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Die Besuchserlaubnis für die (mitangeklagte) Verlobte – warum erst vom OLG?

© Joachim B. Albers - Fotolia.com

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Manchmal frage ich mich, warum manche Fragen bis zum OLG müssen und dort dann erst entschieden werden, obwohl m.E. die Lösung auf der Hand liegt/lag und, wenn schon nicht das AG, dann aber doch zumindest die Beschwerdekammer die „richtige“ Entscheidung hätte finden können. So ist es mir mal wieder beim OLG Oldenburg, Beschl. v. 01.04.2015 – 1 Ws 197/15 gegangen; der Kollege, der ihn mir geschickt hat, hatte sich übrigens dieselbe Frage gestellt. Es ging um den Antrag auf Erteilung einer Besuchserlaubnis für einen U-Haft-Gefangenen. Die hatte das AG für seine für seine Verlobte, die Mitangeschuldigte war, unter Hinweis auf den Haftgrund der „Verdunkelungsgefahr“ im Haftbefehl abgelehnt. Nachdem die Beschwerde des Angeklagten auch beim LG keinen Erfolg hatte, hat das OLG dann die Besuchserlaubnis (endlich) erteilt und zur Begründung (nur) die Stellungnahme der GStA „eingerückt“:

Eine Versagung des Besuchsverkehrs des Untersuchungsgefangenen mit seiner Verlobten dürfte nur dann möglich sein, wenn im Einzelfall aufgrund konkreter Anhaltspunkte durch den unkontrollierten Kontakt des Untersuchungsgefangenen mit der Außenwelt eine reale Gefahr für den im Haftbefehl vom 08.10.2014 (BI. 3 HSH) auch nur als subsidiär angeführten Haftzweck der Verdunkelungsgefahr besteht. Die bloße Möglichkeit, dass der Untersuchungsgefangene B seine Freiheiten missbrauchen könnte, um – was das Landgericht wohl befürchtet – die Verteidigungsstrategie mit der Mitangeklagten mit Blick auf die bevorstehende Hauptverhandlung abzusprechen, genügt nicht (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O, § 119 Rn. 7 m.w.N.). Dabei ist besonders in den Blick zu nehmen, dass der Mitangeklagten H. lediglich in 4 Fällen Beihilfehandlungen (als Tippgeberin) angelastet werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht erkennen, welche Verdunkelungshandlungen in Bezug auf die Hauptverhandlung konkret zu besorgen sind, zumal die Mitangeklagte längere Zeit unkontrolliert mit dem Untersuchungsgefangenen hat telefonieren können (vgl. BI. 45 HSH).

Dass wegen weiterer, aber nicht aufgeklärter Taten noch ermittelt wird, die bislang nicht zum Gegenstand des Haftbefehls gemacht wurden, lässt sich anhand des Haftsonderhefts nicht feststellen. In Bezug auf Verdunkelungshandlungen wegen nicht aufgeklärter Taten ließe sich dieses Risiko jedenfalls aber durch einen kontrollierten Besuch (in Anwesenheit der Polizei) begegnen. Der angeklagte Sachverhalt ist jedenfalls ausermittelt, so dass keine Verdunkelung mehr für die angeklagten Taten auf der Hand liegt.

Dem schließt sich der Senat an.“

Dem ist nun auch wirklich nichts hinzuzufügen, außer: Richtig.

Verdunkelungsgefahr? – aber nicht mehr nach Vernehmung

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Manche längst obergerichtlich entschiedene Fragen tauchen immer mal wieder auf. Das gilt auch für Haftfragen. Und da ist es das Problem/die Frage des zeitlichen Umfangs des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr. Wobei dann mich (immer wieder) erstaunt, dass manche Fragen dann offenbar bei den Amtsgerichten doch noch nicht angekommen sind. So auch in dem dem LG Braunschweig, Beschl. v. 05.03.2015 – 15 Ns 53/15 – zugrunde liegenden Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG. Das AG hatte gegen den Angeklagten am 15.12.2014 Untersuchungshaft angeordnet. Als Haftgrund wurde Verdunkelungsgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO angenommen, da Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Angeklagte – wie bereits in der Vergangenheit geschehen – unlauter auf die Zeugen S und B einwirken würde. Der  Zeuge B hatte aber bereits zeitlich vor Erlass des Haftbefehls in einem Fortsetzungstermin in der Hauptverhandlung am 01.12.2014 Angaben zur Sache gemacht, die Gegenstand des Hauptverhandlungsprotokolls geworden sind. Der Zeuge S hatte in einem weiteren Fortsetzungstermin in der Hauptverhandlung am 15.12.2014 ebenfalls Angaben zur Sache gemacht.

Die Berufungskammer hat den Haftbefehl dann aufgehoben,

„da der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr besteht.

Ob der Angeklagte überhaupt wirksam auf die Zeugen B. und S. einwirken kann, erscheint bereits fraglich. Der Zeuge B. hat sich letztlich bislang unbeeindruckt gezeigt. Der Aufenthaltsort des Zeugen S. ist dem Angeklagten unbekannt. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Denn der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr erfordert jedenfalls auch, dass die konkrete Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert wird. Daran fehlt es, wenn die Beweise so gesichert sind, dass ein Beschuldigter/Angeschuldigter/Angeklagter die Wahrheitsfindung grundsätzlich nicht mehr behindern kann. Bei der Gefahr der Einflussnahme auf Zeugen kann dies insbesondere dann angenommen werden, wenn – wie vorliegend – eine richterlich protokollierte Aussage des jedenfalls im Vernehmungszeitpunkt unbeeinflussten Zeugen vorliegt (LG Zweibrücken, StV 2002, 147; sehr ausführlich LG Hamburg StV 2000, 373). Das mag aus Gründen des Opferschutzes unbefriedigend erscheinen, der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr aber dient ausschließlich der Durchsetzung des Anspruchs auf vollständige Aufklärung der Tat (LG Zweibrücken, a.a.O.; zum Zweck der Untersuchungshaft gem. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., vor § 112, Rn. 4).

Hätte man drauf kommen können, oder?

Besucherlaubnis für Eheleute? Nein, schreiben reicht…

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Klingt in meinen Ohren ein wenig eigenartig, was das LG Koblenz in Zusammenhang mit der der Verweigerung einer Besuchserlaubnis, die eine Ehefrau für den Besuch ihres inhaftierten Mannes beantragt, hatte, schreibt. Das Besondere an dem Fall vorab: Ehemann und Ehefrau sind Mitbeschuldigte in einem Verfahren wegen gewerbsmäßigen Betruges, gegen beide wird Untersuchungshaft vollstreckt. Der LG Koblenz, Beschl. v. 24.10.2013 –  2010 Js 8198/12 -9 KLs– lehnt die Erteilung einer Besuchserlaubnis ab. Begründung: Verdunkelungsgefahr:

„Zwar besteht das grundsätzliche Recht Besuche zu empfangen, doch kann eine Besuchserlaubnis versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Besuch etwa zu Fluchtvorbereitungen oder zu Verdunkelungszwecken wie dem verdeckten Austausch von Informationen missbraucht wird und diese Gefahr mit den Mitteln der Besuchsüberwachung nicht ausgeräumt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2003, 126, 127 m.w.N.).

Dies ist hier der Fall.

Die beiden Angeschuldigten sind des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges in über 100 Fällen dringend verdächtig. Sie haben sich bislang zur Sache nicht eingelassen.

Im Rahmen der Postkontrolle mussten bereits am 11. und 23. Oktober 2013 zwei Briefe des Angeschuldigten beschlagnahmt werden, da sie einen Verfahrensbezug aufwiesen und den Eindruck vermittelten, dass der Angeschuldigte pp. bestrebt ist, die Verantwortung für die angeklagten Taten möglicherweise den Tatsachen widersprechend allein auf sich zu nehmen, um die Mitangeklagte pp. zu entlasten und um deren Entlassung aus der Untersuchungshaft zu erreichen.

Es ist daher konkret zu befürchten, dass die Angeschuldigten einen Besuch dazu missbrauchen würden, ihr Aussageverhalten aufeinander abzustimmen.

Der bestehenden Verdunkelungsgefahr kann nicht wirksam durch eine Überwachungsanordnung begegnet werden, etwa indem der Besuch vor einem der ermittelnden Beamten optisch und akustisch überwacht wird.

Denn wegen des außergewöhnlich großen Umfangs des Ermittlungsverfahrens kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Ermittlungsbeamter versteckte Anspielungen auf bestimmte Tatumstände oder Taten sofort verstehen und rechtzeitig unterbinden könnte. Erst recht könnte er dies nicht, wenn die Angeschuldigten, die sich bereits seit mehreren Jahren kennen, non-verbal, etwa mit ihnen bekannten und vertrauten Gesten, austauschen würden.

Es ist ferner auch nicht dargelegt, dass ein besonderer, gerade einen persönlichen Kontakt erfordernder Anlass für den beantragten Besuch besteht.

Die Versagung der Besuchserlaubnis ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die beiden Angeschuldigten verheiratet sind, nicht unverhältnismäßig. Die Angeschuldigten, die sich erst seit kurzer Zeit in Untersuchungshaft befinden, haben die Möglichkeit brieflichen Kontakt zu pflegen und machen von dieser auch regen Gebrauch.“

Probleme habe ich insbesondere damit, dass mir nicht einleuchtet, warum ein mit dem Verfahren vertrauter Ermittlungsbeamter nicht doch das Gespräch der beiden Eheleute überwachen kann. Jedenfalls fehlen mir dafür im Beschluss die konkreten Anknüpfungstatsachen. Und der letzte Absatz klingt für mich „eigenartig“, so nach: Könnt Euch ja schreiben, das reicht.

Verdunkelungsgefahr – nur so lange es noch etwas zu verdunkeln gibt

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Gegen den Angeklagten besteht ein Haftbefehl des AG wegen Verdunkelungsgefahr, den das LG auch nach durchgeführter Hauptverhandlung u.a. mit diesem Haftgrund (§ 112 Abs. 2 Nr. 3b StPO) aufrecht erhält.  Der KG, Beschl. v. 11.07.2012 – 4 Ws 73/12 – sagt: geht so nicht. Verdunkelungsgefahr nur so lange, wie es etwas zu verdunkeln gibt:

„Der Senat kann dahinstehen lassen, ob aufgrund bestimmter Tatsachen ein Verhalten des Angeklagten festzustellen ist, das den dringenden Verdacht begründen könnte, der Beschwerdeführer werde auf die Geschädigte unlauter einwirken, um deren Aussageverhalten zu beeinflussen.

 Denn es fehlt jedenfalls an der weiteren Voraussetzung einer auf bestimmte Tatsachen gegründeten konkreten Gefahr der Verdunkelung. Eine entsprechende Absicht des Angeklagten, durch eine (nunmehr unterstellte) unlautere Einwirkung auf die Zeugin die Beweislage zu seinen Gunsten prozessordnungswidrig zu beeinflussen, genügte hierfür nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Verdunkelungshandlung auch objektiv (noch) geeignet ist, die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren. Daran mangelt es hier angesichts der im Verfahren eingetretenen Beweislage. Hinsichtlich der Taten nach dem Gewaltschutzgesetz liegt ein vom Gericht für glaubhaft erachtetes richterliches Geständnis des Angeklagten vor, das den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr entfallen lässt (vgl. OLG Düsseldorf StV 1984, 339; OLG Hamm StV 2002, 318, 319; OLG Stuttgart StV 2005, 225; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 112 Rn. 35; Wankel in KMR-StPO, § 112 Rn. 13). Auch in Bezug auf die Körperverletzung sind die Beweise in einer Weise gesichert, dass der Beschwerdeführer die Wahrheitsermittlung nicht mehr mit Erfolg behindern könnte. Zum einen liegt eine richterlich protokollierte Aussage der Geschädigten vor (vgl. dazu OLG Karlsruhe NJW 1993, 1148), die das Gericht für uneingeschränkt glaubhaft erachtet hat und die zur Grundlage des Schuldspruchs geworden ist; zum anderen ist der Beweiswert der potentiell gefährdeten Zeugenaussage auch deshalb nicht mehr ernstlich in Frage gestellt, weil der Inhalt dieser Aussage durch den Amtsrichter bzw. die Amtsanwältin bezeugt werden könnte (vgl. dazu OLG Naumburg StV 1995, 259; OLG Schleswig SchlHA 2001, 135; zum Aspekt der hinreichenden Sachaufklärung, insbesondere durch vorangegangene Vernehmungen potentiell gefährdeter Zeugen, vgl. ferner OLG München StraFo 1997, 29; OLG Oldenburg StV 2005, 394; LG Hamburg StV 2000, 373; LG Zweibrücken StV 2002, 147; Hilger in LR-StPO 26. Aufl., § 112 StPO Rn. 50; Paeffgen in SK-StPO 4. Aufl., § 112 Rn. 39; Graf in KK-StPO 6. Aufl., § 112 Rn. 39).“   

Damit wird Verdunkelungsgefahr nach durchgeführter erstinstanzlicher Haußtverhandlung als Haftgrund i.d.R. ausscheiden.

 

Haftrecht: OLG Naumburg und (verneinte) Verdunkelungsgefahr

Gegen den Angeklagten war ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung anhängig. In unmittelbarem Zusammenhang mit einer Durchsuchungsmaßnahme verschwand ein gefüllter Plastikmüllsack (womit gefüllt?). Das hat das AG zum Anlass genommen, einen Haftbefehl gegen den Angeklagten auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO zu stützen. Das hat das LG gehalten. Das OLG Naumburg sagt jetzt im Beschluss vom 02.12.2009 – 1 Ws 789/09: reicht nicht!

„Die bloße Fortwirkung einer früheren Verdunkelungshandlung, die hier im vom Beschuldigten nicht hinreichend erklärten Verschwinden eines gefüllten Plastikmüllsacks im unmittelbaren Zusammenhang mit den Durchsuchungsmaßnahmen am 22. September 2009 erblickt wer­den könnte, reicht für die Annahme einer noch bestehenden Verdunkelungsgefahr grund­sätzlich nicht aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 112 Rdnr. 35). Die auf bestimmte Tatschen begründete Gefahr zukünftiger Verdunkelungshandlungen ist derzeit nicht ersicht­lich.“

Stimmt.