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Zusammenstoß wartepflichtiger Rechtsabbieger/Vorfahrtsberechtigter – wer haftet wie?

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Fährt ein Wartepflichtiger aus einer untergeordneten Straße nach rechts in eine bevorrechtigte Straße ein und stößt er in dem durch die Vorfahrt geschützten Bereich mit einem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug zusammen, spricht gegen den Wartepflichtigen jedenfalls dann der Anscheinsbeweis, wenn er – etwa wegen der Straßenbreite – nicht darauf vertrauen durfte, dass er ohne Behinderung oder Gefährdung des bevorrechtigten Verkehrs in die Straße einfahren durfte. Das ist das Fazit aus dem LG Saarbrücken, Urt. v. 29.04.2016 – 13 S 3/16, das dann im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG zu einer Alleinhaftung des Klägers, des wartepflichten Rechtsabbiegers, kommt:

„a) Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Verstoß des Vorfahrtsberechtigten gegen das Rechtsfahrgebot nach § 2 Abs. 2 StVO in Fällen wie hier zu einer Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten wegen erhöhter Betriebsgefahr seines Fahrzeugs führen kann (vgl. KG, NZV 2007, 406; OLG Köln, VersR 1998, 1044; OLG Oldenburg, Schaden-Praxis 2002, 227; Thüring. OLG, DAR 2000, 570; Kammer, Urteil vom 18.09.2015 – 13 S 58/15). Von einem unfallursächlichen Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO kann hier allerdings nicht ausgegangen werden.

aa) Gemäß § 2 Abs. 2 StVO ist möglichst weit rechts zu fahren. Bei der Beurteilung, ob ein Vorfahrtsberechtigter gegen dieses Gebot verstoßen hat, ist aber stets zu berücksichtigen, dass jeder Verkehrsteilnehmer auf der vorfahrtsberechtigten Straße grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass einbiegende Fahrzeuge sein Recht beachten und ihn vorbeilassen werden, bevor sie einbiegen. Dies gilt auch dann, soweit er nicht ganz rechts fährt (vgl. OLG Köln, VersR 1998, 1044). Das Rechtsfahrgebot bedeutet deshalb nicht, äußerst rechts oder soweit technisch möglich rechts zu fahren (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.05.2011 – I-1 U 232/07, juris; OLG Zweibrücken, VRS 74, 420). Es gilt auch nicht starr, sondern gewährt je nach den Umständen im Rahmen des Vernünftigen einen Spielraum (vgl. BGHZ 74, 25; OLG Stuttgart, OLG-Report 2007, 254; OLG Naumburg, OLG-Report 2004, 352). Welche Anforderungen das Rechtsfahrgebot im konkreten Fall stellt, ist daher unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Örtlichkeit, der Fahrbahnbreite und -beschaffenheit, der Fahrzeugart, eines vorhandenen Gegenverkehrs, der erlaubten und der gefahrenen Geschwindigkeit sowie der jeweiligen Sichtverhältnisse zu bestimmen (vgl. BGHZ 74, 25; OLG Stuttgart, VRS 128, 145; OLG Hamm, DAR 2004, 90).

bb) Hiervon ausgehend ist ein unfallursächlicher Verstoß der Erstbeklagten gegen das Rechtsfahrgebot nicht nachgewiesen. Denn die Verkehrssituation war – wie bereits gezeigt – aufgrund der Verengung der Fahrbahn, insbesondere durch beiderseits parkende Fahrzeuge, dadurch geprägt, dass für den Wartepflichtigen mit Gegenverkehr auf der eigenen Fahrbahnhälfte zu rechnen war und somit alleine durch möglichst weites Rechtsfahren der konkreten Gefahr einer Frontalkollision nicht sicher begegnet werden konnte (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.05.2011 – I-1 U 232/07, juris).

b) Entgegen der Auffassung der Berufung lässt die vorliegende Fallgestaltung auch keinen Raum für eine Mithaftung der Beklagten aus der einfachen Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs. Vielmehr gilt auch hier, dass die einfache Betriebsgefahr des bevorrechtigten Fahrzeugs grundsätzlich gegenüber dem Verkehrsverstoß gegen § 8 StVO zurücktritt und die Alleinhaftung des Wartepflichtigen begründet (vgl. OLG München, Urteil vom 29.07.2011 – 10 U 1131/11, juris; Kammer, st. Rspr.; vgl. Urteile vom 01.02.2013 – 13 S 176/12, Zfs 2013, 378). Diese Beurteilung folgt aus der besonderen Bedeutung der Vorfahrtsregelung, die dem wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer die Pflicht zu erhöhter Sorgfalt auferlegt und deren Verletzung daher besonders schwer wiegt (so bereits BGH, Urteil vom 18.09.1964 – VI ZR 132/63, VersR 1964, 1195; vgl. auch BGH, Urteil vom 23.06.1987 – VI ZR 296/86, VersR 1988, 79).“

BGH zum Rückwärtsfahren: Wenn der andere steht, kein Anscheinsbeweis

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Der BGH hat im BGH, Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15 zum Rückwärtsfahren entschieden. Es ging um eine in der Praxis sicherlich häufigere Konstellation, nämlich einen sog. Parkplatzunfall auf dem (öffentlichen) Parkplatz eines Baumarktes. Der Kläger hatte dort mit seinem PKW rückwärts aus einer Parkbucht ausgeparkt. Es kam zu einem Zusammenstoß in der zwischen zwei Parkbuchtreihen befindlichen
Gasse mit dem PKW des Beklagten, der ebenfalls rückwärts aus einer gegenüberliegenden Parkbucht herausfuhr. Vorgerichtlich hat die Kfz-Versicherung des Beklagtes die von ihr anerkannten Schadenspositionen des Klägers im Umfang von 50 % reguliert. Der Kläger beanspruchte aber eine Erstattung von 100 %. Der Kläger hatte behauptet, sein Fahrzeug habe nach dem Ausparken bereits in Fahrtrichtung gestanden, als der Beklagte mit seinem Fahrzeug in das stehende Fahrzeug hineingefahren sei. Die Beklagten haben behauptet, beide Fahrzeuge hätten sich im Zeitpunkt des Zusammenstoßes in Bewegung befunden. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision hatte beim BGH Erfolg.

Anders als AG und LG geht der BGH davon aus, dass hier der Anscheinsbeweis, der sich auf § 9 Abs. 5 STVO gründet, hier nicht gegen den Kläger spricht. Nach umfangreicheren Ausführungen zum Anscheinsbeweis beim Rückwärtsfahren führt der BGH dazu zu dem vorliegenden Verkehrsgeschehen aus:

„bb) Nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen ist die Anwendung des Anscheinsbeweises gegen den Rückwärtsfahrenden auf einem Parkplatz nicht zu beanstanden, wenn feststeht, dass die Kollision beim Rückwärtsfahren des Verkehrsteilnehmers stattgefunden hat. Die geforderte Typizität liegt aber regelmäßig nicht vor, wenn zwar feststeht, dass – wie hier – vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist, aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand, als der andere Unfallbeteiligte (hier: Beklagter zu 1) mit seinem Fahrzeug in das stehende Fahrzeug hineingefahren ist. Denn es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach sich der Schluss aufdrängt, dass auch der Fahrzeugführer, der sein Fahrzeug vor der Kollision auf dem Parkplatz zum Stillstand gebracht hat, die ihn treffenden Sorgfaltspflichten verletzt hat. Anders als im fließenden Verkehr mit seinen typischerweise schnellen Verkehrsabläufen, bei denen der Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass sein Verkehrsfluss nicht durch ein rückwärtsfahrendes Fahrzeug gestört wird, gilt in der Situation auf dem Parkplatz ein solcher Vertrauensgrundsatz nicht (vgl. OLG Hamm, NZV 2013, 123; König, aaO, § 8 StVO Rn. 31a mwN). Hier muss der Verkehrsteilnehmer jederzeit damit rechnen, dass rückwärtsfahrende oder ein- und ausparkende Fahrzeuge seinen Verkehrsfluss stören. Er muss daher, um der Ver-pflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 Abs. 1 StVO genügen zu können, von vornherein mit geringer Geschwindigkeit und bremsbereit fahren, um jederzeit anhalten zu können (vgl. oben unter 3a). Hat ein Fahrer diese Verpflichtung erfüllt und gelingt es ihm, beim Rückwärtsfahren vor einer Kollision zum Stehen zu kommen, hat er grundsätzlich seiner Verpflichtung zum jederzeitigen Anhalten genügt, so dass für den Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden kein Raum bleibt.“

Den Rest bitte selber lesen. 🙂

Aus der Kurve getragen – Anscheinsbeweis

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Die Motorradsaison dürfte inzwischen für 2015 weitgehend beendet sein, ich denke, dass im Winter nur „wirkliche Fans“ Motorrad fahren. Aber dennoch will ich, quasi zum Abschluss der Saison 2015, noch eine Motorradentscheidung posten. Es handelt sich um das OLG Hamm, Urt. v. 08.09.2015 – 9 U 131/14 -, von dem ich nur die Leitsätze einstelle. Aus denen ergibt sich im Übrigen auch der maßgebliche Sachverhalt, der OLG-Urteil wegen einer Bezugnahme auf die landgerichtlichen Gründe nicht näher zu entnehmen ist.

Die Leitsätze lauten:

  1. Wird ein Motorradfahrer in einer Rechtskurve zu weit nach links getragen, und vollzieht er deutlich jenseits der gedachten Fahrbahnmitte eine Vollbremsung, sodass es letztlich auf der Gegenfahrbahn mit einem seinerseits im Bereich der Mitte seiner Fahrspur fahrenden Motorrad zu einer Kollision kommt, lässt dies typischerweise auf einen Fahrfehler des Führers des seine Fahrspur verlassenden Motorrades schließen.
  2. Dass dieser Fahrzeugführer lediglich auf ein in der Annäherung seinerseits auf der Gegenfahrbahn fahrendes Fahrzeug im Gegenverkehr reagiert, ist ein atypischer Geschehensablauf, der von dem Fahrzeugführer darzulegen und zu beweisen ist.

 

Der Überholer war besoffen – wie wird gehaftet?, oder: Erschüttert das den Anscheinsbeweis?

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Das OLG München, Urt. v. 23.01.2015 – 10 U 299/14 – geht von folgendem Sachverhalt aus: Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 29.04.2011 gegen 17.15 Uhr zwischen dem klägerischen Pkw Mercedes Sprinter und dem Pkw Renault Laguna des Beklagten zu 1). Das klägerische Fahrzeug, gesteuert von seinem Angestellten F., wollte – auf Höhe des Anwesens Nr. 3 in der H.-Straße in M. in südwestlicher Richtung fahrend – nach links in eine Grundstückseinfahrt abbiegen oder wenden, als der Beklagte zu 1) sich zum Überholen entschlossen hatte. Es kam zur Kollision und die Parteien habden dann darum gestritten, wer wie haftet.

Das OLG München sagt:

1. Kommt es zu einer Kollision eines nach links in eine Grundstückseinfahrt abbiegenden Fahrzeugs mit einem überholenden Fahrzeug, so haftet der Linksabbieger allein, wenn sich der Überholvorgang als verkehrsgerecht darstellt und er insbesondere den Nachweis, dass der Fahrtrichtungsanzeiger betätigt wurde, nicht führen kann.
2. Dabei ist eine nachgewiesene Alkoholisierung des überholenden Fahrers ohne Bedeutung, wenn nicht feststeht, dass sie für den Unfall ursächlich geworden ist. Hiervon ist nicht auszugehen, wenn sich der Überholvorgang bei geringer Geschwindigkeit als verkehrsgerecht dargestellt hat.

Im Urteil dann ganz interessante Ausführungen des OLG zum Anscheinsbeweis, vor allem auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Alkoholisierung des Beklagten, mit denen der Kläger gegen den gegenihn als Linksabbbier sprechenden Anscheinsbeweis argumentiert hatt:

„(3) Zuletzt wird eine Anscheinsbeweislage nicht aufgehoben durch die Alkoholisierung des Beklagten, unabhängig davon, ob die im unstreitigen Tatbestand des Ersturteils festgestellte Blutalkoholkonzentration von 1,04 Promille, oder – wie vom Kläger gewünscht – bis zu 1,4 Promille zugrunde gelegt wird. Selbst eine Alkoholisierung im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit erlaubt keinen Rückschluss auf die Unfallursache, darf vielmehr bei der Abwägung nach § 17 StVG nur berücksichtigt werden, wenn sie sich nachweislich in dem Unfall niedergeschlagen hat (BGH NJW 1995, 1029 [BGH 10.01.1995 – VI ZR 247/94]). Aus diesem Grund ist ein unfallursächlicher Verstoß das alkoholisierten Kraftfahrers vorauszusetzen, bevor – aufgrund der Alkoholisierung, gegebenenfalls in Form eines Anscheinsbeweises – darauf geschlossen werden kann, der Unfall habe sich in einer Verkehrslage ereignet, die ein nüchterner Kraftfahrer problemlos hätte meistern können (BGH NJW 1976, 897 [BGH 24.02.1976 – VI ZR 61/75]: Fußgänger, zusätzlich zur Alkoholisierung unmotiviertes Liegen auf der Fahrbahn; OLG Stuttgart r + s 1988, 329 [Volltext BeckRS 2008, 19041: zusätzlich stark überhöhte Geschwindigkeit; OLG Hamm NZV 1995, 483 [OLG Hamm 10.10.1994 – 6 U 334/91]; OLG Köln VersR 2002, 1040; KG Urt. v. 21.06.1990 – 12 U 3456/89 [BeckRS 1990, 07643: Alkoholisierung nicht ursächlich, weil ohnehin schuldhaftes Überholen einer unübersichtlichen Kolonne]; OLG Celle, Urt. v. 29.09.2010 – 14 U 27/10 [BeckRS 2011, 14566: zusätzlicher Verstoß gegen § 1 II StVO gefordert, aber nicht erweislich]; Senat, Beschl. v. 12.11.2014 – 10 U 3222/14: zusätzlich zur Alkoholisierung nicht rechtzeitige Ausweichreaktion erforderlich).

Deswegen ist ein Zusammenstoß des Linksabbiegers mit dem Überholenden nicht schon dann „nicht mehr typisch“, wenn und weil der Überholende alkoholisiert war. Anderenfalls stünde jede der bisherigen Anscheinsbeweislagen unter dem Vorbehalt, dass keiner der beteiligten Fahrzeugführer alkoholisiert wäre, während andererseits neue Anscheinsbeweislagen mit alkoholisierten Beteiligten zu entwickeln wären. Zudem verlöre die ständige Rechtsprechung des BGH, dass die Unfallursächlichkeit der Alkoholisierung festzustellen sei, jeden Anwendungsbereich. Die Anscheinsbeweislagen des Abbiegens in ein Grundstück oder Wendens einerseits, der alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit andererseits stehen in einem Stufenverhältnis: Zunächst ist bei anzuwendendem Anscheinsbeweis gegen den Linksabbieger zu klären und im Strengbeweisverfahren festzustellen, ob ein Fehlverhalten des anderen Verkehrsteilnehmers vorliegt, dass den Anscheinsbeweis erschüttert. Sollte das nicht der Fall sein, kommt es auf dessen Alkoholisierung nicht mehr an. Werden dagegen eine Pflichtwidrigkeit oder ein Sorgfaltsverstoß des zunächst vom Anscheinsbeweis Begünstigten festgestellt, spricht jedenfalls im Fall der absoluten Fahruntüchtigkeit ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Alkoholisierung unfallursächlich geworden ist, wenn sich der Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet hat, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können.

Fahrstreifenwechsel – Unfall – i.d.R. volle Haftung

entnommen wikimedia.org Author Fotograf: Stefan Lampert

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Folgendes Unfallgeschehen hatte das AG München im AG München, Urt. v. 01.10.2013 – 331 C 28375/12 – zu beurteilen:

„An dem Unfall beteiligt war der PKW des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen xxx zum Unfallzeitpunkt gefahren von dem Zeugen xxx sowie der bei der Beklagten haftpflichtversicherte kroatische Reisebus, welcher zum Unfallzeitpunkt von dem xxx gefahren wurde.

Unstreitig ist, dass das Klägerfahrzeug zunächst auf der linken Spur gefahren ist und dann, wegen der Verengung der xxxstraße von zwei auf eine Fahrspur, auf die rechte Fahrspur gefahren ist. Das Beklagtenfahrzeug befand sich unstreitig bereits auf der rechten Fahrspur. Hier kam es dann zur Kollision, indem das Beklagtenfahrzeug auf das Klägerfahrzeug auffuhr.“

Das AG kommt zu dem Ergebnis: Gegen den Fahrstreifenwechsel gilt der Anscheinsbeweis, dass er den Unfall verursacht hat. Er haftet daher grds. voll:

Bei der Kollision mit einem anderen Fahrzeug im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel spricht der Anschein für eine Mißachtung der Sorgfaltspflicht nach § 7 Abs. 5 StVO (VGL Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, § 7 StVO, Rnr. 16). Gemäß § 7 Abs. 5 StVO verlangt jeder Fahrstreifenwechsel die Einhaltung äußerster Sorgfalt, so dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist. Er setzt ausreichende Rückschau voraus und ist rechtzeitig und deutlich durch Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen. Ereignet sich die Kollision zweier Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, das dieser den Unfall unter Verstoß gegen die vorgenannten Pflichten verursacht und verschuldet hat, vgl. hierzu z.B. Landgericht Bielefeld, Urteil vom 15.05.2008, Az: 2 O 3/08.

Dass das Klägerfahrzeug im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Kollision die Spur gewechselt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zeuge xxx selbst gab bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2013 an, dass die linke Fahrspur geendet habe und er deswegen auf die rechte Fahrspur gewechselt sei.

Auch der örtliche und zeitliche Zusammenhang mit dem Spurwechsel ist vorliegend gewahrt. Der Zeuge xxx gab an, er sei ca. 10 bis 15 m auf der rechten Spur gefahren. Dies unterbricht den örtlichen und zeitlichen Zusammenhang nicht, vgl. hierzu OLG Bremen, Urteil vom 31.08.1988,3 0 66/88.

Gegen die Beklagtenseite spricht dagegen nicht der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden. Bei Unfällen durch Auffahren spricht zwar der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18.10.1988, Az: VI ZR 223/87.

Dieser erste Anschein wird nach allgemeinen Grundsätzen aber dann erschüttert, dass ein atypischer Verlauf, der die Verschuldensfrage in einem anderen Licht erscheinen lässt, von dem Auffahrenden dargelegt und bewiesen wird. Erforderlich ist hierfür der Nachweis, dass ein Fahrzeug vorausgefahren ist, welches erst unmittelbar vor dem Unfall die Fahrspur gewechselt hat und dadurch dem Nachfahrenden ein Ausweichen nicht mehr möglich war oder erheblich erschwert war, so BGH, Urteil vom 13.02.2011, VI ZR 177/10.“