Archiv für den Monat: August 2011

Gesetzentwurf zur Änderung der Besetzung großer Strafkammern ist eilbedürftig – BMJ hat aber nicht geschlafen

Am 31.12.2011 läuft die Regelung zur reduzierten Besetzung der großen Strafkammer in § 76 Abs. 2 GVG aus. Bei der letzten Verlängerung der zunächst nur als Übergangsregelung zur Entlastung der Rechtspflege gedachten Regelung durch die Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege v. 19.12.2008 (vgl. BGBl I, S. 2348) hatte der Gesetzgeber schon darauf hingewiesen, dass eine nochmalige Verlängerung der Sonderregelung nicht mehr in Betracht komme. Demgemäß ist jetzt ein Gesetzesentwurf in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden (vgl. BR-Drucksache 460/11), der § 76 GVG insgesamt neu gestaltet, und zwar wie folgt:

Die Möglichkeit der Besetzung der Strafkammer mit nur zwei Richtern bleibt erhalten. Zwingend ist die Besetzung mit drei Berufsrichtern beim Schwurgericht (Nr. 1), wenn die Anordnung der Sicherungsverwahrung oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist (Nr. 2) und „nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint (Nr. 3). Letzteres ist nach § 72 Abs. 3 i.d.R. dann der Fall, wenn die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird oder die große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist.

In dem Gesetzesentwurf spiegelt sich z.T. die Rechtsprechung des BGH zu der bisherigen Regelung wieder. Der Gesetzesentwurf ist wegen der Befristung der derzeitigen Regelung besonders eilbedürftig i.S. v. Art. 76 Abs. 2 Satz 4 GG. Am Abend werden die Faulen fleißig, denkt man da, denn, dass der 31.12.2011 kommt, war ja wohl allen Beteiligten klar. Warum also so spät der Entwurf und dann „eilbedürftig“? Auf den ersten Blick sicherlich eine berechtigte Frage,, die sich aber dadurch relativiert, dass das BMJ zwei Gutachtenaufträge erteilt hatte, deren Ergebnisse erst im Frühjahr vorgelegen haben. Man hat also den 31.12.2011 nicht verschlafen.

Lesetipp: ABC der Gegenstandswerte im Straf- und Bußgeldverfahren

Wenn man die Überschrift liest, stutzt man und denkt: Gegenstandswerte im Straf- und Bußgeldverfahren? Gibt es die denn da? Brauche ich als Verteidiger denn in dem Bereich des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens (auch) Gegenstandswerte?

Die Antwort ist eindeutig: Ja, sicher, und zwar vornehmlich bei der Abrechnung der Nrn. 4142, 4143 VV RVG. Da kann es um eine ganze Menge Geld gehen, da wir es bei den Gebühren mit Wertgebühren zu tun haben, die sowohl für den Wahlanwalt als auch für den Pflichtverteidiger anfallen, und zwar grds. in gleicher Höhe.

Mein Beitrag: „ABC der Gegenstandswerte im Straf- und Bußgeldverfahren“ aus RVGreport 2011, 281 enthält dazu eine Zusammenstellung. Vielleicht ja doch lesenswert ;-).

Teures Lehrgeld…

Wohl ohne Rechtsanwalt bzw. anwaltlichen Beistand – hoffentlich –  ist im Verfahren 1 StR 633/10 ein Schreiben an das LG (und damit an den BGH) gerichtet worden, in dem der Absender Revision gegen ein Urteil des LG Augsburg eingelegt hat. Der Absender hatte schon vorher einige Male versucht, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen, was jeweils von der StK abgelehnt worden ist. Jetzt hat der Absender es dann auf seine „4. Anschlusserklärung/Nachbegründung der 3. Anschlusserklärung mit neuen Tatsachen“auch noch einmal vom 1. Strafsenat des BGH in BGH, Beschl. v. 02.08.2011 – 1 StR 633/10 bescheinigt bekommen: Die im Verfahren angeklagten Delikte der Steuerhinterziehung (§ 370 AO), Bestechung (§ 334 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) sind keine Tatbestände, die im Katalog der Straftaten des § 395 Abs. 1 und 3 StPO, bei deren Verfolgung die Nebenklage zulässig ist, aufgeführt sind. Da zugleich auch die Revision auf Kosten des „Nebenklägers“ verworfen ist: Teures Lehrgeld. Aber ich vermute, dass wird dem Antragsteller egal sein.

Drogenfahrt – analytischer Grenzwert genügt

Das OLG Hamm hat in OLG Hamm, Beschl. v. 06.01.2011 – III – 5 RBs 182/10 (liegt also schon etwas zurück) die h.M. in der Rechtsprechung der Obergerichte zu § 24a Abs. 2 StVG bestätigt. Danach reich es für die Feststellung des Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis – nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis – aus, wenn bei einer Blutuntersuchung auf THC im Blutserum, welche den von der Grenzwertkommission vorausgesetzten Qualitätsstandards genügt, ein Messergebnis ermittelt wird, welches den von der Grenzwertkommission empfohlenen analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC im Serum erreicht. Eine tatsächliche Wirkung des Rauschmittels im Sinne einer konkreten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit bei dem Betroffenen im Einzelfall festgestellt und nachgewiesen wird.

Zuschläge für Messungenauigkeiten seien dabei – so das OLG – nicht erforderlich. Warum das der Fall sein soll, begründet das OLG nicht, es sei denn man sieht den bloßen Hinweis auf andere OLG Entscheidungen, die der Frage aber auch nicht näher nachgegangen sind, als Begründung an :-).

Auskunftsverweigerungsrecht und Beweisverwertungsverbot

Die mit dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zusammenhängenden Fragen spielen in der Praxis häufig eine erhebliche Rolle. Von Belang ist dabei insbesondere auch die Frage, wie mit der Missachtung der sich aus § 55 StPO ergebenden Belehrungspflicht in einem nachfolgenden Verfahren gegen den Zeugen umzugehen ist. Dazu verhält sich der OLG Jena, Beschl. v. 09.02.2011 – 1 Ss 113/10 – mit folgenden Leitsätzen:

Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO setzt voraus, dass der Zeuge sich der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt, wenn er bei wahrheitsgemäßer Aussage bestimmte Angaben machen müsste, die zumindest einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO begründen würden. Ein solcher Anfangsverdacht muss sich auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, das heißt auf konkrete Tatsachen stützen, die dafür sprechen, dass gerade der zu untersuchende Lebenssachverhalt eine (bestimmte) Straftat enthält.

Die Missachtung der Belehrungspflicht nach § 55 Abs. 2 StPO führt in einem nachfolgenden Verfahren gegen einen vormaligen Zeugen wegen Falschaussage nicht grundsätzlich zu einem Verwertungsverbot seiner Aussage. Ihr kommt lediglich schuldmindernde Bedeutung zu, weshalb sie bei der Ahndung des Aussagedelikts als Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen ist.