Heute stelle ich OWi-Entscheidungen vor. Ja, richtig gelesen. Es gibt mal wieder einen OWi-Tag. Im Moment ist der „Eingang“ von solchen Entscheidungen recht dünn. Es wird kaum etwas veröffentlicht und ich erhalte auch nicht so viele Einsendungen wie in der Vergangenheit. Aber heute reicht es dann mal für drei Postings. Ich stelle allerdings auch heute keine bahnbrechenden Entscheidungen vor.
Die Berichterstattung beginne ich mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.4.2025 – 1 ORbs 55/25. Es geht mal wieder um eine Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG.
Gegen den Betroffenen ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Bußgeldbescheid eine Geldbuße festgesetzt worden. Nach fristgerecht eingelegtem Einspruch hat das AG Termin zur Hauptverhandlung auf den 21.10.2024, 9:30 Uhr anberaumt.
Mit Schriftsatz vom 22.08.2024 räumte der Verteidiger für den Betroffenen dessen Fahrereigenschaft ein, gab zudem an, in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zur Sache machen zu wollen und beantragte, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Dem Anwaltsschriftsatz war die von dem Betroffenen unterschriebene „Vollmacht in Straf- und Bußgeldsachen“ beigefügt, die sich nach Ziffer 1 auf „Vertretung und Verteidigung in Strafsachen und Bußgeldsachen (einschließlich Steuersachen), Nebenklageverfahren und Privatklageverfahren“ bezieht.
Das AG hat dann den Einspruch des Betroffenen verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid zwar rechtzeitig Einspruch erhoben habe, aber in dem Termin zur Hauptverhandlung trotz der durch Zustellungsurkunde vom 29.08.2024 nachgewiesenen ordnungsgemäßen Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei und von seiner Verpflichtung zum Erscheinen auch nicht entbunden gewesen war.
In dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 21.10.2024 ist vermerkt, dass der Terminvertreter Rechtsanwalt pp. den Antrag auf Entpflichtung des Betroffenen gemäß dem Anwaltsschriftsatz vom 22. August 2024 gestellt hatte. Diesen Antrag hat das Amtsgericht im Hauptverhandlungstermin durch Beschluss zurückgewiesen, da keine „besondere Vollmacht“ für einen Entpflichtungsantrag von Rechtsanwalt („Name 01“) vorgelegen habe und die Terminsvollmacht für Rechtsanwalt („Name 02“) aus („Ort 03“) weder eine Vollmacht zur Vertretung des Betroffenen nach § 73 Abs. 3 OWiG umfasse noch von dem Vollmachtgeber, Rechtsanwalt („Name 01“) aus („Ort 02“), unterschrieben worden war.
Der Zulassungsantrag des Betroffenen hatte beim OLG Brandenburg keinen Erfolg. Das führt im OLG Brandenburg, Beschl. v. 16. April 2025 – 1 ORbs 55/25 – aus:
„2. Der Zulassungsantrag ist jedoch unbegründet.
a) Gegen die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG kann der Betroffene im Zulassungsverfahren im Wesentlichen nur mit der Beanstandung gehört werden, dass die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Verwerfung des Einspruchs nicht vorgelegen hätten, das Amtsgericht das Ausbleiben des Betroffenen nicht als unentschuldigt habe ansehen dürfen oder das Amtsgericht einem Entpflichtungsantrag hätte stattgeben müssen, mithin eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliege (statt vieler: Senatsbeschluss vom 26. August 2019, (1 B) 53 Ss-OWi 173/19 (263/19), m.w.N., vgl. Göhler-Seitz/Bauer, OWiG, 19. Aufl., 2024, § 74 Rn. 48a).
Die Rüge, das Gericht habe zu Unrecht den Antrag des Betroffenen abgelehnt, ihn von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, greift nicht durch.
Da die Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zu Anwesenheit in der Hauptverhandlung wesentliche persönliche Verfahrensrechts des Betroffenen – insbesondere das Anwesenheitsrecht, die Gewährung rechtlichen Gehörs, die Äußerungsbefugnis, die Wahrnehmung des „letzten Wortes“ – betrifft bzw. auf den vertretenen Verteidiger übergehen (vgl. KG NStZ-RR 2015, 385) und im Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG seine Rechte aus § 74 Abs. 4 OWiG verliert (vgl. OLG Koblenz VRS 54, 363), bedarf es hierzu einer besonderen Vollmacht des Verteidigers (st. Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 13. Mai 2009, 1 Ss (OWi) 68 Z/09 in: VRS 116, 276 m.w.N.; ebenso OLG Köln NZV 2002, 241; BayObLG DAR 2000, 342; KG VRS 120, 200, siehe auch Krumm in DAR 2008, 413; Senge in: KK-OWiG, 5. Aufl., § 73 Rn. 19; Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 18. Aufl., § 73 Rn. 4).
Eine solche besondere Vollmacht hat der Betroffene seinem Verteidiger nicht erteilt; die Vollmachtsurkunde vom 22. Januar 2024 geht über eine allgemeine Vollmacht in Bußgeldsachen nicht hinaus; der unterbevollmächtigte Rechtsanwalt hat eine nicht unterschriebene Vollmacht vorgelegt.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen ist im Zusammenhang mit dem Verwerfungsurteil mithin nicht zu konstatieren.
…“
Wie gesagt: Nichts Neues, sondern alter Wein…. Mich erstaunt nur immer wieder, dass Verteidiger teilweise die Problematik doch noch nicht kennen.