Schlagwort-Archive: Öffentlichkeitsgrundsatz

Häppchenweise Verhandlung – Ausschluss der Öffentlichkeit?

© m.schuckart – Fotolia.com

In der Praxis sicherlich häufiger anzutreffen ist folgender Geschehensablauf, der dem OLG Hamm, Beschl. v. 25.06.2012 – III – 3 RBs 149/12 – zugrunde lag:

Laut dem vor dem Sitzungssaal ausgehängten Terminverzeichnis sollte die Hauptverhandlung beim AG um 11.20 Uhr beginnen. Anschließend waren ab 12.40 Uhr weitere Hauptverhandlungen in anderen Verfahren terminiert. Tatsächlich beginnt die Hauptverhandlung um 12.02 Uhr . Um 12.44 Uhr wird die Sitzung unterbrochen und um 13.08 Uhr fortgesetzt. Um 13.30 Uhr wird die Hauptverhandlung bis zu ihrer Fortsetzung um 15.10 Uhr erneut unterbrochen.

Der Betroffene macht mit der Verfahrensrüge geltend, dass auf dem Terminverzeichnis weder die ursprünglich geplante Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.40 Uhr noch die tatsächliche Fortsetzung um 15.10 Uhr vermerkt gewesen sei, zumal das Terminverzeichnis als Beginn der letzten Hauptverhandlung an diesem Tage 14.20 Uhr ausgewiesen habe. Er sieht darin einen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz.

Dem ist das OLG nicht gefolgt:

„Die Verfahrensrüge ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil die Vorschriften über die Öffentlichkeit nicht dadurch verletzt wurden, dass der Zeitpunkt der Fortsetzung der Hauptverhandlung in demselben Saal des Gerichtsgebäudes aber zu späterer Uhrzeit desselben Tages auf dem ausgehängten Terminverzeichnis nicht vermerkt war. Zeit und Ort der Fortsetzung waren in der Hauptverhandlung nämlich ordnungsgemäß verkündet worden. Bereits dies reicht für die Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes (Senat, StV 2002, 474).

Dagegen fallen Terminsankündigungen als solche nicht unter den Schutz von § 169 GVG (BVerfG NJW 2002, 814; BGH NStZ-RR 2002, 261; Senat, NZV 2011, 94), so dass insbesondere auch unschädlich ist, wenn der Aushang keinerlei Uhrzeit aufweist (BVerfG NJW-RR 2006, 1653). Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung beinhaltet nämlich nicht, dass jedermann immer und unter allen Umständen wissen muss, wann und wo das Gericht eine Hauptverhandlung durchführt; es reicht vielmehr aus, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten davon Kenntnis zu verschaffen, und dass der tatsächliche Zutritt im Rahmen der vorhandenen Gegebenheiten ungehindert eröffnet ist (BVerfG NJW-RR 2006, 1653; BVerfG NJW 2002, 814; BGH v. 09.12.2009 – 5 StR 482/09 – juris; BGH, Urt. v. 22.01.1981, 4 StR 97/80 -juris; OLG Koblenz NZV 2011, 266). Denn Sinn und Zweck der Prozessmaxime (vgl. BVerfGE 15, 303, 307) ist in erster Linie die Kontrolle des Verfahrensgangs durch die Allgemeinheit (BVerfG NJW 2002, 814).

Diese Kontrolle war hier nicht beeinträchtigt. Jedermann hätte den Zeitpunkt der Fortsetzung der Hauptverhandlung unschwer erfragen können. Die Rechtsbeschwerde hat auch nicht etwa dargelegt, dass konkreten Personen die Teilnahme an der Hauptverhandlung auf Grund der Verlegung der Terminstunde nicht möglich gewesen wäre (vgl. BVerfG NJW 2002, 814). Hinzu kommt, dass die Hauptverhandlung auch nicht etwa an anderer Stelle sondern im (selben) Gerichtsgebäude im selben Saal – nur zu späterer Uhrzeit – fortgesetzt wurde, so dass auch nicht aufgrund eines Wechsels der Gerichtsstelle gesteigerte Anforderungen hinsichtlich der Information über die Fortsetzung der Hauptverhandlung bestanden (vgl. BGH NStZ 1982, 476; Senat, StV 2002, 474; OLG Hamm StV 2000, 659).“

Der Rocker im Gerichtssaal/-Gerichtsgebäude, oder Kleiderordnung bei Gericht

© Stefan Rajewski - Fotolia.com

Das BVerfG meldet gerade mit seiner PM 25/2012 den BVerfG, Beschl. v. 14.03.2012 – 2 BvR 2405/11 zur (behaupteten) Beeinträchtigung  des Grundsatzes der Öffentlichkeit durch das Verbot des Trages von Motorradwesten im Gerichtsgebäude.

Das hatte der Präsident des LG in Zusammenhang mit einem Verfahren gegen Mitglieder des Hell Angels Club verboten. Der Angeklagte sah darin sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Das BVerfG hat es jetzt anders gesehen:

Keine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes sondern nur Festlegung von Zugangsmodalitäten.

Verlegung der Hauptverhandlung – sag mir wo du hin bist

Insbesondere, wenn die Hauptverhandlung verlegt wird, kommt es häufig zu Verstößen gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 169 GVG), weil dann nämlich häufig nicht bzw. nicht ausreichend auf den neuen Ort der Hauptverhandlung hingewiesen wird. Das muss so konkret geschehen, dass sich potenzielle Besucher ohne weiteres vom neuen Hauptverhandlungsort Kenntnis verschaffen können. I.d.R. geschieht das durch einen Aushang am alten Hauptverhandlungsort, in dem auf den neuen Ort hingewiesen wird.

Das war in dem der Entscheidung des OLG Koblenz, Beschl. v. 07.02.20 11 – 2 SsBs 144/10 zugrunde liegenden Verfahren nicht geschehen. Allerdings hatte die darauf gestützte Verfahrensrüge keinen Erfolg. Das OLG hat darauf abgestellt, dass es sich um ein relativ kleines und überschaubares Gerichtsgebäude gehandelt hat. Die Sitzung fand innerhalb desselben Gebäudes in einem der insgesamt nur drei Sitzungssäle statt. Der nach dem Wechsel genutzte Saal lag direkt gegenüber dem ursprünglich vorgesehenen Saal, so dass nach Auffassung des OLG keine Probleme bestanden, sich über den Verhandlungsort Kenntnis zu verschaffen.

Kuttenverbot

Nein, nicht in einem Kloster, da müsste es dann auch wohl eher „Kuttengebot“ heißen, sondern im LG Potsdam an einem Tag, an dem dort ein Verfahren gegen einen Angehörigen der „Hell Angels“ stattfand und einem Mitglied das Tragen einer sog. Motorradkutte untersagt worden war.

Dagegen hatte der sich an das VG gewandt und dann beim OVG endgültig verloren. In der PM des OVG heißt es zum Beschl. vom 20.12.2010 – OVG 10 S 51.10:

Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom heutigen Tag die Beschwerde eines Angehörigen des Motorradclubs „Hells Angels“ zurückgewiesen, der erreichen wollte, dass er als Zuschauer in einem Strafverfahren seine Motorradkutte tragen darf.

Im Landgericht Potsdam findet zurzeit ein Strafverfahren gegen mehrere Mitglieder der Hells Angels wegen des Vorwurfs der Erpressung statt. Der Präsident des Landgerichts hat verfügt, dass an den jeweiligen Verhandlungstagen keine Personen das Gelände des Justizzentrums betreten dürfen, die Bekleidungsstücke tragen, die die Zugehörigkeit zu einem Motorradclub demonstrieren.

Das Oberverwaltungsgericht hat wie zuvor schon das Verwaltungsgericht Potsdam die Verfügung des Präsidenten des Landgerichts in einer Eilentscheidung bestätigt. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Gerichtspräsident dürfe als Inhaber des Hausrechts Regelungen über den Zutritt zum Dienstgebäude und den Aufenthalt von Personen in den Räumen des Gerichts treffen. Er müsse dabei jedoch insbesondere den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens beachten. Maßnahmen, die den Zugang zu einer Gerichtsverhandlung nur unwesentlich erschwerten und keine persönlichkeitsbezogene Auswahl der Zuhörerschaft beinhalteten, seien mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz und dem Recht auf Handlungsfreiheit der Zuschauer vereinbar, wenn für die Maßnahmen aus Sicherheitsgründen ein verständlicher Anlass bestehe. Das sei hier der Fall. In dem Strafverfahren spiele das von einzelnen Mitgliedern der Hells Angels ausgehende Bedrohungspotential eine Rolle. Die Annahme des Landgerichtspräsidenten, dass das sichtbare Auftreten von Angehörigen dieser Gruppierung gerade in dem Strafverfahren das Sicherheitsgefühl von Verfahrensbeteiligten, Zeugen und weiteren Personen beeinträchtigen könne, sei sachlich verständlich. Es gehöre zu den Aufgaben des Gerichtspräsidenten, auf dem Gelände des Justizzentrums für eine angstfreie Atmosphäre zu sorgen, damit Zeugen unbelastet ihren staatsbürgerlichen Pflichten nachkommen könnten und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Leistungsfähigkeit der Justiz nicht erschüttert werde. Der Präsident des Landgerichts müsse dabei eine Prognose anstellen und könne nicht darauf verwiesen werden, erst bei unmittelbaren Anzeichen einer bevorstehenden Störung oder sogar erst nach deren Eintritt zu reagieren. Demgegenüber sei der verfügte Eingriff in die Handlungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht potentieller Zuschauer des betroffenen Strafverfahrens vergleichsweise gering.“

Führt eine dauerhafte Videoüberwachung des Eingangsbereichs eines Gerichtsgebäudes zum Ausschluss der Öffentlichkeit?

Das AG Meldorf (Beschl. v. 18.05.2010 – 81 C 305/10) hat sich die Frage gestellt: Führt eine dauerhafte Videoüberwachung des Eingangsbereichs eines Gerichtsgebäudes zum Ausschluss der Öffentlichkeit? und diese zugleich auch unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG v. 11.08.2009 – 2 BvR 941/08 zur (Un)Zulässigkeit der Videoüberwachung im Straßenverkehr bejaht (so in der Vergangenheit in der Sache auch schon das VG Wiesbaden).

Das LG Itzehoe hat die Sache anders gesehen. Nach seiner Auffassung stellt die Videoüberwachung im Eingangsbereich eines Amtsgerichts keine psychische Zutrittsbeschränkung dar und verletzt damit den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung nicht (LG Itzehoe, Beschl. v. 2. 6. 2010 – 1 T 61/10).

Interessante Frage, mit der ein Verteidiger sicherlich an der ein oder anderen Stelle für Unruhe sorgen kann. 🙂