Verletzung der Unterhaltspflicht und Einziehung, oder: Keine zusätzliche Verfahrensgebühr vom OLG FFM

© J.J.Brown – Fotolia.com

Am Gebührenfreitag heute zunächst eine Entscheidung zur Nr. 4142 VV RVG. Allerdings: Der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 10.10.2019 – 2 Ws 48/19 – ist leider nicht so schön. Nun ja, wann hat man vom OLG Frankfurt in der letzten Zeit schon mal „schöne Beschlüsse“ gesehen?

Über das dieser Entscheidung zugrunde liegende Verfahren hatte ich vor einiger Zeit schon berichtet. Ergangen ist der Beschluss in/nach einem Verfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht. Das AG hat den Angeklagten der Verletzung der Unterhaltspflicht schuldig gesprochen und ihn verwarnt. Eine Geldstrafe ist festgesetzt geworden, die Verurteilung blieb vorbehalten. Weiterhin ordnete das AG die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 3.379,69 € an.

Wegen dieser Einziehung hat der Verteidiger die Festsetzung der Gebühr Nr. 4142 VV RVG beantragt. Das AG hat das abgelehnt. Begründung: Diese Gebühr entstehe nicht für “Wertersatz, wenn er den Charakter eines zivilrechtlichen Schadenersatzes hat”. Das LG Hanau hat das im LG Hanau, Beschl. v. 28.06.2019 – 4b Qs 50/19 – zutreffend anders gesehen und die Gebühr Nr. 4142 VV RVG festgesetzt. Das hat natürlich den Vertreter der Staatskasse nicht ruhen lassen und er hat Rechtsmittel eingelegt, getreu dem Satz: Es kann doch nicht sein, dass Verteidiger ggf. über die Nr. 4142 VV RVG Gebühren verdienen.

Und der 2. Strafsenat des OLG Frankfurt am Main, von dem in meinen Augen – vor allem, wenn er als Bußgeldsenat tätig ist, – viele unschöne Entscheidungen kommen, hat dann aufgehoben:

„Die Verfahrensgebühr nach Ziff. 4142 VV-RVG ist vorliegend nicht entstanden. Der Gebührenanspruch setzt nach dem Wortlaut und seiner gesetzgeberischen Einordnung in das VV-RVG eine Tätigkeit der Verteidigung bei der Einziehung und verwandter Maßnahmen voraus, die, wie sich durch die Verweisung auf § 439 StPO ergibt, auf einen endgültigen Vermögensverlust in Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols beziehen muß.

Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 28.06.2019 (Az. 2 Ws 13/19) bereits klargestellt hat, sieht er auch nach der Neustrukturierung der §§ 73 ff StGB keine Veranlassung von seiner Entscheidung vom 23.02.2016 (2 Ws 15/16) abzuweichen. Der Senat hat – darin unter anderem ausgeführt, dass der sachliche Anwendungsbereich des Gebührentatbestandes der Nr. 4142 VV-RVG lediglich die Tätigkeit umfasst, die sich auf die Einziehung dieser in § 439 StPO ( = § 442 StPO a.F.) gleichgestellten Rechtsfolgenverfall, Vernichtung, Unbrauchmachung, Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands die Abführung des Mehrerlöses oder eine  diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht. Da das RVG diese vergütende Tätigkeit abschließend aufzählt, kommt eine entsprechende Anwendung auf die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung eines dinglichen Arrestes oder der Einziehung eines Wertersatzes des Erlangten lediglich zur. Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche nicht in Betracht.

Die Einziehung ist in diesen Fällen nämlich nicht auf eine durch das staatlichen Gewaltmonopol begründete endgültige Vermögensentziehung beim Betroffenen ausgerichtet, sondern soll lediglich der vorläufigen Sicherung zivilrechtlicher  Schadensansprüchen des oder der Geschädigten dienen, über dessen Berechtigung  und Höhe erst noch in einem gesonderten Verfahren, mit eigenen Gebührenansprüchen zu befinden ist.

Daran hat sich entgegen der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 06.03.2019 (Az. 1 Ws 31/1 8) auf die sich das Landgericht Hanau vorliegend bezieht, durch die ab dem 01.07.2017 in Kraft getretenes Gesetz zur Reform der strafrechtlichen  Vermögensabschöpfung (früher Verfall und Einziehung) grundsätzlich nichts geändert. Zwar ist das Rechtsinstitut des Verfalls abgeschafft und durch ein neues Rechtsinstitut der Einziehung von Taterträgen ersetzt worden, was von der Begrifflichkeit eine Anwendung der Gebührenziffer Nr. 4142 W RVG nahelegt. Inhaltlich und von der Grundstruktur dieser Vorschriften hat der Gesetzgeber eine dem Verletztenschutz dienende Neubestimmung der vermögensrechtlichen Ansprüche der Geschädigten durch die Straftat regeln wollen, mit dem Ziel, das spätere zivilrechtliche Ansprüche bereits durch die Sicherstellung im Strafverfahren leichter realisiert werden können, Diese auf, den Schutz der Geschädigten ausgerichtete Neujustierung hat er lediglich unter dem Begriff der „Einziehung“ zusammengefaßt, ohne an der gebührenrechtlichen Struktur des RVG etwas ändern zu wollen.

Nach wie vor sieht es der Senat als entscheidend für die Anwendung des Nö. 4142 VV RVG an, dass es sich um eine Maßnahme handelt, welche darauf gerichtet ist, dem Betroffenen den Gegenstand endgültig zu entziehen und somit einen endgültigen Vermögensverlust zu bewirken (so auch OLG Köln, Beschl. v. 22.112006 – 2 Ws  614/06; OLG München Beschl. v. 30.07.2013 4 Ws 74/13; KG Berlin Beschl. v. 15.04.2008 — 1 Ws 309/07). Ausschließlich einer auf diese Maßnahme bezogene Tätigkeit des Verteidigers verdient eine gesonderte Honorierung.

Handelt es sich bei der „Einziehung“ ‚wie die Bezirksrevisorin vorliegend zu Recht ausführt lediglich um eine Maßnahme bei der wie im vorliegenden Urteil Wertersatz eingezogen wird, der dazu dienen soll, die Zahlung des laufenden Unterhalts auf dem die Verurteilung beruht, sicher zu stellen, ist diese Einziehung lediglich vorläufiger Natur, bis über den Anspruch und die Höhe in einem anderen Verfahren mit eigenen Gebührenansprüchen entschieden.

Eine besondere Gebühr für diese lediglich vorläufige Maßnahme sieht das Gesetz gerade nicht vor.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock (Beschl. V. 07.06.2018 — 20 Ws 42/1 8), da es in dem dortigen Sachverhalt gerade nicht um den Fall der Anordnung, sondern um die Vollziehung eines zuvor, erfolgten Arrestes ging. In diesem Verfahren wird der zuvor genannte Unterschied deutlich.

Wenn man die Entscheidung liest, fragt man sich, ob eigentlich die gesetzlichen Neuregelungen in den §§ 73 ff. StGB am OLG Frankfurt am Main vorbeigegangen sind. Denn anders kann man sich nicht erklären, wie das OLG zu dieser Rechtsauffassung, die (mal wieder) von der h.M. abweicht kommt. Das OLG übersieht m.E. – warum auch immer – dass es jetzt in der Nr. 4142 VV RVG nur noch heißt „Einziehung“ – entsprechend der Regelung in den §§ 73 ff. StGB, die auch nur noch die Einziehung kennen. Das RVG unterscheidet nicht nach dem Grund für die Einziehung, die im Übrigen nach § 75 StGB endgültig ist. Das war, worauf das KG zutreffend hinweist, früher ggf. anders, womit die frühere abweichende Rechtsprechung begründet worden ist. Man fragt sich, warum das OLG Frankfurt am Main das nicht sieht. Fast hat man den Eindruck, es will den Unterschied nicht sehen, um nur nicht in solchen Fällen die Gebühr Nr. 4142 VV RVG festsetzen zu müssen. Also: Schutz der Staatskasse?, oder mal wieder in dem Bereich „Verteidigung zum Nulltarif.“

Zudem frage ich mich, warum sich das OLG Frankfurt am Main nicht mit der abweichenden Auffassung des KG auseinandersetzt. Und: Warum zitiert man eigentlich zur Stützung seiner (falschen) Auffassung nur Rechtsprechung zum alten Recht. Die war schon früher mehr als fragwürdig. Das hat übrigens auch wohl der 1. Zivilsenat des OLG Frankfurt am Main so gesehen (vgl. RVGreport 2017, 420; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2017 – 1 U 203/15 und dazu: RVG: Gegenstandswert 3.621.930,00 € oder nur 7.024,68 €?, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren) oder auch bei BGH, Urt. v. 08.11.2018 – III ZR 191/17 (dazu Gegenstandswert nicht 3.621.930,00 €. sondern nur 7.024,68 €, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren). Vielleicht hätte man sich da mal kundig machen sollen.

Was kann man? Nun, im Bezirk des OLG Frankfurt nicht viel, dort werden die Rechtspfleger die Entscheidung/Rechtsprechung entsprechenden Festsetzungsanträgen sicherlich entgegen halten. Man kann nur versuchen, ggf. beim jeweils zuständigen Gericht die Festsetzung durchzusetzen und zu schauen, ob das OLG an seiner falschen Rechtsauffassung festhält (was es wahrscheinlich leider tun wird). Im Übrigen: Man kann nur hoffen, dass die anderen OLG auf diesen falschen Zug betreffend die „Rückgewinnungshilfe“ nicht wieder aufspringen und die an sich erledigte Diskussion wieder aufflammt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert