/04). Darüber hinaus ist in einem auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch unterbliebene Gewährung des letzten Wortes gestützten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde auch mitzuteilen, was der Betroffene im Falle der Gewährung des letzten Wortes vorgebracht hätte (Senat, Beschluss vom 14. August 2018 — 2 S -OWi 651/18; OLG Jena, Beschluss vom 09. Dezember 2003 — 1 Ss 314/03; BayObLG, Beschluss vom 15. April 1996 — 3 ObOWi 42/96; BeckOK OWiG/Bär, 27. Edition 01. Juli 2020, OWiG § 80 Rdn. 20). Zweck der Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 OWi ist nämlich, dass in begründeten Fällen ein Verfassungsverstoß gegen Art. 103 GG innerhalb der Fachgerichtsbarkeit bereinigt wird (BVerfG NJW 1992, 2811, 2812; Göhler OWiG, 17. Auflage 2017, § 80 Rdn. 16a). Demnach muss für den Vortrag nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG das gleiche verlangt werden wie für eine entsprechende Verfassungsbeschwerde. Es genügt somit nicht, wie sonst bei Versagung des letzten Wortes, den Verfahrensverstoß darzutun, weil das Revisions- bzw. das Rechtsbeschwerdegericht abstrakt von der Möglichkeit des Beruhens des Urteils auf diesen Verfahrensverstoß ausgeht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 258 Rdn. 33f.), sondern es müssen konkrete Tatsachen dargelegt werden, aufgrund deren die Beruhensfrage geprüft werden kann (BayObLG MDR 1992, 802). Vorliegend fehlt jedoch der Vortrag, was der Betroffene im Fall der Gewährung des letzten Wortes vorgetragen hätte, so dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bereits aus diesem Grund ausscheidet.“

Das gilt übrigens nicht nur im OWi-Verfahren, sondern auch hinsichtlich der Begründung der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) bei der Revision im Strafverfahren.

StPO II: Letztes Wort dauert 5 Tage, oder: Fristsetzung durch den Vorsitzenden erlaubt

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Die zweite Entscheidung kommt auch vom BGH. Der hat sich im BGH, Beschl. v. 27.05.2020 – 5 StR 166/20 – zum Umgehen/Vorgehen mit/beim letzten Wort des Angeklagten geäußert. Was genau in der Hauptverhandlung vorgefallen ist, lässt sich dem Beschluss nicht konkret entnehmen, aber zumindest erahnen :-). Jedenfalls hatte der Angeklagte mit seiner Revision dann (u.a.) Beschränkungen beim letzten Wort – wahrscheinlich eine Fristsetzung – gerügt. Ohne Erfolg:

„2. Dem Angeklagten wurde ausreichende Gelegenheit zum letzten Wort (§ 258 StPO) gegeben.

Nach zehn Tagen Beweisaufnahme konnte er fünf Tage lang Ausführungen zu seiner Verteidigung machen. Dass er durch die Vorsitzende dabei 31 mal darauf hingewiesen wurde, dass seine Ausführungen Wiederholungen und Weitschweifigkeiten enthalten, und ihm schließlich eine Frist zur Beendigung seiner Ausführungen gesetzt wurde, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Denn ein Vorsitzender darf nach § 238 Abs. 1 StPO einschreiten, wenn sich die Ausführungen des Angeklagten in seinem letzten Wort mit nicht zur Sache gehörenden Umständen befassen, fortwährende Wiederholungen oder andere unnütze Weitschweifigkeiten enthalten oder sonst einen Missbrauch seines letzten Wortes darstellen (BGH, Urteil vom 9. Januar 1953 – 1 StR 623/52, BGHSt 3, 368, 369). Nach mehrmaligen erfolglosen Ermahnungen ist auch der Entzug des letzten Wortes möglich (vgl. KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 258 Rn. 21; Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl., § 258 Rn. 26 jeweils mwN).“

Nun ja – man kennt das Verfahren nicht. Aber fünf Tage letztes Wort nach zehn Tagen Beweisaufnahme ist schon heftig. Ich hatte mal beim LG Bochum zwei Tage. Auch das war ermüdend 🙂 .