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Gegenstandswert nicht 3.621.930,00 €. sondern nur 7.024,68 €, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren

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Ich hatte im vorigen Jahr über das OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2017 – 1 U 203/15 berichtet (vgl. RVG: Gegenstandswert 3.621.930,00 € oder nur 7.024,68 €?, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren). In dem Urteil hatte das OLG zu zwei Fragen Stellung genommen, nämlich einmal dazu, ob im Fall der Tätigkeiten des Rechtsanwalts/Verteidigers im Hinblick auf die Rückgewinnungshilfe nach altem Recht (auch) die Nr. 4142 VV RVG anfällt – das OLG hatte das bejaht – und von welchem Gegenstandswert in den Fällen des Arrestes auszugehen ist.

Nun liegt zu der Entscheidung die Revisionsentscheidung des BGH vor mit dem BGH, Urt. v. 08.11.2018 – III ZR 191/17, und zwar:

Der BGH hat zur Frage der Nr. 4142 VV RVG bei der Rückgewinnungshilfe aus revisionsrechtlichen Gründen nicht Stellung nehmen (müssen), m.E. lässt sich dem Urteil aber entnehmen, dass er derselben Auffassung wie das OLG ist.

Dem OLG hat sich der BGH dann auch hinsichtlich des Gegenstandswertes angeschlossen, und zwar mit folgenden Leitsätzen:

  1. Bei einem dinglichen Arrest nach § 111b Abs. 2, 5 StPO aF ist der Gegen­standswert für eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG aF ausgehend von dem zu sichernden Anspruch gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO zu schät­zen. Maßgebend ist dabei das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr der Arrestforderung, wobei die konkrete wirtschaftliche Situa­tion in den Blick zu nehmen ist. Beträge, deren Durchsetzbarkeit nicht ernstlich in Betracht kommt und die deshalb eher fiktiven Charakter haben, bleiben unberücksichtigt.
  2. Das für die Wertberechnung gemäß § 2 Abs. 1 RVG maßgebliche Interes­se des Betroffenen an der Abwehr des Arrests geht nicht weiter, als Ver­mögenswerte vorhanden sind, auf die im Wege der Arrestvollziehung zu­gegriffen werden kann. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem der Anwalt – gegebenenfalls auch nur beratend – tätig wird.

Also: Gegenstandswert nicht 3.621.930,00 € sondern nur 7.024,68 €. Wäre ja auch zu schön gewesen.

„Mandantenfreundlich“ im Arrestverfahren 6 x die zusätzliche Verfahrensgebühr? oder: Sprachlos, weil falsch

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In den heutigen Gebührenfreitag starte ich mit dem LG Chemnitz, Beschl. v. 12.07.2018 – 4 Qs 231/18, der mir vor einigen Tagen von dem Kollegen, der ihn erstritten hat, übersandt worden ist. Auf den ersten Blick eine „ganz normale“ Entscheidung zur zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG. Wenn man sich den Beschluss dann genauer ansieht, stellt man fest: Normal ist nicht. Ich war dann über den Beschluss auch „sprachlos“ oder aber „sehr erstaunt“.

Zunächst zum „Normalen“. Es geht wie gesagt um die Gebühr Nr. 4142 VV RVG, nachdem der Verteidiger für den ehemaligen Angeklagten im Arrestverfahren tätig geworden ist. Das AG hat den ehemaligen Angeklagten vom Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt rechtskräftig frei gesprochen. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten sind der Staatskasse auferlegt worden. Gestritten wird dann noch um die Gebühren des Verteidigers.  Insoweit lassen sich die (knappen) Ausführungen des LG in etwa folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

  1. Die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht auch bei der Anordnung des Arrestes zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe (zum alten Recht).
  2. Im Regelfall ist als Gegenstandswert 1/3 des zu sichernden Hauptanspruches anzusetzen.

So weit, so gut. Nun dann aber der Teil, der „sprachlos“ macht. Gehandelt hat es sich um ein umfangreiches Arrestverfahren, und zwar:

  • Das AG hatte bereits im Ermittlungsverfahren AG am 18.02.2016 dinglichen Arrest in Höhe von 306.610,42 € in das Vermögen des ehemaligen Angeklagten angeordnet.
  • Gegen den Beschluss hatte der Verteidiger Beschwerde eingelegt. Die ist vom LG am 07.04.2016 als unbegründet verworfen worden.
  • Die hiergegen gerichtete weitere Beschwerde hat das OLG ebenfalls am 22.08.2016 als unbegründet angesehen.
  • Am 08.12.2016 hat das AG den Arrestbeschluss vom 18.02.2016 nebst den dazugehörigen Pfändungsmaßnahmen aufgehoben.
  • Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein und verband diese Beschwerde mit dem Antrag, die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung bis zur Entscheidung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft auszusetzen. Das LG hat am 17.01.2017 die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben.
  • Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde des Angeklagten hatte Erfolg, das OLG hat am 20.03.2017 die Entscheidung des LLG aufgehoben und klargestellt, dass der dingliche Arrest des AG aufgehoben bleibt.

Im Festsetzungsverfahren setzt das LG dann die Gebühr Nr. 4142 VV RVG insgesamt sechsmal fest, und zwar

  • für das ursprüngliche Antragsverfahren beim AG,
  • das Beschwerdeverfahren beim LG,
  • das weitere Beschwerdeverfahren beim OLG,
  • das (nochmalige Beschwerdeverfahren beim LG,
  • das Eilverfahren beim LG
  • sowie das nochmalige weitere Beschwerdeverfahren beim OLG.

Festgesetzt worden ist außerdem sechsmal die Nr. 7002 VV RVG. Insgesamt hat die Kammer inkl. MwSt. einen Betrag von 10.201,87 € festgesetzt.

Eine konkrete Begründung gibt es nicht, außer dass die Kammer darauf verweist, dass die Gebühr Nr. 4142 VV RV „rechtszugbezogen“ ist.

Diese Festsetzung macht mich „sprachlos“, denn sie beruht m.E. auf einer Verkennung der Strukturen und Grundlagen des RVG, und zwar sowohl beim Verteidiger, der diese Festsetzung beantragt hat, als auch beim Vertreter der Staatskasse, der insoweit der Festsetzung offenabr nicht entgegengetreten ist und das Ergebnis offenbar hingenommen hat, als auch der Kammer des LG, die so festgesetzt hat. Alle übersehen, dass es sich bei der Nr. 4142 VV RVG um eine zusätzliche Verfahrensgebühr handelt, die der als Verteidiger tätige Rechtsanwalt zusätzlich zu den ihm sonst zustehenden Gebühren verdient (wegen allem die Kommentierung bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4142 VV Rn 1 ff. und in allen anderen RVG-Kommentaren). Diese zusätzliche Verfahrensgebühr ist, worauf das LG insoweit zutreffend hinweist, zwar nach Anm. 3 zu Nr. 4142 VV RVG „rechtszugbezogen“, d.h. sie „entsteht für das Verfahren des ersten Rechtszugs einschließlich des vorbereitenden Verfahrens und für jeden weiteren Rechtszug“. Aber doch nicht so, wie es offenbar die Kammer meint, nämlich jeweils für das Antragsverfahren, das Beschwerdeverfahren, das weitere Beschwerdeverfahren, das Eilverfahren (!) und nochmals für das weitere Beschwerdeverfahren, sondern zusätzlich zu den übrigen Gebühren des Verteidigers in jedem Rechtszug des Strafverfahrens, also ggf. insgesamt maximal dreimal – nämlich vorbereitendes Verfahren und gerichtliches Verfahren I. Instanz, Berufungsverfahren und Revisionsverfahren (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4142 Rn 14 f.).

Alles andere könnte allenfalls dann richtig sein, wenn die Nr. 4142 VV RVG eine eigenständige Gebühr wäre, was sie aber nicht ist. Es handelt sich um eine zusätzliche Gebühr, die nur neben den übrigen Gebühren von Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG entstehen kann. Im Übrigen stünde dann auch noch § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10a RVG entgegen. Danach gehören Beschwerden im Strafverfahren zum Rechtszug, wenn nichts anderes geregelt ist. Das ist/wäre aber nicht der Fall.

Richtig wäre es daher gewesen, wenn das LG nur eine Gebühr Nr. 4142 VV RVG nach einem Gegenstandswert in Höhe von 102.203,47 € also eine Gebühr in Höhe von 1.503,00 € festgesetzt hätte. Auch die Festsetzung der Nr. 7002 VV RVG scheidet im Übrigen aus, da es sich nicht um eine eigenständige Angelegenheit i.S. der Nr. 7002 VV RVG i.V.m. § 15 RVG handelt.

Sprachlos bin ich dann übrigens noch aus einem weiteren Grund: Ich habe den Verteidiger, der mir die Entscheidung geschickt hat, auf deren Falschheit angesprochen. Der hat mir geantwortet, dass ich „dogmatisch Recht haben [möge] (jedenfalls nach der Wortlautauslegung). In der Praxis kann das aber nicht der alleinige Maßstab sein; insbesondere dann nicht, wenn die Entscheidung im Ergebnis sachgerecht und mandantenfreundlich ist.“ Der Gesetzgeber habe an die Beschwerdeverfahren innerhalb des Arrestverfahrens schlicht nicht gedacht hat. Dass eine monatelange Verteidigung im Arrestverfahren mit hohen Beträgen und großer Bedeutung für den Mandanten  mit den Rahmengebühren des jeweiligen Rechtszuges nicht annähernd kompensiert werde, sei hoffentlich Konsens. In nahezu allen anderen Rechtsgebieten sei es normal, dass derjenige zahlt, der verliert. Er jedenfalls werde sich – trotz meines Einwandes vermeintlicher Falschheit – fortan immer auf die Entscheidung des LG Chemnitz stützen, die nach seiner Überzeugung auch der materiellen Gerechtigkeit entsprechet. Wenn der Gesetzgeber das Problem gesehen hätte, hätte er es genauso auch geregelt.

Die Sicht kann ich nicht nachvollziehen. Die Honorierung der Tätigkeiten des Verteidigers im Arrestverfahren ist in Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG nur mit einer zusätzlichen Verfahrensgebühr als Wertgebühr erfolgt. Allein schon daraus ergibt sich, dass die Gebühr alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts in dem Zusammenhang abdeckt. Auch die im Beschwerdeverfahren. Die Beschwerde eröffnet im Übrigen auch keinen neuen Rechtszug. Wenn der Gesetzgeber das anders gesehen hätte, hätte er es in den § 18, 19 RVG regeln können und müssen. Genau das hat er aber nicht getan.

Dre Verteidiger hatte dann noch ausgeführt: „Sofern Sie hingegen von Ihrer Wortlautauslegung der Nr. 4142 VV nicht abzubringen sind, wäre ich Ihnen zur Vermeidung einer mandantenfeindlichen Negativ-Kommentierung dankbar, die Entscheidung nicht in Ihren Gebühren-Blog aufzunehmen.“ Das hat mich dann das dreitte Mal sprachlos gemacht und ich habe dem Kollegen – in einigermaßen wohl gesetzten Worten – geantwortet, dass „ich mir nicht den Mund verbieten lasse“ und daher die Entscheidung kommentieren werde. Das habe ich hiermit getan.

OLG Hamm vs. OLG Frankfurt, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG auch bei „Rückgewinnungshilfe“

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Ich hatte am vergangenen Freitag über das OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2017 – 1 U 203/15 – berichtet (vgl. dazu RVG: Gegenstandswert 3.621.930,00 € oder nur 7.024,68 €?, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren). In ihm ging es um die Frage, ob bei einem im Strafverfahren ausgebrachten Arrest betreffend Rückgewinnungshilfe (§ 111b StPO) für den Verteidiger, der dazu tätig wird, die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht. Das OLG Frankfurt hat das bejaht, hat allerdings den Gegenstandswert niederiger als die dazu h.M. festgesetzt.

Zu der Frage gibt es dann auch eine Entscheidung des OLG Hamm, auf die ich der Vollständigkeit halber hinweisen will; auf sie bin ich erst jetzt gestoßen. Das OLG Hamm hat im OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2017 – 5 Ws 130/17 – das Entstehen der Gebühr verneint, macht es also anders als das OLG Frankfurt. Begründung:

Die Gebühr ist aber letztlich nicht angefallen, da die Arrestanordnung ausschließlich zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe erfolgte. Für diese Fälle fällt eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG nicht an (vgl. Beschluss des hiesigen 2. Strafsenats vom 17. Februar 2009, – Az. 2 Ws 378/08 -; OLG Köln, StraFo 2007, 131; KG Berlin, Beschluss vom 15. April 2008, – Az. 1 Ws 309-310/07 -; dem zustimmend: Hansens, zfs 2008, 647; LG Chemnitz, Beschluss vom 08. Januar 2008, -Az. 5 Qs 17/07-310 Js 844/07 -; jeweils zitiert nach juris; LG Saarbrücken, Beschluss vom 10. Januar 2012, – Az. 2 Qs 18/11 -, zitiert nach beck-online; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nr. 4141-4147 VV Rdn. 16; Burhoff, RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 4. Auflage 2014, Nr. 4142 VV Rdn. 7; ders., RVGreport 2016, 282, jeweils zitiert nach jurion; Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, VV 4142 Rdn. 8; Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 7. Auflage 2014, VV 4142 Rdn. 14; Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Auflage 2014, Nr. 4142 VV Rdn. 2; anderer Ansicht: OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. April 2014, – Az. 1 Ws 212/13 -; LG Essen, Beschluss vom 3. Dezember 2014, – Az. 56 Qs 5/14 -). Denn in diesen Fällen führt das Strafverfahren – anders als in den Fällen der Anordnung eines Verfalls – nicht zu einer endgültigen Entscheidung über den Vermögensverlust. Vielmehr wird häufig erst ein anschließendes zivilrechtliches Verfahren eine Klärung herbeiführen, in dem dann erneut Anwaltsgebühren anfallen (vgl. OLG Köln, a.a.O.; Hansens, a.a.O.). Es besteht daher im Fall der Anordnung eines Arrests im Rahmen der Rückgewinnungshilfe auch noch keine, eine gesonderte Gebühr rechtfertigende Notwendigkeit, dass die Verteidigung des Beschuldigten sich mit den Einzelheiten dieses Arrests auseinandersetzt.

Hieran ändert auch der staatliche Auffangrechtserwerb nach § 111 i Abs. 5 StPO nichts (so aber OLG Stuttgart, a.a.O.). Denn zum einen ist vor Erlass des Beschlusses, der Eintritt und Umfang des Rechtserwerbs feststellt, der Betroffene erneut zu hören, § 111 i Abs. 6 StPO. Zum anderen steht dem Betroffenen gegen den feststellenden Beschluss auch ein Beschwerderecht zu, dessen Gegenstand Eintritt und Umfang des Rechtserwerbs ist (vgl. Meyer-Goßner / Schmitt, StPO, 59 Auflage 2016, § 111 i Rdn. 17). Anders als in den Fällen des mit Erlass des Urteils angeordneten Verfalls steht dem Betroffenen damit ein – von dem Schicksal des übrigen Urteilsspruches getrenntes – Verfahren zu, in dessen Verlauf das Bestehen des Anspruches geprüft und ggfs. einer erneuten Prüfung unterzogen wird.

Eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG ist damit vorliegend nicht entstanden und ein Antrag auf Festsetzung eines Streitwertes nach § 33 Abs. 1 RVG somit nicht zulässig. Es kann daher dahinstehen, dass dieser Streitwert sich – ausgehend von der Höhe des angeordneten Arrests von 305.528,00 € und der sich aus dem bloßen Sicherungscharakter ergebenden geringeren Gewichtung mit 1/3 – selbst für den Fall seiner Festsetzung nur auf eine Höhe von bis zu 110.000,- € hätte belaufen können.“

Also: Weiterhin Streit in der Rechtsprechung in dieser Frage, in der es um viel Geld für den Verteidiger gehen kann. Im Zweifel werden wir dazu dann etwas vom BGH hören, da das OLG Frankfurt ja die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen hat. Ich sehe es allerdings mit den vom OLG Stuttgart angeführten Gründen inzwischen (auch) anders.

RVG: Gegenstandswert 3.621.930,00 € oder nur 7.024,68 €?, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren

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Mit einem lachenden und einem weinenden Auge habe ich das OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2017 – 1 U 203/15 – gelesen. Ergangen ist das Urteil in einem Entschädigungsverfahren nach dem StrEG. In dem hat der Kläger Ersatz von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mi der Vollziehung eines dinglichen Arrests geltend gemacht. Der Kläger war Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren. Durch Beschluss des AG Frankfurt am Main vom 08.04.2010 wurde der dingliche Arrest in Höhe von 10.835.791,- € in das Vermögen des Klägers angeordnet. Der Arrest wurde vom 28.4.2010 bis zum11.8.2010, durch Kontenpfändung und bis zum 26.8.2010 durch Pfändung beweglicher Sachen vollzogen. Gegen den Arrestbeschluss hat der Verteidiger des Klägers Beschwerde eingelegt. Das AG Frankfurt hat den Arrestbeschluss mit Beschluss vom 16.08.2010 aufgehoben. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde unter dem 11.03.2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Mit Beschluss vom 10.06.2014 hat das AG festgestellt, dass der Kläger „für den vollzogenen dinglichen Arrest des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom B. April 2010 in der Zeit vom 28.4.2010 bis zum 26.8.2010 zu entschädigen ist“.

Gestritten wird nun um die Gebühr Nr. 4142 VV RVG. Die hat der Kläger geltend gemacht, und zwar aus einem Gegenstandswert des Arrestverfahrens in Höhe von 3.621.930,00 €. Die GStA hält nur einen Gegenstandswert in Höhe der vollzogenen Arrestes für zutreffend.

Die Klage war vom LG Frankfrut abgewiesen worden, beim OLG hatte der Kläger nun aber Erfolg. Aus dem Urteil:

Zunächst das lachende Auge: Das bezieht sich auf die Auffassung des OLG, das davon ausgeht, dass die Gebühr auch in den Fällen der so. Rückgewinnungshilfe anfällt. Es schließt sich damit der inzwischen wohl h.N. in der Rechtsprechung Literatur an:

„cc) Einer Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten steht vorliegend auch nicht entgegen, dass der Arrest auch auf § 111b Abs. 5 StPO gestützt war.

Allerdings ist streitig, ob die Gebühr nach VV 4142 RVG überhaupt anfallen kann, wenn ein Arrest nicht nur gem. § 111b Abs. 2 StPO zur Sicherung staatlicher Ansprüche auf Verfall des Wertersatzes angeordnet ist, sondern wenn er auch gemäß § 111 b Abs. 5 StPO zur Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen angeordnet ist (Burhoff in: Gerold/Schmidt., a.a.O., 4142 VV, Rn 8). Eine Gebühr nach Nr. VV 4142 RVG soll dann nicht ausgelöst werden, wenn ein Arrest allein zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs. 5 StPO) angeordnet ist, ist, da dieser nicht zu den „vorgenannten Maßnahmen“ im Tatbestand der Nr. VV4142 RVG gehöre (OLG Köln, Beschl. v. 22.11.2006 — 2Ws 614/06). Das OLG Hamm hat den Anfall einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG verneint, wenn die Sicherstellung von Eigentum nicht zu einer endgültige Entscheidung über den Vermögensverlust führt, sondern erst durch zivilrechtliche Verfahren eine Klärung herbeizuführen ist, in denen dann wiederum anwaltliche Gebühren entstehen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.2.2009 – 2 Ws 378/08). Nach anderer Auffassung, der sich der Senat anschließt, soll sich der auch zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe angeordnete dingliche Arrest in Intensität und wirtschaftlicher Auswirkung aus Sicht des Betroffenen nicht mehr wesentlich von der Pfändung eines Vermögensgegenstandes auf der Grundlage eines nach § 111b Abs. 2 StPO ausgebrachten dinglichen Arrestes unterscheiden (OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 — 1 Ws 212/13; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2008 — 3 Ws 323/07). Dafür spricht auch, dass gemäß § 111i StPO beschlagnahmte Gegenstände nach Ablauf von 3 Jahren mit Verfallswirkung dem Staat anheimfallen, was aus Sicht des durch die Beschlagnahme Betroffenen die gleiche Wirkung wie die Einziehung des Wertersatzes hat.

Jedenfalls in den Fällen, in denen – wie vorliegend – der Arrest nicht nur der Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen sondern auch der Sicherung staatlicher Ansprüche aus Wertersatz dient, ist danach der Anfall einer Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht ausgeschlossen.“

Aber, dann das weinende Auge: Beim Gegenstandswert sieht das OLG die Rechtslage anders als die wohl h.M.:

Die Gebühr aus Nr. VV 4142 RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung oder verwandte Maßnahmen bezieht. Letztere sind in §§ 442 Abs. 1 StPO mit Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung oder Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands benannt. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen (Burhoff in: Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 4142, Rn. 9).

Sinn und Zweck des VV142 RVG ist es danach, eine Anwaltsvergütung für die Tätigkeiten zu erhalten, die sich auf die Bewahrung des Eigentums Mandanten richten (vgl. Kotz/Beck-OK-RVG, 35. Ed. (15.7.2015), VV 4142 Rn. 1). Dementsprechend bestimmt sich der Gegenstandswert für die Gebühren nach der ganz überwiegenden Rechtsprechurig und Auffassung nach objektiven Wert der betroffenen Gegenstände (OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.2006 — 2 Ws 137/06; KG, Urt. v. 18.7.2005 — 5 Ws 256/05, JurBüro 2005, 531; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2008 — 3 Ws 323/07, wistra 2008, 160; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 — 1 Ws 212/13, NStZ-RR 2014 – 360; Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn. 19; Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, VV 4142 Rn. 16; Riedel/Sußbauer/Kremer, RVG 10. Aufl. 2015, Rn. 11; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nr. 4141-4147 VV, Rn 18).

Von der Rechtsprechung und der Literatur wird allerdings teilweise auch für die Vergütung aus Nr. VV 4142 RVG der Gegenstandswert des Arrestes mit einem Drittel des zu sichernden Hauptanspruchs angenommen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.1.2008 – 3 Ws 560/07, OLG München, Beschl. v. 16.8.2010 – 4 Ws 114/10 (K); OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 – 1 Ws 212/13; Riedel/Sußbauer /Kremer, a.a.O., Rn. 15). Die Wertfestsetzung beruht dabei jeweils ohne eingehendere Begründung auf einer Übertragung der Grundsätze die im Zivilrecht für die Wertfestsetzung im Arrestverfahren entwickelt worden.

Das erscheint nicht zutreffend. Die Streitwertfestsetzung im zivilrechtlichen Arrestverfahren beruht darauf, dass sich eine Partei einer Geldforderung berühmt und deren Zwangsvollstreckung sichern möchte (§ 916 Abs. 1 ZPO). Danach ist die obere Grenze bei der Sicherung einer Geldforderung deren Betrag, wobei wegen der Vorläufigkeit der Regelung regelmäßig ein Abschlag auf ein Drittel dieses Betrages gemacht wird (vgl. nur Herget/Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn 16 „Arrestverfahren“).

Ein Arrestanspruch ist jedoch nicht Voraussetzung für den Erlass eines Arrestes gem. § 111 b Abs. 1 StPO wegen des Verfalls oder der Einziehung von Wertersatz. Hierfür müssen allein Gründe für die Annahme vorliegen, dass Maß nahmen nach den §§ 73a, 74c StGB verhängt werden (Spillecke, Karlsruhe Kommentar zur StPO; 7. Aufl. 2013, § 111d Rn. 4). Auf § 916 Abs. 1 ZPO ist in § 111 d Abs. 2 StPO auch nicht verwiesen.

Soweit die antragstellende Staatsanwaltschaft Ansprüche durch Bezifferung konkretisiert, handelt es sich hierbei um eine notwendig vorläufige Annahme, die von dem jeweiligen Stand der Ermittlungen und Erkenntnisse abhängt.

Die Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers, die sich auf die Einziehung, Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes von Sachen des Mandanten beziehen. Ausgangspunkt der Tätigkeit des Verteidigers ist daher allein die Sicherung von dessen Vermögensgegenständen. Der objektive Gegenstandswert für diese Tätigkeit ergibt sich danach nicht aus der Annahme, dass Wertgegenstände in einer bestimmten Höhe der Einziehung oder dem Verfall unterliegen könnten, sondern aus dem Wert der Gegenstände, zu deren Sicherung der Verteidiger tätig wird.“

Zu den Fragen werden wir dann demnächst etwas vom BGH hören. Denn das OLG hat die Revision zugelassen. Und die Sache hat Bedeutung, denn es geht ja schon um ein paar Euro anwaltliche Vergütung mehr….

Rückgewinnungshilfe und Amtshaftung der StA, oder: ein „Kuvert mit 200.000 EUR Bargeld“

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Im heutigen „Kessel Buntes“ stelle ich zunächst den BGH, Beschl. v. 24.11.2016 – III ZR 209/15 – vor. Ergangen ist er auf eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des OLG München. Gestritten wird in dem Verfahren um die Amtshaftung der StA München. Die hatte in einem Strafverfahren nach der Verhaftung des Beschuldigten zunächst von Maßnahmen der Rückgewinnungshilfe nach §§ 111b ff StPO abgesehen hat. Darin hatte der Kläger – ein Geschädigter – eine Amtspflichtverletzung im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG gesehen. Das OLG hatte das verneint, der BGH folgt ihm:

1. Die Entscheidung über Maßnahmen der Rückgewinnungshilfe (hier: Sicherstellung durch Arrest gemäß § 111b Abs. 2, 5 i.V.m. § 111d StPO) steht im pflichtgemäßen Ermessen der Strafverfolgungsbehörde. In die gebotene Prüfung des Sicherstellungsbedürfnisses des Geschädigten sind insbesondere einzustellen die Belange des Opferschutzes, die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten des Verletzten, seine Rechte selbst durchzusetzen, die Schwere des Eingriffs in das Eigentumsrechts des Betroffenen, der Verdachtsgrad, die Schadenshöhe und der die Strafverfolgungsbehörden treffende Aufwand (BVerfG, Beschluss vom 7. Juni 2005 – 2 BvR 1822/04, StraFo 2005, 338 = juris Rn. 45 f, 51, 55; OLG Karlsruhe, NJW 2008, 162, 164; BeckRS 2004, 09009; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 111d Rn. 4; KK-StPO/Spillecke, 7. Aufl., § 111b Rn. 18). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Strafverfahren nicht der Durchsetzung zivilrechtlicher Forderungen dient (KK-StPO/ Spillecke aaO) und durch die Möglichkeit eines dinglichen Arrestes zugunsten des Verletzten diesem nicht eigene Arbeit und Mühen abgenommen werden sollen. Es geht vielmehr nur darum, den Verletzten zu unterstützen, soweit dies erforderlich ist (BVerfG aaO Rn. 51; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2002, 173; OLG Karlsruhe, BeckRS aaO). Dementsprechend ist ein ausschließlich zugunsten des Verletzten wirkender dinglicher Arrest nur dann angezeigt, wenn allein die Maßnahme nach § 111d StPO den Geschädigten davor bewahrt, seiner Ersatzansprüche verlustig zu gehen (OLG Karlsruhe aaO; Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 111b Rn. 6; KK-StPO/Spillecke aaO).

Bei der Beurteilung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungshandlungen im Amtshaftungsprozess ist ferner zu berücksichtigen, dass diese nicht auf ihre „Richtigkeit“, sondern allein darauf zu überprüfen sind, ob sie vertretbar sind. Die Vertretbarkeit darf nur dann verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die betreffende Entscheidung nicht mehr verständlich ist (z.B. Senatsurteil vom 18. Mai 2000 – III ZR 180/99, NJW 2000, 2672, 2673; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 158 [Stand: 1. Juli 2016] jew. mwN).

2. Nach diesen Maßgaben war die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, zunächst keine Sicherungsmaßnahmen nach § 111b Abs. 2, 5 i.V.m. §111d StPO zu ergreifen und erst auf eine entsprechende Anregung des Klägers tätig zu werden, nicht amtspflichtwidrig.

Die Vorinstanzen haben – von der Beschwerde unbeanstandet – festgestellt, dass es dem Kläger ohne weiteres möglich und zumutbar war, die zivil-echtlichen Ansprüche seiner Mutter gegen den Beschuldigten E. rechtzeitig vor den Überweisungen vom 20. Dezember 2010 und 14. Januar 2011 durch Erwirkung eines dinglichen Arrestes zu sichern. Der Kläger hatte das Ermittlungsverfahren durch seine Strafanzeige im Mai 2009 initiiert, nahm auf den Gang der Ermittlungen persönlich Einfluss und sagte im April und November 2010 umfassend als Zeuge aus. Spätestens im Sommer 2010 wusste er, dass der Beschuldigte über erhebliches Vermögen auf Bankkonten verfügte. Nach der Vernehmung vom 5. November 2010 war ihm bekannt, dass der Beschuldigte eingeräumt hatte, von dem (geschäftsunfähigen) Vater des Klägers ein Kuvert mit 200.000 € Bargeld erhalten zu haben. Der inzwischen anwaltlich vertretene Kläger unternahm in der unmittelbaren Folge dennoch nichts zur Anspruchssicherung. Akteneinsicht beantragte er erst am 14. Dezember 2010. Erstmals mit Anwaltsschriftsatz vom 21. Februar 2011 unterrichtete er die Staatsanwaltschaft darüber, bislang nichts zur Anspruchssicherung getan zu haben. Bei dieser Sachlage durfte die Staatsanwaltschaft – jedenfalls bis Februar 2011 – davon ausgehen, dass der Kläger der staatlichen Rückgewinnungshilfe nicht bedurfte und vorläufige Sicherungsmaßnahmen nach § 111b Abs. 2, 5 i.V.m. § 111d StPO nicht angezeigt waren. Da die Rückgewinnungshilfe im Interesse des Geschädigten vorgenommen wird, begründet die Untätigkeit des über Anspruch und Gegner informierten Verletzten regelmäßig keine Handlungspflicht der Staatsanwaltschaft (vgl. BVerfG aaO Rn. 59; OLG Karlsruhe, NJW 2008, 162, 164).“

Also; „Zivilrecht meets Strafrecht“ oder: „Strafrecht meets Zivilrecht“.