Archiv für den Monat: Oktober 2009

2. OpferRRG: Änderungen beim Recht des Zeugenbeistands

Das 2. OpferRRG hat nicht nur Änderungen im Recht der Pflichtverteidigung oder bei der Nebenklage gebracht, sondern auch im Recht des Zeugenbeistands. Diese sind kurz zusammengefasst:

  1. In § 68b Abs. 1 Satz 1 StPO ist jetzt der allgemeine Zeugenbeistand anerkannt.
  2. In § 68b Abs. 2 StPO ist jetzt die Regelung zum sog. Vernehmungsbeistand (früher § 68b Satz 2 StPO) enthalten.
  3. In § 68b Abs. 1 Satz 3 StPO ist nun geregelt, dass ein Zeugenbeistand auch ausgeschlossen werden kann. m.E. eine Regelung, die, das die Ausschlußgründe zu unbestimmt sind und auch das „Ausschlussverfahren“ nicht geregelt ist, beim BVerfG in Karlsruhe wohl kaum Bestand haben wird.

Zu allem natürlich :-)) Näheres schon in meinen beiden Handbüchern und in meinem Beitrag im StRR-Heft 10/09.

OLG Hamm: Durch Beweisantrag entstandene Verfahrensverzögerung darf dem Betroffenen nicht angelastet werden

Das muss man ja erst mal drauf  kommen. In einem OWi-Verfahren hatte das AG trotz Überschreiten der „2-Jahres-Grenze“ nicht vom Fahrverbot abgesehen und das damit begründet, die erhebliche Verfahrensdauer sei dem Betroffenen anzulassten, denn sie beruhe im Wesentlichen auf dem vom Betroffenen gestellten Beweisantrag. Das hat – zum Glück – das OLG Hamm jetzt in seinem Beschluss vom 01.09.2009 – 2 Ss OWi 550/09 richtig gerückt, wenn es ausführt, dass diese Erwägung nur dann nicht zu beanstanden wäre, „wenn sich aus den Urteilsgründen ergäbe, dass der Beweisantrag im Nachhinein die Wertung rechtfertigt, der Betroffene habe ihn „aufs Geratewohl“, „ins Blaue hinein“ gestellt (OLG Köln, a.a.O.). Macht der Betroffene dagegen von seinen prozessualen Möglichkeiten in ordnungsgemäßer Weise Gebrauch, kann dies nicht dazu führen, die erhebliche Verfahrensdauer allein seinem Einflussbereich zuzuordnen.
Vor diesem Hintergrund belegen die Feststellungen des angefochtenen Urteils kein rechtsmissbräuchliches Prozessverhalten des Betroffenen. Der Beweisantrag hat zwar letztlich zu einem für den Betroffenen nachteiligen Ergebnis geführt, doch kann allein daraus nicht der Schluss gezogen werden, der Beweisantrag sei „aufs Geratewohl“ gestellt worden.“

Schade, dass das erst ein OLG erkennt.

„ALARM zur VG 4106 in Berlin“

so hat ein Kollege aus Berlin sein Posting im Forum bei LexisNexis Strafrecht getitelt. In der Sache schreibt er dann:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
„wie ich gerade feststellen durfte, scheint bei Rechtspflegern in Berlin ein neuer Trend „in“ zu sein, dem es Einhalt zu gebieten bedarf:
In einer vollkommen „normalen“ Beiordnung beim AG, mit HV und anschließender Rechtskraft wurde mir die Verfahrensgebühr VV. 4106 abgesetzt mit der Begründung, „das erste Mandantengespräch und die AE sei von der GG abgegolten, danach folgte der Termin“.
In meiner Erinnerung habe ich vorgetragen, daß es nicht nur ein Gespräch mit dem Mandanten gab, sondern mehrere Telefonate zur Vorgehensweise (dazu auch mit dem Vorsitzenden zu möglicher Verständigung) und eine längere persönliche Besprechung, ich außerdem den Mandanten nach Erhalt des Bewährungsbeschlusses schriftlich intruiert habe, zum Anwendungsbereich der VG habe ich u.a. Herrn Burhoff zitiert.
Meine Rückfrage bei Kollegen hat ergeben, daß das offensichtlich kein „Mißverständnis“ war, sondern eine Menge Kollegen seit kurzem derartige Beschlüsse bekommen haben.

Ich rate daher, gegen diese „Ausdünnung“ der Gebühren, die rechtlich falsch ist, mit Erinnerungen vorzugehen denn sonst bleibt das bis zur nächsten Gesetzesnovelle u.U. so. Aber vielleicht bleibt es auch ein Berliner Phänomen…..“.

Mich würde interessieren: Gibt es an anderen Orten diese Probleme auch?

Erneut Verfassungsbeschwerde gegen Auslieferung erfolgreich

Der Beschwerdeführer, der die deutsche und die griechische Staatsangehörigkeit besitzt, wehrt sich seit dreieinhalb Monaten gegen seine Auslieferung zur Strafverfolgung, um die griechische Behörden auf der Grundlage von mittlerweile drei Europäischen Haftbefehlen ersuchen.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits im vorigen Monat 2009 (vgl. Pressemitteilung Nr. 101/2009 vom 4. September 2009) entschieden hatte, dass die Bewilligung der Auslieferung auf der Grundlage des ersten Europäischen Haftbefehls Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt hatte, erklärte das OLG München die Auslieferung wegen des
zweiten Europäischen Haftbefehls erneut für zulässig und ordnete Auslieferungshaft an. Die Generalstaatsanwaltschaft entschied wiederum, die Auslieferung zu bewilligen. Gegen beide Entscheidungen wandte sich der Beschwerdeführer mit seiner zweiten Verfassungsbeschwerde.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Bewilligungsentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft und den Beschluss des Oberlandesgerichts München wendet, die Auslieferung des Beschwerdeführers zur Strafverfolgung für zulässig zu erklären. Die Entscheidungen wurden aufgehoben und zur erneuten Entscheidung über die Auslieferung an ein anderes Oberlandesgericht zurückverwiesen. Nach wie vor beanstandet die Kammer nicht prinzipiell die Auslieferung eines  deutschen Staatsangehörigen nach Griechenland auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls, stellt aber fest, dass der Auslieferungsbeschluss des Oberlandesgerichts willkürlich das Grundrecht des Beschwerdeführers auf  Auslieferungsschutz verletzt. Der Beschluss unterschreitet die Mindesterfordernisse an Art und Tiefe der Begründung richterlicher Entscheidungen, weil er – wiederum mit Blick auf Verjährungsfragen – wesentliche Rechtsfragen übergeht und den Sachverhalt nicht hinreichend weit aufgeklärt hat.

Quelle: PM 116/09 v. 12.10.2009

Nebenklage durch 2. OpferRRG erheblich ausgebaut

Das 2. OpferRRG hat wesentliche Änderungen bei der Nebenklage gebracht. Wer damit häufiger zu tun hat, sollte mal in den § 395 StPO schauen. Dort ist die Anschlussbefugnis wesentlich erweitert worden. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass in § 395 StPO, der die Nebenklagebefugnis regelt, nun der Schwere des Delikts und den Tatfolgen ein stärkeres Gewicht beigemessen worden ist. Das führt z.B. dazu, dass jetzt nach § 395 Abs. 3 StPO auch Opfer von Raub, Erpressung oder anderen Delikten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter nebenklagebefugt sind, wenn sie von schweren Tatfolgen betroffen sind.