Das AG hatte die Betroffene verurteilt. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Kollegen S. Kabus aus Bad Saulgau, die beim OLG Erfolg hatte. Das OLG sagt: Es ist/war Verfolgungsverjährung eingetreten:
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil ein Verfahrenshindernis vorliegt.
Hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Geschehens war bereits Verfolgungsverjährung eingetreten, als das Amtsgericht mit der Sache befasst wurde.
a) Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ereignete sich der verfahrensgegenständliche Vorfall am 07.12.2017, so dass die dreimonatige Verjährungsfrist (§§ 31 OWiG, 26 Abs. 3 StVG. 24 StVO) bei Erlass des Bußgeldbescheides durch die Stadt Karlsruhe am 08.02.2018 noch nicht abgelaufen war. Der Erlass des innerhalb von zwei Wochen zugestellten Bußgeldbescheides bewirkte die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung (§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG) und hatte nach § 26 Abs. 3 StVG zugleich die Verlängerung der Verjährungsfrist von drei auf sechs Monate zur Folge. Anschließend ereignete sich nichts mehr, was eine erneute Unterbrechung der bis 07.08.2018 laufenden Verjährung zur Folge gehabt hätte. Als die Akten am 10.10.2018 bei dem Amtsgericht Karlsruhe eingingen, war daher bereits Verfolgungsverjährung eingetreten.
b) Auf Grund der von der Verwaltungsbehörde mit Verfügung vom 16.05.2018 gewährten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid, begann die Verfolgungsverjährung entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und der Generalstaatsanwaltschaft nicht von Neuem, weil der Bußgeldbescheid wegen des rechtzeitigen Einspruchs des Betroffenen zu diesem Zeitpunkt nicht in Rechtskraft erwachsen und die Verfolgungsverjährung nicht abgelaufen war.
Ausweislich des dem Senat im Wege des Freibeweisverfahrens zugänglichen Akteninhalts wurde der am 08.02.2018 erlassene Bußgeldbescheid dem Betroffenen am 14.02.2018 zugestellt. Der den Einspruch des Betroffenen enthaltene Verteidigerschriftsatz ging unstreitig am 19.02.2018 und somit innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist bei der Verwaltungsbehörde ein. Weil der Einspruchsschriftsatz jedoch aus ungeklärten Gründen nicht zur Verfahrensakte gelangte, leitete der zuständige Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde – in der irrigen Vorstellung, der Bußgeldbescheid habe Rechtskraft erlangt – die Vollstreckung ein. Nachdem der Verteidiger hiergegen unter Hinweis auf die rechtzeitige Einlegung des Einspruchs interveniert hatte, gewährte die Verwaltungsbehörde dem Betroffenen am 16.05.2018 von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen hierfür (§§ 51 Abs. 1 OWiG, 44 Abs. 1 StPO) angesichts des form- und fristgerecht eingelegten Einspruchs nicht vorlagen.
Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die – für das Rechtsbeschwerdegericht nach §§ 52 Abs. 1 OWiG, 46 Abs. 2 StPO in ihren Wirkungen rechtlich bindende (vgl. OLG Braunschweig NJW 1973, 2119) – Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch dazu führen kann, dass mit dem Erlass des Wiedereinsetzungsbeschlusses die Verfolgungsverjährung neu beginnt (OLG Hamm NJW 1972.2097; OLG Stuttgart MDR 1986, 608; KK-OWiG/Ellbogen, 5. Auflage, OWiG, § 31 Rn. 37; Göhler/Gürtler, OWiG, 7. Auflage, Vor § 31 Rn. 2b). Diese Wirkung kann der Wiedereinsetzung aber nur dann zukommen, wenn der Bußgeldbescheid vor ihrer Gewährung und vor Eintritt der Verfolgungsverjährung tatsächlich schon Rechtskraft erlangt hatte (OLG Braunschweig NJW 1973, 2119; Göhler/Gürtler, a.a.O.). Denn mit der Rechtskraft wird die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit blockiert, so dass die Rechtskraft das Weiterlaufen der Verfolgungsverjährung ebenso hindert wie ihre Vollendung (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Braunschweig, a.a.O.). Lässt die Wiedereinsetzung die Wirkung der Rechtskraft – für die Zukunft – entfallen, so beginnt mit deren Wegfall mithin nicht nur die Verfolgung erneut, sondern auch die Verfolgungsverjährung.
Weil der Bußgeldbescheid im vorliegenden Fall jedoch nicht in Rechtskraft erwachsen war, konnte die Wiedereinsetzung diese auch nicht beseitigen. Die Wirkung der Wiedereinsetzung erschöpfte sich hier vielmehr in der Feststellung, dass der Bußgeldbescheid mit dem Einspruch weiterhin anfechtbar sei (vgl. Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 46 Rn. 11). Letztlich kam der Wiedereinsetzung daher im vorliegenden Fall rein deklaratorische Bedeutung zu, weil sie nur den Rechtszustand bestätigte, der für den Betroffenen im Zeitpunkt ihrer Gewährung am 16.05.2018 ohnehin bestand, weil der Einspruch form- und fristgerecht eingelegt worden war (OLG Braunschweig, a.a.O.). Da hier mangels eingetretener Rechtskraft auch der Ablauf der Verfolgungsverjährung nicht blockiert war, konnte die Wiedereinsetzung deren Blockade nicht beseitigen und infolgedessen auch nicht den Neubeginn der Verfolgungsverjährung bewirken. Weil der Bußgeldbescheid nicht in Rechtskraft erwachsen war, lief die Verfolgungsverjährung vielmehr weiter, ohne in irgendeiner Weise von der rein dekiaratorischen Wirkung der Wiedereinsetzung beeinflusst zu werden (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O.).
Nähme man dagegen an, die unanfechtbare (§§ 51 Abs. 1 OWiG, 46 Abs. 2 StPO) Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die auch von Amts wegen ohne entsprechenden Antrag erfolgen kann, würde stets auch dann den Lauf der Verfolgungsverjährung neu beginnen lassen, wenn der Bußgeldbescheid noch nicht in Rechtskraft erwachen ist, so hätte es die Verwaltungsbehörde darüber hinaus – zumindest theoretisch und von Fallgestaltungen offensichtlicher Willkür abgesehen – in der Hand, den Lauf der gesetzlichen Verjährungsfristen nach eigenem Gutdünken zu verlängern. Dies liefe dem auf Wiederherstellung oder Erhaltung des gestörten Rechtsfriedens gerichteten Zweck der Verfolgungsverjährung (vgl. KK-OWiG/Ellbogen, a.a.O., § 31 Rn. 2) zuwider, deren Lauf nach der gesetzlichen Regelungskonzeption nur durch die in §§ 32 und 33 OWiG abschließend aufgeführten Ereignisse (vgl. Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Auflage, § 33 Rn. 6) zum Ruhen gebracht oder unterbrochen werden kann.
Da die Taten vor Erlass des angefochtenen Urteils bereits verjährt waren, lag ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindemis bereits im erstinstanzlichen Verfahren vor. Der Senat hebt das amtsgerichtliche Urteil daher auf und stellt das Verfahren nach § 206a StPO ein (vgl. BGH, Beschluss vom 28.10.2010 – 5 StR 263/10).