Die Frage des Umfangs der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren: Stichwort: Einsicht in die gesamte Messreihe, wird nun ja schon seit Jahren diskutiert. Immer wieder haben sich OLG und auch AG zu den Fragen geäußert und bejahen in der Regel ein Recht des Verteidigers/Betroffenen auf Zuverfügungstellung dieser Daten. Diese Rechtsprechung scheint aber noch immer nicht bei allen Bußgeldbehörden angekommen zu sein. Dafür spricht der Umstand, dass vor allem die AG zu den Fragen immer wieder Stellung nehmen müssen.
Ich stelle heute dazu ein paar Entscheidungen aus der letzten Zeit vor, die mir von Kollegen zugesandt worden sind.
Hinzuweisen ist zunächst auf die Rechtsprechung des AG Köln, dass sich in der letzten Zeit in einigen Beschlüssen geäußert hat, und zwar
- AG Köln, Beschl. v. 17.04.2025 – 811 OWi 59/25 (b)
- AG Köln, Beschl. v. 23.07.2025 – 816 OWi 60/25 [b]
- AG Köln, Beschl. v. 25.07.2025 – 802 OWi 122/25 [b]
- AG Köln, Beschl. v. 28.07.2025 – 807 OWi 64/25 [b]
und zudem unter Hinweis auf den OLG Köln, Beschl. v. 30.05.2023 – 1 RBs 288/22 – seine frühere Rechtsprechung aufgegeben hat. Danach ist dem Verteidiger auf Antrag die vollständige Messreihe zur Verfügung zu stellen. Gründe des Datenschutzes sprechen nicht gegen die Herausgabe, da die Interessen des Betroffenen ohne die Messreihe nicht gewahrt werden können und zudem die Möglichkeit besteht, die Messreihe zu anonymisieren. Zu den Entscheidungen passen dann im Wesentlichen folgende Leitsätze:
1. Dem Verteidiger ist auf Antrag die vollständige Messreihe zur Verfügung zu stellen. Gründe des Datenschutzes sprechen nicht gegen die Herausgabe, da die Interessen des Betroffenen ohne die Messreihe nicht gewahrt werden können und zudem die Möglichkeit besteht, die Messreihe zu anonymisieren.
2. Dem Anspruch auf Bereitstellung der Token-Datei und des zugehörigen Passworts zum Zwecke der Entschlüsselung und Verifizierung des Fall-Datensatzes kann nicht entgegengehalten werden, dass die Verwaltungsbehörde lediglich über einen sogenannten Sammel-Token verfügt, der die Entschlüsselung auch solcher Fall-Datensätze erlauben soll, die von anderen Messgeräten stammen.
So hat dann auch das AG Velbert im AG Velbert, Beschl. v. 30.06.2025 – 31 OWi 595/25 [b] – entschieden, dass noch darauf hinweist, dass zwar umstritten sei, ob hieraus überhaupt Rückschlüsse auf die Richtigkeit der Messung gezogen werden können, den Daten könne aber ggf. eine gewisse Relevanz nicht abgesprochen werden. Dazu passt dann folgender Leitsatz:
Zu den dem Betroffenen zur Verfügung zu stellenden Messdaten gehören auch die Daten der gesamten Messreihe. Zwar ist umstritten, ob hieraus überhaupt Rückschlüsse auf die Richtigkeit der Messung gezogen werden können, ihnen kann aber ggf. eine gewisse Relevanz nicht abgesprochen werden.
Und schließlich hat das AG Aichach im AG Aichach, Beschl. v. 07.07.2025 – 3 OWi 53/25 – Stellung genommen zum Anwendungsbereich des § 62 OWiG. Dieser verweist ja in § 62 Abs. 2 Satz 1 OWiG für das Verfahren u.a. auf § 306 StPO und damit auch auf die dreitägige Vorlage-Frist in § 306 Abs. 2 Halbs. 2 StPO. Diese hatte die Verwaltungsbehörde offenbar nicht einhalten können/Wollen. Dazu meint das AG:
„Es befremdet das Gericht im Übrigen, wie gleichgültig eine an das Gesetz gebundene Behörde mit der gesetzlichen 3-Tagesfrist umzugehen sich anmaßt. „Soll-Vorschrift“, „kann nicht erfüllt werden“ (ohne jede Begründung).“.
Ich meine: Wenn die Justiz über die Belastung klagt, dann hat das sicherlich auch mit solchen unnützen Verfahren zu tun. Das Einsichtsrecht des Verteidigers/des Betroffenen ist obergerichtlich geklärt. Dann ist es m.E. aber auch Pflicht der Verwaltungsbehörden, sich dem anzupassen und den Begehren nachzukommen und nicht durch unsinnige Verweigerungen anderen Behörden die Zeit zu stehlen. Vielleicht ist es ja auch mal an der Zeit, dass die jeweiligen Ressortminister die Frage durch entsprechende Erlasse klären. Noch besser wäre es natürlich, wenn der Gesetzgeber endlich tätig und die Fragen gesetzlich klären würde. Dann wäre es mit diesem Zeitdiebstahl vorbei. Aber der hat andere Dinge zu tun. Ob bessere, lassen wir mal dahinstehen




