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Hilfe beim Vermeiden eines Fortsetzungstermins, oder: Fortsetzungstermin ist nicht „die Hauptverhandlung“

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Am Gebührenfreitag heute zwei AG-Entscheidungen, leider beide falsch.

Zunächst bringe ich den AG Herne-Wanne, Beschl. v. 07.06.2024 – 44 OWi 52 Js 120/24 (12/24) – zum Entstehen der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG, wenn der Verteidiger dabie mitwirkt, dass ein Fortsetzungstermin entbehrlich wird.

Folgender Sachverhalt: Das Bußgeldverfahren ist in der Hauptverhandlung eingestellt worden, wodurch ein Fortsetzungstermin vermieden worden ist. Danach hat es dann Streit zwischen dem Vertreter der Landeskasse und dem Verteidiger des Betroffenen dahingehend gegeben, ob die Gebühr Nr. 5115, 5103 VV RVG entstanden ist oder nicht. Der Verteidiger hat sie in Ansatz gebracht. Dagegen hat der Bezirksrevisor geltend gemacht, dass zwar grundsätzlich eine Befriedungsgebühr auch entstehe, wenn bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden habe, jedoch könne sie nicht entstehen, sofern die Einstellung im Hauptverhandlungstermin stattfinde. Der Verteidiger hatte demgegenüber darauf verwiesen, dass die Einstellung rechtzeitig vor Beginn einer ggf. terminierten Hauptverhandlung erfolgen muss. Dies sei gegeben, da durch die anwaltliche Mitwirkung eine Einstellung zustande gekommen sei und damit ein weiterer Hauptverhandlungstermin zur weiteren Zeugenvernehmung entbehrlich geworden sei. Das AG hat sich im Kostenfestsetzungsbeschluss dem Verteidiger angeschlossen:

„In der von dem Vertreter der Landeskasse angeführten Fundstelle BeckOK RVG/ Knaudt RVG VV 5115 Rn. 7- 12 wird gerade auf den Hintergrund des Normzwecks der Vorschrift hingewiesen, wonach die herrschende Meinung, der der Vertreter der Landeskasse folgt, nicht folgerichtig sei. Die Norm verfolgt des Ziel weitere Hauptverhandlungstermine möglichst zur Schonung der Ressourcen der Justiz zu verhindern, sofern dies der Rechtsfindung nicht abträglich ist.

Es soll gerade der Anreiz geschaffen werden, dass ein Rechtsanwalt, der nachvollziehbar ein Interesse am Verdienen von Gebühren hat, Abstand davon nimmt, lediglich aus gebührentaktischen Erwägungen mangels Möglichen Einlenkens einen weiteren Verhandlungstermin erforderlich macht

Im vorliegenden Verfahren ergibt sich aus dem Vermerk des Vorsitzenden vom 21-04.2024 (Blatt 24 der Akte), dass grundsätzlich noch ein weiterer Zeuge in einem weiteren Termin hätte zur Vernehmung angestanden. Die Unterbrechung der Verhandlung hat also zielführend ergeben, dass eine Einstellung erfolgen konnte ohne die weitere Vernehmung des weiteren Zeugen. Hierdurch wird die Landeskasse durch die in Rede stehende Gebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer zwar belastet. Diese fällt jedoch geringer aus als eine weitere Verhandlungsgebühr. Diese Verminderung geht im Gegenzug zu lasten des Rechtsanwalts, der in einem weiteren Termin ggf. eine höhere Gebühr hätte verdienen können. .

Dieses ausgleichende Moment entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Es erfolgte daher die antragsgemäße Festsetzung.“

Wie gesagt: M.E. falsch. Zwar ist die Entscheidung in ihrer Tendenz und Argumentation sicherlich zu begrüßen. Denn es ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 5115 VV RVG – die Überlegung gilt ebenso für die weitgehend wortgleiche Nr. 4141 VV RVG – nicht recht zu verstehen, warum das Vermeiden eines neuen Hauptverhandlungstermins nach Aussetzung des Verfahrens zum Anfall der Nrn. 4141, 5115 VV RVG führt, das Vermeiden eines Fortsetzungstermins hingegen nicht (vgl. auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 4141 VV Rn 45 unter Ziffer 14). Nur: Die h.M. in der Rechtsprechung geht leider in die andere Richtung und verweigert die Gebühr (OLG Köln, RVGreport 2006, 152 = AGS 2006, 339; LG Leipzig, Beschl. v. 9.4.2024 – 13 Qs 118/24; LG Siegen, Beschl. v. 3.7.2020 – 10 Qs 61/20, AGS 2021, 29 = VRR 2/2021, 26; AG Hannover, RVGreport 2018, 458 = AGS 2018, 561; AnwKomm-RVG/N. Schneider, VV 4141 Rn 54; Gerold/Schmidt/Burhoff, VV 4100 Rn 23; Jungbauer, DAR 2008, 738). Das dürfte im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift, wonach „die Hauptverhandlung“ entbehrlich geworden sein muss, zutreffend sein. Ein Fortsetzungstermin ist nicht „die Hauptverhandlung“.

ihc bin übrigens gespannt, ob der Bezirksrevisor die Entscheidung des AG hingenommen hat. Kann ich mir nicht vorstellen.

Gebühren im Bußgeldverfahren + Befriedungsgebühr, oder: Das LG Leipzig kann es – leider – nicht

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Und am Gebührenfreitag heute dann zwei LG-Entscheidungen, u.a. zu § 14 RVG und – die eine – zu Nr. 5115 VV RVG.

Ich starte mit dem LG Leipzig, Beschl. v. 09.04.2024 – 13 Qs 118/24. Gegen den Betroffenen war ein Bußgeldbescheid wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG erlassen und dabei als Rechtsfolge eine Geldbuße in Höhe von 1.000,00 EUR sowie ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten ausgesprochen worden. Nach Einspruch des Betroffenen fand am 30.11.2022 eine Hauptverhandlung statt, bei der die Frage thematisiert wurde, welcher Zeitabstand zwischen letzter Alkoholaufnahme und Messung durch ein entsprechendes Messgerät erforderlich sei. Nach Einholung der entsprechenden Auskünfte stellte das AG das Verfahren durch Beschluss vorn 10.5.2023 gem. § 47 Abs. 2 OWiG ein, die Kosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurde der Landeskasse auferlegt.

Der Betroffene hat gegenüber der Landeskasse die Erstattung folgender notwendiger Auslagen verlangt: Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG in Höhe von 140,00 EUR, Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG in Höhe von 250,00 EUR, Verfahrensgebühr Nr 5109 in Höhe von 250,00 EUR, Terminsgebühr Nr. 5110 RVG 450,00 EUR und Verfahrensgebühr Nrn. 5115, 5103 VV RVG in Höhe von 176,00 EUR. Abweichend von dem Antrag hat das AG geringere Beträge, und zwar nur in Höhe der Mittelgebühr, festgesetzt. Zur Begründung für die Abweichung wurde darauf verwiesen, dass es sich nur um ein „durchschnittliches“ Verfahren gehandelt habe, bei dem auch unter Beachtung der Folgen für den Betroffenen im Falle einer Verurteilung ausschließlich von der Mittelgebühr auszugehen sei. Die von dem Betroffenen begehrte Befriedungsgebühr gern. Nr. 5115 VV RVG könne nicht festgesetzt werden, da eine Hauptverhandlung durchgeführt wurden sei.

Dagegen hat sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde gewendet und geltend gemacht, dass das Verfahren schon aufgrund der Bedeutung für den Betroffenen überdurchschnittlichen Charakter gehabt habe. Auch sei die Befriedungsgebühr im Hinblick auf eine Entscheidung des BGH vom 14.4.2011 angefallen. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Wegen der Ausführungen des LG Leipzig zu § 14 RVG stelle ich nur den Sachverhalt ein. Das muss genügen. Denn die Ausführungen sind , wie immer dazu aus Leipzig, wenn nicht falsch, so zumindest doch fraglich. Das muss man nicht noch breit treten. Der Leitsatz:

Auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten ist grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen ist. Allerdings sind oft weder Aktenumfang, Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage oder mögliche Rechtsfolgen nach den Kriterien des § 14 RVG so ausgestaltet sind, die Mittelgebühr erreicht oder gar überschritten werden könnte.

Dazu aber: M.E. auch der Ton der Argumentation des LG zu beanstanden. Man hat den Eindruck, dass die Kammer davon ausgeht, dass dem Verteidiger ein Geschenk gewährt wird, wenn man seine Gebühren festsetzt. Wie anders soll man sonst die Formulierung das AG sei „in Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor den Belangen des Betroffenen durch die Zubilligung der Mittelgebühr bereits wohlwollend entgegengekommen“ verstehen? Es kommt doch für die angemessene Bemessung der Rahmengebühren nicht auf das „Wohlwollen“ des Bezirksrevisors und/oder des Richters an. Beide sind an Gesetz und Rechtsprechung gebunden und haben die geltenden Regeln anzuwenden. „Wohlwollen“ hin oder her. Im Grunde ist diese Formulierung des LG erschreckend, denn sie zeigt ein Verständnis vom anwaltlichen Gebührenrecht, das dem des Gesetzgebers bei Schaffung des RVG diametral entgegensteht.

Zur Nr. 5115 VV RVG führt das LG aus:

„b) Entgegen der Auffassung des Betroffenen ist dem Verteidiger auch die Befriedungsgebühr gem. Nr. 5115 VV RVG nicht zuzubilligen. Auch unter Berücksichtigung der von dem Verteidiger zitierten Entscheidung vom 14.04.2011 (Az.: IX ZR 153/10) ist diese Gebühr vorliegend nicht angefallen.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung durchaus darauf hingewiesen, dass der Rechtsauffassung, wonach die Befriedungsgebühr niemals anfalle, wenn eine Hauptverhandlung schon begonnen habe, nicht möglich sei, eine Absage erteilt werde.

Insoweit wurde argumentiert, dass gerade auch bei Einstellung nach Aussetzung der Haupt-verhandlung durchaus die Möglichkeit bestehe, dass die Befriedungsgebühr entstehen könne, wenn durch neues Handeln/Vorbringen die neue Hauptverhandlung entbehrlich werde (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 12).

Der Bundesgerichtshof hat aber auch ausgeführt, dass der Normzweck des dort thematisierten Nr. 4141 (bzw. hier entsprechend 5115) VV RVG entscheidend dafür spreche, dass eine Einstellung, die innerhalb der Hauptverhandlung erfolge, eine Befriedungsgebühr nicht mehr auszulösen vermag. Dabei ist es gleichgültig, ob die Einstellung am Tag der Hauptverhandlung, oder an einem späteren Terminstag geschieht, insbesondere ob hierdurch Fortsetzungstermine vermieden werden.

Selbst wenn man wohlwollend überlegen wollte, dass vorliegend eine neue Hauptverhandlung (nach Aussetzung) erforderlich sein könnte, muss jedoch berücksichtigt werden, dass der Verteidiger – wie von dem Bezirksrevisor zutreffend ausgeführt – seine Tätigkeit, die zur Ver-meidung einer Hauptverhandlung erforderlich sein könnte, ausschließlich im Rahmen der durchgeführten Hauptverhandlung erbracht hat, für die er auch eine Terminsgebühr beantragt hat und in angemessener Höhe erhält. Eine weitere Tätigkeit ist schlichtweg nicht zu erkennen.

Insoweit würden die Überlegungen der Verteidigung gerade den Gedanken des Bundesgerichtshofes zur Einheitlichkeit der Hauptverhandlung widersprechen, weshalb gerade auch unter Berücksichtigung der von dem Verteidiger zitierten Rechtsprechung – soweit auf Nr. 5115 VV RVG anwendbar – eine Absage zu erteilen wäre.“

Auch hier also „wohlwollend“, was aber nicht darüber hinweg täuscht, dass die Ansicht des LG falsch ist. Denn:

  • Aus der angeführten BGH-Entscheidung folgt zwar, dass die Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 1 VV RVG nicht anfällt, wenn ein Strafverfahren in der Hauptverhandlung nach § 153a StPO vorläufig eingestellt wird und nach Erbringung der Auflage die endgültige Einstellung erfolgt, was für die ähnliche Nr. 5115 VV RVG entsprechend gilt. Entsprechend gilt  auch, dass das auch angenommen wird, wenn es sich um die Verhinderung von Fortsetzungsterminen handelt (so wohl auch BGH, a.a.O. ).
  • Aber: Mit der Problematik haben wir es hier überhaupt nicht zu tun. Der Hauptverhandlungstermin hat am 30.11.2022 statt gefunden. In dem ist die Frage des Beweisverwertungsverbotes thematisiert worden, was dazu geführt hat, dass der Termin nicht beendet, sondern ausgesetzt worden ist. Es hätte also auf jeden Fall, eine neue Hauptverhandlung stattfinden müssen bzw. hat sich so ergeben. Denn im Hinblick auf die Fristen des § 229 StPO kann es sich, wenn am 10.5.2023, als das Verfahren eingestellt worden ist, nicht um einen Fortsetzungstermin gehandelt haben. Dafür spricht auch, dass der Verteidiger nur eine Terminsgebühr (für den Hauptverhandlung am 30.11.2022) geltend gemacht hat. Damit ist durch die Einstellung eine neue Hauptverhandlung vermieden worden, was ausreicht. Denn für den Anfall der Befriedungsgebühren Nrn. 4141, 5115 VV RVG reicht es, wenn ein weiterer Hauptverhandlungstermin vermieden wird, es kommt nicht darauf an, dass überhaupt eine Hauptverhandlung vermieden wird (BGH, a.a.O.; u.a. OLG Bamberg StraFo 2007, 130 = AGS 2007, 138; OLG Hamm AGS 2008, 228; OLG Köln StraFo 2018, 43 = AGS 2018, 12; LG Arnsberg StraFo 2017, 131 = AGS 2017, 216; LG Düsseldorf AGS 2007, 36 = JurBüro 2007, 83; LG Oldenburg, Beschl. v. 21.7.2008 – 5 Qs 268/08; AGS 2011, 598). Das sollte eine Beschwerdekammer wissen, wenn man über Anwaltsgebühren entscheidet.
  • Und wissen sollte man als LG auch, dass es unerheblich ist, in welchem Verfahrensabschnitt die Mitwirkung erbracht wird. Es genügt für das Entstehen der Nrn. 4141, 5115 VV RVG, dass ein früherer Beitrag des Verteidigers zur Erledigung in einem späteren Verfahrensabschnitt, in dem es dann zur Erledigung des Verfahrens kommt, noch fortwirkt. Der Verteidiger muss die Mitwirkung nicht noch einmal wiederholen bzw. erneut mitwirken. Das wäre „reine Förmelei“ (zutreffend BGH AGS 2008, 491 = JurBüro 2008, 639; OLG Stuttgart AGS 2010, 202 = RVGreport 2010, 263; LG Cottbus RVGreport 2017, 108 = AGS 2017, 186 [für Nr. 5115 VV RVG]; LG Düsseldorf AGS 2007, 36 = JurBüro 2007, 83; LG Hamburg AGS 2008, 59 = DAR 2008, 611; LG Köln AGS 2007, 351 = StraFo 2007, 305; LG Stralsund AGS 2005, 442 = RVGreport 2005, 272; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG. 26. Aufl., 2023, VV 4141 Rn 12; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 9. Aufl. 2921VV 4141 Rn 55, 68). Ausreichend war also das Geltendmachung des Beweisverwertungsverbotes im Hauptverhandlungstermin, da offenbar das nach Einholung der Auskünfte zur Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG geführt hat.

Manchmal versteht man es nicht.

Beschlagnahme eines Gegenstands als Beweismittel, oder: Keine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV

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Und dann mal wieder etwas zur Einziehungsgebühr Nr. 4142 VV RVG, und zwar der OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.03.2024 – 2 Ws 186/23 (S). Es geht um die Frage, ob ggf. bei der Beschlagnahme eines Gegenstands als Beweismittel die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht. Das OLG hat die Frage verneint:

„Das Rechtsmittel ist indes unbegründet. Das Landgericht hat die Nr. 4142 VV RVG zu Recht abgesetzt.

Die Verfahrensgebühr „bei Einziehung und verwandten Maßnahmen“ entsteht für eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen, die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht. Wie der Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2024 zutreffend ausgeführt hat, löst mithin nicht jede Beschlagnahme den Gebührentatbestand aus, sondern nur solche Beschlagnahmen, deren Ziel es ist, eine der genannten Rechtsfolgen zu ermöglichen und damit die Beseitigung des Gegenstandes (Vermögenswerts) herbeizuführen; bei der Beschlagnahme eines Gegenstands als Beweismittel entsteht die Gebühr hingegen nicht (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschl. v. 17. Februar 2009- 2 Ws 378/08, BeckRS 2009, 8073; BeckOK-RVG/v. Seltmann/Knaudt, Nr. 4142 Rdnr. 5 mwN.).

Im zugrunde liegenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahren ist es zu einer Beschlagnahme mit dem Zweck der Sicherung einer Einziehung nicht gekommen. Die angeordnete Sicherstellung von Uhren, die später dann in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Ulm (17 Js 1306/17) dem Berechtigten ausgehändigt wurden, erfolgte vielmehr aktenkundig ausdrücklich und allein deshalb, weil diese „als Beweismittel von Bedeutung sein können“ (BI. 15 d.A.). Bei dieser Sachlage ist nicht anzunehmen, dass der Antragsteller wegen der beschlagnahmten Uhren mit Blick auf eine Einziehung oder damit verwandte Maßnahme tätig geworden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17. August 2023, Az.: 2 Ws 102/23 (S)).“

Trifft – leider – zu.

Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG, oder: Verteidiger muss Verjährungseintritt nicht verhindern!

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Ich hoffe, es haben alle das Posting zum AG Freiburg, Beschl. v. 10.05.2023 – 76 OWi 48/23 – Beschluss heute morgen „überlebt“ (dazu Zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG, oder: Muss der Verteidiger Verjährungseintritt verhindern?). Der Kollege Kabus aus Bad Saulgau, de rmir den Beschluss geschickt hat, und ich haben es geschafft. 🙂

Und der Kollege Kabus hat die Entscheidung natürlich nicht hingenommen und Rechtsmittel eingelegt. Und das LG Freiburg hat es dann – Gott sei Dank – „gerichtet“. Es hat im LG Freiburg, Beschl. v. 21.08.2023 – 16 Qs 30/23 – die beantragte zusätzliche Verfahrensgebühr festgesetzt.

Die kurze Begründung:

„1. Die Voraussetzungen der Gebühr nach Nr. 5115, 5101 VV RVG liegen vor.

Anders als das Amtsgericht ist die Kammer der Auffassung, dass die Geltendmachung der Erledigungsgebühr nicht rechtsmissbräuchlich ist. Es liegt grundsätzlich im alleinigen Verantwortungsbereich der Bußgeldbehörde, wenn ein rechtzeitig und formwirksam eingelegter Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid nicht zur Bußgeldakte gelangt und daher fälschlicherweise von der Rechtskraft des Bußgeldbescheids ausgegangen wird. Wird in der Folge festgestellt, dass tatsächlich Einspruch eingelegt wurde, ist der Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließlich der Sphäre der Bußgeldbehörde zuzurechnen. Vorliegend war der Verteidiger gerade nicht verpflichtet, auf eine Fortsetzung des Bußgeldverfahrens gegen seine Mandantin in unverjährter Zeit hinzuwirken. Durch die mit Schreiben des Verteidigers vom 14.02.2023 erfolgte Vorlage des beA-Prüfprotokolls vom 20.07.2022 und dem Hinweis auf die zwischenzeitlich eingetretene Verfolgungsverjährung, konnte die Verteidigung die drohende Vollstreckung aus dem vermeintlich rechtskräftigen Bußgeldbescheid abwenden und eine endgültige Verfahrenseinstellung wegen Verjährung erreichen. Damit liegen die Voraussetzungen von Nr. 5115 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG aus Sicht der Kammer vor.

Die Höhe der Gebühr bemisst sich nach der Verfahrensgebühr Nr. 5101 VV RVG und beträgt somit 176,00 €.“

Diesen zutreffenden Ausführungen des LG ist nichts mehr hinzuzufügen außer der Satz: Das Recht ist eben für die Hellen.

Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG, oder: Muss der Verteidiger Verjährungseintritt verhindern?

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Und heute dann am RVG-Freitag zunächst ein AG, Beschluss, und zwar der AG Freiburg, Beschl. v. 10.05.2023 – 76 OWi 48/23.

Der Beschluss hat einen ganz einfachen alltäglichen Sachverhalt. Gegen die Betroffene wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen einer am 12.03.2022 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung geführt. Die Verwaltungsbehörde erließ deswegen am 08.07.2022 einen Bußgeldbescheid, der der Betroffenen am 13.07.2022 zugestellt wurde. Die Betroffene legte am 20.07.2022 durch ihren Verteidiger Einspruch ein, der bei der Behörde einging, aber nicht bearbeitet wurde. Die Behörde sandte am 06.09.2022 eine „Mahnung“ an die Betroffene, auf die der Verteidiger am 13.09.2022 monierte, dass er Einspruch eingelegt habe. Die Behörde informierte den Verteidiger, am 15.09.2022, dass kein Einspruch eingegangen sei. Der Verteidiger übersandte am 15.02.2023 den beA-Ausdruck, der den Zugang des Einspruchs nachwies, mit dem Hinweis, die Sache sei verjährt. Hierauf hob die Behörde den Bußgeldbescheid auf.

Der Verteidiger beantragt dann in seinem Kostenfestsetzungsantrag die Festsetzung auch der Gebühr nach Nr. 5115, 5101 VV RVG. Diese hat die Verwaltungsbehörde nicht erstattet. Hiergegen richtet sich der Antrag der Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung.

Und nun schauen wir, was das AG daraus macht – aber Vorsicht: Das ist nichts für schwache Nerven. Das AG hat die Gebühr nämlich nicht festgesetzt und das wie folgt begründet:

„Die grundsätzlichen Voraussetzungen der Gebührenentstehung liegen vor, der Verteidiger hat auf die Verjährung hingewiesen und damit zur Verhinderung der Hauptverhandlung beigetragen.

In der vorliegenden Sache ist es jedoch rechtsmissbräuchlich, vom Verteidiger die Befriedungsgebühr zu verlangen.

Die von der Verteidigung verlangte Gebühr nach Nr. 5115, 5101 VV RVG dient der Beschleunigung des Verfahrens. Sinn und Zweck der Befriedungsgebühr ist es, intensive und zeitaufwendige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr geführt haben, gebührenrechtlich zu honorieren. Die Gebühr ist demnach ein Anreiz, sich trotz der Gebühreneinbuße dennoch um eine möglichst frühzeitige Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung zu bemühen. Das Vorgehen der Verteidigung im vorliegenden Fall richtete sich nicht nach diesen Grundsätzen. Der Verteidiger wartete mit seiner Tätigkeit, auf die das Verfahren vorliegend zwingend angewiesen war, bis die Verfolgungsverjährung eingetreten war. Er führte somit absichtlich die Verfolgungsverjährung herbei. Dies führt die Intention der Befriedungsgebühr ad absurdum (ähnlich LG Bayreuth 3 Qs 84/20).

Unschädlich ist, dass der Eintritt der Verfolgungsverjährung auch darin begründet liegt, dass die Behörde den Einspruch ursprünglich nicht zur Kenntnis genommen hatte. Dies ist zwar ein ursächlicher, aber nur ein mitursächlicher Faktor. Die Verfahrensverzögerung durch die Verteidigung war letztlich ausschlaggebend.“

Die Entscheidung ist falsch, aber „so was von“.

Zunächst: Das AG vermengt bei seiner Argumentation gebührenrechtliche Aspekte und Fragen des Missbrauchs. Das ist aber unzulässig. Denn: Das AG stellt selbst fest, dass die Tätigkeit des Verteidigers zum Entstehen der Gebühr Nr. 5115 VV RVG geführt hat. Ist das aber der Fall, dann ist diese Gebühr auch zu erstatten. Denn „Rechtsmissbrauch“ liegt – entgegen der Auffassung des AG – nicht vor. Der Verteidiger ist nicht verpflichtet, alles zu tun, um den Verfahren so Fortgang zu geben, damit nicht Verfolgungsverjährung eintritt. Man mag darum streiten, ob der Verteidiger den Verfahrensfortgang aktiv verhindern darf und ob er sich, wenn er es tut, wegen Strafvereitelung (§ 258 StGB) strafbar macht. Das spielt hier indes schon deshalb keine Rolle, weil wir es nicht mit einem Straf- sondern nur mit einem Bußgeldverfahren zu tun haben. Zudem steht der Überlegung entgegen, dass der Verteidiger hier nicht aktiv tätig geworden hat, sondern nur abgewartet hat, bis Verfolgungsverjährung eingetreten war. Das ist aber zulässiges Verteidigungsverhalten.

Zudem: Wenn es die Verwaltungsbehörde nach dem Hinweis des Verteidigers auf den von ihm eingelegten Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nicht schafft, dessen Verbleib zu klären und dem Verfahren durch Abgabe an des AG so rechtzeitig Fortgang zu geben, dass keine Verjährung eintritt, ist das nicht dem Verteidiger bzw. der Betroffenen anzulasten, indem man die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG nicht gewährt. Und das dann auch noch mit dem in meinen Augen lächerlichen Argument, der Verteidiger habe dem Verfahren Fortgang geben müssen. Wo bitte steht das in der StPO, dem OWiG, der BRAO und/oder dem RVG? „Nemo tenetur“ lässt grüßen. In dem Zusammenhang ist es schließlich auch falsch, wenn das AG den Beitrag der Verwaltungsbehörde am Verjährungseintritt mit dem Hinweis „nur mitursächlich“ abtun will. Denn das ist nicht der Fall, da das „Nichtstun“ der Verwaltungsbehörde alleinige Ursache für den Verjährungseintritt war.