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Revision III: Übersetzung des Antrags des GBA?, oder: Verfrühte Revisionsverwerfung

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Und dann zum Schluss noch zwei Entscheidungen zum Revisionverfahren, und zwar einmal vom BGH und einmal vom OLG Hamm, auch hier gibt es aber nur die Leitsätze:

Ob eine schriftliche Übersetzung des Antrags des Generalbundesanwalts anzufertigen und dem Angeklagten zu übermitteln ist, bestimmt sich nach § 187 GVG.  Für die Anordnung einer schriftlichen Übersetzung des Antrags des Generalbundesanwalts besteht nach dem abgestuften System in § 187 Abs. 2 GVG regelmäßig dann kein Anlass, da/wenn der Angeklagte verteidigt ist (§ 187 Abs. 2 Satz 5 GVG).  Die effektive Verteidigung des sprachunkundigen Angeklagten ausreichend dadurch gewährleistet, dass der anwaltliche Beistand des Angeklagten den schriftlichen Antrag des Generalbundesanwalts kennt (§ 349 Abs. 3 Satz 1 StPO). Etwas anderes gilt ggf. wenn Gründe aufgezeigt werden, die es ausnahmsweise rechtfertigen könnten, dem Angeklagten den vollständigen Wortlaut des Antrags des Generalbundesanwalts in seiner Muttersprache zugänglich zu machen.

1. Eine Entscheidung nach § 346 Abs. 1 StPO darf erst getroffen werden, wenn die Revisionsbegründungsfrist abgelaufen ist. Erst dann steht nämlich fest, welche Erklärungen, die auf Einhaltung der Form und Frist zu prüfen sind, abgegeben wurden, zumal jeder Beschwerdeführer die Frist zur Begründung seines Rechtsmittels bis zuletzt ausschöpfen oder auch innerhalb der Frist mehrere Erklärungen abgeben darf. Eine verfrühte Entscheidung wäre nur dann unschädlich, wenn sie im Ergebnis zu Recht ergangen und nicht zu besorgen ist, dass der Revisionsführer durch sie von einer möglichen Heilung des Formfehlers oder einer rechtzeitigen Nachholung der Revisionseinlegung oder Revisionsbegründung abgehalten worden ist. Dies ist nur dann auszuschließen, wenn die Verwerfungsentscheidung dem Revisionsführer erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zugestellt worden ist.

2. Wird eine Revision zu Unrecht als unzulässig verworfen und der Verwerfungsbeschluss zu einem Zeitpunkt zugestellt, in dem die Begründungsfrist noch nicht abgelaufen ist, so beginnt letztere erst mit der Zustellung der den Verwerfungsbeschluss aufhebenden Entscheidung des Revisionsgerichts.

Sieben Entscheidungen zur Wiedereinsetzung, oder: Überwachung, Fristenkalender, Auskünfte, Verfahren

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Während meines Urlaubs haben sich einige Entscheidungen, die mit Wiedereinsetzungsfragen und/oder dem beA zusammehängen. Einige sind auch in der Woche hinzu gekommen. Ich stelle daher heute diese beiden Bereiche im „Kessel Buntes“ .

Ich starte hier mit den Entscheidungen zur Wiedereinsetzung, und zwar:

Die Überwachungspflicht des Rechtsanwalts, dem die Handakten zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, beschränkt sich nicht nur auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist zutreffend notiert ist, sondern erstreckt sich auch auf die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist (st. Rspr. vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – VI ZB 40/16).

1. Zu den von einem Rechtsanwalt zu treffenden organisatorischen Vorkehrungen zur Vermeidung möglicher Fristversäumnisse – hier: auf die Eintragung in den Fristenkalender bezogener Erledigungsvermerk in der Handakte und Reihenfolge der Eintragung einer Frist zunächst in den Fristenkalender und dann in die Handakte (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 19. September 2017 – VI ZB 40/16, NJW-RR 2018, 58 Rn. 8; vom 29. Juni 2022 – XII ZB 9/22, FamRZ 2022, 1633 und Beschluss vom 6. Februar 2018 – II ZB 14/17; jeweils m.w.N.) sowie Eintragung einer Vorfrist zur Rechtsmittelbegründungsfrist (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 21. Juni 2023 – XII ZB 418/22, NJW-RR 2023, 1284 Rn. 11; vom 24. Oktober 2023 – VI ZB 53/22, NJW-RR 2024, 266 Rn. 9; jeweils m.w.N.).

2. Zum Entfallen der rechtlichen Erheblichkeit eines Anwaltsverschuldens infolge eines späteren, der Partei oder dem Anwalt nicht zuzurechnenden Ereignis (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2016 – XII ZB 684/14, NJW 2016, 1180 ff.; vom 28. Januar 2021 – III ZB 86/19, NJW-RR 2021, 503; vom 22. November 2022 – XI ZB 13/22, NJW 2023, 1224).

Zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs gehört die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO erteilt wurde.

1. Wird der nach § 73 Abs. 3 OWiG durch einen Verteidiger vertretene Betroffene von jenem verspätet über die Verurteilung in Kenntnis gesetzt, trifft ihn an der Versäumung der Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels ein eigenes Verschulden, wenn er weder seinen Verteidiger mit der Einlegung eines solchen beauftragt noch mit ihm vereinbart hatte, zeitnah über das Ergebnis der Hauptverhandlung unterrichtet zu werden.

2. Die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ist nicht versäumt, wenn der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand form- und fristrecht gestellt, jedoch unzureichend begründet wurde.

1. Der Betroffene hat die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde unverschuldet versäumt, wenn das Versäumnis auf der irrigen Annahme seines Verteidigers beruhte, die Frist begänne im Beschlussverfahren erst mit Zustellung der auf die Rechtsbeschwerde hin nachzuholenden Beschlussgründe zu laufen.

2. Die Begründung eines Beschlusses, mit dem eine Geldbuße festgesetzt wird, muss im Wesentlichen den Anforderungen genügen, die gemäß § 71 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 267 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 3 S. 1 2. Hs. StPO an die Begründung eines nicht freisprechenden Urteils gestellt werden.

Fehlt es erkennbar an Erfolgsaussichten für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den §§ 356a, 47 StPO, so ist kein Aufschub der Vollstreckung nach § 47 Abs. 2 StPO anzuordnen.

1. Die Ablehnung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung darf erst nach Ablauf einer Woche nach der (wirksamen) Zustellung des Urteils erfolgen, weil erst dann Entscheidungsreife vorliegt.

2. Eine verfrühte Entscheidung wäre nur dann unschädlich, wenn sie im Ergebnis zu Recht ergangen wäre und nicht zu besorgen ist, dass der Beschwerdeführer durch sie von einer Einlegung oder (gegebenenfalls ergänzenden) Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgehalten worden ist. Dies ist nur dann auszuschließen, wenn die Verwerfungsentscheidung dem Beschwerdeführer erst nach Ablauf der Antragsfrist im Sinne von § 329 Abs. 7 S. 1 StPO zugestellt worden ist.

3. Wird der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung verfrüht verworfen und der Verwerfungsbeschluss zu einem Zeitpunkt zugestellt, in dem die Frist des § 329 Abs. 7 S. 1 StPO noch nicht abgelaufen ist, so beginnt diese Frist erst mit der Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts, durch die der Verwerfungsbeschluss aufgehoben wird.