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Im Zivilverfahren rechnet man Beschwerden anders als ab im Strafverfahren

Die Entscheidung des OLG Celle v. 07.06.2010 – 2 W 147/10 – ist Anlass auf einen m.E. bedeutenden Unterschied bei der Abrechnung von Zivil- und Strafverfahren hinzuweisen. Das OLG Celle hat in seiner Entscheidung (m.E. überzeugend) dargelegt, warum der Rechtsanwalt, der im Zivilverfahren einen Sachverständigen ablehnt und gegen den im Verfahren ergehenden Beschluss in die Beschwerde geht, dafür eine 0,5-Gebühr nach Nr. 3500 VV RVG abrechnen kann.

Wenn man die Konstellation oder ähnliche, in der es um Beschwerden geht (Haftbeschwerde, § 11a-Beschluss usw.) auf das Strafverfahren überträgt, stellt man fest: Im Strafverfahren gibt es keine entsprechende Gebühr. Das hat zur Folge, dass die Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Beschwerdeverfahren mit der jeweiligen Verfahrensgebühr abgegolten sind. Das ist ein Punkt, der in meinem gebührenrechtlichen aber auch im Forum bei  Heymanns Strafrecht immer wieder eine Rolle spielt. Denn immer wieder wird gefragt: Wir haben eine Beschwerde gewonnen, der Landeskasse sind die Gebühren auferlegt worden, welche Gebühren können wir abrechnen? Da kann ich dann nur antworten: Keine, sondern sie müssen nach der Differenztheorie vorgehen. Und das, was da für den Anwalt raus kommt, lohnt meistens nicht das Papier und die Zeit, die man für den Antrag aufbringen muss.

M.E. ist diese Ungleichbehandlung ein Punkt, an dem der Gesetzgeber bei der nächsten Novellierung des RVG – wenn es denn eine Novellierung gibt – arbeiten müsste. Denn gerade in den Beschwerden steckt häufig viel Zeit, die derzeit m.E. nicht ausreichend honoriert wird.

So kann man sich irren…, oder einen Verein werden wir nicht gründen können.

Tja, so kann man sich irren, habe ich gedacht, als ich den Beschl. des OLG Saarbrücken v. 19.01.2010 – 2 Ws 228/09 -, den ich bereits vor einiger Zeit auf meiner Homepage eingestellt hane, jetzt noch einmal gelesen habe; ein Kollege hatte mich in anderem Zusammenhang auf diesen Beschluss noch einmal hingewiesen.

Das OLG behandelt die Frage der Abrechnung der Tätigkeit des Verteidigers als Zeugenbeistand, die es m.E. ebenso falsch wie einige anderes OLGs nur nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG honoriert (ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Dazu will ich aber gar nichts mehr schreiben, da die Argumente ausgetauscht sind und die Rechtsprechung teilweise einfach nicht erkennen will, dass ihre Argumentation falsch ist.

Interessant(er) sind in dem Beschluss die Ausführungen des OLG zur Frage der Beiordnung eines Zeugenbeistandes nach § 68b Abs. 2 StPO, die ich bisher in der Schärfe nicht gesehen hatte. Dazu schreibt das OLG am Ende seiner Ausführungen:

„Hervorzuheben ist, dass die Tätigkeit eines gemäß § 68b StPO (a.F. und n.F.) für die Dauer der Vernehmung beigeordneten Zeugenbeistands „nur“ mit der Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG unabhängig davon zu vergüten ist, ob derselbe Rechtsanwalt den Zeugen zuvor in demselben oder einem anderen Verfahren bereits verteidigt hat. Auch belegen die Materialien zu § 68b Abs. 2 StPO in der Fassung des 2. Opferrechtsreformgesetzes – anders als der Beschwerdeführer meint – dass die Beiordnung nach dieser Vorschrift absoluten Ausnahmecharakter haben sollte, weil es in erster Linie Sache des Vernehmenden ist, die Rechte und Befugnisse eines Zeugen während dessen Vernehmung zu wahren. Mit dem Entfallen des Antragserfordernisses wird zugleich verdeutlicht, dass es Sache des für die Bestellung zuständigen Gerichts ist, die engen Voraussetzungen des § 68b Abs. 2 StPO unabhängig von einem gestellten Beiordnungsantrag von Amts wegen zu prüfen.“

Wenn man das liest, könnte man einen Schreikrampf bekommen, denn.

  1. Ausnahmecharakter. Mitnichten. Denn der Gesetzgeber hat mit dem 2. OpferRRG gerade eine Stärkung der Stellung des Zeugen beabsichtigt. Dafür spricht schon der offizielle Name des Gesetzes – Gesetz zur Stärkung… Zudem hat man die Voraussetzungen für die Beiordnung erleichtert, nicht verschärft. Kann man m.E. – mit ein bißchen gutem Willen – alles in der BT-Drucks. 16/12098 nachlesen.
  2. Geradezu auf den Kopf gestellt wird die Praxis aber, wenn darauf hingewiesen wird, dass „es in erster Linie Sache des Vernehmenden ist, die Rechte und Befugnisse eines Zeugen während dessen Vernehmung zu wahren„. Wer – bitte schön – ist denn schon mal ohne Antrag als Zeugenbeistand beigeordnet worden? Und wie sieht die Praxis der Gerichte beim Zeugenbeistand aus? Ein „schönes“ Beispiel bringt die Entscheidung des BVerfG in 2 BvR 941/09. Die Gerichte sind doch froh, wenn ein Zeugenbeistand ihnen die Arbeit nicht schwer macht. Ich wage daher die Behauptung: Wenn wir einen „Verein der ohne Antrag vom Gericht beigeordneten Zeugenbeistände e.V.“ gründen wollten, werden wir die sieben erforderlichen Gründungsmitglieder nicht zusammen bekommen.

Von daher: Die Entscheidung des OLG Saarbrücken macht mich jetzt nachträglich noch mal ärgerlich, und zwar über die falsche Entscheidung der gebührenrechtlichen Frage hinaus.

Auch du mein Sohn Brutus…

…ist man gewillt zu denken, wenn man die Entscheidung des OLG Hamburg v. 05.05.2010 – 2 Ws 34/10 liest, in der sich das OLG der Auffassung in der Rechtsprechung angeschlossen hat, die die Tätigkeit des (beigeordneten) Zeugenbeistandes nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG honoriert und nicht nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG, was schnell mal fehlende 300 € in der Kasse ausmachen können.

An sich bringt die Entscheidung in dem Streit in der obergerichtlichen Rechtsprechung über die Frage der Abrechnung dieser Tätigkeit nichts Neues – die Argumente sind ausgetauscht und dem als Zeugenbeistand tätigen Rechtsanwalt bliebt nichts anderes übrige, als sich der Rechtsprechung des jeweils zuständigen OLG zu beugen. Ich berichte über die Entscheidung auch nur deshalb, weil vor kurzem das LG Hamburg die Frage noch anders entschieden hat.

Nach der Entscheidung des OLG wird es nun aber auch im Bezirk OLG Hamburg nur Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG geben. Schade, und zwar deshalb, weil die Auffassung m.E. nicht richtig ist.

Abrechnung beim Zeugenbeistand: OLG Stuttgart geht Mittelweg?

Im Gebührenrecht ist sicherlich die Frage, wie die Tätigkeit des Zeugenbeistandes zu entlohnen ist, eine der am heftigsten umstrittenen Fragen. Ob Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG oder Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG macht schnell einen Unterschied von 200 € oder auch mehr aus und da fängt die Staatskasse in Zeiten leerer Kassen schon an zu denken. Das OLG Stuttgart, das auch zu den Vertretern der Auffassung gehört, die grds. nur Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG anwenden, geht jetzt zum Teil einen anderen Weg. Im Beschl. v. 23.12.2009 6 – 2 StE 8/07 hat es ausgeführt:

„Einem als Zeugenbeistand für die Dauer der Ver­nehmung eines Zeugen beigeordneten Rechtsanwalt steht für seine Beistandsleistung grundsätzlich nur eine Verfahrensgebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG zu. Etwas anderes gilt dann, wenn zwar nicht nach dem engen, vom Wortlaut des § 68 b StPO vorgesehenen Beiordnungsbeschluss, aber nach Art der übertragenen und tatsächlich ausgeüb­ten Tätigkeit von einer faktisch umfassenden Vertretung des Zeugen mit der Folge der Verneinung einer bloßen Einzeltätigkeit auszugehen ist. In diesen Fällen ist ausnahmsweise eine Heranziehung der Gebührenvorschriften des 1. Abschnittes und eine entsprechende Anwendung der Gebührenvorschriften des 4. Teiles (somit Erstattung der Grundgebühr, Verfahrensgebühr, Terminsgebühr) vorzuneh­men.“Für den Zeugenbeistand bedeutet das: Darlegen, darlegen, darlegen, was es an Besonderheiten gibt……

Tätigkeit als Zeugenbeistand jetzt geringer bewertet

Hier also dann der erste Eintrag in der neuen Rubrik „Gebührenrecht“. Ich habe mir überlegt: Warum eigentlich nicht das Angebot erweitern? Gebührenrecht wird doch sicherlich auch interessieren :-).

Und gleich zu Anfang dann eine traurige Nachricht. Der 2. Strafsenat des OLG Hamm hat seine Rechtsprechung in der Frage der Abrechnung der Tätigkeit des Vernehmungsbeistandes leider geändert. Er ist jetzt auch – wie die anderen Senate des OLG Hamm – der Auffassung, dass die Tätigkeit des beigeordneten Zeugenbeistands nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG und nicht nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abgerechnt wird. Damit hat er seine Rechtsprechung aus dem Beschl. v. 07.11.2007 (2 Ws 289/07) leider sehr schnell wieder aufgegeben. Für den Rechtsanwalt geht es dabei schon um ein paar Euros.

Beschl. v. 14. 7. 2009 – 2 Ws 159/09