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„Reue und Einsicht“ bei § 153a StPO

Das OLG Köln, Beschl. v. 19. 04.2011 – III-1 RVs 68/11 hat ein landgerichtliches Urteil aufgehoben, in dem es zur Strafzumessung u.a. hieß:

„Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne ist zugunsten des Angeklagten sein umfassendes, auch bereits in erster Instanz abgelegtes Geständnis zu be­rücksichtigen, durch das er eine umfangreiche Beweisaufnahme erspart hat. Eine echte Reue und Einsicht in das Unrecht der Taten vermag die Kammer trotz der erfolgten Schadenswiedergutmachung erst ansatzweise bei dem Angeklagten festzustellen und ihm nur im geringen Umfang zugutezuhalten. Dass er die Di­mension seiner Taten noch nicht richtig erkannt hat, wurde auch dadurch deutlich, dass er durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung geltend machen ließ, das Unrecht der Taten könne nunmehr mit einer Einstellung nach § 153 a StPO hinreichend geahndet werden…„.

Das OLG beanstandet die Passage wie folgt:

Danach hat die Strafkammer dem „umfassenden“ Geständnis des Angeklagten ersichtlich ein geringeres strafmilderndes Gewicht deshalb beigemessen, weil sie bei ihm „echte Reue und Einsicht“ insbesondere wegen der Anregung zur Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO nur „ansatzweise“ festzustellen vermochte.

Diese Bewertung wird der Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten in revisionsrechtlich bedeutsamer Weise nicht gerecht.

Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, ein umfassendes Geständnis abgelegt hat und eine vollständige Schadenswiedergutmachung anstrebt, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Taten – wie auch das Ergebnis der Strafzumessung des Landgerichts erweist – noch dem Bereich der mittleren Kriminalität zugeordnet werden können und eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist, lässt die Anregung einer Einstellung nach § 153 a StPO  keine innere Einstellung erkennen, die auf fehlende Reue und Einsicht hindeutet. Sie ist erkennbar von dem – wenn auch unrealistischen – Wunsch nach günstiger Verfahrensgestaltung geprägt und überschreitet die Grenze angemessener Verteidigung nicht…“

Also: Dem geständigen Angeklagten können „Reue und Einsicht“ nicht ohne weiteres wegen der Anregung zur Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO abgesprochen werden.

Verständigung (§ 257c StPO) ja, aber nicht über den Schuldspruch

Der BGH – mal wieder der 1. Strafsenat – hat sich im BGH, Beschl. v. 01.03.2011 – 1 StR 52/11 die Verständigung nach § 257c StPO vorgenommen.

Ein ganz interessanter Beschluss, der m.E. die Tendenzen in der Rechtsprechung des BGH verdeutlicht/verstärkt. Daher lesenswert, vor allem im Hinblick auf den Teil, der sich mit der Verständigung über den Schuldspruch, die wohl vorgelegen hat, befasst. Das ist unzulässiger Inhalt der Verständigung – in dem Zusammenhang wird die StA vom BGH inzidenter gerügt.

Und, was wichtig ist: Der BGH verneint ein Beweisverwertungsverbot für das auf der Grundlage einer solchen Verständigung abgelegte Geständnis. Das wird wohl nur, was immer deutlicher wird, in den Fällen des § 257c Abs. 4 Sätze 1 und 2 StPO angenommen.

Verständigung (§ 257c StPO) – Formalgeständnis reicht nicht – also: Mund auf :-)

Bisher hatte sich noch kein Obergericht zu den Qualitätsanforderungen des im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO abgelegten Geständnisses geäußert.

In dem mir jetzt von einem Kollegen freundlicherweise zur Verfügung gestellten OLG Celle, Beschl. v. 08.11.2010 – 32 ss 152/10 macht das OLG Celle dazu dann aber Ausführungen. Danach reicht – was der Rechtsprechung des Großen Senats für Strafsachen des BGH entspricht – das Formalgeständnis nicht aus. Im Verfahren hatte lediglich der Verteidiger erklärt, der Vorwurf werde eingeräumt, Nachfragen waren nicht zugelassen.

Also: Muss schon mehr kommen und das, was kommt, muss stimmig sein.

Dauerbrenner: Verständigung (§ 257c StPO) – heute: Beweisverwertungsverbot in der Berufungsinstanz

Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschl. v. 06.10.2010 – III 4 RVs 60/10 einige Fragen zur Verständigungspraxis behandelt. die so noch nicht Gegenstand der obergerichtlichen Rechtsprechung gewesen sind. In der Sache hatte das AG den Angeklagten auf der Grundlage einer – von ihm behaupteten  Verständigung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Dagegen hatte die StA Berufung zu Lasten des Angeklagten eingelegt und in der Berufungsinstanz dann eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten erreicht. Dagegen die Revision des Angeklagten, der die unzulässige Ablehnung eines Beweisantrages rügt. Die Revision hat Erfolg, weil der Ablehnungsbeschluss des Landgerichts nicht (ausreichend) begründet war. In Zusammenhang mit der Beruhensfrage macht das OLG dann interessante Ausführungen zur Verständigung pp. Und zwar:

  1. Eine Verständigung hindert die Staatsanwaltschaft nicht, auch zu Lasten des Angeklagten Berufung einzulegen.
  2. Das aufgrund einer Verständigung beim AG erklärte Geständnis unterliegt einem Beweisverwertungsverbot durch das Berufungsgericht.

Interessant ist vor allem der zweite Teil der Entscheidung: Denn ist die Berufung (zu Lasten) des Angeklagten zulässig ist es nur konsequent, wenn das OLG dann aber das vom Angeklagten beim AG abgelegte Geständnis mit einem Beweisverwertungsverbot belegt, das sich zwar nicht aus § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO ergibt, aber aus den Grundsätzen des Fair-Trial. Denn wenn sich die Staatsanwaltschaft nicht an eine (vom Angeklagten behauptete) Verständigung hält, dann kann der Angeklagte nicht an seinen geständigen Angaben, die er im Vertrauen auf das Geständnis gemacht hat, gehalten werden. Das endgültige Schicksal des Geständnisses und seiner Verwertbarkeit hängt dann – so offensichtlich das OLG – ab vom Ergebnis der Beweisaufnahme über das Zustandekommen der Verständigung. In dem Zusammenhang spielt übrigens die (neue) Rechtsprechung des BGH zur Bindungswirkung bei der Verständigung keine Rolle (vgl. dazu BGH StRR 2010, 382 = StV 2010, 673; StRR 2010, 466). Denn hier ging es nicht um die Frage: Formelle oder nur informelle Verständigung, sondern darum, dass der Angeklagte eine formelle Verständigung behauptet hat, deren Zustandekommen sich nur nicht aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ergeben hat, weil diesem insoweit keine Beweiskraft zukam.

Mund halten – kann auch im Führerscheinentzugsverfahren Zeitgewinn bringen

Die Frage war: Können eine geständige Einlassung und diese bestätigenden Zeugenaussagen im Strafverfahren vor Rechtskraft für das Führerscheinentzugsverfahren nach dem StVG genutzt werden?

Das VG Münster sagt in seinem Beschl. v. 11.06.2010 – 10 K 423/09: Ja. Bei der Entziehung einer Fahrerlaubnis könne in die Würdigung der charakterlichen Eignung eines Fahrers auch eine noch nicht rechtskräftige strafverfahrensrechtliche Verurteilung einbezogen werden, wenn der Betroffene im strafrechtlichen Verfahren einen Großteil des ihm zur Last gelegten Fehlverhaltens eingestanden hat und die Sachverhalte zudem durch umfangreiche Zeugenbefragungen bestätigt worden sind.

Und: Ergebe sich aus den Straftaten, dass der Betroffene insbesondere im Straßenverkehr sein Mobilitätsinteresse rücksichtslos durchgesetzt hat und durch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung aufgefallen ist, so ist von dem Fehlen der charakterlichen Eignung auszugehen.