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U-Haft I: Keine Einkaufsmöglichkeiten in der JVA?, oder: Gleiches Recht für alle

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Heute ist Montag, aber es gibt keine Corona-Entscheidungen, ist doch auch schön, oder? Dafür habe ich zwei Entscheidungen zum U-Haft-Vollzug, beide Entscheidungen im Verfahren nach § 119a StPO ergangen.

Zunächst stelle ich den LG Kiel, Beschl. v. 07.06.2021 – 5 KLs 593 Js 63612/19 – vor. Gegenstand der Entscheidung: (Unzulässige) Beschränkung des Einkaufs des Beschuldigten in der JVA. Die Strafkammer hat die Weigerung der JVA, den Beschuldigten am Einkauf teilnehmen zu lassen (nachträglich) als rechtswidrig angesehen:

„Der Angeklagte hat aufgrund der Regelung in § 18 Abs. 2 Satz 1 Untersuchungshaftvollzugsgesetz SH, wonach Untersuchungsgefangene aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot einkaufen können, einen Anspruch auf Teilnahme an dem hierfür eingerichteten Regeleinkauf der Justizvollzugsanstalt (vgl. Graf/Schatz in BeckOK, Strafvollzugsrecht Hamburg, § 25, Rn. 3). Diese rechtliche Bewertung gilt auch für die vergleichbare Regelung in Schleswig-Holstein. Der Angeklagte, gegen den die Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Neumünster vollzogen wird, befand sich aufgrund der auf den 17.5.2021 und den 19.5.2021 anberaumten Termine vom 11.5.2021 bis zum 20.5.2021 in der JVA Kiel. An dem in der Justizvollzugsanstalt Neumünster am Dienstag den 11.5.2021 durchgeführten Einkauf konnte er infolge der Verlegung nicht mehr teilnehmen. Die nächste Einkaufsmöglichkeit bestand für ihn nach der Rückverlegung in der JVA Neumünster am 25.5.2021.

Das Recht auf Einkauf stellt eine wichtige und für den Untersuchungsgefangenen häufig die einzige Möglichkeit der individuellen Lebensgestaltung dar. In welcher Weise die Anstalt ihre Verpflichtung erfüllt, für entsprechende Einkaufsmöglichkeiten zu sorgen, steht in ihrem Ermessen, das jedoch die besondere Stellung des Untersuchungsgefangenen berücksichtigen muss (Graf in BeckOK, Strafvollzugsrecht Schleswig-Holstein, §18, Rn. 4).

Entsprechend der bisherigen Praxis können Untersuchungsgefangene einmal wöchentlich ein-kaufen.

Durch diese allgemeine Praxis besteht eine Bindung der Ermessensausübung dahin, dass die. Untersuchungsgefangenen gleich zu behandeln sind und jedem von ihnen einmal wöchentlich ein Einkauf zu ermöglichen ist, sofern nicht Gründe entgegenstehen, die eine abweichende Be-handlung rechtfertigen. Dies ist hier nicht der Fall. Allein der Umstand, dass die Anstalt die Bezahlung des Einkaufs in der Weise geregelt hat, dass diese von einem bei der JVA Neumünster ein-gerichteten Konto erfolgt, rechtfertigt nicht, dem Angeklagten bei einem eine Woche überschreitenden Aufenthalt in einer anderen Justizvollzugsanstalt die Teilnahme an dem Regeleinkauf in dieser Anstalt, in die er aus nicht in seiner Person liegenden Gründen verlegt worden ist, zu versagen. Es ist nicht ersichtlich, warum es nicht mit vertretbarem Aufwand möglich sein soll, die Bezahlung des Einkaufs in derartig gelagerten Fällen bei ausreichend vorhandenen Eigenmitteln zu organisieren. Die Gestaltung der administrativen Abläufe hat sich grundsätzlich an den Ansprüchen der Gefangenen zu orientieren und kann nicht zu einem vermeidbaren Verlust des Anspruchs führen.

Im vorliegenden Fall vermag auch nicht eingewendet zu werden, dass der Angeklagte sich für den Aufenthalt in der JVA Kiel entsprechend hätte bevorraten müssen. Dies würde der Zielsetzung des Einkaufs als Möglichkeit individueller Lebensgestaltung während des Vollzuges der Untersuchungshaft entgegenstehen. Auch neu aufgetretene Bedarfe im Rahmen des angebotenen Sortiments müssen gedeckt werden können.

Soweit der Angeklagte durch seinen Verteidiger über die Beanstandung der Weigerung, ihn am Einkauf teilnehmen zu lassen, hinaus gerügt hat, die JVA Kiel habe sich geweigert, dem Ange-klagten Tabakerzeugnisse käuflich zu erwerben, ist dies nicht rechtswidrig,‘ denn er hat keinen Anspruch darauf, durch die Justizvollzugsanstalt mit Tabakerzeugnisse versorgt zu werden. Sie muss ihm lediglich die Gelegenheit geben, diese im Rahmen des Einkaufs selbst zu erwerben.“