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News: Rechtsanwaltsgebühren werden erhöht, oder: Die RVG-Änderungen kommen

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Und dann außerhalb des „normalen“ Programms. ich bekomme gerade die Nachricht über die nachfolgende PM des BMJ

Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren werden erhöht

Das Bundesministerium der Justiz hat heute einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und des Justizkostenrechts veröffentlicht.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt:

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind tragende Säulen unseres Rechtsstaats. Denn sie sind es, die die rechtlichen Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger bestmöglich vertreten und ihnen so zu ihrem Recht verhelfen. Die Rechtsanwaltsgebühren sind seit Anfang 2021 nicht mehr erhöht worden – genauso wenig wie die der Sachverständigen bei Gericht und der Sprachmittler. Das ist im Hinblick auf die inflationäre Entwicklung in den letzten Jahren und die gestiegenen Personal- und Sachkosten nicht hinnehmbar. Deshalb werden wir die gesetzlichen Honorarsätze nun anpassen. Damit wollen wir sicherstellen, dass unsere Anwältinnen und Anwälte gut aufgestellt sind, um auch weiterhin zur hohen Qualität der Rechtspflege in Deutschland beizutragen.“ 

Der heute veröffentlichte Referentenentwurf sieht zum einen eine Anpassung der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren an die gestiegenen Kosten für den Kanzleibetrieb vor. Damit den Gerichten und Staatsanwaltschaften auch künftig qualifizierte Sachverständige, Sprachmittlerinnen und Sprachmittler in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, sollen zudem die einschlägigen Vergütungssätze des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes an die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst werden.

Der Referentenentwurf sieht insbesondere vor:

  • Im Bereich der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung wird eine Kombination aus strukturellen Verbesserungen sowie einer linearen Erhöhung der Gebühren vorgeschlagen. Dabei sollen die Betragsrahmen- sowie die Festgebühren um 9 Prozent und die Wertgebühren um 6 Prozent steigen.
  • Die Gerichtsgebühren sollen ebenfalls linear um 9 beziehungsweise 6 Prozent angehoben werden, die Gerichtsvollziehergebühren um 9 Prozent. Darüber hinaus sind einzelne weitere strukturelle Änderungen in den Justizkostengesetzen vorgesehen.
  • Die Honorarsätze der Sachverständigen und der Sprachmittlerinnen und Sprachmittler sollen um 9 Prozent erhöht werden.
  • Die Entschädigungstatbestände für die Telekommunikationsüberwachung sollen an die geänderten technischen Rahmenbedingungen und die Entschädigungssätze an die veränderten Personal- und Sachkosten angepasst werden.

Der Referentenentwurf wurde heute an die Länder und Verbände versendet und auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 8. Juli 2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht.

Den Referentenentwurf finden sie hier.“

Erstreckungsantrag/-entscheidung immer erforderlich, oder: Trostpflaster

Heute also der letzte vorweihnachtliche Arbeitstag – ich vermute mal, dass in vielen Kanzleien heute dann doch nicht mehr so intensiv wie an anderen Tagen gearbeitet wird. Aber vielleicht hat ja doch der ein oder andere Kollege (noch) Zeit, sich die heutigen gebührenrechtlichen Postings anzuschauen.

Ich berichte zunächst über den OLG Hamburg, Beschl. v. 20.11.2017 – 2 Ws 179/17 -, auf den ich bei meinen „Nachurlaubsaufräumarbeiten“. Er behandelt dann noch einmal das (leidige) Thema der Erstreckung im Gebührenrecht (§ 48 Abs. 6 RVG). Er passt ganz gut zu dem während meines Urlaubs vorgestellten OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.10.2017 – 1 Ws 196/17 – (vgl. dazu Erstreckung, Erstreckung, Erstreckung, oder: Immer einen Antrag stellen). Es geht in der OLG Hamburg-Entscheidung nämlich auch wieder um die Frage der Erforderlichkeit des Erstreckungsantrags bzw. darum, ob es darauf ankommt, ob die Verfahrensverbindung vor oder nach der in einem der verbundenen Verfahren vorgenommenen Pflichtverteidigerbeiordnung angeordnet wird. Das OLG Hamburg sagt dazu – ebenfalls: Nein darauf komme es nicht an. § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG ist in allen Fällen ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge von Verbindung und Beiordnung anwendbar. Ist m.E. nicht richtig, aber es nutzt nichts, darum zu diskutieren, sondern man muss die Konsequenzen aus dieser (falschen ) Auffassung ziehen und eben immer einen Erstreckungsantrag stellen, wenn Erstreckung in Betracht kommt. Dann gehen keine Gebühren verloren.

Allerdings enthält der OLG Hamburg-Beschluss ein kleines Trostpflaster, wenn das OLG von einer im Festsetzungsverfahren erfolgten konkludenten Antragstellung ausgeht:

„c) Da der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 7. Januar 2016 unter Auflistung der einzelnen hinzuverbundenen Verfahren und Darlegung und Beleg seiner jeweiligen früheren Tätigkeiten in diesen Verfahren beantragt hat, ihm neben der Vergütung für das führende Verfahren auch Gebühren und Auslagen für sämtliche der Beiordnung vorausgehenden Tätigkeiten in den jeweils hinzuverbundenen Verfahren aus der Staatskasse zu erstatten, hat er damit – zumindest konkludent (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, § 48 RVG Rn. 209 m.w.N.) – einen Antrag auf Erstreckung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG gestellt, welchen das Amtsgericht bisher nicht beschieden hat.“

Aber darauf sollte man sich nicht verlassen. Und dann mit dem Posting-Bild noch ein bisschen vorweihnachtliche Werbung 🙂 .

Verteidiger aufgepasst, oder: Reform der Vermögensabschöpfung hat gebührenrechtliche Auswirkungen

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Im Moment merkt man deutlich, dass die Legislaturperiode sich dem Ende zuneigt. Man kann nicht so schnell zu neuen Gesetzen und Gesetzesänderungen bloggen, wie der Bundestag „arbeitet“. Neuregelungen quasi im Minutentakt. Auf die ein oder andere dieser Neuregelungen komme ich in der nächsten Woche noch zurück.

Heute hier an dieser Stelle zunächst nur ein Hinweis auf eine Gesetzesänderung – bzw. besser: Reform -, die schon etwas zurückliegt, die morgen, also am 01.07.2017, erst in Kraft tritt.

Es handelt sich um das „Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung v. 13.04.2017“ (BGBl I, S. 872) (siehe dazu BT-Dr.18/11640). Mit dem Gesetz wird das Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in den § 73 ff. StGB  vollständig neu geordnet, und zwar etwa wie folgt:

  • Der Begriff des „Verfalls“ wird in Anlehnung an den im EU-Recht üblichen Terminus („confiscation“) durch den Begriff der „Einziehung“ (von Taterträgen) ersetzt.
  • Ansprüche von Tatgeschädigten werden demnächst grundsätzlich im Strafvollstreckungsverfahren befriedigt werden.
  • Ist der aus der Tat erlangte Gegenstand noch vorhanden, wird er im Urteil eingezogen und an den Geschädigten zurückübertragen.
  • Andernfalls ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des ursprünglich erlangten Gegenstandes entspricht.
  • Die Rückgewinnungshilfe und der staatliche Auffangrechtserwerb werden abgeschafft. Zeitraubende zivilrechtliche rechtliche Fragen sollen sich künftig daher nicht mehr stellen.
  • Als weitere Erleichterung ist u.a. vorgesehen, dass die Entscheidung über die Vermögenseinziehung von der Hauptsache (Schuld- und Straffrage) abgetrennt werden kann. Das hat vor allem Bedeutung in Haftsachen, die beschleunigt bearbeitet werden müssen.
  • Für laufende Verfahen gilt die Übergangsregelung in § 14 EGStPO.

M.E. bekommt die Einziehung in Zukunft noch mehr Bedeutung, als sie bislang schon hatte. Und da liegt dann auch der gebührenrechtliche Einschlag dieser Meldung/dieses Postings. Nämlich in dem Aufruf/Hinweis: Überseht als Verteidiger nicht die Nrn. 4142, 5116 VV RVG. Das sind die zusätzlichen Verfahrensgebühren für Einziehung und verwandte Maßnahmen. Es handelt sich um Wertgebühren (!), der Umfang der Tätigkeiten, die man als Verteidiger erbringt, hat also für die Höhe der Gebühr keine Bedeutung.

Und: Es wird m.E. in Zukunft ein Streit entfallen. Nämlich der, ob die Tätigkeiten im Rahmen der Rückgewinnungshilfe auch unter die Nr. 4142 VV RVG fallen. Darüber hatte ich ja vor kurzem auch berichtet, und zwar:

Manche Streitfragen erledigen sich eben von selbst.

Ich habe da mal eine Frage: Zusätzliche Verfahrensgebühr nach vorläufiger Einstellung nach § 154 StPO?

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Heute stelle ich dann mal einen m.E. ganz interessanten Sachverhalt zur Diskussion, der in der Praxis gar nicht so selten sein dürfte. Und zwar:

Dem Angeklagten wird mit einer Anklage vom 01.06.2015 eine Sachbeschädigung vorgeworfen. Das Jugendschöffengericht hat das Hauptverfahren eröffnet, Hauptverhandlungstermin anberaumt und zugleich ein weiteres gegen den Angeklagten bei Gericht anhängiges Verfahren zu der Anklageschrift vom 01.06.2015 hinzuverbunden. In der Hauptverhandlung am 19.08.2015 hat das Gericht das Verfahren im Umfange der Anklageschrift vom 01.06.2015 abgetrennt und den Angeklagten unter Einbeziehung weiterer Entscheidungen im Übrigen zu einer einheitlichen Jugendstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten Berufung eingelegt und zugleich um Prüfung gebeten, ob im Hinblick auf den in dem Hauptverhandlungstermin vor dem AG abgetrennten Verfahrensteil das Verfahren gem. § 154 StPO oder § 47 JGG (endgültig) eingestellt werden kann und für diesen Fall bereits angekündigt, das Rechtsmittel zurückzunehmen.

In dem Hauptverhandlungstermin vor dem LG als Berufungsgericht am 12.01.2016 hat nach Erörterung der Sach- und Rechtslage die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragt, das Verfahren bezüglich der abgetrennten Anklage gem. § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten vom 19.08.2015 einzustellen. Hierauf hat der Angeklagte nach Rücksprache mit seinem Verteidiger die Rücknahme der Berufung gegen das Urteil vom 19.08.2015 erklärt. Inzwischen ist mit Beschluss vom 01.02.2016 durch das AG das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Geschehens aus der Anklageschrift vom 01.06.2015 nach § 154 Abs. 2 StPO (vorläufig) eingestellt worden.

Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag hat der Rechtsanwalt beantragt, auch die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG festzusetzen. Die Rechtspflegerin beim AG hat diese nicht festgesetzt. “

Der Verteidiger erwägt wegen der nicht festgesetzten Nr. 4141 VV RVG Erinnerung einzulegen. Hat er Aussicht auf Erfolg?

Heute in Kraft getreten: Änderungen im Berufungsrecht und im RVG

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Ich habe bereits mehrfach über zwei Gesetzesänderungen berichtet, über die der Bundestag noch vor der Sommerpause am 18.06.2015 entschieden hat. Nämlich die

  • Änderungen bei der Berufungsverwerfung (§ 329 Abs. 1 StPO) und die insoweit überfällige Umsetzung der EGMR-Rechtsprechung
  • Änderungen im RVG mit der Änderung der „Eingangsgebührenstufe“ in Teil 5 VV RVG – die Anpassung an die Punktereform 2014 . und eine Klarstellung in § 53 RVG.

Diese sind nun heute (25.07.2015) in Kraft getreten, nachdem das „Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe“ (BT-Drs. 18/3562) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT-Drs. 18/5254) gestern im BGBl veröffentlicht worden ist (vgl. BGBl I, S. 1332).

Das bedeutet:

  • Bislang wurde eine Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache verworfen , wenn der Angeklagte zu Beginn der Berufungshauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint, selbst wenn für ihn ein Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht erschienen war (§ 329 Abs. 1 StPO). Künftig muss das Berufungsgericht stets prüfen, ob die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung erforderlich ist. Die Anwesenheit ist für eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts immer dann erforderlich, wenn eine solche Entscheidung allein aufgrund der vom anwesenden Verteidiger für den Angeklagten abgegebenen Erklärungen nicht möglich ist (vgl. auch Umdenken bei der Berufungsverwerfung ist angesagt – Neziraj lässt grüßen).
  • Im RVG sind in den Nrn. 5101, 5103, 5107, 5109 VV RVG  die Gebührensätze von 40,00 € auf 60,00 € angehoben worden. Das ist die Anpassung an die Punktereform 2014. Außerdem ist in § 53 RVG eine Klarstellung beim bestellten Beistand erfolgt.

Ab heute gilt also neues Recht. Das ist übrigens auch schon in Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl., die Ende September erscheinen wird, enthalten. Im RVG gilt die Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 RVG. Also: In allen Verfahren, in denen der unbedingte Auftrag ab heute erteilt worden ist, gelten die neuen Sätze.