RVG: Gegenstandswert 3.621.930,00 € oder nur 7.024,68 €?, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren

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Mit einem lachenden und einem weinenden Auge habe ich das OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2017 – 1 U 203/15 – gelesen. Ergangen ist das Urteil in einem Entschädigungsverfahren nach dem StrEG. In dem hat der Kläger Ersatz von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mi der Vollziehung eines dinglichen Arrests geltend gemacht. Der Kläger war Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren. Durch Beschluss des AG Frankfurt am Main vom 08.04.2010 wurde der dingliche Arrest in Höhe von 10.835.791,- € in das Vermögen des Klägers angeordnet. Der Arrest wurde vom 28.4.2010 bis zum11.8.2010, durch Kontenpfändung und bis zum 26.8.2010 durch Pfändung beweglicher Sachen vollzogen. Gegen den Arrestbeschluss hat der Verteidiger des Klägers Beschwerde eingelegt. Das AG Frankfurt hat den Arrestbeschluss mit Beschluss vom 16.08.2010 aufgehoben. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde unter dem 11.03.2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Mit Beschluss vom 10.06.2014 hat das AG festgestellt, dass der Kläger „für den vollzogenen dinglichen Arrest des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom B. April 2010 in der Zeit vom 28.4.2010 bis zum 26.8.2010 zu entschädigen ist“.

Gestritten wird nun um die Gebühr Nr. 4142 VV RVG. Die hat der Kläger geltend gemacht, und zwar aus einem Gegenstandswert des Arrestverfahrens in Höhe von 3.621.930,00 €. Die GStA hält nur einen Gegenstandswert in Höhe der vollzogenen Arrestes für zutreffend.

Die Klage war vom LG Frankfrut abgewiesen worden, beim OLG hatte der Kläger nun aber Erfolg. Aus dem Urteil:

Zunächst das lachende Auge: Das bezieht sich auf die Auffassung des OLG, das davon ausgeht, dass die Gebühr auch in den Fällen der so. Rückgewinnungshilfe anfällt. Es schließt sich damit der inzwischen wohl h.N. in der Rechtsprechung Literatur an:

„cc) Einer Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten steht vorliegend auch nicht entgegen, dass der Arrest auch auf § 111b Abs. 5 StPO gestützt war.

Allerdings ist streitig, ob die Gebühr nach VV 4142 RVG überhaupt anfallen kann, wenn ein Arrest nicht nur gem. § 111b Abs. 2 StPO zur Sicherung staatlicher Ansprüche auf Verfall des Wertersatzes angeordnet ist, sondern wenn er auch gemäß § 111 b Abs. 5 StPO zur Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen angeordnet ist (Burhoff in: Gerold/Schmidt., a.a.O., 4142 VV, Rn 8). Eine Gebühr nach Nr. VV 4142 RVG soll dann nicht ausgelöst werden, wenn ein Arrest allein zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs. 5 StPO) angeordnet ist, ist, da dieser nicht zu den „vorgenannten Maßnahmen“ im Tatbestand der Nr. VV4142 RVG gehöre (OLG Köln, Beschl. v. 22.11.2006 — 2Ws 614/06). Das OLG Hamm hat den Anfall einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG verneint, wenn die Sicherstellung von Eigentum nicht zu einer endgültige Entscheidung über den Vermögensverlust führt, sondern erst durch zivilrechtliche Verfahren eine Klärung herbeizuführen ist, in denen dann wiederum anwaltliche Gebühren entstehen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.2.2009 – 2 Ws 378/08). Nach anderer Auffassung, der sich der Senat anschließt, soll sich der auch zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe angeordnete dingliche Arrest in Intensität und wirtschaftlicher Auswirkung aus Sicht des Betroffenen nicht mehr wesentlich von der Pfändung eines Vermögensgegenstandes auf der Grundlage eines nach § 111b Abs. 2 StPO ausgebrachten dinglichen Arrestes unterscheiden (OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 — 1 Ws 212/13; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2008 — 3 Ws 323/07). Dafür spricht auch, dass gemäß § 111i StPO beschlagnahmte Gegenstände nach Ablauf von 3 Jahren mit Verfallswirkung dem Staat anheimfallen, was aus Sicht des durch die Beschlagnahme Betroffenen die gleiche Wirkung wie die Einziehung des Wertersatzes hat.

Jedenfalls in den Fällen, in denen – wie vorliegend – der Arrest nicht nur der Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen sondern auch der Sicherung staatlicher Ansprüche aus Wertersatz dient, ist danach der Anfall einer Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht ausgeschlossen.“

Aber, dann das weinende Auge: Beim Gegenstandswert sieht das OLG die Rechtslage anders als die wohl h.M.:

Die Gebühr aus Nr. VV 4142 RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung oder verwandte Maßnahmen bezieht. Letztere sind in §§ 442 Abs. 1 StPO mit Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung oder Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands benannt. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen (Burhoff in: Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 4142, Rn. 9).

Sinn und Zweck des VV142 RVG ist es danach, eine Anwaltsvergütung für die Tätigkeiten zu erhalten, die sich auf die Bewahrung des Eigentums Mandanten richten (vgl. Kotz/Beck-OK-RVG, 35. Ed. (15.7.2015), VV 4142 Rn. 1). Dementsprechend bestimmt sich der Gegenstandswert für die Gebühren nach der ganz überwiegenden Rechtsprechurig und Auffassung nach objektiven Wert der betroffenen Gegenstände (OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.2006 — 2 Ws 137/06; KG, Urt. v. 18.7.2005 — 5 Ws 256/05, JurBüro 2005, 531; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2008 — 3 Ws 323/07, wistra 2008, 160; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 — 1 Ws 212/13, NStZ-RR 2014 – 360; Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn. 19; Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, VV 4142 Rn. 16; Riedel/Sußbauer/Kremer, RVG 10. Aufl. 2015, Rn. 11; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nr. 4141-4147 VV, Rn 18).

Von der Rechtsprechung und der Literatur wird allerdings teilweise auch für die Vergütung aus Nr. VV 4142 RVG der Gegenstandswert des Arrestes mit einem Drittel des zu sichernden Hauptanspruchs angenommen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.1.2008 – 3 Ws 560/07, OLG München, Beschl. v. 16.8.2010 – 4 Ws 114/10 (K); OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 – 1 Ws 212/13; Riedel/Sußbauer /Kremer, a.a.O., Rn. 15). Die Wertfestsetzung beruht dabei jeweils ohne eingehendere Begründung auf einer Übertragung der Grundsätze die im Zivilrecht für die Wertfestsetzung im Arrestverfahren entwickelt worden.

Das erscheint nicht zutreffend. Die Streitwertfestsetzung im zivilrechtlichen Arrestverfahren beruht darauf, dass sich eine Partei einer Geldforderung berühmt und deren Zwangsvollstreckung sichern möchte (§ 916 Abs. 1 ZPO). Danach ist die obere Grenze bei der Sicherung einer Geldforderung deren Betrag, wobei wegen der Vorläufigkeit der Regelung regelmäßig ein Abschlag auf ein Drittel dieses Betrages gemacht wird (vgl. nur Herget/Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn 16 „Arrestverfahren“).

Ein Arrestanspruch ist jedoch nicht Voraussetzung für den Erlass eines Arrestes gem. § 111 b Abs. 1 StPO wegen des Verfalls oder der Einziehung von Wertersatz. Hierfür müssen allein Gründe für die Annahme vorliegen, dass Maß nahmen nach den §§ 73a, 74c StGB verhängt werden (Spillecke, Karlsruhe Kommentar zur StPO; 7. Aufl. 2013, § 111d Rn. 4). Auf § 916 Abs. 1 ZPO ist in § 111 d Abs. 2 StPO auch nicht verwiesen.

Soweit die antragstellende Staatsanwaltschaft Ansprüche durch Bezifferung konkretisiert, handelt es sich hierbei um eine notwendig vorläufige Annahme, die von dem jeweiligen Stand der Ermittlungen und Erkenntnisse abhängt.

Die Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers, die sich auf die Einziehung, Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes von Sachen des Mandanten beziehen. Ausgangspunkt der Tätigkeit des Verteidigers ist daher allein die Sicherung von dessen Vermögensgegenständen. Der objektive Gegenstandswert für diese Tätigkeit ergibt sich danach nicht aus der Annahme, dass Wertgegenstände in einer bestimmten Höhe der Einziehung oder dem Verfall unterliegen könnten, sondern aus dem Wert der Gegenstände, zu deren Sicherung der Verteidiger tätig wird.“

Zu den Fragen werden wir dann demnächst etwas vom BGH hören. Denn das OLG hat die Revision zugelassen. Und die Sache hat Bedeutung, denn es geht ja schon um ein paar Euro anwaltliche Vergütung mehr….

3 Gedanken zu „RVG: Gegenstandswert 3.621.930,00 € oder nur 7.024,68 €?, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren

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