Schlagwort-Archive: Wirksamkeit

OWi II: Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs, oder: Keine (ausdrücklichen) Angaben zur Schuldform

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und weiter geht es dann mit dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.08.2024 – 2 ORbs 83/24 – zur Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid.

Dazu meint das OLG:

„1. Die vom Senat aufgrund der zulässig erhobenen Sachrüge von Amts wegen durchzuführende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Dezember 2020 – 7 Rb 24 Ss 986/20; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, § 352, Rn. 4) ergibt, dass das Amtsgericht zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Ein-spruchs nach § 67 Abs. 2 OWiG ausgegangen ist, sodass die tatsächlichen Feststellungen des Bußgeldbescheides zum Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen sind.

Gemäß § 67 Abs. 2 OWiG kann der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Damit ist auch eine Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch möglich, da der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht. Die Feststellungen im Bußgeldbescheid zur Tat sind hinrei-chend konkretisiert und stellen eine ausreichende Grundlage für die Rechtsfolgenbemessung dar. Die wirksame Erklärung der Einspruchsbeschränkung des Betroffenen erfolgte durch sei-nen dazu gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG, § 302 Abs. 2 StPO ermächtigten Verteidiger mit Schriftsatz vom 7. Mai 2024.

Der Wirksamkeit der Beschränkung steht nicht entgegen, dass der Bußgeldbescheid – wie hier lediglich keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform enthält, sofern -wie-hier –die Verfol-gungsbehörde ihrer _Tatahndung_ – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der für eine tatein-heitliche oder tatmehrheitliche Verwirklichung nach §§ 19, 20 OWiG zu beachtenden Zumes-sungskriterien – offensichtlich die Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) zu Grun-de gelegt hat. Die Beträge des Bußgeldkatalogs in Abschnitt 1 gehen von fahrlässiger Bege-hung und gewöhnlichen Tatumständen aus (vgl. § 1 Abs. 2 BKatV). Setzt die Verwaltungsbe-hörde für einen dem Bußgeldkatalog (§ 1 BKatV) entsprechenden Tatbestand ohne weiteres die dort vorgesehene Regelgeldbuße fest oder legt sie diese bei der Verwirklichung mehrerer Tat-bestände ihrer Entscheidung zu Grunde, gibt sie damit zu erkennen, dass sie dem Betroffenen lediglich fahrlässiges Handeln zur Last legt (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 19. Oktober 2007 – 3 Ss OWi 1344/07; OLG Köln, Beschluss vom 17. Juli 2018 – 1 RBs 197/18; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Januar 2021 – 2 RBs 141/11, jeweils m.w.N.).“

Wegen der Ausführungen des OLG zum Fahrverbot komme ich auf die Entscheidung noch einmal zurück.

Pflichti III: Rechtsmittelbefugnis des Pflichtverteidigers, oder: Kein Rechtsmittel gegen Willen des Mandanten

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Und im letzten Pflichti-Posting Entscheidungen dann noch etwas vom OLG Zweibrücken, und zwar OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.07.2024 – 1 Ws 168/24 – zur Rechtsmittelbefugnis des Pflichtverteidigers.

Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren über die Fortdauer der Unterbringung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Diese ist von der StVK angeordnet worden. Dagegen hat der Verteidiger sofortige Beschwerde eingelegt. Mit am gleichen Tag eingegangen Schreiben hat der Verteidiger mitgeteilt, der Untergebrachte habe ihm telefonisch mitgeteilt, er habe Rechtsmittelverzicht erklärt, wobei der Rechtsmittelverzicht auch von seinem Verteidiger innerhalb der Rechtsmittelfrist abgegebene strafprozessuale Erklärungen umfassen solle. Das LG hat die Sache dem OLG zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt. Sie hatte keinen Erfolg:

„2. Der Untergebrachte hat mit seinem Schreiben vom 28.05.2024 (Blatt 1694 V-Heft) nach § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO wirksam auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 15.04.2024 verzichtet.

a) In dem vorgenannten Schreiben kommt der Wille des Untergebrachten, auf Rechtsmittel gegen den vorbezeichneten Beschluss zu verzichten, eindeutig zum Ausdruck; er erstreckt seine Verzichtserklärung auch auf „eventuell eingelegte Rechtsmittel“ seines Verteidigers.

An der Wirksamkeit des Verzichts des Untergebrachten auf die Einlegung von Rechtsmittel bestehen keine Zweifel. Der Untergebrachte muss bei Abgabe einer Rechtsmittelverzichtserklärung dazu in der Lage sein, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und bei hinreichender Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung die Bedeutung seiner Erklärung erkennen. Dies wird selbst durch eine – hier allerdings nicht vorliegende – Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit nicht notwendig ausgeschlossen. Vielmehr ist von einer Unwirksamkeit der Verzichtserklärung erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Untergebrachte nicht dazu in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärung zu erfassen (BGH, Beschluss vom 20.02.2017 ? 1 StR 552/16, NStZ 2017, 487; zur Rechtsmittelrücknahme: Senat, Beschluss vom 24.05.2022 – 1 Ws 83/22, BeckRS 2022, 12794). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Es sind vielmehr keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Verurteilten im Hinblick auf seinen geistigen Zustand die genügende Einsichtsfähigkeit für seine Prozesserklärung und deren Tragweite gefehlt hätte. Vielmehr belegen seine auch in der Vergangenheit gestellten Eingaben, dass der Untergebrachte sehr wohl in der Lage ist, für seine Interessen einzutreten und dabei die Bedeutungen seiner Erklärungen zu erkennen. Auch das am 03.06.2024 bei der Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz eingegangene Schreiben der Untergebrachten zeigt, dass er über die genügende Einsichtsfähigkeit in die von ihm abgegebenen Prozesserklärungen verfügt. Mit diesem Schreiben schildert der Untergebrachte in sachlicher Weise ihm in der Vergangenheit gewährte Lockerungen und regte dann mit verständlicher Begründung erneut die Gewährung von Vollzugslockerungen an (Blatt 1697 bis Blatt 1704 V-Heft). Auch die Ausprägung der Anlasserkrankung des Untergebrachten – eine mit einer Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F10.2) kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, antisozialen und schizoiden Persönlichkeitsanteilen (ICD-10: F61.1) – lässt nicht den Schluss zu, dass er nicht in der Lage ist, die Bedeutung seiner Prozesserklärungen zu erfassen.

Danach ist der vom Untergebrachten erklärte Verzicht auf die Einlegung der sofortigen Beschwerde bindend. Der Rechtsmittelverzicht ist als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar und führt zum Verlust des Rechtsmittels.

b) Dem steht nicht entgegen, dass der Verteidiger an der durch ihn gegen den Beschluss des Landgerichts eingelegten sofortigen Beschwerde festhält.

Mit Wirksamwerden des Rechtsmittelverzichts durch Eingang der Erklärung beim zuständigen Gericht kann der Verteidiger kein Rechtsmittel mehr einlegen (BGH, Beschluss vom 09.09.1977 – 3 StR 454/77 –, Rn. 2-3, juris); ein vom Verteidiger schon vorher eingelegtes Rechtsmittel wird wirkungslos (BGH NJW 1960, 2202, 2203; BGH, GA 1973, 47; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 1982 – 1 Ws 999/82 –, juris). Dass das Rechtsmittel vom Verteidiger eingelegt und begründet worden war, ist insoweit ohne Belang (BGH, Beschluss vom 13. 06. 2006 – 4 StR 182/06, NStZ-RR 2007, 210). Zwar kann die Verteidigung aus eigenem Recht und im eigenen Namen Rechtsmittel einlegen und zurücknehmen. Allerdings folgt aus § 297 StPO, dass es sich bei dem Rechtsmittel um ein solches des Beschuldigten bzw. Untergebrachten handelt (BGH, Beschluss vom 10.07.2019 – 2 StR 181/19 -, Rn. 10, juris). Nach dieser Vorschrift kann der Verteidiger für den Untergebrachten, jedoch nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen, Rechtsmittel einlegen. Allein maßgebend ist der Wille des Untergebrachten. Ein Rechtsmittel darf deshalb nie gegen den Willen des Untergebrachten ausgeübt werden. Bei unterschiedlicher Auffassung und Anfechtung ist jene des Untergebrachten und nicht die seiner Verteidigung maßgeblich. Der erklärte Wille des Untergebrachten geht vor und kann die in § 297 StPO enthaltene Vermutung, dass ein Rechtsmittel der Verteidigung in seinem Auftrag und Willen eingelegt wurde (KG, Beschluss vom 12.01.2022 – 4 Ws 4/22, BeckRS 2022, 911, Rn. 7), widerlegen. Hieraus folgt, dass der Rechtsmittelverzicht des Untergebrachten auch für das vom Verteidiger eingelegte Rechtsmittel gilt und selbst dann wirksam ist, wenn der Verteidiger das von ihm zugunsten seines Mandanten eingelegte Rechtsmittel durchgeführt wissen will (BGH NStZ-RR 2007, 210). Auch eine im „wohlverstandenen Interesse“ des Untergebrachten nach § 198 GVG eingelegte Verzögerungsrüge erlaubt es nicht, den ausdrücklich erklärten Willen des Untergebrachten außer Acht zu lassen. Danach ist die vom Verteidiger am 30.05.2024 eingelegte sofortige Beschwerde mit dem Rechtsmittelverzicht des Untergebrachten wirkungslos geworden.“

StPO III: Immer wieder Zustellungsproblematik, oder: Vollmacht, ZU-Bevollmächtigter, Ersatzzustellung

Bild von Capri23auto auf Pixabay

Und dann zum Tagesschluss ein paar Entscheidungen, die sich bei mir zu Zustellungsfragen angesammelt haben. Die haben ja in der Praxis eine nicht unerhebliche Bedeutung. Hier sind dann – jeweils nur die Leitsätze – leider sind die Entscheidungen zum Teil schon etwas älter:

Die Heilung eines Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks gemäß § 189 ZPO i.V.m. § 37 Abs. 1 StPO setzt voraus, dass eine Zustellung vom Gericht beabsichtigt war, diese muss folglich angeordnet worden sein.

Gemäß der Entscheidung des EuGH vom 22.04.2017, Az.C-124/16, C-188/16 und C-213/16, C-124/16, C-188/16, C-213/16, sind die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des Art. 6 der Richtlinie 2012/13 richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Beschuldigter keinen festen Wohnsitz hat und daher einen Zustellungsbevollmächtigten benennt, und an diesen dann ein Strafbefehl zugestellt wird, in dem Moment, in dem der Beschuldigte vom Strafbefehl tatsächlich Kenntnis erlangt, durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand über die volle Einspruchsfrist verfügen können muss.

1. Die nach § 43 StPO zu berechnende, zweiwöchige Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl beginnt ausweislich des § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO mit dessen Zustellung. Für die Ausführung der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde gelten nach § 37 Abs. 1 StPO Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend.

2. Bei der Verpflichtung des Zustellers bei Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 Satz 3 ZPO, das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken, handelt es sich um eine zwingende Zustellungsvorschrift im Sinne des § 189 ZPO mit der Folge, dass das Schriftstück bei einer Verletzung dieser Vorschrift erst mit dem tatsächlichen Zugang als zugestellt gilt.

Die Zustellung an den Wahlverteidiger ist unwirksam, wenn dessen Bevollmächtigung nicht gemäß § 145a Abs. 1 StPO nachgewiesen ist. Die anwaltliche Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung ist hierfür nicht ausreichend.

Und zu der Zustellungsproblematik – und noch zu viel mehr – kann man dann schon und bald wieder << Werbemodus an>> Aktuelles lesen in den Neuauflagen von

  • Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., und in
  • der 3. Auflage von Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe.
  • und in den beiden Handbücher für das Ermittlungsverfahren – jetzt dann 10. Aufl. – und für die Hauptverhandlung – jetzt dann 11. Aufl.,

die man hier (vor)bestellen kann. <<Werbemodus aus>>

EÖB I: EÖB nicht von allen Richtern unterschrieben, oder: Das war es = Einstellung des Verfahrens

© sharpi1980 – Fotolia.com

Heute dann mal wieder etwas StPO, und zwar einiges zum Eröffnungsbeschluss.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 16.05.2024 – 2 StR 528/23. Ein Klassiker, nämlich der nicht von allen Berufsrichtern unterschriebene Eröffnungsbeschluss. Ergebnis: Einstellung des Verfahrens:

„1. Es besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis, weil es an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt.

a) Der Eröffnungsbeschluss vom 10. Mai 2023, den lediglich zwei statt nach § 199 Abs. 1 StPO, § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 33b Abs. 1 und 7, § 33a Abs. 2, § 107 JGG richtig drei zur Mitwirkung berufene Berufsrichter unterschrieben haben, ist mangels einer Entscheidung in der für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Besetzung unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 ‒ 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 250).

Zwar ist die Unterzeichnung eines Eröffnungsbeschlusses durch die erlassenden Richter als solche keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2013 ‒ 3 StR 167/13, NStZ 2014, 400 f. mwN; vom 14. Juli 2016 ‒ 2 StR 514/15, NStZ 2017, 55, 56; vom 21. Oktober 2020 ‒ 4 StR 290/20, NStZ 2021, 179, 180; vom 6. Juni 2023 ‒ 5 StR 136/23, NStZ-RR 2023, 253). Vielmehr kann auch anderweit nachgewiesen werden, dass der Beschluss tatsächlich von allen hierzu berufenen Richtern gefasst worden ist. Das setzt jedoch eine mündliche Beschlussfassung oder eine dahin zu verstehende gemeinsame Besprechung oder Beratung voraus (BGH, Beschlüsse vom 13. März 2014 ‒ 2 StR 516/13, juris Rn. 3; vom 6. Juni 2023 ‒ 5 StR 136/23, aaO).

Eine Beschlussfassung durch alle hierzu berufenen Richter lässt sich nicht feststellen. Die seinerzeit der Jugendkammer als weiteres berufsrichterliches Mitglied zugewiesene Richterin am Landgericht, die den Eröffnungsbeschluss nicht unterschrieben hat, hat in ihrer dienstlichen Erklärung vom 18. März 2024 bekundet, der Eröffnungsbeschluss sei von ihr weder vorbereitet worden noch habe er ihr vorgelegen. Eine eigene Mitwirkung an der Beschlussfassung sei ihr nicht erinnerlich. Die beiden anderen berufsrichterlichen Mitglieder der Jugendkammer, die den Eröffnungsbeschluss unterzeichnet haben, haben jeweils dienstlich erklärt, keine Erinnerung an das Zustandekommen des Beschlusses vom 10. Mai 2023 zu haben. Eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens konnte die Jugendkammer, die in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern verhandelt hat, in der Hauptverhandlung nicht nachholen (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 ‒ 4 StR 596/09, juris Rn. 11 f.; Beschluss vom 29. September 2011 ‒ 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226).

b) Das Fehlen eines Eröffnungsbeschlusses stellt ein in der Revisionsinstanz nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens, gemäß § 467 Abs. 1 StPO auf Kosten der Staatskasse, zur Folge hat (BGH, Urteil vom 14. Mai 1957 ‒ 5 StR 145/57, BGHSt 10, 278, 279; Beschlüsse vom 29. September 2011 ‒ 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226; vom 18. Juli 2019 ‒ 4 StR 310/19, juris Rn. 3). Zur Klarstellung hebt der Senat das angegriffene Urteil mit den Feststellungen auf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2011 ‒ 3 StR 280/11, aaO; vom 13. März 2014 ‒ 2 StR 516/13, juris Rn. 4; vom 6. Juni 2023 ‒ 5 StR 136/23, NStZ-RR 2023, 253, 254).“

Und dann dasselbe noch einmal im BGH, Beschl. v. 15.05.2024 – 6 StR 161/14 – für den nach Verbindung in der Hauptverhandlung gefassten EÖB.

StPO I: Wirksamkeit der Revisionsrücknahme, oder: Prozessuale Handlungsfähigkeit?

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und heute StPO- ein bisschen quer durch den Garten der StPO.

Ich beginne im Bereich „Revision“ mit einer Entscheidung des BGH, nämlich dem BGH, Beschl. v. 29.04.2024 – 5 StR 559/23 –, der sich noch einmal zur Rücknahme der Revision äußert.

Das LG hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtete sich die vom Beschuldigten fristgemäß eingelegte Revision. Mit Fax vom 19.05.2022 schrieb der Beschuldigte seinem Verteidiger: „Ich ziehe die Revision zurück! Bitte teilen Sie dies dem Gericht mit.“ Der Verteidiger nahm daraufhin mit dem LG am 23.05.2022 zugegangenem Schreiben vom 20.05.2022 „in Absprache mit meinem Mandanten“ die Revision zurück. Die Strafkammervorsitzende übersandte unter dem 24.05.2022 eine Kopie der Rücknahmeerklärung an den Beschuldigten. Am 27.06.2022 beschloss das LG die Kostenfolge nach § 473 Abs. 1 StPO.

Inzwischen hat der Verurteilte die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme bestritten. Der BGH hat die Wirksamkeit der Rücknahme festgestellt:

„1. Der Beschuldigte hat die Revision durch seinen Verteidiger wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Er war bei der entsprechenden Auftragserteilung seines ausdrücklich von ihm ermächtigten Verteidigers (§ 302 Abs. 2 StPO) verhandlungsfähig. Zwar stand der Beschuldigte unter Betreuung. Es bedurfte ausweislich des vom Verteidiger vorgelegten Betreuerausweises aber für die Wirksamkeit von Willenserklärungen gegenüber Behörden nicht der Einwilligung des Betreuers. Der Beschuldigte war zudem prozessual handlungsfähig.

a) Die prozessuale Handlungsfähigkeit setzt voraus, dass ein Angeklagter oder Beschuldigter bei Abgabe einer Rechtsmittelrücknahmeerklärung in der Lage ist, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und bei hinreichender Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung die Bedeutung seiner Erklärung zu erkennen. Dies wird – wie etwa § 415 Abs. 1 und 3 StPO für das Sicherungsverfahren gegen einen Schuldunfähigen belegen – allein durch eine Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit nicht notwendig ausgeschlossen. Vielmehr ist von einer Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsmittelführer nicht dazu in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärung zu erfassen. Verbleiben Zweifel an seiner prozessualen Handlungsfähigkeit, geht dies zu seinen Lasten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. März 2022 – 3 StR 29/22; vom 8. Oktober 2019 – 1 StR 327/19; vom 20. Februar 2017 – 1 StR 552/16, NStZ 2017, 487, 488 jeweils mwN).

b) Nach diesen Maßstäben liegen keine Anhaltspunkte vor, die Zweifel daran begründen könnten, der Beschuldigte sei sich zum Zeitpunkt der Rechtsmittelrücknahme nicht der Bedeutung und Tragweite der Erklärung bewusst gewesen. Dies stellt der Senat im Wege des Freibeweises auf Grundlage des Akteninhalts und der beim Verteidiger zu den Umständen der Rücknahme eingeholten Stellungnahme fest.

Zwar folgt aus den Urteilsgründen, dass der psychiatrische Sachverständige beim Beschuldigten eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert hat und sich offensichtlich wahnhaft geprägte Gedankengänge auch noch in den Einlassungen des Beschuldigten in der Hauptverhandlung offenbart haben. Dies ist für die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung jedoch nicht von maßgeblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 1 StR 552/16, NStZ 2017, 487, 488 mwN). Vielmehr zeigt schon das Schreiben vom 25. März 2022, mit dem er zunächst selbst die Revision einlegte und in dem er die „Gesamtanfechtung“ des Urteils und Verletzung seines Notwehrrechts nach § 32 StGB anführte, ebenso wie sein Aufforderungsschreiben an seinen Verteidiger vom 19. Mai 2022, dem Gericht die Rücknahme mitzuteilen, dass der Beschuldigte über Förmlichkeiten informiert war und entsprechend handelte. Der Verteidiger hat zudem in seiner Stellungnahme erklärt, es habe keinen Hinweis auf eine vorgelegene Geschäftsunfähigkeit des Beschuldigten gegeben. Dass dieser bei Abfassen seines Schreibens vom 19. Mai 2022 infolge der schizophrenen Erkrankung in seiner Willensentschließung und Willensbetätigung beschränkt war, ist danach nicht ersichtlich.“

Die vom BGH angesprochenen Fragen muss man im Auge haben 🙂 .