Archiv der Kategorie: Urteilsgründe

Beweiswürdigung beim Vergewaltigungsvorwurf, oder: Gesamtwürdigung bei Aussage-gegen-Aussage

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In die neue Woche starte ich dann mit zwei BGH-Entscheidungen zur Beweiswürdigung.

Den Opener mache ich mit dem BGH, Urt. v. 07.07.2022 – 4 StR 28/22 – zur Beweiswürdigung in einem Verfahren mit dem Vorwurf der Vergewaltigung. Das LG hat den Angeklagten freigesprochen. Hiergegen die Revision der die Nebenklägerin, die Erfolg hatte.

„…. Die gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 401 Abs. 1 Satz 1 StPO zulässige Revision der Nebenklägerin hat Erfolg. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16 Rn. 20; Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die auf die Sachrüge gebotene revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. März 2022 – 2 StR 292/21 Rn. 7; Urteil vom 23. Juni 2021 – 2 StR 337/20 Rn. 6; BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 – 1 StR 597/15 Rn. 27 je mwN). Der Tatrichter hat alle wesentlichen, für und gegen den Angeklagten sprechenden Tatsachen und Beweisergebnisse, die Gegenstand der Hauptverhandlung waren, erschöpfend zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2022 – 2 StR 292/21 Rn. 9); dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern sind in eine umfassende Gesamtwürdigung einzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12 Rn. 17). Gesteigerte revisionsgerichtliche Anforderungen an die Sachdarstellung und Erörterung der Beweislage bestehen in Fällen von „Aussage gegen Aussage“, wenn sich die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2008 – 5 StR 585/07 Rn. 9; Beschluss vom 12. September 2012 – 5 StR 401/12 Rn. 8).

2. Hieran gemessen kann das Urteil keinen Bestand haben.

a) Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, weil die Strafkammer Beweisanzeichen, die für die Annahme eines nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs, einen erkennbar entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin und einen entsprechenden Vorsatz des Angeklagten sprechen, lediglich isoliert bewertet und nicht in eine Gesamtwürdigung eingestellt hat.

So hat das Landgericht dem Umstand, dass die Nebenklägerin einen in ihre Scheide eingeführten Tampon nicht für den Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten entnahm, nur dahingehend bewertet, dass dies nicht „eindeutig“ gegen einen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr spreche. Die im Dammbereich der Nebenklägerin festgestellten flächigen Fissuren könnten auch bei einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr entstanden sein. Allein ihr Bestehen müsse damit nicht auf Unfreiwilligkeit hindeuten. Die kurz nach dem Geschehen abgegebenen Erklärungen der Nebenklägerin (mehrfache Angabe, vergewaltigt worden zu sein), ihr Erscheinungsbild (verstört, zitternd) und ihr weiteres Verhalten (Vorstellung in einer Frauenklinik zur anonymen Untersuchung) ließen keinen Rückschluss darauf zu, dass der Angeklagte den von ihm eingeräumten Geschlechtsverkehr vorsätzlich gegen ihren erkennbaren Willen vollzogen habe. Schließlich erlaube auch der Umstand, dass sich die Nebenklägerin in eine Therapie begeben habe und sie nach den glaubhaften Angaben ihrer Therapeutin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, „nicht den zwingenden“ Schluss, dass sich das Geschehen entsprechend ihren Angaben abgespielt und der Angeklagte gegen ihren erkennbar entgegenstehenden Willen gehandelt habe.

Eine hiernach gebotene Erörterung, welche Bedeutung dem Vorliegen dieser verschiedenen Umstände insgesamt und in ihrer Häufung für die Überzeugung vom Vorliegen eines entgegenstehenden Willens und seiner Erkennbarkeit zukommt, hat die Strafkammer nicht vorgenommen. Die von der Strafkammer gewählten Formulierungen („nicht eindeutig“, „allein ihr Bestehen“, „nicht den zwingenden Schluss“) deuten vielmehr darauf hin, dass sie eine solche Gesamtwürdigung auch nicht erforderlich ansah.

b) Die Beweiswürdigung hinsichtlich eines entgegenstehenden Willens der Nebenklägerin und dessen objektiver Wahrnehmbarkeit ist auch deshalb lückenhaft, weil das Landgericht nicht die gesamte Aussage der Nebenklägerin bewertet und nicht mitgeteilt hat, welche ihrer Angaben zum äußeren Tatgeschehen von ihm für glaubhaft erachtet werden.

aa) Das Landgericht hat insoweit lediglich in den Blick genommen, dass die Nebenklägerin nicht anzugeben vermochte, wie laut sie nein gesagt habe, und dass sie hierzu weiter erklärte, es komme manchmal kein Ton raus, wenn man unter Schock stehe. Ein Ausweichen und Wegdrücken des Angeklagten habe die Nebenklägerin nicht näher zu beschreiben vermocht, als dass sie auf dem Bett nach hinten gerutscht sei und sich klein gemacht habe. Dem Umstand, dass die Nebenklägerin angeben habe, selbst nicht zu wissen, wie laut sie nein gesagt habe und in welcher Form sie sich konkret gewehrt habe, hat das Landgericht dabei besondere Bedeutung beigemessen, weil die Nebenklägerin bemüht gewesen sei, ihr Verhalten im Vorfeld des Geschlechtsverkehrs in tadellosem Licht erscheinen zu lassen. So habe sie die Unwahrheit gesagt, als sie sowohl einen Flirt auf dem Schützenfest mit einem Freund des Angeklagten als auch den Kuss mit dem Angeklagten auf der Couch im Wohnzimmer explizit ausgeschlossen habe.

bb) Diese Würdigung schöpft die Angaben der Nebenklägerin nicht aus. Vielmehr hätte die Strafkammer auch mitteilen müssen, ob und inwieweit sie die weiteren Angaben der Nebenklägerin für glaubhaft erachtet.

Die Nebenklägerin hat nämlich u. a. angegeben, in seinem Zimmer habe der Angeklagte eine Hand um ihre Taille gelegt und sie zu sich gezogen. Er habe versucht, sie zu küssen, wozu sie nein gesagt habe. Als er seinen Griff gelockert habe, sei sie vor dem Angeklagten zurückgewichen und auf das Bett gefallen. Als sich der Angeklagte auf sie gesetzt habe, habe sie ausweichen wollen. Als der Angeklagte ihre Hose geöffnet habe, habe sie ihre Gürtelschnalle festhalten wollen, was nicht funktioniert habe. Nachdem er die Hose heruntergezogen hatte, habe sie versucht, sich körperlich zu wehren, indem sie versucht habe, den Angeklagten wegzudrücken. Der Angeklagte sei mit Fingern und danach mit seinem Penis vaginal eingedrungen. Die Nebenklägerin habe die Beine aufgestellt und versucht, sich wegzudrehen. Der Angeklagte habe ihr Bein wie einen Hebel genutzt und sie in die Bauchlage umgedreht, bevor er von hinten vaginal in sie eingedrungen sei.

Damit hat die Nebenklägerin weitere Handlungen geschildert, die angesichts der Gesamtumstände – insbesondere auch des Geschlechtsverkehrs mit eingeführtem Tampon – als Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Willen herangezogen werden können. Ohne eine Bewertung des Wahrheitsgehaltes auch dieser Angaben ist die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe einen entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin nicht erkennen können, revisionsrechtlich nicht überprüfbar.

Corona II: Gebrauch eines verfälschten Impfausweises, oder: Was muss im Urteil stehen?

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Die zweite Entscheidung, der BayObLG, Beschl. v. 22.07.2022 – 202 StRR 71/22 – kommt dann auch vom BayObLG. Er nimmt Stellung zu den Feststellungsanforderungen einer bei Verurteilung wegen Gebrauchs eines verfälschten Impfausweises.

Das AG hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt. Dagegen die Sprungrevision, die Erfolg hatte: .

„1. Die Feststellungen des Amtsgerichts genügen nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO. Nach dieser Bestimmung müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen, mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann; denn nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 08.03.2022 – 1 StR 483/21 bei juris; 17.11.2020 – 4 StR 390/20 = NStZ-RR 2021, 83 = StV 2021, 226 = BGHR GVG § 169 S 1 Öffentlichkeit 5; 08.10.2019 – 4 StR 421/19 = NStZ-RR 2020, 28; 24.05.2017 – 1 StR 176/17 = wistra 2017, 445 = StV 2018, 39 = NStZ 2018, 341= NZWiSt 2018, 3839 = BeckRS 2017, 120582; 01.10.2015 – 3 StR 102/15 = NStZ-RR 2016, 12 = StV 2017, 89).

2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

a) Nach den Feststellungen des Amtsgerichts brachte sich der Angeklagte „zu einem nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 18.11.2021 […] entweder in den Besitz eines Impfausweises bzw. -zertifikates oder verfälschte einen solchen Impfausweis/ein solches Impfzertifikat selbst in einer Weise, dass dieser Impfausweis bzw. dieses Impfzertifikat seine eigene (vollständige) Impfung gegen COVID19 auswies, obwohl die dort dokumentierte Impfung bei ihm nicht durchgeführt worden war. Im Wissen hierüber legte der Angeklagte am 18.11.2021 gegen 13.00 Uhr diesen von ihm erworbenen oder von ihm selbst erstellten verfälschten Impfausweis gegenüber der T-Apotheke in der G.-Straße in S. vor, in der Absicht, dass die Apotheke ihm das Impfzertifikat in einem digital erfassten QR-Code als inhaltlich unrichtigen Nachweis für den (vermeintlich) bestehenden Impfstatus umwandelt […]“ Die „Zeugin F. erkannte aber die Fälschung und stellte das digitale Dokument nicht aus“.

b) Diese Urteilsfeststellungen belegen bereits nicht, ob es sich bei dem Impfausweis überhaupt um eine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB handelte. Eine Urkunde setzt das Vorhandensein einer verkörperten Gedankenerklärung voraus, die zum Beweis bestimmt und geeignet ist und einen Aussteller erkennen lässt (vgl. statt vieler nur BGH, Beschl. v. 30.01.2019 – 4 StR 385/18 bei juris; OLG Bamberg, Urt. v. 14.05.2014 – 3 Ss 50/14 = OLGSt StGB § 267 Nr 17; BeckOK StGB/Weidemann StGB [53. Ed.] § 267 Rn. 3; Fischer StGB 69. Aufl. § 267 Rn. 3; Schönke/Schröder/Heine/Schuster StGB 30. Aufl. § 267 Rn. 2 m.w.N.). Keines dieser Merkmale kann den Urteilsgründen entnommen werden. Der Impfausweis und etwaige Eintragungen werden überhaupt nicht beschrieben. Vielmehr beschränkt sich das Tatgericht auf die unbehelfliche, eine Sachdarstellung nicht ersetzende Verwendung von reinen Rechtsbegriffen.

aa) Den Feststellungen des Amtsgerichts ist schon nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls für welche Person der vorgelegte Impfausweis ausgestellt wurde.

bb) Ferner wird die im Impfausweis angeblich dokumentierte „vollständige Impfung gegen COVID19“ nicht im Einzelnen beschrieben. Das tatrichterliche Urteil stellt nicht fest, ob etwa ein Aufkleber mit einer Chargen-Nummer in dem Impfausweis eingeklebt war und welchen Inhalt dieser gegebenenfalls hatte. Auch zum Zeitpunkt der angeblich erfolgten Impfung verhalten sich die Urteilsgründe nicht.

cc) Völlig offen ist nach den äußerst knappen Feststellungen des Amtsgerichts überdies, ob im Zusammenhang mit der angeblichen Impfung ein Aussteller der Impfbescheinigung ersichtlich wird.

c) Unabhängig davon, dass sich bereits der Urkundenbegriff aus den unzulänglichen Feststellungen des Amtsgerichts nicht ableiten lässt, kann auch nicht beurteilt werden, ob der Angeklagte mit der Vorlage des Impfausweises, sollte dieser die Voraussetzungen einer Urkunde im oben genannten Sinne überhaupt erfüllen, von einer unechten oder verfälschten Urkunde Gebrauch gemacht hat.

aa) Unecht ist eine Urkunde dann, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der in ihr als Aussteller bezeichnet ist. Entscheidendes Kriterium für die Unechtheit ist die Identitätstäuschung: Über die Person des wirklichen Ausstellers wird ein Irrtum erregt; der rechtsgeschäftliche Verkehr wird auf einen Aussteller hingewiesen, der in Wirklichkeit nicht hinter der in der Urkunde verkörperten Erklärung steht. Nicht tatbestandsmäßig ist dagegen die Namenstäuschung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Aussteller nur über seinen Namen täuscht, nicht aber über seine Identität (BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – 2 StR 358/20 bei juris m.w.N.). Nachdem das Amtsgericht aber schon nicht mitteilt, ob die Eintragung über die Impfung im Impfausweis einen Aussteller erkennen lässt, unterbleiben auch die gebotenen Feststellungen dazu, ob nicht gegebenenfalls die Urkunde von dem Aussteller, sollte ein solcher ersichtlich sein, tatsächlich erstellt wurde. Eine Beweiswürdigung zu dieser für die rechtliche Einstufung der Urkunde als unecht maßgeblichen Frage findet schon gar nicht statt. Das Urteil führt nur aus, dass sich der Angeklagte „entweder in den Besitz des Impfausweises […] brachte oder er einen solchen Impfausweis […] verfälschte, obwohl die dokumentierte Impfung bei ihm nicht durchgeführt worden war.“ Bei der vom Amtsgericht lediglich unterstellten, allerdings nicht beweiswürdigend belegten ersten Alternative kann von einem „unechten“ Dokument nicht die Rede sein. Denn sollte ein aus dem Impfausweis ersichtlicher Aussteller die Eintragung vorgenommen haben, würde es sich um eine echte Urkunde handeln, deren Gebrauch nicht nach § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB strafbar wäre.

bb) Den Ausführungen des Amtsgerichts kann ebenfalls nicht entnommen werden, ob es sich um eine Verfälschung einer ursprünglich echten Urkunde handelte. Zwar geht das Tatgericht hiervon alternativ aus, schildert aber auch insoweit keine tatsächlichen Vorgänge, sondern verwendet wiederum nur den Rechtsbegriff des Verfälschens. Eine Verfälschung liegt in der inhaltlichen Veränderung der gedanklichen Erklärung einer ursprünglich echten Urkunde (vgl. BGH, Beschl. v. 21.09.999 – 4 StR 71/99 = BGHSt 45, 197 = EBE/BGH 1999, 348 = NJW 2000, 229 = VersR 1999, 1554 = DAR 1999, 557= MDR 1999, 1503 = ZfSch 2000, 36 = StraFo 2000, 24 = NZV 2000, 47 = wistra 2000, 62 = VRS 98, 129 [2000] = VerkMitt 2000, Nr 17 = BGHR StGB § 267 Abs 1 Verfälschen 2 = JZ 2000, 424 = DAR 2000, 194), was nur dann der Fall sein kann, wenn die Urkunde von dem aus ihr hervorgehenden Aussteller stammte. Auch insoweit kann den Urteilsgründen aber nichts zum tatsächlichen Aussteller und zur Echtheit entnommen werden; schon gar nicht wird der vom Amtsgericht schlicht unterstellte Verfälschungsvorgang beschrieben……“

OWi III: Geldbuße bei einer OWi-Trunkenheitsfahrt, oder: Erhöhung und Zahlungsschwierigkeiten

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Und zum Tagesschluss komme ich noch einmal auf den KG, Beschl. v. 16.02.2022 – 3 Ws (B) 24/22 – zurück, über den ich auch schon einmal wegen der verfahrensrechtlichen Problematik berichtet habe (vgl. Rechtsmittel III: Rechtsmittelbeschränkung in der HV, oder: Anwesender Betroffener/Angeklagter).

Heute geht es um die Ausführungen des KG zur Geldbuße:

„a) Zutreffend hat das Amtsgericht seiner Rechtsfolgenentscheidung den für den fahrlässigen Verstoß gegen § 24a StVG bei einer einschlägigen Voreintragung vorgesehenen Bußgeldtatbestand nach §§ 1, 4 Abs. 3 BKatV in Verbindung mit Nr. 241.1 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV zugrunde gelegt.

Das Tatgericht hat auch mitgeteilt, welche im Fahreignungsregister nach § 24a StVG oder §§ 316, 315c Abs. 1a StGB eingetragene Entscheidung es verwerten und zum Anlass der Rechtsfolgenbemessung nehmen will (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 2021 – 3 Ws (B) 87/21 -, juris): Es wird ausdrücklich auf die einschlägige – gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) StVG i.V.m. Nr. 2.2.1 der Anlage 13 zu § 40 FeV i.V.m. Nr. 241.1 der Tabelle 1 des Anhangs BKat nicht tilgungsreife – Voreintragung Bezug genommen, wonach der Polizeipräsident in Berlin mit Bescheid vom 24. Juli 2018, rechtskräftig seit dem 27. Dezember 2018, mit einem Bußgeld von 530,00 Euro und einem einmonatigem Fahrverbot geahndet hat, dass der Betroffene am 2. Juni 2018 fahrlässig ein Kraftfahrzeug, mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,33 mg/l geführt hat (UA, S. 3).

b) Rechtsfehlerfrei hat sich das Amtsgericht bei der Bemessung der Geldbuße an dem Regelsatz von 1.000,00 Euro der einschlägigen 241.1 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert.

aa) Da die vom Tatgericht angeführte Eintragung im Fahreignungsregister in 241.1 BKat berücksichtigt ist, § 3 Abs. 1 BKatV, scheidet eine Erhöhung der Regelbuße wegen eben dieser Vorbelastung aufgrund des im Ordnungswidrigkeitenverfahrens entsprechend anzuwendenden Doppelverwertungsverbotes nach § 46 Abs. 3 StGB aus (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 5 Ss 337/13 -, juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 17 Rn. 17). Auch wenn die Urteilsgründe insofern missverstanden werden könnten („Von der Möglichkeit der Erhöhung des Bußgeldes angesichts der einschlägigen Voreintragung […] hat das Gericht keinen Gebrauch gemacht“, UA, S. 3), hat dies vorliegend keine Auswirkungen, da eine Erhöhung der Regelbuße ersichtlich nicht erfolgt ist.

bb) Nach Maßgabe von § 17 Abs. 3 Satz 2, 1. Hs. OWiG hat das Tatgericht auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bei der Zumessung der Geldbuße ausreichend berücksichtigt und ihnen durch Zahlungserleichterungen in Form der bewilligten Ratenzahlung gemäß § 18 OWiG Rechnung getragen.

Nach den auf der Grundlage der Angaben des anwesenden Betroffenen getroffenen Urteilsfeststellungen bestehen keine konkreten Anhaltspunkte für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen: Mit einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 2.100,00 Euro verfügt er über ein auskömmliches Einkommen, auch wenn er monatlich nahezu 900,00 Euro wegen diverser rückzuzahlender Verbindlichkeiten abzuleisten hat (UA, S. 2, 3).

Etwaige Zahlungsschwierigkeiten, die sich im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Betroffenen ergeben, sind im Übrigen kein Grund für eine Herabsetzung einer der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Schuldvorwurfs angemessenen Geldbuße. Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen ist dann vielmehr durch Zahlungsaufschub oder Ratenzahlung Rechnung zu tragen. Allerdings darf sich das Gericht mit einem pauschalen Rückgriff auf Zahlungserleichterungen nach § 18 OWiG nicht dem Gebot entziehen, die Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2022 – 3 Ws (B) 1/22 -; OLG Koblenz, Beschluss vom 10. März 2010 – 2 SsBs 20/10 -, juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 17 Rn. 21).

Zwar wird den Betroffenen die Geldbuße hart treffen. Das gibt jedoch zu einer Minderung des Betrags keinen Anlass. Das Gebot, bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen, ist nicht dahin misszuverstehen, dass nur solche Geldbußen festzusetzen seien, die sich für den Betroffenen nicht belastend auswirken (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2022 und OLG Koblenz, Beschluss vom 10. März 2010, jeweils a.a.O.).

Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen hat das Tatgericht rechtsfehlerfrei durch Zahlungserleichterungen in Form der bewilligten Ratenzahlung gemäß § 18 OWiG Rechnung getragen. Denn in Anbetracht der im amtsgerichtlichen Urteil festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen ist nicht davon auszugehen ist, dass er die Geldbuße von 1.000,00 Euro in voller Höhe aus seinem laufenden Einkommen oder aus liquiden Rücklagen zahlen kann.“

OWi II: Mal wieder ein bisschen OWi-Verfahrensrecht, oder: Beweisinterlokut, SV-Gutachten, Urteilsgründe

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Im zweiten Posting dann drei Entscheidungen zum Owi-Verfahrensrecht, und zwar:

Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt vom Tatrichter   keine Erklärung, wie er die erhobenen Beweise würdigen will. Ein solches Interlokut ist dem Strafprozessrecht fremd. Es ist vielmehr Aufgabe des Verteidigers, seine Prozessanträge umsichtig auf die Verfahrenssituationen auszurichten.

Die Urteilsgründe bilden eine Einheit, deren tatsächliche Angaben das Rechtsbeschwerdegericht auch dann berücksichtigt, wenn sie sich in solchen Zusammenhängen befinden, in denen sie nach dem üblichen Urteilsaufbau nicht erwartet werden.

Hat der Verteidiger konkrete Zweifel an einer ordnungsgemäßen Messung und der Verwertbarkeit geäußert, können die Zweifel nicht durch den Verweis des Gerichtes auf ein Sachverständigengutachten beseitigt werden, wenn dieses nicht Gegenstand der Hauptverhandlung war.

StGB II: Unter Drogen auf der Flucht vor der Polizei, oder: Allein die Ergebnisse der Blutprobe reichen nicht

Die zweite Entscheidung kommt dan auch vm BGH. Der 4. Strafsenat hat mal wieder zu den Feststellungen für eine Drogenfahrt Stellung genommen.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verurteilt. Das LG ist nach einen Feststellungen – wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext – von zwei Polizeifluchtfäln ausgegangen. Dem Angeklagten an den Tattagen entnommene Blutproben wiesen jeweils 320 Mikrogramm Amphetamin sowie bei der ersten Fahrt 3,4 Mikrogramm THC und bei der zweiten Fahrt 17 Mikrogramm THC pro Liter Blut auf.

Das LG hat die Fahruntüchtigkeit des Angeklagten zunächst mit dessen geständiger Einlassung zum Konsum von Betäubungsmitteln und mit den Ergebnissen der Blutproben begründet. Im Übrigen hat es lediglich ausgeführt, dass die Feststellungen zum Fahrverhalten des Angeklagten auf dessen Einlassung – der ein Einfluss seiner Intoxikation nicht zu entnehmen ist („in Panik geraten“) beruhen.

Diese Ausführungen waren nach Auffassung des BGH nicht ausreichend, so dass er das angefochtene Urteil mit dem BGH, Beschl. v. 02.08.2022 – 4 StR 231/22 – insoweit aufgehoben hat:

„c) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Der Nachweis einer drogenbedingten Fahrunsicherheit im Sinne von § 316 StGB kann – wovon auch das Landgericht ausgegangen ist – nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Es bedarf weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16 Rn. 10; Beschluss vom 2. Juni 2015 – 4 StR 111/15 Rn. 9; Urteil vom 15. April 2008 – 4 StR 639/07 Rn. 10 ff.; Beschluss vom 3. November 1998 – 4 StR 395/98 , BGHSt 44, 219, 221 ff. ). Dies hat das Tatgericht anhand einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1982 – 4 StR 43/82 , BGHSt 31, 42, 44 ff. ; Pegel in MüKo-StGB, 3. Aufl., § 316 Rn. 53, Krumm, NZV 2009, 215, 217).

bb) Das Landgericht scheint in dem grob fehlerhaften und risikoreichen Fahrverhalten des Angeklagten drogenbedingte Ausfallerscheinungen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. April 1982 – 4 StR 43/82 , BGHSt 31, 42, 45 ; König in LK-StGB, 13. Aufl., § 316 Rn. 97) erblickt zu haben. Eine diese Annahme tragende Beweiswürdigung ist den Urteilsgründen jedoch nicht zu entnehmen. Diese wäre aber erforderlich gewesen, denn es versteht sich unter den hier gegebenen Umständen auch nicht etwa von selbst, dass in dem festgestellten Fahrverhalten des Angeklagten eine drogenbedingte Fahrunsicherheit zum Ausdruck gekommen ist. Dabei hätte insbesondere in die Beurteilung einfließen müssen, dass das Fahrverhalten des Angeklagten in beiden Fällen darauf ausgerichtet war, sich von ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen abzusetzen. Die Strafkammer hätte deshalb erörtern müssen, ob und inwieweit die fehlerhafte und riskante Fahrweise des Angeklagten nicht auf seinem Fluchtwillen beruhte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16 Rn. 10; Beschluss vom 11. Februar 2014 – 4 StR 520/13 Rn. 2; Beschluss vom 25. Mai 2000 – 4 StR 171/00 Rn. 5 mwN). Die nicht weiter konkretisierte Feststellung, der Angeklagte sei auf der Autobahn „Schlangenlinien“ gefahren, ist für sich genommen noch nicht geeignet, seine Fahruntüchtigkeit bei der ersten Tat zu belegen, zumal die Strafkammer auch hier einen allein fluchtbedingten Grund für das Fahrverhalten des Angeklagten nicht ausgeschlossen hat.

Auch mit Blick auf die mitgeteilten Blutwerte versteht sich ein Indizwert des Fahrverhaltens des (konsumgewohnten) Angeklagten für seine jeweilige Fahruntüchtigkeit nicht von selbst. Zwar können die Anforderungen an Art und Ausmaß drogenbedingter Ausfallerscheinungen umso geringer sein, je höher die im Blut festgestellte Wirkstoffkonzentration ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 1998 – 4 StR 395/98 , BGHSt 44, 219, 225 ; s. dazu auch BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 – 4 StR 477/11 Rn. 3 f.). Dem steht aber entgegen, dass die Strafkammer bei der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten jeweils nicht von einer „manifesten Intoxikation“ ausgegangen ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2008 – 4 StR 272/08 Rn. 8; Beschluss vom 3. November 1998 – 4 StR 395/98 , BGHSt 44, 219, 225 ).“