Archiv für den Monat: Januar 2010

Dokumentenpauschale nicht nur fürs Material, sondern auch fürs Arbeiten, daher auch für das Einscannen von Akten

Das SG Dortmund (StRR 2009, 283; Ls.) hatte vor einiger Zeit entschieden, dass die Dokumentenpauschale der Nr. 7000 VV RVG nicht anfällt, wenn Akten nur eingescannt und abgespeichert werden und war damit von der Rechtsprechung des OLG Bamberg (NJW 2006, 3504) abgewichen. Eine Frage, die für viele Verteidiger schon von erheblicher Bedeutung ist, da immer mehr Verteidiger dazu übergehen, Akten nicht mehr zu kopieren, sondern einzuscannen. Das AG Dortmund fand die Entscheidung des SG Dortmund – aus welchen Gründen auch immer (der ein oder andere fällt einem da schon ein :-)), überzeugender als die des OLG Bamberg und hatte daher einem Verteidige, der „nur“ eingescannt und abgespeichert, nicht aber ausgedruckt hatte, die Dokumentenpauschale verweigert. Begründung: Nr. 7000 VV RVG habe den Materialaufwand im Auge, nicht aber Arbeitszeit. Dem ist jetzt das LG Dortmund auf das Rechtsmittel des Verteidigers hin entgegengetreten und hat sich in seinem Beschluss vom 16.12.2009 – 36 Qs 112/09 dem OLG Bamberg angeschlossen. Zu Recht. Ergebnis: Aufhebung und Zurückverweisung an das AG, das nun über die Höhe der Auslagen entscheiden muss. Damit ist die 2. Runde eröffnet.

OLG Naumburg: Auch Dritter hat ein Ablehnungsrecht….

Das OLG Naumburg hat sich in seinem Beschluss v. 02.12.2009 – 1 Ws 756/09 mit der Frage beschäftigt, ob auch einem Dritten, von einer Maßnahme gegen den Angeklagten betroffenen Maßnahme,  ein Ablehnungsrecht gegen gerichtliche Entscheidungen zusteht und diese Frage bejaht. Das sei ein auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG basierendes Grundrecht. Die Entscheidung ist zutreffend, denn auch der nicht eigentlich Verfahrensbeteiligte, aber von gerichtlichen Maßnahmen betroffene muss die richterliche Unvoreingenommenheit prüfen lassen können.

Blutentnahme: Ich brauche meinen Schlaf, also stör mich nachts bloß nicht…..ist das keine Willkür?

Na, wenn das keine Willkür ist/war. Es geht mal wieder um die richterliche Anordnung bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO). Dazu stellt das AG Reutlingen in seinem Urteil vom 25.11.2009 – 10 Ds 25 Js 16424/09, das mir heute übermittelt worden ist, fest:

Gegen 01:17 Uhr riefen die Beamten hingegen beim Bereitschaftsstaatsanwalt, Herrn Oberstaatsanwalt X  an. Dieser ordnete umgehend die Entnahme zweier Blut­proben an. Er versuchte dabei erst gar nicht, den Bereitschaftsrichter zu kontaktieren. Denn dieser, Vorsitzender Richter am Landgericht S , hatte ihm am Freitag, 14. August 2009 um 10.40 Uhr dienstlich eine Email mit dem Betreff „Bereitschaftsdienst“ gesandt. Diese lautete in vollem Wortlaut: „Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt ….., zur Vorbereitung und Durchführung des gemeinsamen Bereitschaftsdienstes am kommenden Wochenende (Freitag, 14.8.2009, 14.00 Uhr bis Montag 17.8.2009, 7.30 Uhr) weise ich darauf hin, dass ich – auch in den Zeiten der Nachtbereitschaft und in Eilfällen – nicht lediglich aufgrund fernmündlicher Sachverhaltsdarstellung entscheiden werde, sondern um Zuleitung jeweils schriftlich abgefasster Anträge der Staatsanwalt­schaft bitte. Mit freundlichen Grüßen xxxxx Vors. Richter am Landgericht“. Zu einer schriftlichen Antragstellung sah sich der Bereitschaftsstaatsanwalt auf die Schnelle aber nicht in der Lage, zumal er auch nicht wusste, wie er den Antrag dem Bereitschafts­richter hätte nachts zukommen lassen sollen.

Wie schreibt der Kollege so schön: Die Stimmung wird langsam gereizt. Das AG hat ein BVV verneint, weil nicht willkürlich gehandelt worden sei. Das muss man m.E. anders sehen: Ist es denn nicht willkürlich, wenn von vornherein ein Tätigkwerden aufgrund mündlicher Stellungnahme abgelehnt wird. Was muss denn noch passieren. Man glaubt es nicht.

LG Itzehoe verweigert OLG Schleswig die Gefolgschaft

Bekanntlich hat ja das OLG Schleswig – Beschl. v. 26.10.2009 – 1 Ss OWi 92/09 (129/09) – bei Verletzung des sich aus § 81a ergebenden Richtervorbehalts ein Beweisverwertungsverbot angenommen. Das LG Itzehoe folgt dem „übergeordneten“ OLG in seinem Beschl. v. 8. 12. 2009, 2 Qs 186/09, (wieder) nicht (vgl. die PM vom 16.12.2009). Es will ein BVV nur bei einem „völlig unverständlichen Verstoß“ annehmen.

Neu!!! § 147 Abs. 2 Satz 2 StPO: Erweiterte Akteneinsicht bei Untersuchungshaft

Zu den Neuerungen, die am 01.01.2010 in Kraft getreten sind, gehört auch die Ergänzung in § 147 Abs. 2 Satz 2 StPO, die u.a. auch Rechtsprechung des EGMR zurückgeht (Lamy, Schöps u.a.). Danach können jetzt bei einem inhaftierten Mandanten diejenigen Aktenteile nicht mehr zurückgehalten werden, die zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung erforderlich sind. Und das sind m.E. alle. In die ist in geeigneter Weise Akteneinsicht zu gewähren. Nicht ausreichend dürften „ausgedünnte Aktenteile“ sein. Und: Im Gesetzgebungsverfahren ist der letzte Halbsatz noch eingefügt worden. „.. in der Regel ist Akteneinsicht zu gewähren“. Damit ist klar, was mit „geeigneter Weise“ gemeint ist: Akteneinsicht. Der Verteidiger muss sie nur noch durchsetzen.