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OWi II: Wenn die Ampel nicht auf „Grün“ springt, oder: Kein Vorsatz bei irrtümlicher Annahme von „Dauerrot“

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Hamburg, Beschl. v.  11.09.2023 – 5 ORbs 25/23 – zu einem Roltichtverstoß. Der ist allerdings nicht von einem Kraftfahrer begangen worden, sondern von einem Fahrradfahrer. Die vom OLG u.a. entschiedene Frage hat aber auch beim Kraftfahrer Bedeutung.

Das AG hatte folgende Feststellungen getroffen:

„Die Betroffene befuhr am 24.07.2022 gegen 20:15 Uhr als Radfahrerin die Straße A. in Richtung Süden und hielt vor der für sie Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage an der Kreuzung zur Straße R.. Vor der Lichtzeichenanlage, die nicht defekt war, aber mit einer Kontaktschleife ausgestattet ist, wartete die Betroffene mehrere Minuten lang, ohne dass die Lichtzeichenanlage auf Grün umschaltete. Wie lange die Betroffene genau wartete, konnte das Amtsgericht nicht feststellen; es ging jedoch zu Gunsten der Betroffenen davon aus, dass die Wartezeit zumindest 5 Minuten betrug. Da die Betroffene einen Defekt der Lichtzeichenanlage vermutete, überquerte sie die Kreuzung bei Rot. Zu einer Gefährdung der Betroffenen oder anderer Verkehrsteilnehmer kam es dadurch nicht. Die Betroffene hätte die Möglichkeit gehabt, abzusteigen und die Kreuzung mit Hilfe einer auf der rechten Seite befindlichen, mit einem Anfrageknopf ausgestatteten Fußgängerbedarfsampel zu überqueren.“

Das Amtsgericht hat das Tatgeschehen als vorsätzlichen, qualifizierten Rotlichtverstoß gem. §§ 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 6, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO i.V.m. § 24 StVG gewertet und hat gegen die Betroffene eine Geldbuße in Höhe von € 100,00 verhängt. In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, dass der Fall nicht vergleichbar sei mit den Fällen, in denen ein Kraftfahrer bei einer defekten Lichtzeichenanlage nach minutenlangem Warten an einer nicht auf Grün umspringenden Ampel vorsichtig in die Kreuzung hineinfahren darf: Zum einen sei die Lichtzeichenanlage vorliegend nicht defekt gewesen. Aber auch wenn die Betroffene hiervon ausgegangen sei, habe sie als Radfahrerin die Kreuzung nicht bei Rot überqueren dürfen, denn anders als einem Kraftfahrer sei es ihr möglich gewesen, vom Fahrrad abzusteigen und die nur wenige Meter entfernte Fußgängerampel zu betätigen und zu benutzen.

Das hat das OLG anders gesehen und aufgehoben:

„2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Eine Verurteilung wegen vorsätzlichen Rotlichtverstoßes ist schon auf der Grundlage der amtsgerichtlichen Feststellungen ausgeschlossen, denn danach hat sich die Betroffene in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum befunden:

Nach inzwischen einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, der der Senat folgt, handelt es sich bei dem von einer Lichtzeichenanlage gezeigten Rotlicht um einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung, der den betroffenen Verkehrsteilnehmern gebietet, vor der Kreuzung zu halten (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO). Zeigt eine Wechsellichtzeichenanlage allerdings aufgrund einer technischen Funktionsstörung dauerhaft Rot, so ist der darin liegende Verwaltungsakt nichtig i.S.d. § 44 VwVfG, weil die Dauer des gezeigten Rotlichts in diesem Fall nicht mehr auf dem vom menschlichen Willen getragenen Schaltplan – der Programmierung durch die Verkehrsbehörde – beruht und sich die Unsinnigkeit eines „Dauerrot“-Gebotes ohne weiteres aufdrängt (OLG Köln, Beschluss vom 29.04.1980 – 1 Ss 1037 B 7/79 = VRS 59, 454; OLG Hamm, Beschluss v. 10.06.1999 – 2 Ss OWi 486/99 = MDR 1999, 1264; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl., Rn. 17b zu § 37 StVO; König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., Rn. 28 zu § 37 StVO). Zu ergänzen ist aus Sicht des Senats insoweit, dass die Nichtigkeit des Verwaltungsakts in diesen Fällen nicht von der Eigenart der von der Lichtzeichenanlage betroffenen Verkehrsteilnehmer abhängt, so dass diese Rechtsprechung nicht nur auf Kraftfahrer Anwendung findet, sondern auf alle Verkehrsteilnehmer, für die das Lichtzeichen im konkreten Fall Geltung beansprucht. Geklärt ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung zudem, dass sich die irrtümliche Annahme einer zum „Dauerrot“ führenden Funktionsstörung der Lichtzeichenanlage als Fehlvorstellung im tatsächlichen Bereich darstellt, die als vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum zu qualifizieren ist (OLG Hamm a.a.O.; AG Dortmund, Beschluss vom 17.01.2017 – 729 OWi 9/17 = VRS 131, 154).

Von einer solchen Fehlvorstellung ist nach den Feststellungen des Amtsgerichts auch die Betroffene ausgegangen, zumal diese aufgrund der langen, zumindest fünfminütigen rotlichtbedingten Wartezeit vermutet hatte, dass die Lichtzeichenanlage defekt sei. Soweit sich das Amtsgericht an der Anwendung der o.g. Rechtsprechung gehindert gesehen hat, weil es angesichts der für die Betroffene gegebenen Möglichkeit zum Absteigen und zur Benutzung der in der Nähe befindlichen, mit einem Anfrageknopf ausgestatteten Fußgängerbedarfsampel an der Vergleichbarkeit fehle, verkennt es, dass die Betroffene nicht als Fußgängerin, sondern als Radfahrerin am Verkehr teilgenommen hat. Für Radfahrer gelten gesonderte Bestimmungen; insbesondere gelten für sie die Lichtzeichen für den Fahrverkehr, solange sie sich nicht auf Radverkehrsführungen bewegen, die mit besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr ausgestattet sind (§ 37 Abs. 2 Nr. 6 StVO). Da eine solche Radverkehrsführung hier nicht vorhanden war, war für die Betroffene allein das – nach ihrer Vorstellung defektbedingt „dauerrote“ – Lichtzeichen der Anlage für den Fahrverkehr maßgeblich. Radfahrende sind auch nicht etwa als „qualifizierte Fußgänger“ anzusehen, denen unabhängig von etwaigen straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen nach Belieben angesonnen werden könnte oder müsste, vom Fahrrad abzusteigen und fortan als Fußgänger am Verkehr teilzunehmen.

Zwar oblagen der Betroffenen beim Einfahren in den Kreuzungsbereich ungeachtet ihrer Fehlvorstellung erhöhte Sorgfaltsanforderungen, zumal sie damit rechnen musste, dass die Lichtzeichenanlage für den Querverkehr – ggf. sogar dauerhaft – grünes Licht zeigt (vgl. OLG Köln a.a.O.: „extremer Misstrauensgrundsatz“). Dass die Betroffene diese Anforderungen missachtet und damit gegebenenfalls gegen das allgemeine Gefährdungs- und Behinderungsverbot des § 1 Abs. 2 StVO verstoßen haben könnte, belegen die amtsgerichtlichen Feststellungen allerdings nicht, zumal es dort heißt, dass es nicht zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen sei.

b) Für eine Verurteilung wegen eines – gleich ob vorsätzlich oder fahrlässig begangenen – Rotlichtverstoßes konnte zudem nicht offenbleiben, ob die Kontaktschleife, mit der die Bedarfslichtzeichenanlage ausgestattet ist, durch Radfahrende überhaupt ausgelöst werden konnte.

aa) Das Amtsgericht hat hierzu keine abschließenden Feststellungen getroffen. Soweit es in den Gründen des angefochtenen Urteils heißt, dass die Lichtzeichenanlage keinen „Defekt“ aufgewiesen habe, ist damit ersichtlich nur gemeint, dass die Anlage im Tatzeitpunkt plangemäß funktionierte; dies lässt die Möglichkeit offen, dass die Anlage technisch von vornherein so ausgelegt war, dass die Kontaktschleife nur von Kraftfahrzeugen, nicht aber von Radfahrenden ausgelöst werden konnte. Andererseits ist auch nicht positiv festgestellt, dass es sich in diesem zuletzt genannten Sinne verhielt. Insoweit heißt es in den Urteilsausführungen zur Beweiswürdigung lediglich, der als Zeuge vernommene Polizeibeamte B. habe „vermutet“, dass die Betroffene die Kontaktschleife als Radfahrerin nicht habe auslösen können.

bb) Diese Frage konnte indessen nicht offenbleiben. Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass die Kontaktschleife zum Tatzeitpunkt plangemäß oder versehentlich so ausgelegt war, dass die Bedarfsanforderung durch Radfahrende nicht ausgelöst werden konnte, so wäre die Halteanordnung in Gestalt des Rotlichtsignals der Lichtzeichenanlage nämlich jedenfalls für Radfahrer – und damit auch für die Betroffene – als (teil-)nichtig i.S.d. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG anzusehen:

Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, geht die Rechtsprechung zutreffend da-von aus, dass ein Rotlichtsignal, das sich aufgrund einer Funktionsstörung der Lichtzeichenanlage als „Dauerrot“ darstellt, keine Wirkung entfaltet, weil der zugrunde-liegende Verwaltungsakt i.S.d. § 44 VwVfG nichtig ist; infolgedessen darf der betroffene Verkehrsteilnehmer trotz Rotlichts – wenngleich unter Wahrung höchster Sorgfaltsanforderungen – in den Kreuzungsbereich einfahren (vgl. die obigen Nachweise unter Ziff. 2a). Entsprechendes hat allerdings auch dann zu gelten, wenn eine Lichtzeichenanlage mit einer die Bedarfsschaltung auslösenden Kontaktschleife ausgestattet ist, die jedoch von bestimmten Verkehrsteilnehmern, für die die Lichtzeichenanlage Geltung beansprucht, aus technischen Gründen nicht ausgelöst werden kann (ebenso MüKoStVR-Kettler, 1. Aufl., Rn. 14 zu § 37 StVO). Auch hier erweist sich die Halteanordnung – jedenfalls im Hinblick auf diejenigen Verkehrsteilnehmer, denen es technisch nicht möglich ist, die Bedarfsanfrage auszulösen – als (teil-)nichtig i.S.d. § 44 HmbVwVfG. In diesem Falle weist die Halteanordnung nämlich einen schwerwiegenden Fehler im Sinne dieser Vorschrift auf. Sie käme für Radfahrer faktisch einem vollständigen Durchfahrtsverbot nahe, zumal eine Verkehrsfreigabe in Gestalt des Grünlichts (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 StVO) nur dann erteilt würde, wenn sich zufällig gleichzeitig mit dem Radfahrenden ein die Anfrage auslösendes Kraftfahrzeug im Bereich der Kontaktschleife befindet. Ein solches „Regelungsprogramm“ ist mit § 37 Abs. 2 StVO unvereinbar, denn diese Vorschrift erlaubt allein die Aufstellung von Wechsel(!)lichtzeichenanlagen mit dem Zweck der Regelung des – naturgemäß wechselnden – Vorrangs der Verkehrsteilnehmer. Damit ist es unvereinbar, wenn eine Wechsellichtzeichenanlage für bestimmte Verkehrsteilnehmer „Dauerrot“ zeigt bzw. die Einräumung des Vorrangs davon abhängig macht, dass sich zufällig ein anderer, die Bedarfsanfrage auslösender Verkehrsteilnehmer der Lichtzeichenanlage in gleicher Fahrtrichtung nähert. Dieser Fehler ist auch offensichtlich i.S.d. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG, denn die Unsinnigkeit einer vermeintlichen Vorrangregelung, die sich für bestimmte Gruppen von Verkehrsteilnehmer faktisch nahezu als Durchfahrtverbot darstellt, drängt sich ohne Weiteres auf. Auf die Erkennbarkeit dieses Fehlers für den Verkehrsteilnehmer in der konkreten Verkehrssituation kommt es für die Frage der Offensichtlichkeit i.S.d. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG nicht an, da insoweit an das Urteil eines fiktiven verständigen Dritten anzuknüpfen ist, dem die Kenntnis aller in Betracht kommenden Umstände zu unterstellen ist (BVerwG, Beschluss vom 19.10.2015 – 5 P 11/14 = NZA-RR 2016, 166, juris Rn. 23).“

OWi I: Geschwindigkeitsüberschreitung auf der BAB, oder: Beweiswürdigung beim Vorsatz

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Und dann heute ein wenig OWi, ein paar Entscheidungen habe ich vorliegen, die ich vorstellen kann.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 06.09.2023 – 202 ObOWi 910/23 – zur „richtigen“ Beweiswürdigung hinsichtlich des Vorsatzes bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer auf einer Autobahn begangenen vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Dazu führt das BayObLG aus:

„Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der seine Fahrereigenschaft einräumende, Richtigkeit und Verwertbarkeit der (standardisierten) Messung nicht anzweifelnde Betroffene am 24.11.2022 um 17.01 Uhr als Führer eines Personenkraftwagens die BAB A8 in Richtung München, wobei er in Höhe der Messstelle die zuvor jeweils durch beidseitig insgesamt dreimal aufgestellte Schilderpaare auf 130 km begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit mit gemessenen (mindestens) 181 km/h um 51 km/h überschritt. Der Betroffene handelte hierbei nach Ansicht der Amtsgerichts vorsätzlich, da er „entweder […] die zulässige Höchstgeschwindigkeit erkannt“ hatte, „indem er mindestens eines der sechs aufgestellten Schilder gesehen […] und diese bewusst ignoriert, oder […] die Beschilderung von Anfang an völlig ignoriert und außer Betracht gelassen und gleichzeitig die ihm bekannte Geschwindigkeitsbegrenzung völlig verdrängt“ hat, „so dass er zumindest billigend in Kauf genommen hat, die Geschwindigkeitsbegrenzung massiv zu überschreiten“.

Zum Tatvorwurf ließ sich der Betroffene im Wesentlichen dahin ein, dass er sich auf dem Weg von seinem Wohnort zu einem Termin in München befunden habe und die Strecke regelmäßig befahre. Bis zu dem Termin um 19.30 Uhr habe er reichlich Zeit gehabt, weshalb er nicht sofort auf die Autobahn aufgefahren, sondern zunächst noch weiter Landstraße bis Leipheim gefahren sei. Noch vor der Geschwindigkeitsmessung habe er sich an der dortigen Tank- und Rastanlage etwas zum Trinken gekauft, ehe er erst an der dortigen Anschlussstelle in Fahrtrichtung München auf die Autobahn aufgefahren sei. Die Strecke zum Flughafen München kenne er gut, da er geschäftlich häufig über den besagten Flughafen reise. „Am Tattag sei er wohl unachtsam gewesen und habe deshalb das 130er-Schild nicht gesehen. Es sei ein Versehen gewesen, dass er so schnell gefahren sei“. Das Amtsgericht hat diese Einlassung des Betroffenen dahin gewürdigt, dass selbst dann, wenn man zu seinen Gunsten hinsichtlich der behaupteten Fahrtstrecke aufgrund des vorangegangenen Halts an der Tank- und Rastanlage nicht von einer Schutzbehauptung ausgehe und der Betroffene deshalb nur ein die Geschwindigkeit auf 130 km/h begrenzendes Schilderpaar vor der Messstelle passiert haben sollte, von Tatvorsatz auszugehen sei. Denn insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Betroffene „beim Verlassen der Tank- und Rastanlage […] genau auf ein Verkehrszeichen mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit 130 km/h zugefahren“ sei, welches „prominent am Ende des Beschleunigungsstreifens“ stehe, weshalb man „auf das rechte der beiden Verkehrszeichen […] quasi direkt“ zufahre. Im Übrigen habe der Betroffene nicht geltend gemacht, dass dieses Schild durch Schwerlastverkehr verdeckt gewesen sei, obwohl er sich an diverse andere Details zum Tattag noch genau erinnern könne. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die vorhandene Begrenzung seit Jahren unverändert bestehe und der Betroffene selbst angebe, die Strecke regelmäßig zu befahren, weshalb er die massive Geschwindigkeitsüberschreitung „in jedem Fall zumindest billigend in Kauf genommen“ habe.“

Dagegen die Rechtsbeschwerde, die Erfolg hat. Das BayObLG moniert die Beweiswürdigung. Hier die Leitsätze zu der Entscheidung – Rest dann bitte im Selbstleseverfahren:

    1. Die Möglichkeit, die eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf einer Autobahn anordnenden Verkehrszeichens übersehen zu haben, ist stets dann in Rechnung zu stellen, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben oder im Verfahren von dem Betroffenen eingewandt wird, die beschränkenden Vorschriftszeichen übersehen zu haben. Ist ein solcher Fall gegeben, müssen die tatrichterlichen Feststellungen deshalb selbst bei einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung eindeutig ergeben, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsbeschränkung kannte und entweder bewusst dagegen verstoßen oder aber den Verstoß zumindest billigend in Kauf genommen hat.
    2. Die der Verurteilung wegen einer auf einer Autobahn (bedingt) vorsätzlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde liegende Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft, wenn sie auf einer vom Tatgericht angenommenen Tatsachenalternativität beruht, deren Grundlagen durch die Beweisaufnahme nicht durch Tatsachen belegt sind, die erkennen lassen, dass die gezogenen Schlussfolgerungen mehr als nur eine Vermutung rechtfertigen.

Einzelrichter.

Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG II, oder: „Tolle“ Angaben nach Drogenfahrt mit einem E-Scooter

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Wer unter Cannabiseinfluss mit einem E-Scooter im öffentlichen Straßenverkehr fährt (§ 316 StGB), muss mit dem Entzug der Fahrerlaubnis rechnen durch das Straßenverkehrsamt rechnen. So hat das VG Berlin in einem Eilverfahren im VG Berlin, Beschl. v. 17.07.2023 –  VG 11 L 184/23) entschieden.

Das Straßenverkehrsamt hatte einem Betroffenen aufgegeben, binnen drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung einzureichen. Begründet worden ist das mit einer Fahrt mit einem E-Scooter, bei der der Betroffene nach Fahrauffälligkeiten angehalten und ihm eine Blutprobe entnommen worden war. Die wies einen THC-Wert von 4,4 ng/ml auf. Gegenüber den anhaltenden Polizisten äußerte der Antragsteller, jeden Tag Cannabis zu konsumieren und jeden Tag Auto zu fahren; dies stellte er im Nachhinein als nicht ernst gemeint dar. Als der Betroffene auf die Anforderung des Gutachtens nicht reagierte, ist ihm mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis entzogen. Dagegen der Eilantrag, der keinen Erfolg hatte:

„….

(2) Die Gutachtenanordnung ist auch materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechts-grundlage in § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV. Hintergrund der Gutachtenanordnung ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter einer fahrsicherheitsrelevanten Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, die Fahrerlaubnisbehörde in der Regel nicht ohne weitere Sachaufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen darf. Erforderlich für die Fahrerlaubnisentziehung ist in solchen Fällen die Prognose, dass der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen wird. Damit diese Prognose auf eine hinreichend abgesicherte Grundlage gestützt werden kann, bedarf es in der Regel eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, über dessen Einholung die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat (BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – BVerwG 3 C 14.17 –, juris Rn. 10). Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen gelegentlichen Konsumenten von Cannabis. Gelegentlicher Konsum liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – BVerwG 3 C 3/13 –, juris Rn. 17 ff.). Die eigenen Angaben des Klägers legen hier einen solchen Gelegenheitskonsum nahe. Weder im Rahmen der polizeilichen Anhörung noch im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren hat der Antragsteller einen erstmaligen Konsum behauptet. Nach den unwidersprochenen Feststellungen im polizeilichen Tätigkeitsbericht vom 11. Juli 2022 gab der Antragsteller vielmehr gegenüber der Polizei an, dass er „jeden Tag rauche“, wobei er dem Kontext nach den Konsum von Cannabis gemeint hat. Hieraus kann auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum geschlossen werden. Im Anschluss stellte er seine Aussage laut Polizeibericht zwar als Witz dar. Er widersprach indes seiner vorherigen Angabe auch nicht ernsthaft und muss sich vor diesem Hintergrund an dieser festhalten lassen.

Bei der Teilnahme am Straßenverkehr – wenn auch mit einem Elektrokleinstfahrzeug – unter Cannabiseinfluss am 11. Juli 2022 handelt es sich um eine weitere Tatsache, die Zweifel an der Fahreignung begründet.

Denn auch ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Tatsache, die Bedenken gegen die Fahreignung begründet und nach § 46 Abs. 3 FeV zur Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV, namentlich des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, führt (BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – BVerwG 3 C 14.17 –, juris Rn. 37). Dabei ist auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Elektrokleinstfahrzeug das Trennungsgebot zu beachten. Auch solche Elektro-kleinstfahrzeuge wie etwa E-Scooter sind – ungeachtet des Umstands, dass sie fahrerlaubnisfrei geführt werden dürfen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a FeV) – Kraftfahrzeuge, wenn sie die in § 1 der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung – eKFV) vom 6. Juni 2019 (BGBl I S. 756), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Für sie gilt daher – bezogen auf Cannabis – der Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG und damit auch das Trennungsgebot gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV (BayVGH, Beschluss vom 15. März 2023 – VGH 11 CS 23.59 –, juris Rn. 15).

Die Grenze hinnehmbaren Cannabiskonsums ist nicht erst dann überschritten, wenn mit Gewissheit eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit anzunehmen ist oder sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht haben, sondern bereits dann, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – BVerwG 3 C 3.13 –, juris Rn. 32 ff). Dabei fehlt schon – jedenfalls bei einem Pkw – ab einem im Blutserum festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/ml die Fahrtüchtigkeit (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2016 – 1 B 37.14 –, juris Rn. 18). Diesen Wert hat der Antragsteller überschritten, weil er ein Elektrokleinstfahrzeug geführt hat und bei ihm eine THC-Konzentration von 4,4 ng/ml festgestellt wurde. Zweifel an der Richtigkeit des Behördengutachtens des Landeskriminalamtes vom 3. August 2022 sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Zwar führte der Antragsteller bei dem dokumentierten Vorfall ein Elektrokleinstfahrzeug und nicht etwa einen Pkw. Hinzu tritt indes, dass ausweislich des vorliegenden Polizeiberichtes seine Fahrweise auf eine signifikante Beeinträchtigung seiner Fahr-tüchtigkeit hindeutete und er die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Eigentum an den in der betreffenden Straße abgestellten Fahrzeugen gefährdete, da er Schlangenlinien fuhr und mehrfach nah an geparkte Kfz geriet. Bei seiner Befragung durch die Polizei gab er zudem an, täglich sowohl Cannabis zu konsumieren als auch mit dem Auto zu fahren. Er räumte also selbst einen regelmäßigen Verstoß gegen das Trennungsgebot auch beim Autofahren ein.“

Ist natürlich „begnadet“ und wird jeden Rechtsanwalt freuen, wenn der Mandant gegenüber der Polizei nach einem Vorfall im Straßenverkehr igeäußert hat, „dass er „jeden Tag rauche“, wobei er dem Kontext nach den Konsum von Cannabis gemeint hat„. Traumhaft/toll 🙂 .

 

Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG I, oder: Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad/Pedelec

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Vergebens hat ein Betroffener in einem jetzt vom BayVGH entschiedenen Fall gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 3 StVG gekämpft. Das Landratsamt hatte die Entziehung damit begründet, dass der Betroffene mit seinem Pedelec gestürzt und dabei erheblich verletzt worden sei. Es sei eine BAK von 2,08 ‰ festgestellt worden. Der Betroffene hatte sich damit verteidigt, das Fahrrad nur geschoben zu haben.

Das hat ihm nicht geholfen. Der BayVGH hat im BayVGH, Beschl. v. 07.09.2023 – 11 CS 23.1298 – den VG-Beschluss betreffend die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins bestätigt:

„Gemessen daran begegnen die vom Landratsamt verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere durfte das Landratsamt davon ausgehen, dass der Antragsteller das Fahrrad (Pedelec) am 26. Mai 2022 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,08 ‰ nicht nur geschoben hat, sondern dass er damit gefahren ist und es somit geführt hat.

a) Der Begriff des „Führens“ eines Fahrzeugs im Sinne von 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV deckt sich mit dem des § 316 StGB und § 24a StVG (Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 13 FeV Rn. 23d). Wer auf einem rollenden Fahrrad sitzt, führt es (BayVGH, B. v.. 17.11.2014 – 11 ZB 14.1755NJW 2015, 1626 Ls. und Rn. 16 ff.). Die Länge der gefahrenen Strecke ist unerheblich (vgl. BayVGH, B. v.. 15.3.2021 – 11 CS 20.2867 – DAR 2021, 647 Rn. 15; B. v.. 5.2.2021 – 11 ZB 20.2611 – juris Rn. 27). Das Schieben eines Fahrrads erfüllt hingegen nicht den Begriff des „Führens“.

Es muss mit hinreichender Gewissheit feststehen, dass der Betroffene das Fahrzeug geführt hat (vgl. BVerwG, U. v.. 7.4.2022 – 3 C 9.21BVerwGE 175, 206 Rn. 38 für wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss als Voraussetzung für eine Beibringungsanordnung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV). Allerdings ist hierfür eine Ahndung als Straftat nach § 316 StGB nicht zwingend. Vielmehr ist die Fahrerlaubnisbehörde – soweit sie keinen Beschränkungen nach dem Abweichungsverbot des § 3 Abs. 4 StVG unterliegt – befugt, die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV eigenständig und unabhängig davon zu beurteilen, ob die Tat geahndet wurde oder nicht. Wesentlich für die Auslegung der in § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es bei § 13 FeV noch nicht unmittelbar um die Entziehung der Fahrerlaubnis geht, sondern um die dieser Entscheidung vorgelagerte Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik. Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens dient der Vorbereitung der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen. Gleiches gilt gemäß § 46 Abs. 3 FeV im Vorfeld der Entscheidung über eine Entziehung oder Beschränkung der Fahrerlaubnis. Damit steht § 13 FeV in einem anderen systematischen Kontext als die Vorschriften in § 4 StVG zum Fahreignungs-Bewertungssystem, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG für Maßnahmen eine rechtskräftige Ahndung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit voraussetzen. Eine solche Anknüpfung an die rechtskräftige Ahndung enthält § 13 FeV aber gerade nicht. Das bedeutet allerdings mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und die mit einer medizinisch-psychologischen Begutachtung für den Betroffenen verbundenen Belastungen nicht, dass bereits ein vager Verdacht die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigt. Vielmehr müssen die von der Fahrerlaubnisbehörde herangezogenen Umstände in den Verfahrensakten hinreichend dokumentiert sein (vgl. BVerwG, U. v.. 7.4.2022 a.a.O. Rn. 30-39).

b) Hiervon ausgehend hat das Landratsamt zu Recht angenommen, dass der Antragsteller mit dem Pedelec gefahren und dabei gestürzt ist. Zwar weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass es keine ihn belastenden Aussagen von Zeugen gibt, die ihn fahrend gesehen hätten. Jedoch sprechen nach Aktenlage die überwiegenden und hinreichend dokumentierten Umstände für eine Trunkenheitsfahrt.

Dem Polizeiprotokoll, mit dem die Polizeiinspektion Bad Kissingen das Landratsamt gemäß § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG über das Unfallgeschehen am 26. Mai 2022 informiert hat und auf das sich das Landratsamt ebenso wie das Verwaltungsgericht stützen konnte (vgl. BayVGH, B. v.. 15.3.2021 a.a.O. Rn. 18), ist zu entnehmen, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers bei ihrer ersten Befragung spontan geäußert hat, der Antragsteller sei „beim Fahren falsch abgebogen bzw. habe den Graben übersehen“. Der befragte Rettungssanitäter bestätigte, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers ihm gegenüber zuvor ebenfalls geäußert habe, der Antragsteller sei falsch abgebogen. Diesen spontanen Äußerungen kommt trotz der Alkoholisierung der Lebensgefährtin des Antragstellers erhebliches Gewicht zu. Erst zu einem späteren Zeitpunkt hat sie ihre Aussage dahingehend relativiert, sie habe nicht sehen können und wisse daher nicht, was der Antragsteller gemacht habe. Damit hat sie jedenfalls auch nicht dessen Einlassung bestätigt, das Fahrrad nur geschoben zu haben.

Das Verhalten des Antragstellers im Strafverfahren spricht ebenfalls dafür, dass er mit dem Fahrrad gefahren ist. Nach seinem Einspruch gegen den zunächst erlassenen Strafbefehl vom 13. September 2022 wegen einer Trunkenheitsfahrt hat das Amtsgericht Bad Kissingen das Verfahren mit Beschluss vom 18. November 2022 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Voraussetzung hierfür ist zum einen die Zustimmung des Antragstellers als Angeschuldigter und zum anderen muss die Schuld des Täters als gering anzusehen sein, was nur der Fall ist, wenn ein Tatnachweis möglich ist. Dies hat das Amtsgericht dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es in den Gründen ausgeführt hat, der Antragsteller sei hinreichend verdächtig, ein Vergehen nach § 316 StGB begangen zu haben. Ansonsten hätte es das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einstellen bzw. den Antragsteller freisprechen müssen. Ein Schuldspruch setzt den entsprechenden Tatnachweis voraus; verbleiben Zweifel, gilt ‚in dubio pro reo‘. Das Amtsgericht Bad Kissingen hat den Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 9. November 2022 darauf hingewiesen, dass eine Einstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis des Antragstellers möglich ist und dass dieser dann die notwendigen eigenen Auslagen selbst trägt. Wäre der Antragsteller der Auffassung gewesen, der Tatnachweis könne nicht geführt werden, hätte er seine Zustimmung verweigern können, um im Strafverfahren einen Freispruch zu erreichen. Die Darstellung seines Bevollmächtigten, die Vorgehensweise des Amtsgerichts Bad Kissingen sei das „übliche Vorgehen“ der Gerichte als „Flucht“ zur Vermeidung von Rechtsanwaltsgebühren, überzeugt daher nicht.

Dass das Fahrrad keine Beschädigungen aufweist, spricht ebenfalls nicht für die Behauptung des Antragstellers, nicht gefahren zu sein. Wenn der Antragsteller beim Sturz mit seinem Kopf auf einen Stein im Grasgelände aufschlägt, muss das Fahrrad dabei nicht zwingend beschädigt werden. Dieser Umstand kann daher weder für noch gegen die Einlassung des Antragstellers angeführt werden. Gleiches gilt im Übrigen für die Schwere der Kopfverletzung des Antragstellers, der bei dem Unfall keinen Helm getragen hat…..“

OWi III: Vorgaben für standardisiertes Messverfahren?, oder: Nachweis durch Messbeamten

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Und dann zur Abrundung des Tages noch der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.08.2023 – 2 ORbs 37 Ss 506/23 – zur Bedeutung des Messprotokolls für die Anwendung der Grundsätze des standardisierten Messverfahrens.

Dazu das OLG:

„Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die zur Geltendmachung eines – aus einer angeblich fehlenden Unterzeichnung des Messprotokolls abgeleiteten – Beweisverwertungsverbots erforderliche Verfahrensrüge (BGH NStZ 2019, 171) in einer den Anforderungen der §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt ist, wobei im Hinblick auf die erhobene Sachrüge auch die Ausführungen in den Urteilsgründen ergänzend zu berücksichtigen sind (BGH NStZ-RR 2013, 352 mw.N.). Denn die Beanstandung erweist sich ungeachtet der Frage, ob es über die geleisteten Unterschriften hinaus einer weiteren Unterzeichnung des Messprotokolls bedurft hätte, als jedenfalls unbegründet. Beim Messprotokoll handelt es sich um in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Verfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, die keine Vernehmung zum Gegenstand haben (OLG Hamm ZfS 2014, 651). Ob die beurkundete Durchführung der Ermittlungshandlungen tatsächlich stattgefunden hat, ist eine Frage der allgemeinen Beweiswürdigung. Dies kann sich aus der Urkunde selbst, aber auch aus anderen Umständen ergeben. Vorliegend hat sich das Amtsgericht durch die Vernehmung der die maßgeblichen Untersuchungshandlungen durchführenden Beamtin von der Richtigkeit der Eintragungen im Messprotokoll überzeugt. Dies ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.“