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Falsa demonstratio non nocet, oder: Formal richtig, inhaltlich falsch

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Und als zweite gebührenrechtliche Entscheidung am heutigen Freitag weise ich auf das BGH, Urt. v. 22.02.2018 – IX ZR 115/17 – hin. Über das ist ja schon an verschiedenen anderen Stellen berichtet worden. Dabei ging es aber meist um den Leitsatz 1 der Entscheidung, nämlich die Frage: Geschäfts- oder Beratungsgebühr für die Anfertigung des Entwurfs eines Testaments? Damit habe ich es hier ja nicht zu tun. Insoweit verweise ich auf die Entscheidung.

Mir geht es heute hier um den Leitsatz 2 des Urteils, der da lautet:

„Teilt der Rechtsanwalt dem Mandanten eine den gesetzlichen Anforderungen formal entsprechende, aber inhaltlich falsche Berechnung seiner Vergütung mit, kann er die tatsächlich entstandene Vergütung einfordern, soweit sie die berechnete Vergütung nicht übersteigt.“

Der BGH bestätigt damit BGH NJW 2007, 2332. Viel mehr steht dann aber auch im Urteil zu der Problematik nicht:

„Da eine nachträgliche Einigung der Parteien auf eine bestimmte Vergütung nach dem eigenen Vortrag der Kläger weder auf den Betrag von 2.400 € noch auf den Betrag von 1.400 € zustande gekommen ist, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, welche Vergütung die Kläger nach § 34 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Vorschriften des bürgerlichen Rechts beanspruchen können. Eine solche Vergütung kann den Klägern zugesprochen werden, obwohl ihre nach § 10 RVG erteilte Berechnung eine Geschäftsgebühr und kein Beratungshonorar zum Gegenstand hatte. Die Berechnung war deshalb unrichtig. Dies berührt indessen die Wirksamkeit der Mitteilung nicht. Zugesprochen werden können allerdings nur die wirklich entstandenen Gebühren und Auslagen, soweit sie über die abgerechnete Vergütung nicht hinausgehen (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 – IX ZR 89/06, NJW 2007, 2332 Rn. 7).“

Hinweispflicht des Rechtsanwalts, oder: „Wie teuer wird das wohl?“

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§ 49b Abs. 5 RAO sieht eine Hinweispflicht des Rechtsanwalts vor Übernahme des Mandats auf die voraussichtlich entstehenden Anwaltskosten vor. Wegen der Einschränkung „Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, …..“ spielt die Vorschrift im Straf- und Bußgeldverfahren nicht ein so ganz große Rolle, da wir ja hier nur in sehr wenigen Fällen „gegenstandswertbezogen“ Gebühren haben, wie z.B. in der Nrn. 4143, 4144 VV RVG. Aber damit sind die mit der Hinweispflicht des Rechtsanwalts zusammenhängenden Problem noch nicht erledigt bzw. kann sich (auch) der Strafverteidiger nicht entspannt zurücklehnen. Denn: Auch er muss auf die Höhe der voraussichtlich entstehenden Gebühren hinweisen, wenn er entweder vom Mandanten ausdrücklich danach gefragt wird oder wenn der Mandant aus besonderen Umständen des Einzelfalls einen solchen Hinweis erwarten kann. Das ist das Fazit aus dem LG Stuttgart, Urt. v. 11.07.2016 – 27 O 338/15, in dem es um die Tätigkeit im Verfahren der Selbstanzeige wegen hinterzogener Einkommensteuer (§ 30 StBVV) ging:

2. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger nach den Kosten der Mandatierung gefragt hat. Bereits hierdurch wurde die Pflicht der Beklagten ausgelöst, die voraussichtlichen Kosten zu benennen.

a) Zwar ist im Erstberatungsgespräch eine genaue Bestimmung des Honorars in der Regel noch nicht möglich, weil dem Rechtsanwalt ein Ermessen zusteht, welches er naturgemäß erst nach Abschluss der Angelegenheit ausüben soll (§ 14 Absatz 1 RVG). Gleichwohl kann der Rechtsanwalt bereits eine Größenordnung und einen Rahmen für seine Vergütung benennen.

Zurecht weist der Kläger darauf hin, dass die Berechnungsfaktoren bereits im Erstberatungsgespräch bekannt waren: Es war bekannt, dass die Einkünfte aus elf Veranlagungsjahren (2003 bis 2013) nachzuerklären waren. Ausgehend von durchschnittlichen Verhältnissen, bei denen die Mittelgebühr anzusetzen ist (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1995 – IX ZR 20/95, juris Rn. 26), wäre gem. § 30 StBVV mit einer 20/10-Gebühr aus dem gesetzlich vorgesehenen Mindestgegenstandswert von 8.000,00 Euro, mithin 866,00 Euro (Tabelle A), pro Veranlagungsjahr zu rechnen gewesen. Da gebührenrechtlich elf verschiedene Angelegenheiten vorliegen, wäre jeweils die Auslagenpauschale von 20,00 Euro abrechenbar gewesen (BGH, Urteil vom 21. November 1996 – IX ZR 159/95, juris Rn. 11) sowie die Umsatzsteuer in Höhe von 19 %, insgesamt 11.597,74 Euro. Bei Rechtfertigung der Höchstrahmengebühr von 30/10 von 1.299,00 Euro für jedes Veranlagungsjahr wäre mit 17.265,71 Euro zu rechnen gewesen.

Ein Rechtsanwalt kommt regelmäßig seiner Auskunftspflicht nach, wenn er den Kläger in der vorliegenden Situation auf dessen ausdrückliche Frage die entsprechende Größenordnung für den durchschnittlichen Fall nennt und darauf hinweist, dass sich die Gebühren bei überdurchschnittlichem Umfang oder Schwierigkeitsgrad auf bis zu ca. 17.300,00 Euro erhöhen können.

b) In der konkreten Beratungssituation hätte die Beklagte zusätzlich darauf hinweisen müssen, dass sie die Abrechnung der Höchstgebühr beabsichtigt, wie sie im Schreiben von Herrn Rechtsanwalt R. vom 16.12.2014 – vom Kläger als Anlage B 5 vorgelegt – deutlich zum Ausdruck kommt.

c) Ferner hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass sie die Rechtsauffassung vertritt, nicht nur für jede Steuerart und Veranlagungsjahr die Höchstgebühr des § 30 StBVV verlangen zu wollen, sondern gar zusätzlich für jede Einnahmenart……“

Sollte man als Verteidiger „auf dem Schirm haben“. Denn gibt man keinen bzw. – wie im entschiedenen Fall – einen nicht vollständigen Hinweis, dann besteht die Gefahr, dass der Gebührenanspruch nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB „verloren“ geht.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Was ist mit den Gebühren nach Abtrennung des Verfahrens?

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Nun, die Gebührenfrage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Was ist mit den Gebühren nach Abtrennung des Verfahrens?, löst sich ganz einfach bzw. der Kollege hatte die Lösung gleich mitgeliefert, nämlich den LG Dortmund, Beschl. v. 13.03.2015 – 39 Qs 122/14, der – genau wie der Kollege – auf unseren RVG-Kommentar Bezug genommen hat. Allerdings leider nur auf die 3. Auflage, aber in der aktuellen 4. Auflage steht an der Stelle, die der Beschluss zitiert, dasselbe wie in der 3. Auflage. Das LG hat mit seiner Entscheidung als Recht, wenn es dort heißt:

„Die Kammer verkennt nicht, dass grundsätzlich bei Trennung eines einheitlichen Strafverfahrens in unterschiedliche Strafverfahren anschließend für jedes einzelne Verfahren gesonderte Gebühren entstehen können. Voraussetzung dafür ist jedoch immer, dass es sich nicht mehr um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs.2 Satz RVG handelt, was hier gerade nicht der Fall ist.

Auch das vor der Abtrennung gegen den Mandanten des Beschwerdeführers sowie dessen Mitangeklagten geführte Verfahren hatte bezüglich des Mandanten des Beschwerdeführers bereits lediglich den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung aus der Anklageschrift 102 Js 491/13 zum Gegenstand, identisch mit dem verbleibenden Tatvorwurf nach der Abtrennung des gegen den Mitangeklagten geführten Verfahrens. Diese Prozesssituation unterscheidet sich gerade von dem in der Rechtsprechung teilweise anders entschiedenen Fall, dass gegen denselben Angeklagten bzw. Beschuldigten mehrere Tatvorwürfe zu behandeln sind, die unterschiedliche Anforderungen an die anwaltliche Tätigkeit nach Trennung der Verfahren stellen.

Vor diesem Hintergrund, dass nach der in der Hauptverhandlung erfolgten Trennung der Verfahren gegen den Mitangeklagten einerseits und den Mandanten des Beschwerdeführers andererseits unmittelbar anschließend noch im Termin das Verfahren gegen den Mandanten des Beschwerdeführers in Bezug auf den einzigen, vor und nach der Trennung der Verfahren gegen ihn bestehenden Tatvorwurfs gemäß § 154 Abs.2 StPO eingestellt worden ist, bleibt für weitere Gebührentatbestände kein Raum können (vgl. Burhoff RVG Straf- und Bußgeldsachen 3. Aufl. 2012 Rz 1311ff, insbesondere Beispiel 1, Rz 1314 mwN). Dies gilt im Hinblick auf § 15 Abs.2 Satz 1 RVG für die Verfahrens- und Terminsgebühr gemäß Nr. 4106 und 4108 VV RVG, zumal diese für dieselbe Angelegenheit bereits in einem weiteren Gebührenantrag vom 09.12.2013 angemeldet worden und abgegolten sind.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie bekomme ich die Teilnahme an einer Durchsuchung bezahlt?

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Am vergangenen Freitag ging es um die Frage: Ich habe da mal eine Frage: Wie bekomme ich die Teilnahme an einer Durchsuchung bezahlt?. Die Frage wird so oder ähnlich häufiger gestellt, scheint also in der Praxis Bedeutung zu haben. Allerdings:

Ich musste den Kollegen enttäuschen. Es gibt für diese Tätigkeiten keine besondere Gebühr(en), sondern sie werden über die jeweilige Verfahrensgebühr (mit)abgegolten. Ist leider so, aber lässt sich nicht ändern.

Ich habe dem Kollegen vorgeschlagen, es mal mit einer analogen Anwendung der Nr. 4102 VV RVG zu versuchen. Einige Gerichte lassen ja deren analoge Anwendung auf nicht in der Nr. 4102 VV RVG geregelte Termine zu (vgl. dazu die Nachweise bei Burhoff RVGreport 2014, 250). Aber die h.M. – zu der ich auch gehöre – lehnt das – m.E. zutreffend – ab, da es sich bei der Nr. 4102 VV RVG um eine Ausnahmeregelung handelt, die nicht nicht analog anwendbar ist. Diese Stelle ist sicherlich eine Baustelle im RVG, an der dann mal nachgebessert werden müsste. Denn es gibt ja außer der Teilnahme an einer Durchsuchung sicherlich auch noch andere Termine, die honoriert werden müssten, wie z.B. ein Termin nach § 202a StPO. Aber auch dafür gibt es kein „besonderes Geld“ (vgl. zuletzt OLG Köln, Beschl. v. 23.07.2014 – 2 Ws 416/14).

Ach so: Wenn der Kollege Pflichtverteidiger ist/war, dann kann er es mit einem Pauschgebührenantrag nach § 51 RVG versuchen. Aber auch das ist nicht einfach.

Adventskalender Tür 3: Heute gibt es Schokolade/€€€€€€

entnommen wikimedia.org Urheber SolLuna - Own work CC BY-SA 3.0

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CC BY-SA 3.0

Heute im Adventskalender mal Gebühren, quasi ein virtuelles Schokoladentäfelchen, jedenfalls eine Entscheidung, in der Musik/€€€€€ stecken. Nämlich der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.11.2014 – 1 Ws 148/14. Ich wollte ihn erst, als ich ihn von einem Rechtspfleger des OLG übersandt bekommen habe, an die Seite tun. War dann aber „angefixt“ durch die Bemerkung in der Übersendungsmail, dass ich mich über den Beschluss mal „freuen würde“. Und in der Tat: Ich freue mich und die Verteidiger können sich auch freuen.

Denn das OLG setzt in einer der großen Streitfragen des Teil 4 VV RVG neue Rechtsprechung des BGH und das 2. KostRMoG konsequent um. Es geht um die Honorierung der Tätigkeiten des sog. „Terminsvertreters“ des Pflichtverteidigers. Da wird immer noch darum gestritten, welche Gebühren der „Terminsvertreter“ erhält. Nur die Terminsgebühr für den Termin, an dem er teilgenommen hat, oder auch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und ggf. die Verfahrensgebühr. M.E. alles kein Problem. ich bin immer davon ausgegangen, dass Grundgebühr, Terminsgebühr und auch Verfahrensgebühr anfallen. Das sieht die überwiegende Meinung in der OLG-Rechtsprechung aber leider anders und kommt mit unterschiedlichen Begründungen dazu, nur die Terminsgebühr festzusetzen. Anders nun das OLG Saarbrücken: Es zieht aus dem BGH, Urt. v. 13.08.2014 – 2 StR 573/13 (vgl. dazu hier “für Rechtsanwalt…” unterzeichnet – Schriftform gewahrt? Ja, aber!) den richtigen Schluss und lehnt die Möglichkeit einer Vertretung des Pflichtverteidigers ab (habe ich ja immer gesagt 🙂 ) und. Und das OLG wendet konsequent das 2. KostRMoG an und die Änderung in der Nr. 4100 VV RVG – „neben der Verfahrensgebühr“ – und folgert daraus zutreffend: Grundgebühr und Verfahrensgebühr fallen immer nebeneinander an. Das führt dann zu: Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr. Geht doch.

Hier dann „meine“ Leitsätze der Entscheidung:

Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidi­gers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger eines Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltli­che Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG.

 Dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für die Dauer eines Hauptver­handlungstermins oder für einen Teil eines Hauptverhandlungstermins beigeordne­ten weiteren Verteidiger ist für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensab­schnitt die Verteidigung ohne jede inhaltliche Beschränkung mit sämtlichen Verteidi­gerrechten und -pflichten übertragen. Eine Beiordnung lediglich als Vertreter des be­reits bestellten Pflichtverteidigers dergestalt, dass der Beigeordnete gleichsam als Hilfsperson des eigentlichen Pflichtverteidigers in dessen Beiordnungsverhältnis mit einbezogen wird, kennt die Strafprozessordnung nicht. Durch die Beiordnung als Verteidiger für einen Terminstag oder Teile hiervon an­stelle des verhinderten Pflichtverteidigers wird vielmehr ein eigenständiges, öffent­lich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Ver­teidiger während der Dauer der Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfas­send und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat.

Für die Tätigkeit in einem jeden gerichtlichen Verfah­ren entsteht eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie wird bereits die Information als Bestandteil des Betreibens des Geschäfts entgolten. Die daneben entstehende Grundgebühr soll den zusätzlichen Aufwand entgelten, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt.