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U-Haft III: Der Haftgrund Wiederholungsgefahr, oder: Aus der EncroChat-Überwachung folgt Netzwerk

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Und dann noch einmal EncroChat – in Verbindung mit U-Haft. Das AG Flensburg nimmt im AG Flensburg, Beschl. v. 27.05.2021 – 485 Gs 527/21 131 Js 24455/20 – zur Wiederholungsgefahr i.S. von § 112 A StPO Stellung und argumentiert dabei mit den Erkenntnissen aus EncroChat.

„Es besteht auch nach wie vor auch der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112 a Abs. 1 Nummer 2 StPO. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass an die Annahme der Wiederholungsgefahr strenge Anforderungen zu stellen sind. Fehlt – wie hier – eine Vorstrafe, so darf eine Wiederholungsgefahr – namentlich in den Fällen der Nr. 2 – nur bejaht werden, wenn sonstige schwerwiegende Gründe die Wiederholung mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen (vgl. OLG Dresden, StV 2006, 534-535). Die Wiederholungsgefahr in diesem Sinne muss durch bestimmte Tatsachen begründet werden, die eine so starke Neigung des Beschuldigten zu einschlägigen Straftaten erkennen lassen, dass die Gefahr begründet ist, er werde gleichartige Taten bis zur rechtskräftigen Verurteilung in der dem Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bildenden Sache begehen. Diese Gefahrenprognose erfordert eine hohe Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung des strafbaren Verhaltens. Die die Gefahr begründende Tatsache ist – in der Regel – eine innere Neigung oder wenigstens Bereitschaft, Straftaten zu begehen. Auf diese innere Einstellung ist nach den Grundsätzen der Prognosemethodik aufgrund von (äußeren) Hilfstatsachen zu schließen. Diese Tatsachen umfassen die Vortaten und alle Lebensverhältnisse des Betroffenen, die die Prognose zulassen, es sei die Gefahr begründet, dass er weitere Straftaten begehen werde (vgl. OLG Dresden, aaO).

Diese Prognose ist hier zu stellen. Es wird zunächst auf die Ausführungen im Haftbefehl Bezug genommen. Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, eine Vielzahl von die Rechtsordnung schwerwiegenden beeinträchtigende Straftaten begangen zu haben und dabei zum Betäubungsmittelhandel mit einer Vielzahl von Personen verflochten gewesen zu sein, die auch nicht alle ermittelt oder gar inhaftiert sind, vor allem nicht die Kuriere und Zulieferer. Die ausgewerteten EncroChat-Protokolle betreffen 16 Kontakte, die nicht alle identifiziert werden konnten. Auch wenn die EncroChat-Smartphones spätestens seit Juni 2020 als Kommunikationsmittel ausgefallen sind, ändert dies nichts an der Tatsache, dass der Handel mit Betäubungsmittel im Kilobereich ein Netzwerk erfordert, das weder „aus dem Nichts“ betreten noch ohne weiteres jeder Zeit verlassen werden kann. So betrifft bereits der allererste entschlüsselte Chat vom 27.03.2021 mit dem gesondert Verfolgten M., Nutzer der EncroChat-Kennung (E-Mail) die Preise für „Gras“ im Bereich von 50-100 kg, stellt also ersichtlich keine Kommunikation von Neueinsteigern im Rauschgiftgeschäft dar, zumal A. M. wenige Tage danach, am 2.04.2020 um 14:29 Uhr anfragt, ob er sich die Waffe des Beschuldigten ausleihen könne (SB Auswertung Chatprotokolle – Reiter vilefly S. 2). Das weist deutlich auf eine längere gemeinsame Vorgeschichte und Vertrautheit hin…..“

U-Haft I: Verzögerung durch Überlastung des Gerichts, oder: Vorhersebarer Geschäftsanfall interessiert nicht

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Heute ist dann seit längerem mal wieder ein Hafttag. Den beginne ich mit dem OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.08.2021 – 1 Ws 188/21 – 1 Ws 202/21. Ergangen ist die Entscheidung im Verfahren der Haftprüfung nach den §§ 121 f. StPO – also Haftprüfung durch das OLG nach sechs Monaten.

Der Angeklagte befindet sich seit 10.02.2021 aufgrund Haftbefehls des AG vom 26.01.2021 in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Angeklagten unter dem 17.04.2021 Anklage erhoben. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 19.07.2021 die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen. Die Vorsitzende hat sieben Termine zur Hauptverhandlung ab dem 13.10.2021 bestimmt. Die geplante Durchführung der Hauptverhandlung erstreckt sich über einen Zeitraum von sieben Wochen. Zur Begründung der Terminierung hat die Vorsitzende auf die Terminslage der Kammer verwiesen und auf den auf ihre Überlastungsanzeige ergangenen Beschluss des Präsidiums des Landgerichts vom 03.05.2021 Bezug genommen.

Das OLG sagt: Aufhebung des Haftbefehls aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (§ 120 Abs. 1 StPO) , weil das in Haftsachen geltende Beschleunigungsgebot nicht hinreichend beachtet worden ist.

Ich lasse jetzt mal die allgemeinen Textbausteine des OLG weg – da wird nur bekannte Rechtsprechung des BVerfG referiert. Zur Sache führt das OLG dann nur aus:

„…. Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann insofern niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein. Vielmehr kann die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts selbst dann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht rechtfertigen, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt (BVerfGE 36, 264, 273 ff.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juli 2014 – 2 BvR 1457/14 -, juris, Rn. 23). Die Überlastung eines Gerichts fällt – anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse – in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Dem Beschuldigten darf nicht zugemutet werden, eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur rechtzeitigen verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen (BVerfGE 36, 264, 275; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juli 2014 – 2 BvR 1457/14 -, juris, Rn. 23; Beschluss des 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2017 – 2 BvR 2552/17 -, juris, Rn. 18; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2018 – 2 BvR 819/18 -, juris, Rn. 30; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Januar 2019 — 2 BvR 2429/18 —, juris, Rn. 59).

2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die beschleunigte Bearbeitung in Haftsachen genügt das Verfahren nicht.

Der Senat verkennt nicht, dass das vorliegende Verfahren tatsächlich komplex ist, so dass der damit verbundene Mehraufwand auch bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrens-und Untersuchungshaftdauer ins Gewicht fällt. Gründe, die den von dieser grundsätzlichen Anforderung abweichenden Beginn der Hauptverhandlung von fast sechs Monaten nach Anklageerhebung als gerechtfertigt erscheinen ließen, sind nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Planung der Hauptverhandlung wird, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der von dem Bundesverfassungsgericht geforderten vorausschauenden, auch größere Zeiträume umfassenden Hauptverhandlungsplanung mit mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche (vgl. BVerfG StV 2008, 198), den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht hinreichend gerecht.

Die eingetretene Verzögerung kann nicht mit der außerordentlichen Belastung der Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken gerechtfertigt werden. Die Überlastung des Gerichts ist allein der Sphäre des Gerichts und nicht der des Angeklagten zuzurechnen. Der hohe Geschäftsanfall ist nicht unvorhersehbar kurzfristig eingetreten und nicht nur von vorübergehender Dauer. Die Sicherstellung einer beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen hätte rechtzeitig durch geeignete gerichtsorganisatorische Maßnahmen der Justiz erfolgen müssen. Der auf die Überlastungsanzeige der Kammervorsitzenden ergangene Präsidiumsbeschluss vom 03.05.2021 hat die sich abzeichnende Terminierungssituation der Strafkammer nicht verbessert. Eine Hilfsstrafkammer wurde nicht eingerichtet.

Die Fortdauer der Untersuchungshaft erweist sich nach allem als nicht mehr verhältnismäßig. Ein etwaiger Ausgleich der eingetretenen Verzögerungen ist nach dem vorgelegten Termins- und Ladungsplan der Strafkammer nicht vorgesehen und auch aus anderen Gründen nicht zu erwarten, so dass der Haftbefehl wegen des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot nicht aufrecht erhalten bleiben darf.“

U-Haft II: Länge der U-Haft, oder: Auslieferungshaft und/oder Warten auf den Neubeginn der HV

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Das zweite Posting zu Haftfragen ist dann auch der Länger der U-Haft gewidmet, und zwar im Zusammenhang mit der Fortdauer der U-Haft und der sich stellenden Frage der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO). Dazu stelle ich zwei Entscheidungen vor:

Zunächst kommt hier der OLG Hamm, Beschl. v. 08.06.2021 – 3 Ws 169/21. Der Angeklagte war ins Ausland geflohen und hatte sich für einige Zeit in Senegal in Auslieferungshaft befunden. Dazu meint das OLG in seinen Leitsätzen:

1. Eine lange im Ausland erlittene Auslieferungshaft auf Grund eines Europäischen Haftbefehls aus Deutschland begründet alleine noch keine Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 2 StPO.

2. Etwaige Erschwerungen durch die Haftbedingungen im Senegal führen nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 2 StPO, wenn der Angeklagte solche Erschwerungen erst durch seine vorausgegangene Flucht nach Afrika schuldhaft verursacht hat.

Als zweite Entscheidung stelle ich dann den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.4.2021 – 3 Ws 129/21 – vor. Da lagen zwischen einer ein erstinstanzliches landgerichtlichess Urteil e aufhebenden Entscheidung des BGH im Revisionsverfahren und der geplanten neuen Hauptverhandlung nahezu 18 Monate. Das war dem OLG Karlsruhe selbst unter Berücksichtigung von Verstößen gegen Auflagen nach § 116 Abs. 4 StPO zu viel. Es hat daher den Haftbefehl aufgehoben:

„Die zulässige Beschwerde des Angeklagten ist begründet.

Zwar sind in dem Verhalten des Angeklagten durchaus beharrliche und gröbliche Zuwiderhandlungen gegen die erteilten Anweisungen im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 1 StPO zu sehen, aber der Haftbefehl ist gemäß § 120 Abs. 1 StPO aufzuheben, da der Beschleunigungsgrundsatz verletzt ist.

Untersuchungshaftsachen sind von Beginn an und während der gesamten Dauer des Strafverfahrens mit der größtmöglichen Beschleunigung zu betreiben (BVerfG, StV 2009, 479 — juris). Die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Beschleunigungsgebot gelten nicht nur für den vollstreckten Haftbefehl, sondern sind auch für einen gemäß § 116 StPO außer Vollzug gesetzten Haftbefehl von Bedeutung (BVerfG, NJW 2006, 668 — juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.12.2014, 1 Ws 293/14 — juris). Denn auch die Beschränkungen, denen der Beschuldigte bzw. Angeklagte durch Auflagen und Weisungen ausgesetzt ist, dürfen nicht länger andauern, als es nach den Umständen des Falles erforderlich ist (hierzu insgesamt: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63.Aufl., Rdn. 3 und 5 zu § 120 m. w. N.)

Zwischen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.11.2019 und der geplanten Hauptverhandlung am 18.5.2021 liegen nahezu 18 Monate. Hinreichende Gründe, die diese Verzögerung in einer Haftsache rechtfertigen würden, sind aus dem oben dargestellten Ablauf nichtersichtlich. Der Haftbefehl ist daher wegen Verstoßes gegen das in Haftsachen stets zu beachtende Beschleunigungsverbot aufzuheben.“

U-Haft I: Sechs-Monats-Haftprüfung, oder: Der Begriff „derselben Tat“

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Dann schiebe ich nach dem U-Haft-Tag gestern heute gleich noch mal „Haftentscheidungen“ nach.

Ich beginne in dem Zusammenhang mit dem BGH, Beschl. v. 02.06.2021 – AK 33/21, der im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 ergangen ist. Es geht in der Entscheidung noch einmal um den Begriff „derselben Tat“ und damit um die Voraussetzungen einer mehr als sechs Monate dauernden U-Haft.

Der BGH hat in seiner Entscheidung das Vorliegen „derselben Tat“ verneint und daher eine Haftprüfung nach §§ 121,1 22 StPO nicht durchgeführt:

„Eine Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO ist derzeit entgegen der Auffassung der Beschuldigten nicht veranlasst. Zwar befindet sie sich mittlerweile seit mehr als sechs Monaten in Untersuchungshaft. Im Hinblick auf die weiteren Vorwürfe im Haftbefehl vom 21. April 2021 ist jedoch eine neue Sechsmonatsfrist im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO in Gang gesetzt worden, deren Lauf am 18. Februar 2021 begonnen hat und deren Ablauf somit noch nicht bevorsteht.

Gemäß § 121 Abs. 1 StPO darf der Vollzug der Untersuchungshaft „wegen derselben Tat“ vor dem Erlass eines Urteils nur unter besonderen Voraussetzungen länger als sechs Monate aufrechterhalten werden. Der Begriff derselben Tat nach § 121 StPO ist mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm, die das Beschleunigungsgebot in Haftsachen durchsetzen soll, weit auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 6. April 2017 – AK 14/17, juris Rn. 6; vom 7. September 2017 – AK 42/17, NStZ-RR 2018, 10, 11; vom 16. Januar 2018 – AK 78/17, juris Rn. 11; vom 3. Februar 2021 – AK 50/20, juris Rn. 5; s. auch KK-StPO/Schultheis, 8. Aufl., § 121 Rn. 10 mwN) erfasst er alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an, zu dem sie – im Sinne eines dringenden Tatverdachts – bekannt geworden sind und in einen bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind. Somit löst es keine neue Haftprüfungsfrist gemäß § 121 Abs. 1 StPO aus, wenn vor Ablauf der Frist ein neuer Haftbefehl erlassen wird, der lediglich auf Tatvorwürfe gestützt bzw. durch sie erweitert wird, die schon bei Erlass des ersten Haftbefehls – im Sinne eines dringenden Tatverdachts – bekannt waren. Tragen dagegen die erst im Laufe der Ermittlungen bekannt gewordenen Tatvorwürfe für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls und ergeht deswegen ein neuer oder erweiterter Haftbefehl, so wird dadurch ohne Anrechnung der bisherigen Haftdauer eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt. Für den Fristbeginn ist dann der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem sich der Verdacht hinsichtlich der neuen Tatvorwürfe zu einem dringenden verdichtet hat, der neue bzw. erweiterte Haftbefehl mithin hätte erlassen werden können, nicht hingegen, wann die Staatsanwaltschaft ihn erwirkt hat. Dabei ist regelmäßig der Haftbefehl spätestens an dem auf die Beweisgewinnung folgenden Tag der veränderten Sachlage anzupassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. April 2017 – AK 14/17, juris Rn. 8; vom 25. Juli 2019 – AK 34/19, NStZ 2019, 626 Rn. 8; vom 3. Februar 2021 – AK 50/20, juris Rn. 5).

Danach hat der Haftbefehl vom 21. April 2021 eine neue Sechsmonatsfrist eröffnet, deren Lauf an dem Tag begonnen hat, an welchem ein erweiterter Haftbefehl hätte erlassen werden können. Dieser hat neue selbständige Taten zum Gegenstand, die noch nicht Gegenstand des vorangegangenen Haftbefehls waren (unten 1.), erst im Laufe der nachfolgenden Ermittlungen bekannt geworden sind (unten 2.) und für sich genommen den Haftbefehlserlass rechtfertigen (unten 3.); zu einem dringenden Tatverdacht haben sich diese Vorwürfe erst am 18. Februar 2021 verdichtet (unten 4.).“

Wegen der Einzelheiten dann bitte selbst im Volltext weiterlesen.

U-Haft I: Keine Einkaufsmöglichkeiten in der JVA?, oder: Gleiches Recht für alle

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Heute ist Montag, aber es gibt keine Corona-Entscheidungen, ist doch auch schön, oder? Dafür habe ich zwei Entscheidungen zum U-Haft-Vollzug, beide Entscheidungen im Verfahren nach § 119a StPO ergangen.

Zunächst stelle ich den LG Kiel, Beschl. v. 07.06.2021 – 5 KLs 593 Js 63612/19 – vor. Gegenstand der Entscheidung: (Unzulässige) Beschränkung des Einkaufs des Beschuldigten in der JVA. Die Strafkammer hat die Weigerung der JVA, den Beschuldigten am Einkauf teilnehmen zu lassen (nachträglich) als rechtswidrig angesehen:

„Der Angeklagte hat aufgrund der Regelung in § 18 Abs. 2 Satz 1 Untersuchungshaftvollzugsgesetz SH, wonach Untersuchungsgefangene aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot einkaufen können, einen Anspruch auf Teilnahme an dem hierfür eingerichteten Regeleinkauf der Justizvollzugsanstalt (vgl. Graf/Schatz in BeckOK, Strafvollzugsrecht Hamburg, § 25, Rn. 3). Diese rechtliche Bewertung gilt auch für die vergleichbare Regelung in Schleswig-Holstein. Der Angeklagte, gegen den die Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Neumünster vollzogen wird, befand sich aufgrund der auf den 17.5.2021 und den 19.5.2021 anberaumten Termine vom 11.5.2021 bis zum 20.5.2021 in der JVA Kiel. An dem in der Justizvollzugsanstalt Neumünster am Dienstag den 11.5.2021 durchgeführten Einkauf konnte er infolge der Verlegung nicht mehr teilnehmen. Die nächste Einkaufsmöglichkeit bestand für ihn nach der Rückverlegung in der JVA Neumünster am 25.5.2021.

Das Recht auf Einkauf stellt eine wichtige und für den Untersuchungsgefangenen häufig die einzige Möglichkeit der individuellen Lebensgestaltung dar. In welcher Weise die Anstalt ihre Verpflichtung erfüllt, für entsprechende Einkaufsmöglichkeiten zu sorgen, steht in ihrem Ermessen, das jedoch die besondere Stellung des Untersuchungsgefangenen berücksichtigen muss (Graf in BeckOK, Strafvollzugsrecht Schleswig-Holstein, §18, Rn. 4).

Entsprechend der bisherigen Praxis können Untersuchungsgefangene einmal wöchentlich ein-kaufen.

Durch diese allgemeine Praxis besteht eine Bindung der Ermessensausübung dahin, dass die. Untersuchungsgefangenen gleich zu behandeln sind und jedem von ihnen einmal wöchentlich ein Einkauf zu ermöglichen ist, sofern nicht Gründe entgegenstehen, die eine abweichende Be-handlung rechtfertigen. Dies ist hier nicht der Fall. Allein der Umstand, dass die Anstalt die Bezahlung des Einkaufs in der Weise geregelt hat, dass diese von einem bei der JVA Neumünster ein-gerichteten Konto erfolgt, rechtfertigt nicht, dem Angeklagten bei einem eine Woche überschreitenden Aufenthalt in einer anderen Justizvollzugsanstalt die Teilnahme an dem Regeleinkauf in dieser Anstalt, in die er aus nicht in seiner Person liegenden Gründen verlegt worden ist, zu versagen. Es ist nicht ersichtlich, warum es nicht mit vertretbarem Aufwand möglich sein soll, die Bezahlung des Einkaufs in derartig gelagerten Fällen bei ausreichend vorhandenen Eigenmitteln zu organisieren. Die Gestaltung der administrativen Abläufe hat sich grundsätzlich an den Ansprüchen der Gefangenen zu orientieren und kann nicht zu einem vermeidbaren Verlust des Anspruchs führen.

Im vorliegenden Fall vermag auch nicht eingewendet zu werden, dass der Angeklagte sich für den Aufenthalt in der JVA Kiel entsprechend hätte bevorraten müssen. Dies würde der Zielsetzung des Einkaufs als Möglichkeit individueller Lebensgestaltung während des Vollzuges der Untersuchungshaft entgegenstehen. Auch neu aufgetretene Bedarfe im Rahmen des angebotenen Sortiments müssen gedeckt werden können.

Soweit der Angeklagte durch seinen Verteidiger über die Beanstandung der Weigerung, ihn am Einkauf teilnehmen zu lassen, hinaus gerügt hat, die JVA Kiel habe sich geweigert, dem Ange-klagten Tabakerzeugnisse käuflich zu erwerben, ist dies nicht rechtswidrig,‘ denn er hat keinen Anspruch darauf, durch die Justizvollzugsanstalt mit Tabakerzeugnisse versorgt zu werden. Sie muss ihm lediglich die Gelegenheit geben, diese im Rahmen des Einkaufs selbst zu erwerben.“