Archiv der Kategorie: StPO

beA: Übereinstimmung von Versender und Urheber, oder: Wenn der Urheber nicht über sein beA versendet

Bild von StartupStockPhotos auf Pixabay

Und dann kommen hier die beA-Entscheidungen, auch Zivil- und/oder Strafverfahren, und zwar:

Den Anforderungen der §§ 32a Abs. 3, 32d Satz 2 StPO ist nicht Genüge getan, wenn die Revisionseinlegungsschrift den bestellten Verteidiger des Angeklagten  maschinenschriftlich als Urheber ausweist, der Schriftsatz aber von einem Kanzleikollegen qualifiziert signiert und über dessen Postfach versandt worden. Etwas anderes kann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Versender als Vertreter des Pflichtverteidigers gemäß § 53 BRAO oder als sonstiger Bevollmächtigter des Angeklagten tätig geworden ist. Diese ergeben sich im Zweifel auch  nicht aus einer etwaigen vormaligen Verteidigerstellung, da die Vollmacht des Wahlverteidigers mit Niederlegung des Wahlmandats bei Bestellung zum Pflichtverteidiger erloschen ist.

Die sog. Kongruenz von Versender und Urheber des elektronischen Dokuments ist nicht erforderlich, wenn der Schriftsatz nach § 32a Abs. 3 Var. 1 StPO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des verantwortenden Rechtsanwalts versehen und das elektronische Anwaltspostfach eines anderen Anwalts gleichsam nur zur technischen Übermittlung genutzt wird.

Reicht ein Rechtsanwalt über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einen Schriftsatz, den ein anderer Rechtsanwalt verfasst, aber nicht qualifiziert elektronisch signiert hat, bei Gericht ein, ist dies nicht wirksam (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 28.02.2024 – IX ZB 30/23NJW 2024, 1660).

Wiedereinsetzung: Ausreichende Antragsbegründung?, oder: Rechtsanwalt ohne Kanzleischlüssel

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Heute mache ich dann mal einen „Rechtsmittelfristentag“, oder: Heute gibt es nur Entscheidungen zur Wiedereinsetzung und zum beA. Alle Entscheidungen kommen von ganz oben, also vom BGH. Und: Sie kommen aus dem Zivilrecht und aus dem Strafrecht.

Ich beginne mit den Wiedereinsetzungsentscheidung, und zwar:

1. Zur Erfüllung der Darlegungserfordernissen des § 45 Abs. 1 StPO muss der Antragsteller einen Sachverhalt vortragen, aus dem sich fehlendes eigenes Verschulden an der fristgerechten Revisionseinlegung ergibt. Es genügt nicht, lediglich geltend zu machen, seinen Verteidiger mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragt zu haben, was dieser indes nicht getan habe. Eigenes Verschulden des Antragstellers wäre in dieser Konstellation nur zu verneinen, wenn der Verteidiger ihm daraufhin die Revisionseinlegung zugesagt hätte. Dazu muss vorgetragen werden.

2. Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Wiedereinsetzungsantrag ist zudem, dass  mitgeteilt wird, wann der Antragsteller von der Fristversäumung erfahren hat.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss unter konkreter Behauptung von Tatsachen so vollständig begründet und glaubhaft gemacht werden, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers entnommen werden kann. Daran fehlt es hier. wenn der Vortrag widersprüchlich ist, weil einerseits ausgeführt wird, der Angeklagte habe seinen früheren Verteidiger mit der Begründung des Rechtsmittels beauftragt, es aber andererseits heißt, er habe aufgrund der Revisionseinlegung seines Verteidigers bloß darauf vertraut, dass dieser das Rechtsmittel rechtzeitig begründen werde.

Ist ein Rechtsanwalt nicht in der Lage, die Büroräume seiner Kanzlei zu betreten, weil er den Büroschlüssel im Büro vergessen hat, bedarf eine ein Verschulden des Rechtsanwalts an einer Fristversäumnis ausschließende Darlegung Ausführungen dazu, dass und aus welchen Gründen keine der naheliegenden Möglichkeiten, innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Frist einen Zugang zu den Büroräumen zu ermöglichen oder einen anderen Rechtsanwalt mit der Vornahme der fristwahrenden Handlung zu beauftragen, einen Erfolg gehabt hätte.

Handy I: Voraussetzungen für eine Funkzellenabfrage, oder: „Enkel-Trick-Betrug“ oder Ähnliches reicht

Bild von Erich Westendarp auf Pixabay

In der Berichterstattung finden sich heuet drei Entscheidungen, die mit Mobiltelefonen zu tun haben.

Ich beginne mit dem LG Hamburg, Beschl. v. 06.06.2024 – 621 Qs 32/24 -, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Staatsanwaltschaft hatte eine sog. Funkzellenabfrage (§ 100g StPO) beantragt. Vorgetragen war, dass mindestens drei unbekannte Täter in H. am 01.06.2024 gemeinschaftlich und gewerbsmäßig als Mitglieder einer „Betrugs-Bande, Betrugstaten begangen hatte. Die unbekannten Täter hatten sich zusammen geschlossen mit dem Ziel , sich durch die professionelle und arbeitsteilige Begehung von Betrugstaten nach dem Vorbild des sog. „Enkeltricks“ zum Nachteil vorwiegend älterer Tatopfer eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von erheblichem Umfang zu verschaffen. Eine Einzeltat konnte näher konkretisiert werden: und zwar hatte am 01.06.2024 zur Mittagszeit ein unbekannter Täter telefonisch Kontakt mit dem zu diesem Zeitpunkt 86-jährigen, im H. Weg… wohnhaften Geschädigten W. H. B. über dessen Telefonanschluss aufgenommen. Er hatte sich als Polizeibeamter ausgegeben und behauptete – wider besseres Wissen – wahrheitswidrig, dass im Bereich der Wohnanschrift des Geschädigten eine Frau überfallen worden sei und in diesem Zusammenhang Unterlagen aufgefunden worden seien, die eine Auflistung der Vermögenswerte des Geschädigten enthielten. Kurze Zeit später erschien ein weiterer unbekannter Täter am Haus des Geschädigten und forderte ihn zur Herausgabe seiner Bankkarten und der dazugehörigen PIN-Codes heraus, vermeintlich um diese am Polizeikommissariat zu überprüfen, tatsächlich aber um unter Einsatz der Karte und PIN (abrede- und zweckwidrige) Abhebungen an Geldautomaten vorzunehmen; der Geschädigte folgte im Vertrauen auf die Angaben der Täter den Anweisungen.

Das AG hatte die beantragten Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO abgelehnt. Das LG kommt dem Antrag der StA nach und führt u.a. aus:

„….Es liegt der Verdacht einer Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung vor, § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO. Sie ist zum einen, unter Nr. 1 lit. n), im Katalog des § 100a Abs. 2 StPO enthalten und weist zum anderen auch unter Berücksichtigung der konkreten Tatumstände erhebliche Bedeutung auf. Es handelt sich vorliegend um eine Straftat von erhöhter Kriminalität. Nach kriminalistischer Erfahrung sind bei Taten nach dem vorliegenden Modus Operandi mindestens drei Personen involviert: Ein Anrufer, ein Logistiker und ein Abholer. Der Umstand, dass die Täter den Geschädigten geschickt manipulierten und steuerten, lässt auf einige Übung in dem Deliktsfeld und einen hohen Organisationsgrad schließen. An der Aufklärung dieser Tat besteht ein hohes öffentliches Interesse schon wegen des erheblichen Wertes der potentiellen Tatbeute – der Ersparnisse eines betagten Mitbürgers auf zwei Bankkonten – und des skrupellosen sowie gezielten Vorgehens der professionalisierten Täter, welche die altersbedingte Gutgläubigkeit und Gutmütigkeit des betagten Geschädigten mit erheblicher krimineller Energie arbeitsteilig und trickreich ausnutzten.

Vor diesem Hintergrund stehen die Erhebung der Daten und der hier beantragte Anordnungszeitraum von nur zwei Stunden in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache, § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StPO. ….. „

Aber: Es gibt ja den BGH, Beschl. v. 10.01.2024 – 2 StR 171/23 -, der ja für die Anordnung einer Funkzellenabfrage den Verdacht einer besonders schweren Straftat aus dem Katalog des § 100g Abs. 2 StPO fordert. Das sieht das LG jedoch anders:

„Der Anordnung steht auch nicht entgegen, dass kein Verdacht einer besonders schweren Straftat aus dem Katalog des § 100g Abs. 2 StPO vorliegt. Der Katalog des § 100g Abs. 2 StPO ist für Funkzellenabfragen nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO nicht einschlägig.

Die Kammer schließt sich damit der jüngsten Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen einer Funkzellenabfrage nicht weiter an (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2024 – 2 StR 171/23 = BeckRS 2024, 10088) und hält an ihrer in den Beschlüssen vom 23.05.2024 (Az.: 621 Qs 28/24) und vom 24.05.2024 (Az.: 621 Qs 29/24) noch vertretenen Rechtsansicht nicht weiter fest.

Der Beschluss des 2. Strafsenats lässt bereits im Ausgangspunkt unerwähnt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 14), dass die darin postulierte Auffassung, eine Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO setze den Verdacht einer besonders schweren Straftat aus dem Katalog des § 100g Abs. 2 StPO voraus, der – soweit ersichtlich – bislang herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur widerspricht (vgl. etwa LG Stade, Beschluss vom 26.10.2018 – 70 Qs 133/18 = BeckRS 2018, 27043; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt-StPO, 66. Auflage 2023, § 100g, Rn. 36-38; Bär, in: BeckOK-StPO, 51. Edition, Stand: 01.04.2024, § 100g, Rn. 50; Henrichs/Weingast, in: KK-StPO, 9. Auflage 2023, § 100g Rn. 12, jeweils m.w.N.).

Die Auffassung des 2. Strafsenats, wonach es für die Anordnung einer Funkzellenabfrage gemäß § 100g Abs. 3 S. 1 StPO des Verdachts einer Katalogstraftat nach § 100g Abs. 2 StPO bedarf, findet im Wortlaut (1.) und der Systematik (2.) des Gesetzes sowie nach historischer (3.) und teleologischer (4.) Auslegung keine Stütze. Auch eine analoge Anwendung des § 100g Abs. 2 StPO scheidet aus (5.)…..“

Der Rest dann bitte ggf. selbst lesen.

Haft III: Entscheidung über Vollzugslockerungen, oder: Haftbefehl wegen Fluchtgefahr

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und zum Schluss dann der OLG Celle, Beschl. v. 18.07.2024 – 1 Ws 159/24 (StrVollz). An dem Aktemnzeichen sieht man: Es geht um Strafvollzug.

Die JVA hatte Vollzugslockerungen während des Vollzuge einer Maßregel abgelehnt. Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den die StVK zurückgewiesen hat. Sie hatte ich u.a. darauf bezogen, dass aufgrund des Fortgangs eines Auslieferungsverfahrens die Gefahr eines Lockerungsmissbrauchs sowie ein erhöhter Fluchtanreiz bestehe.

Dagegen die Rechtsbeschwerde des Verurteilten, die keinen Erfolg hatte. Die StVK hatte zwar mangelhaft begründet, aber:

„2. Der angefochtene Beschluss beruht indes nicht auf den aufgezeigten Begründungsmängeln, weil die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und der Antragsgegnerin im Ergebnis richtig sind und aus rechtlichen Gründen keine andere Entscheidung in Betracht kam.

Denn der Erlass eines auf Fluchtgefahr gestützten Haftbefehls führt dazu, dass auch die Vollzugsbehörde bei der Entscheidung über Lockerungen vom Vorliegen von Fluchtgefahr ausgehen muss und sich ihr diesbezüglicher Beurteilungsspielraum auf Null reduziert (KG, Beschluss vom 13. April 2006 – 5 Ws 70/06 Vollz –, juris). Die Gewährung von Vollzugslockerungen ist mit einem gleichzeitig bestehenden, auf Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl unvereinbar (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11. Februar 2020 – 1 Ws 20/20 –, Rn. 13, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 16. Dezember 2019 – 1 Ws 299/19 –, Rn. 8, juris; OLG Jena, Beschluss vom 23. Januar 2019 – 1 Ws 13/19 –, Rn. 19, juris; KG, Beschluss vom 31. März 2017 – 5 Ws 81/17 –, Rn. 14, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. Januar 2002 – 3 Ws 15/02 –, Rn. 7, juris; OLG Bremen, Beschluss vom 11. Oktober 1999 – Ws 153/99 –, juris).

Die Antragsgegnerin musste deshalb im vorliegenden Fall – in dem sich die Fluchtgefahr als Haftgrund der vom Oberlandesgericht angeordneten Auslieferungshaft (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG) zumindest dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Beschlusses entnehmen lässt – die zuvor gewährten Vollzugslockerungen zwingend gemäß §§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG i. V. m. § 15 Abs. 1 Nds. MVollzG widerrufen.“

StPO I: BVerfG nochmals zur „Umgrenzungsfunktion“, oder: Wie oft muss sich das BVerfG dazu noch äußern?

Bild von Christian Dorn auf Pixabay

Und in die 34. KW. geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Zwangsmaßnahmen, und zwar einmal von ganz oben – also BVerfG – und einmal „nur“ von oben, also BGH.

Ich beginne mit dem BVerfG, Beschl. v. 27.06.2024 – 1 BvR 1194/23. Es geht mal wieder um die nicht ausreichende Umgrenzung eines Durchsuchungsbeschlusses. Folgender Sachverhalt:

Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei. Im November 2022 hatte der Marktleiter eines Baumarkts der Polizei mitgeteilt, dass in letzter Zeit häufiger hochwertige Baumarktartikel gestohlen worden seien. Bei Recherchen im Internet sei er auf einen eBay-Account gestoßen, auf dem u.a. die entwendeten Gegenstände angeboten worden seien. Die Polizei konnte den eBay-Account dem Beschulidgetn zuordnen. In den Wochen vor Einleitung der Ermittlungen waren über diesen Account 69 zum Großteil neuwertige und originalverpackte Baumarktartikel zum Kauf angeboten worden. Eine Liste aller inserierten Artikel wurde zu den Akten genommen.

Am 18.01.2023 ordnete das AG „wegen Hehlerei“ die Durchsuchung der Person, der Wohnung und der sonstigen Räume des Beschwerdeführers an. Die Durchsuchung habe insbesondere den Zweck, als Beweismittel „entwendete Badarmaturen“ und „sonstige entwendete Baumarktartikel“ aufzufinden. Die Beschlagnahme dieser Beweismittel wurde angeordnet. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dem Beschwerdeführer werde zur Last gelegt, über eBay-Kleinanzeigen unter seinem Account „diverse Artikel“ zum Verkauf anzubieten, die zuvor in dem näher benannten Baumarkt entwendet worden seien. Der Tatverdacht beruhe auf den Online-Ermittlungen der Polizei und der Auskunft des Marktleiters des Baumarktes. Nach den bisherigen Ermittlungen sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, die für die Ermittlungen von Bedeutung seien, führen werde. Es folgte eine kurze Feststellung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung.

Die Durchsuchung wurde am 26.01.2023 vollzogen. Der Beschuldigte legte Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ein, die vom LG verworfen wurde.

Dagegen dann noch die Verfassungsbeschwerde, die Erfolg hatte. Nach dem üblichen „allgemeinen Vorspann“ führt das BVerfG zur Sache aus:

„b) Danach genügt der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts den an seine Umgrenzung zu stellenden Anforderungen nicht. Seine Formulierung ist nicht dazu geeignet, sicherzustellen, dass der Eingriff in das Wohnungsgrundrecht des Beschwerdeführers messbar und kontrollierbar blieb.

Der Durchsuchungsbeschluss benennt die gesuchten Beweismittel für sich genommen nicht hinreichend konkret (aa). Eine hinreichende Umgrenzung der gesuchten Beweismittel kann auch der weitere Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses nicht leisten, weil er keine für eine hinreichende Umgrenzung ausreichend konkreten Angaben zum tatsächlichen oder rechtlichen Tatvorwurf einschließlich der konkreten vorgeworfenen Vortaten (bb) und insbesondere keinerlei Angaben zum Tatzeitraum (cc) enthält; ebenso fehlen für eine hinreichende Umgrenzung ausreichende Angaben zu Indizien, die den Tatvorwurf trügen (dd). Auch in einer Gesamtschau steckt der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses den äußeren Rahmen der Durchsuchung nicht hinreichend ab (ee). Eine nähere Beschreibung der gesuchten Beweismittel wäre dem Amtsgericht schließlich auch nicht unmöglich oder unzumutbar gewesen (ff).

aa) Der Durchsuchungsbeschluss enthält für sich genommen keine hinreichend konkret umgrenzte Angabe der gesuchten Beweismittel. Diese gibt der Beschluss lediglich mit „entwendete Badarmaturen“ und „sonstige entwendete Baumarktartikel“ an. Dies allein genügt nicht, um dem Beschwerdeführer als Betroffenen und den Ermittlungspersonen präzise aufzuzeigen, wonach gesucht werden sollte. Denn insbesondere die Umschreibung als „sonstige entwendete Baumarktartikel“ ist erheblich zu weit, um die Durchsuchung eines Privathaushalts hinreichend mess- und kontrollierbar zu begrenzen. Umfasst sind ausdrücklich alle Artikel aus dem Sortiment eines Baumarktes. Darunter können eine Vielzahl von Gegenständen in diversen Stückelungen und sehr unterschiedlichen Preiskategorien fallen. Baumärkte verkaufen ein sehr breites und vielfältiges Sortiment. Darüber hinaus lässt die Umschreibung der gesuchten Beweismittel nicht erkennen, ob nur Baumarktartikel gesucht werden, die in einer bestimmten Art und Weise verpackt sind (etwa originalverpackt), einen bestimmten Zustand (etwa neuwertig) aufweisen, einen bestimmten Wert oder eine bestimmte Größe haben oder in einer bestimmten Anzahl aufgefunden werden. Eine solche Umgrenzung wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil zu erwarten ist, dass sich in einem durchschnittlichen Privathaushalt eine Vielzahl von alltäglich genutzten Gegenständen befindet, die im Sortiment eines Baumarktes enthalten sein können und daher von der Beschreibung der gesuchten Beweismittel im Durchsuchungsbeschluss erfasst wären.

bb) Auch die im Durchsuchungsbeschluss enthaltenen Angaben zum Tatvorwurf, dem ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt oder den für eine Hehlerei erforderlichen Vortaten können die Mängel der Umgrenzung nicht hinreichend kompensieren, um Umfang und Tiefe der Durchsuchung mess- und kontrollierbar zu gestalten. Der Durchsuchungsbeschluss erwähnt weder § 259 Abs. 1 StGB, noch wird die dortige Beschreibung des Straftatbestands der Hehlerei wörtlich zitiert oder wenigstens paraphrasiert. Die einzige Erwähnung der „Hehlerei“ findet sich im Rubrum des Durchsuchungsbeschlusses. Darüber hinaus fehlen Angaben über die konkret entwendeten oder zum Verkauf angebotenen Gegenstände, die möglichen Täter, den möglichen Ablauf und die Anzahl etwaiger Vortaten. Statt einer auf Grundlage der vorhandenen Inserate-Liste oder der Zeugenaussage des Marktleiters formulierten Beschreibung der im Baumarkt entwendeten oder vom Account des Beschwerdeführers aus verkauften Gegenstände spricht der Durchsuchungsbeschluss nur von „diverse[n] Artikeln“. Auch der subjektive Tatbestand (Wissen und Wollen des Verkaufens gestohlener Gegenstände) ist nicht im Ansatz beschrieben. Dem konkreten Tatvorwurf im Durchsuchungsbeschluss lässt sich mangels subjektiven Tatbestands weder eine Verwirklichung eines Strafgesetzes noch eine Vollendung der Tat („zum Verkauf anzubieten“) entnehmen.

cc) Eine hinreichende Umgrenzung des Durchsuchungsbeschlusses ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen zeitlichen Eingrenzung des Tatvorwurfs, da eine solche fehlt. Die Formulierung des Tatvorwurfs im Präsens mag darauf hindeuten, dass dem Beschwerdeführer eine noch andauernde Handlung vorgeworfen wird. Das hilft aber über die mangelnde Eingrenzung nicht hinweg, weil nicht erkennbar ist, seit wann das vorgeworfene Handeln andauert (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 31). Die vorgeworfenen Taten sind auch keine Dauerdelikte, so dass es auf ihren Beginn nicht ankäme (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 1872/05 -, Rn. 11). Vielmehr werden dem Beschwerdeführer mehrere einzelne, aber nicht weiter konkretisierte Hehlereitaten vorgeworfen. Es ist aus dem Durchsuchungsbeschluss nicht einmal erkennbar, ob die vorgeworfenen Taten möglicherweise bereits verjährt sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 31). Das gilt insbesondere insofern, als die Wertung, ab welchem Zeitpunkt Taten in der Vergangenheit möglicherweise verjährt sind, mangels Angaben dazu, ob dem Beschwerdeführer versuchte oder vollendete Delikte als Täter oder Teilnehmer vorgeworfen werden, für Beschwerdeführer und Ermittlungspersonen auf Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses nicht möglich ist; selbst aus einer angenommenen zeitlichen Beschränkung des Tatvorwurfs auf nichtverjährte Taten könnte sich daher keine mess- und kontrollierbare Begrenzung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. April 2017 – 2 BvR 2551/12 -, Rn. 25).

dd) Soweit der Durchsuchungsbeschluss einige wenige Indizien (den Namen des verwendeten Accounts, Name und Anschrift des Baumarktes) nennt, können diese hier von vornherein keine mess- und kontrollierbare Umgrenzung der Durchsuchung leisten.

ee) Auch in einer Gesamtschau steckt der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses den äußeren Rahmen der Durchsuchung nicht hinreichend ab. Weder die inhaltliche, zeitliche oder rechtliche Umschreibung des Tatvorwurfs und der Vortaten noch die Benennung der Beweismittel zeigt klar auf, welche Baumarktartikel gesucht werden sollen. Dadurch war es dem Beschwerdeführer auch praktisch nicht möglich, durch die Herausgabe von Gegenständen die Durchsuchung abzuwenden. Denn weder der Beschwerdeführer noch die Ermittlungspersonen hätten abschätzen können, welche Gegenstände der Beschwerdeführer freiwillig herausgeben müsste, um weitere Durchsuchungshandlungen abzuwenden.

ff) Die Anforderungen an eine Umgrenzung der gesuchten Beweismittel waren hier auch nicht deshalb abgesenkt, weil dem Amtsgericht eine nähere Beschreibung nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 96, 44 <51>; 103, 142 <151>). So gab es zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses zahlreiche Anhaltspunkte in den Akten, deren Aufnahme in den Durchsuchungsbeschluss den äußeren Rahmen der Durchsuchung hätten begrenzen können – ohne dass die Aufnahme dieser einzelnen Punkte für sich genommen verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre. Hervorzuheben ist hier insbesondere die praktisch übliche und im Regelfall unerlässliche (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2004 – 2 BvR 2105/03 -, Rn. 11) Nennung des groben Tatzeitraums, die vorliegend eine deutliche Umgrenzung des Durchsuchungsbeschlusses ermöglicht hätte. Die hier fehlende zeitliche Eingrenzung ist nicht mit typischerweise fehlenden Details aufgrund des frühen Stadiums der Ermittlungen zu erklären. Vielmehr hatte die Polizei eine konkrete Auflistung von 69 verdächtigen Verkaufsanzeigen mit Erstellungsdatum zur Akte genommen. Auch die Angaben des Marktleiters als Zeugen, dass es „in den vergangenen Wochen vermehrt zu Diebstählen gekommen sei“, machen jedenfalls eine grobe Eingrenzung des Zeitraums sowohl der Vortaten als auch der konkret vorgeworfenen Hehlereitaten möglich. Auch durch eine bloß beispielhafte Nennung einiger der Artikel aus den 69 dokumentierten Inseraten sowie insbesondere durch eine ausdrückliche Beschränkung auf neuwertige oder originalverpackte Ware hätte sich die Durchsuchung bedeutend besser messen und kontrollieren lassen.

c) Der Beschluss des Landgerichts konnte diesen Mangel nicht heilen. Zwar kann das Beschwerdegericht einzelne Inhalte eines Durchsuchungsbeschlusses ergänzen oder bewerten, die zu einer hinreichenden Umgrenzung beitragen können. Das gilt insbesondere für die Begründung der Annahme eines Tatverdachts, wenn die für die Begründung verwendeten Indizien bereits bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses vorlagen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. April 2003 – 2 BvR 358/03 -, Rn. 19 m.w.N.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2010 – 2 BvR 2561/08 -, Rn. 29), oder für Darlegungen zur Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. April 2003 – 2 BvR 358/03 -, Rn. 18). Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel können aber, wenn die Durchsuchung – wie hier – bereits stattgefunden hat, im Beschwerdeverfahren nicht mehr geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde andernfalls unterlaufen (vgl. BVerfGK 5, 84 <88>). Auch kann eine Begrenzung der Durchsuchungsmaßnahme, die durch die Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses präventiv erreicht werden soll, durch eine erst nach der Durchführung ergehende Entscheidung nicht mehr herbeigeführt werden (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 29 m.w.N.).

Dies hat das Landgericht verkannt. Die Zurückweisung der Beschwerde verletzt daher den Beschwerdeführer ebenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG (vgl. auch Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juli 2020 – 2 BvR 1324/15 -, Rn. 30, und vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 25, 30).“

Man fragt sich: Wie oft muss sich das BVerfG zu den Fragen denn noch äußern? Das haben wir doch schon alles so oder ähnlich gelesen. Für mich sind solche Entscheidungen von AG eine Unverschämtheit. immerhin geht es um die Unverletztlichkeit der Wohnung. Da wäre ein wenig Sorgfalt und Mühe wohl angebracht.