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Haft II: Auslieferung eines „Kriegsdienstverweigerers“, oder: Auslieferungshindernis, ja oder nein?

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Und dann habe ich etwas aus dem Auslieferungsverfahren, nämlich den OLG Dresden, Beschl. v. 09.08.2024 – OAus 174/24.

Diesem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Verfolgte verließ 2018 die Ukraine, um in Polen zu arbeiten. Im November 2023 erlässt die Ukraine einen Haftbefehl gegen den Verfolgten und schreibt ihn international zur Fahndung aus. Dem Verfolgten wird vorgeworfen, im Jahr 2018 auf einer Polizeiwache in der Ukraine einen Polizisten beleidigt und durch Schläge verletzt zu haben. Im Mai 2024 wird der Verfolgte in Deutschland festgenommen und befindet sich seitdem in Auslieferungshaft.

Gegenüber der Auslieferung beruft sich der Verfolgte darauf, dass die Strafverfolgung nur vorgeschoben ist, um den Verfolgten in die Armee einzuziehen, sobald er ukrainischen Boden betritt. Er beruft sich insoweit darauf, dass er den Dienst an der Waffe aus Glaubens- und Gewissensgründen ablehne, es in der Ukraine aber keine Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung gebe.

Damit stellt sich die Frage: Auslieferungshindernis? Ja oder nein? Das OLG Dresden möchte von der dazu bisher vroliegenden Rechtsprechung des BGH abweichen und vertritt die Auffassung, dass Art. 4 Abs. 3 GG kein Auslieferungshindernis begründet. Es hat wegen der Abweichung die Frage dem BGH vorgelegt.

Den fragt das OLG:

Verstößt die Auslieferung eines Verfolgten in sein Heimatland gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung, wenn sich der Verfolgte im Auslieferungsverfahren darauf beruft, den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern und im Falle seiner Überstellung nicht gewährleistet ist, dass er nach dem Recht des ersuchenden Staates nicht dennoch zum Kriegsdienst herangezogen wird und im Falle der Verweigerung Bestrafung zu erwarten hat?

OLG Naumburg: Auch Dritter hat ein Ablehnungsrecht….

Das OLG Naumburg hat sich in seinem Beschluss v. 02.12.2009 – 1 Ws 756/09 mit der Frage beschäftigt, ob auch einem Dritten, von einer Maßnahme gegen den Angeklagten betroffenen Maßnahme,  ein Ablehnungsrecht gegen gerichtliche Entscheidungen zusteht und diese Frage bejaht. Das sei ein auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG basierendes Grundrecht. Die Entscheidung ist zutreffend, denn auch der nicht eigentlich Verfahrensbeteiligte, aber von gerichtlichen Maßnahmen betroffene muss die richterliche Unvoreingenommenheit prüfen lassen können.

Verletzung der Grundrechte bei Freispruch wegen Schuldunfähigkeit?

Eine mögliche Verletzung der Grundrechte mangels Widerspruchsmöglichkeit hatte Die Linke in einer Kleinen Anfrage (BT-Drs. 16/11011) thematisiert. Die Antwort der Bundesregierung liegt darauf nun vor. Ein rechtsstaatliches Defizit liegt nach Ansicht der Bundesregierung nicht vor, wenn der Angeklagte bei einem Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen wird und ihm danach keine Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Das erklärt sie in ihrer Antwort (BT-Drs. 16/11316). Das freisprechende Urteil ergehe in einem rechtsstaatlichen Verfahren nach einem Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör durch ein unabhängiges Gericht. Verfassungsrechtlich sei es nicht erforderlich, dass gegen ein verfahrensfehlerfrei ergangenes Gerichtsurteil ein Rechtsbehelf gegeben ist. Auch unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensrechtes bestünden keine Defizite im Blick auf effektiven Rechtsschutz. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn dem Angeklagten ein Rechtsmittel gegen ein freisprechendes Strafurteil nicht gegeben werde. Einen Anspruch darauf, aus einem gewünschten Grunde freigesprochen zu werden, gebe es nicht.

Strafgerichtliche Entscheidungen, durch die ein Strafverfahren wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit durch Freispruch abgeschlossen worden sei, würden in ein Führungszeugnis für private Zwecke nicht eingetragen. Eine unbeschränkte Auskunft erhielten nur Gerichte und eine gesetzlich bestimmte Auswahl von Behörden.

Die Antwort der Bundesregierung BT-Drs. 16/11316 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LNKE BT-Drs. 16/11011 finden Sie im Internetangebot der Deutschen Bundestages.