Archiv für den Monat: Juni 2010

Neues zur geplanten Aussagepflicht von Zeugen bei der Polizei – Bundesregierung nimmt Stellung

Nach dem Gesetzesentwurf aus dem Bundesrat – Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens, über das auch hier schon berichtet worden ist – sollen Zeugen demnächst – nach einer Ergänzung des § 163a StPO um einen Abs. 5 – verpflichtet sein, auf Ladung vor der Polizei zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt (vgl. dazu den Gesetzesentwurf in der BT-Drucksache 17/2166).

U.A. dazu hat die Bundesregierung jetzt Stellung genommen:

Sie weist zu dieser Erscheinungspflicht von Zeugen vor der Polizei auf einige Bedenken hin. So sei zweifelhaft, ob die vom Bundesrat vorgesehene Voraussetzung für ein Erscheinen und Aussagepflicht eines Zeugen auslösende Ladung die Sachleitungsbefugnis und -pflicht der Staatsanwaltschaft hinreichend wahre. Immerhin etwas. Mal sehen, was daraus wird. Interessant natürlich die Begründung im Gesetzesentwurf für diese Änderung.

Ansonsten stimmt die Bundesregierung den geplanten Änderungen zu:

Das ist einmal die Möglichkeit, dass auch das Revisionsgericht das Verfahren noch gegen Auflagen nach § 153a StPO einstellen kann.

Schließlich soll eine derzeitige Doppelzuständigkeit in den Fällen entfallen, wenn von der Strafvollstreckungskammer zugleich über die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringungen im einem psychiatrischen Krankenhaus beziehungsweise in der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist; derzeit kommt es hier zu einer parallelen Befassung der mit drei Berufsrichtern besetzen großen Strafvollstreckungskammer und der mit einen Einzelrichter besetzten kleinen Strafvollstreckungskammer.

Da ist dem BVerfG der sprichwörtliche Draht aus dem Barett gesprungen….

Oh ha, da war die 3. Kammer des 2. Senats des BVerfG unter Vorsitz des neuen Präsidenten aber offenbar mehr als nur leicht verstimmt, als es im Beschl. in der Sache 2 BvR  1783/09 eine Missbrauchsgebühr verhängt hat. Allein das ist ja schon ein deutliches Zeichen, dass die Kammer verstimmt ist. Wenn es dann aber im Beschluss noch heißt:

„Jeder Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine richterliche Entscheidung. Mit einem Hinweis des Präsidialrats muss er sich nicht zufriedengeben. Es ist ihm aber, besonders wenn es bereits an der Beschwerdebefugnis fehlt und er vom Präsidialrat auf die daraus folgende Unzulässigkeit seiner Verfassungsbeschwerde hingewiesen wurde, zumutbar, sorgfältig zu erwägen, ob er das Bundesverfassungsgericht ungerechtfertigt in Anspruch nimmt, und eine offensichtliche Aussichtslosigkeit seiner Verfassungsbeschwerde zu erkennen. Das Bundesverfassungsgericht muss es nicht hinnehmen, dass es an der Erfüllung seiner Aufgaben durch für jedermann erkennbar aussichtslose Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch anderen Bürgern den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann (BVerfGK 10, 94 <97>; stRspr).“

ist klar, dass man nicht nur leicht verstimmt, sondern sauer ist.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt… hier ist der Beschluss des OLG Hamburg – vielleicht doch „schofel“?

Ich hatte gestern in dem Beitrag “ Ein Schelm, wer Böses dabei denkt… oder: Ist das nicht doch schofel?“ über einen Beschluss des OLG Hamburg berichtet, der zu der Frage ergangen ist, wie weit die Pflichtverteidigerbestellung geht, isnbesondere ob sie auch Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren umfasst. Hier ist der Beschl. des OLG Hamburg v. 14.06.2010 – 3 Ws 73/10 nun.

Das, was die Kollegin mitgeteilt hatte, stimmt. Es handelt sich allerdings nicht um eine Änderung der Rechtsprechung des OLG Hamburg, sondern um ein Abweichen von der Rechtsprechung eines anderen Senats, dass zu diesem Ergebnis geführt hat. Das OLG erörtert zwar die Frage der konkludenten Beiordnung, die es verneint, aber: Damit ist nicht geklärt, wie man denn nun damit umgeht, dass der Kollegin die Beiordnung unter Hinweis auf die gesicherte Rechtsprechung des OLG „verweigert“ worden ist. Warum geht das OLG eigentlich nicht hin und gibt die Sache zurück an das LG, damit dort über den Antrag noch entschieden werden kann. Wenn man das nicht tut, weil das Verfahren ja nun rechtskräftig abgeschlossen ist, dann wäre es – meine ich – doch schofel.

Fair Trial lässt grüßen…

Sterbehilfe: BGH schafft Rechtssicherheit, meint BMJ. Hoffentlich

Das BMJ hat zum heutigen Urteil des BGH zur Sterbehilfe, das der Tageshits der Blogs ist (vgl. hier, hier, hier und hier) eine PM herausgegeben, in der es heißt:

Zu der heute verkündeten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sterbehilfe erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Die heutige Entscheidung schafft Rechtssicherheit bei einer grundlegenden Frage im Spannungsfeld zwischen zulässiger passiver und verbotener aktiver Sterbehilfe. Es geht um das Selbstbestimmungsrecht des Menschen und damit um eine Kernfrage menschenwürdigen Lebens bis zuletzt.

Mit dem heutigen Urteil hat der Bundesgerichtshof dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen zu Recht einen besonders hohen Stellenwert eingeräumt. Das Selbstbestimmungsrecht ist Ausfluss der durch das Grundgesetz geschützten Würde eines jeden Menschen – auch des Sterbenden. Die heutige Entscheidung stellt klar: Der freiverantwortlich gefasste Wille des Menschen muss in allen Lebenslagen beachtet werden. Es gibt keine Zwangsbehandlung gegen den Willen des Menschen. Niemand macht sich strafbar, der dem explizit geäußerten oder dem klar festgestellten mutmaßlichen Willen des Patienten, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, Beachtung schenkt.

Das heute abgeschlossene Verfahren macht daher auch die Bedeutung von Patientenverfügungen deutlich. Der Deutsche Bundestag hat dazu im vergangenen Jahr eine wegweisende Entscheidung getroffen und Patientenverfügungen eine klare rechtliche Grundlage gegeben. Patientenverfügungen schaffen in einer schwierigen Phase des Lebens Sicherheit für Patienten, Angehörige, Ärzte und Betreuer. Die Patientenverfügung hilft, dass der freiverantwortlich gefasste Wille des Menschen bis zu letzt beachtet werden kann – auch und gerade dann, wenn der Mensch nicht mehr entscheidungsfähig ist.“

Wenn man die PM des BGH liest (vgl. hier), dann scheint der BGH ja wirklich Klarheit geschaffen zu haben. Man kann nur sagen: Hoffentlich, denn letztlich kann man das erst sehen, wenn die Urteilsgründe vorliegen und darin nicht zu viele Wenn und Aber enthalten sind.

Führt eine dauerhafte Videoüberwachung des Eingangsbereichs eines Gerichtsgebäudes zum Ausschluss der Öffentlichkeit?

Das AG Meldorf (Beschl. v. 18.05.2010 – 81 C 305/10) hat sich die Frage gestellt: Führt eine dauerhafte Videoüberwachung des Eingangsbereichs eines Gerichtsgebäudes zum Ausschluss der Öffentlichkeit? und diese zugleich auch unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG v. 11.08.2009 – 2 BvR 941/08 zur (Un)Zulässigkeit der Videoüberwachung im Straßenverkehr bejaht (so in der Vergangenheit in der Sache auch schon das VG Wiesbaden).

Das LG Itzehoe hat die Sache anders gesehen. Nach seiner Auffassung stellt die Videoüberwachung im Eingangsbereich eines Amtsgerichts keine psychische Zutrittsbeschränkung dar und verletzt damit den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung nicht (LG Itzehoe, Beschl. v. 2. 6. 2010 – 1 T 61/10).

Interessante Frage, mit der ein Verteidiger sicherlich an der ein oder anderen Stelle für Unruhe sorgen kann. 🙂